Kalewala, das National-Epos der Finnen/Zwanzigste Rune

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aus: Kalewala, das National-Epos der Finnen
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[112]
Zwanzigste Rune.


     Welche Weisen sollen wir nun,
Welche Lieder wir jetzt singen?
Laßt uns diese Weisen singen,
Diese Lieder jetzt beginnen:
Von dem Schmause in Pohjola,
Von dem fernen Trinkgelage.
     Lange rüstet man zur Hochzeit,
Lang’ bereitet man die Sachen
In Pohjola’s großen Stuben,

10
In den Häusern Sariola’s.

     Was wohl wurde hingeschaffet,
Was wohl dorten hingetragen
Zu des Nordens langem Schmause,
Zu der Schaaren Trinkgelage,
Zu der Sättigung der Leute,
Zu des großen Schwarms Bewirthung?
     Wuchs ein Ochse in Karelen,
War ein fetter Stier in Suomi,
War nicht groß, nicht von den kleinen,

20
War ein Kalb gehör’ger Größe:

Bei den Jämen mit dem Schweife,
Mit dem Kopfe bei dem Kemi,
Hundert Klafter lang die Hörner,
Hundert fünfzig breit am Maule,
Eine Woche sprang ein Wiesel
Längs dem Weidenband am Halse,
Einen Tag lang flog die Schwalbe
In dem Zwischenraum der Hörner,
Eilt’ mit Mühe zu dem Ziele,

30
Ohne in der Mitt’ zu ruhen,

Einen Monat lief das Eichhorn
Von der Schulter bis zum Schweife,
Konnte zu der Spitz’ nicht kommen,
Eh’ der Monat noch verflossen.
     Dieses Kalb gewalt’ger Größe,
Dieser starke Stier Suomi’s
Ward geleitet aus Karelen
Zu des Nordlands Flurengränzen,
Hundert Männer an den Hörnern,

40
Tausend hielten an dem Maule,

Als den Stier sie weiter führten,
     Nach dem Nordland hin ihn schafften.
     Vorwärts schritt der Stier des Weges
An dem Sunde Sariola’s,
Frißt das Gras an Sumpfesquellen,
An die Wolken streift der Rücken,
War ein Schlächter nicht zu finden,
Keiner, der den Ochsen fällte,
Aus der Zahl der Nordlandssöhne,

50
In der Schaar des großen Volkes,

In dem steigenden Geschlechte,
In der Schaar der Altgewordnen.
     Kam ein Alter aus der Fremde,
Wirokannas aus Karelen,
Redet Worte solcher Weise:
„Warte, warte, armer Ochse,
Wenn ich mit der Keule komme,
Wenn ich mit dem Kolben haue
Auf den Schädel dir, o Armer,

60
Wirst du nicht im nächsten Sommer,

Nicht dein Maul mehr wenden können,
Mit der Schnauze nicht mehr stoßen
An den Rand von diesem Felde,
An der Mündung dieses Sundes!“
     Ging der Alte um zu hauen,
Wirokannas an die Arbeit,
Palwoinen nun an das Schlachten;
Seinen Kopf bewegt der Ochse
Und verdreht die schwarzen Augen,

70
Auf die Fichte springt der Alte,

In’s Gebüsch rasch Wirokannas,
Auf die Weiden los Palwoinen.
     Emsig sucht man einen Metzger,
Der den Stier wohl schlachten könnte
Aus dem Lande der Karelen,
Aus Suomi’s großen Räumen,
Aus dem stillen Land der Russen,
Aus dem kühnen Land der Schweden,
Von der Lappen breiten Gränzen,

80
Aus dem Zauberland von Turja,
[113]

Sucht ihn aus dem Todtenreiche,
Aus Manala’s niederm Lande,
Suchte wohl und konnt’ nichts finden,
Forschte lange, doch vergebens.
     Emsig suchte man den Metzger,
Forscht man nach dem Schlächter weiter
Auf des Meeres klarem Rücken,
Auf den ausgedehnten Fluthen.
     Stieg ein Mann nun aus dem Meere,

90
Stieg ein Held dort aus den Fluthen,

Aus dem klaren Meeresrücken,
Aus den weitgedehnten Ebnen,
Nicht gehört er zu den größten,
Keineswegs auch zu den kleinsten:
Schlafen konnt’ er in der Schale,
Stehen unter einem Siebe.
     War ein Alter, eisenfäustig,
Eisenfarbig anzuschauen,
Auf dem Kopf ein Felsenhütlein,

100
Felsenschuhe an den Füßen,

In der Hand ein goldnes Messer,
Kupfern war der Schaft des Messers.
     Also fand nun seinen Schlächter,
Fand nun endlich seinen Tödter,
Seinen Mörder Suomi’s Ochse,
Dieses Wunderthier den Metzger.
     Kaum erblickt er seine Beute,
Stürzt er auf des Stieres Nacken,
Drückt den Stier er auf die Kniee,

110
Drückt er ihn zur Erde nieder.

     War es viel, was man erlangte?
Nicht gar viel ward dort erlanget;
Hundert Zuber nur mit Fleische,
Hundert Klafter bracht’ man Würste,
Sieben Bootvoll von dem Blute,
Von dem Fette sechs der Tonnen
Zu dem Schmause von Pohjola,
Zum Gelage Sariola’s.
     Eine Stube war im Nordland,

120
Eine breite, große Stube,

Hatte neun der Klafter Länge,
In die Breite sieben Klafter,
Kräht ein Hahn auf ihrem Dache,
Hört man unten nicht die Stimme,
Bellt ein Hündlein in dem Grunde,
Hört man’s schwerlich bis zur Thüre.
     Drauf bewegt Pohjola’s Wirthin
Dort sich auf des Bodens Fugen,
Gar geschäftig in der Mitte,

130
Dachte nach und überlegte:

„Woher soll ich Bier bekommen,
Wie den Trank geschickt bereiten
Bei der Rüstung zu der Hochzeit,
Bei des Schmauses Zubereitung?
Nicht versteh’ ich es zu brauen,
Kenne nicht des Biers Entstehung.“
     War ein Alter auf dem Ofen,
Sprach der Alte von dem Ofen:
„Bier entstehet aus der Gerste,

140
Aus dem Hopfen gut Getränke,

Doch entsteht’s nicht ohne Wasser,
Ohne Kraft des wilden Feuers.“
     „Hopfen war ein Sohn des Rauschers,
Klein schon ward er in die Erde,
In den Boden er gepflanzet,
Ward als böse Schlang’ geworfen
Zu dem Rand des Kalewbrunnens,
Zu dem Saum des Osmofeldes;
Dorten wuchs der junge Schößling,

150
Dort erhob das grüne Reislein

Sich zu einem kleinen Baume,
Eilte grade zu dem Wipfel.“
     „Gerste sä’t des Glückes Alter
An die Spitz’ des Osmofeldes,
Schön gedieh daselbst die Gerste,
Wuchs gar herrlich in die Höhe
An des Osmofeldes Spitze,
Auf des Kalewsohnes Acker.“
     „Wenig Zeit war hingegangen,

160
Von dem Baume summt der Hopfen,

Von dem Felde spricht die Gerste,
Aus dem Kalewbrunn das Wasser:
„„Wann wohl kommen wir zusammen,
Kommt das eine zu dem andern?

[114]

Traurig ist’s allein zu leben,
Schöner zwei und drei zusammen.““
     „Osmotar, die Bier bereitet,
Die das schöne Dünnbier brauet,
Nimmt nun Körner von der Gerste,

170
Fasset sechs der Gerstenkörner,

Greifet sieben Hopfenspitzen,
Schöpfet Wasser acht der Löffel,
Setzt den Grapen auf das Feuer,
Läßt die Masse dorten sieden,
Braute Bier so aus der Gerste
In des Sommers heißen Tagen
An der nebelreichen Landzung’,
Auf dem waldbedeckten Eiland
Auf dem Boden neuer Fäßer,

180
In dem Raum von Birkenzubern.“

     „Hatte nun das Bier gebrauet,
Bracht’ jedoch es nicht in Gährung,
Dachte nach und überlegte,
Redet Worte solcher Weise:
„Was soll ich hieher nun bringen,
Was zu dieser Masse schaffen,
Daß das Bier in Gährung komme,
Daß das Dünnbier gut gerathe?“
     „Kalewatar, eine Jungfrau,

190
Wunderschön mit ihren Fingern,

Die gar rasch sich stets beweget,
Die beständig leichtbeschuhte,
Rührt sich auf des Bodens Fugen,
Schwingt sich auf des Bodens Mitte,
Schafft das eine, schafft das andre
In der beiden Kessel Mitte,
Siehet einen Splitter liegen,
Hebt den Splitter von dem Boden.“
     „Dreht’ und wendete den Splitter:

200
„„Was wohl könnte daraus werden

In der schönen Jungfrau Händen,
In des guten Mädchens Fingern,
Wenn ich ihn in Kapo’s Hände,
Zu der Jungfrau Fingern bringe?““
     „Trug ihn in die Hände Kapo’s,
Zu der schönen Jungfrau Fingern,
Kapo reibet ihre Hände,
Reibet ihre beiden Hände
An den beiden Oberschenkeln,

210
Es entstand ein weißes Eichhorn.“

     „Also rathet sie dem Sohne,
Giebt dem Eichhorn diese Weisung:
„„Eichhorn, du, das Gold der Höhen,
Hügelblume, Landesfreude,
Laufe hin, wohin ich schicke,
Ich dich schicke und dich sende:
Nach dem lieblichen Metsola,
Nach dem klugen Tapiola,
Steige auf die kleine Bäume,

220
Klüglich auf die Hürdengipfel,

Daß dich nicht der Adler packe,
Nicht des Himmels Vogel greife,
Bringe Zapfen von der Fichte,
Von der Tanne schmale Fasern,
Bringe sie in Kapo’s Hände,
Zu dem Bier der Osmotochter!““
     „Rasch enteilt das muntre Eichhorn,
Wirbelt fort der flinke Breitschweif,
Läuft gar schnell durch lange Wege,

230
Schreitet rasch durch weite Räume,

Durch der Wälder Läng’ und Breite,
Springet drittens in die Quere
Nach dem lieblichen Metsola,
Nach dem klugen Tapiola.“
     „Schauet drei der Waldesfichten,
Vier der kleinen Tannenbäume,
Hebt sich zu der Ficht’ im Thale,
Zu der Tanne auf der Fläche,
Ward vom Adler nicht gepacket,

240
Nicht vom stolzen Himmelsvogel.“

     „Brach nun Zapfen von der Fichte,
Spitzen von den Tannenästen,
Birgt die Zapfen in den Klauen,
Wickelt sie in seine Pfoten,
Trug sie in die Hände Kapo’s,
Zu der schönen Jungfrau Fingern.“
     „Kapo legte sie zum Dünnbier,
Osmotar legt sie zum Biere,

[115]

Nicht geräth das Bier in Gährung,

250
Nicht will sich der Trank erheben.“

     „Osmotar, die Bier bereitet,
Kapo, die das Dünnbier brauet,
Dacht’ beständig nach und dachte:
„„Was soll ich dazu noch bringen,
Daß das Bier in Gährung komme,
Daß das Dünnbier gut gerathe?““
     „Kalewatar, diese Jungfrau,
Wunderschön mit ihren Fingern,
Die gar rasch sich stets beweget,

260
Die beständig leichtbeschuhte,

Rührt sich auf des Bodens Fugen,
Schwingt sich auf des Bodens Mitte,
Schafft das eine, schafft das andre
In der beiden Kessel Mitte,
Sieht ein Spänchen auf dem Boden,
Hebt das Spänchen auf vom Boden.“
     „Dreht’ und wendete das Spänchen:
„„Was wohl könnte daraus werden
In der schönen Kapo Händen,

270
In der guten Jungfrau Fingern,

Wenn ich’s in die Hände Kapo’s,
Zu der Jungfrau Fingern bringe?““
     „Trug es in die Hände Kapo’s,
Zu der guten Jungfrau Fingern,
Kapo reibet ihre Hände,
Reibet ihre beiden Hände
An den beiden Oberschenkeln,
Es entsteht ein Goldbrustmarder.“
     „Also rathet sie dem Marder,

280
Giebt dem Sohne solche Weisung:

„„Du, mein Marder, du, mein Vöglein,
Du, mein Schöner mit dem Geldfell,
Gehe hin, wohin ich schicke,
Ich dich schicke und entsende:
Zu des Bären Felsengrotten,
Zu des Brummers Waldeshöhlen,
Wo die Bären sich bekämpfen,
Dort ein hartes Leben führen,
Sammle Hefen mit den Füßen,

290
Schöpfe Schaum mit deinen Pfoten,

Bring’ ihn in die Hände Kapo’s,
Zu der Osmotochter Schultern!““
     „Schon verstand den Lauf der Marder,
Eilte fort mit goldnem Bauche,
Lief geschwind die langen Wege,
Schreitet rasch durch weite Strecken,
Durch der Flüsse Läng’ und Breite,
Springet durch der Flüsse Quere
Zu des Bären Felsenhöhlen,

300
Zu des Brummers Steinesgrotten,

Wo die Bären sich bekämpfen,
Sie ein hartes Leben führen
In den Felsen voller Eisen,
In den stahlgefüllten Bergen.“
     „Schaum entrann dem Maul des Bären,
Hefen aus dem grausen Rachen,
Faßt den Schaum mit seinem Pfoten,
Sammelt mit den Klauen Hefen,
Bringt ihn in die Hände Kapo’s,

310
Zu der schönen Jungfrau Fingern.“

     „Osmotar legt ihn zum Biere,
Kapo legt ihn zu dem Dünnbier,
Nicht geräth das Bier in Gährung,
Sprudelt nicht der Trank der Männer.“
     „Osmotar, die Bier bereitet,
Kapo, die das Dünnbier brauet,
Dacht’ beständig nach und dachte:
„„Was soll ich dazu noch holen,
Daß das Bier in Gährung komme,

320
Daß das Dünnbier gut gerathe?““

     „Kalewatar, diese Jungfrau,
Wunderschön mit ihren Fingern,
Die gar rasch sich stets beweget,
Die beständig leichtbeschuhte,
Rührt sich auf des Bodens Fugen,
Schwingt sich auf des Bodens Mitte,
Schafft das eine, schafft das andre
In der beiden Kessel Mitte,
Sieht ein Schötlein auf dem Boden,

330
Hebt das Schötlein auf vom Boden.“

     „Dreht’ und wendete das Schötlein:
„„Was wohl könnte daraus werden

[116]

In der schönen Kapo Händen,
In der guten Jungfrau Fingern,
Wenn ich’s in die Hände Kapo’s,
Zu der guten Jungfrau bringe?““
     „Trug es in die Hände Kapo’s,
Zu der guten Jungfrau Fingern,
Kapo reibet ihre Hände,

340
Drückt zusammen beide Hände

An den beiden Oberschenkeln,
Es entsteht daraus ein Bienchen.“
     „Also rathet sie dem Vöglein,
Giebt dem Bienchen diese Weisung:
„„Bienchen, du, o flinkes Vöglein,
König du der Wiesenblumen,
Fliege hin, wohin ich schicke,
Ich dich schicke und entsende:
Zu den Inseln auf dem Meere,

350
Zu den Klippen in den Fluthen,

Wo ein Mädchen eingeschlafen,
Ihr entrollt der Kupfergürtel,
An den Seiten Gras voll Honig,
Süßes Kraut an ihrem Saume,
Bring’ den Seim mit deinen Flügeln,
Bring’ in deiner Hülle Honig,
Aus den schönen Kräuterkronen,
Aus den goldnen Blumenkelchen,
Bring’ ihn in die Hände Kapo’s,

360
Zu der Osmotochter Schultern!““

     „Bienchen nun das flinke Vöglein
Flieget schon und eilt geschwinde,
Flieget rasch die langen Wege,
Kürzet bald die weiten Strecken
Durch der Meere Läng’ und Breite,
Flieget drittens in die Quere
Nach den Inseln auf dem Meere,
Nach den Klippen in den Fluthen,
Sieht daselbst die Jungfrau schlummern,

370
Sieht die zinngeschmückte liegen

Auf der namenlosen Wiese,
An dem Rand des Honigfeldes,
An den Hüften goldne Kräuter,
An dem Gürtel Silbergräser.“
     Taucht die Flügel in den Honig,
Taucht die Federn in die Süße
Von den schönen Kräuterkronen,
Von den goldnen Blumenspitzen,
Trug ihn in die Hände Kapo’s,

380
Zu der schönen Jungfrau Fingern.“

     „“Osmotar that ihn zum Biere,
Kapo legte ihn zum Dünnbier,
Endlich kam das Bier in Gährung,
Stieg der junge Trank nach oben
Auf des neuen Fasses Boden,
In dem Raum des Birkenzubers,
Schäumte auf bis an die Griffe,
Floß da über alle Ränder,
Wollte auf die Erde rieseln,

390
Wollt’ sich auf den Boden senken.“

     „Wenig Zeit war hingegangen,
Kaum ein Augenblick verflossen,
Stürzten zu dem Trank die Helden,
Vor den andern Lemminkäinen,
Trunken wurde Ahti Kauko,
Trunken ward der muntre Bursche
Von dem Bier der Osmotochter,
Von der Kalewtochter Dünnbier.“
     „Osmotar, die Bier bereitet,

400
Kapo, die das Dünnbier brauet,

Redet Worte solcher Weise:
„„Weh mir Armen ob des Lebens,
Daß das Bier ich schlecht gestellet,
Es nicht ordentlich gelagert,
Daß es aus dem Zuber fließen,
Auf den Boden fluthen mußte.““
     „Von dem Baume sang der Rothschwanz,
Von dem Dache her die Drossel:
„„Ist durchaus kein schlecht Getränke,

410
Ist fürwahr ein gut Getränke

In die Tonnen einzufüllen,
In die Keller fortzuschaffen
In den festen Eichentonnen,
Die mit Kupfer gut bereifet.““
     „Also war des Biers Entstehung,
War des Kalewdünnbiers Ursprung,

[117]

Daher hat es guten Namen,
Daher ist’s von gutem Rufe,
Da es wahrlich gut geartet,

420
Braven Männern gut zu trinken,

Weiber bald zum Lachen bringet,
Männern gute Laune spendet,
Brave Männer sehr erfreuet,
Thoren nur zu Streichen treibet.“
     Als die Wirthin von Pohjola
So des Bieres Ursprung hörte,
Sammelt’ Wasser sie im Zuber,
Bis zur Hälfte des Gefäßes,
Legte Gerste zur Genüge

430
Und hinein viel Hopfenköpfe;

Fing das Bier dann an zu brauen,
Und das Wasser umzurühren
Auf des neuen Fasses Boden,
In dem Raum des Birkenzubers.
     Mondelang heizt man die Steine,
Kochet Sommerlang das Wasser,
Brauchte Holz von ganzen Hainen,
Ganze Brunnen voll von Wasser;
Lichter werden so die Haine

440
Und der Quellen Wasser schwindet,

Da zum Biere es verwendet,
Zu dem Dünnbier ward getragen
Zu des Nordens großem Schmause,
Zum Gelag des guten Haufens.
     Rauch erhebt sich auf dem Eiland,
Feuer auf der Landzung’ Ende,
Dick erhob des Rauches Masse,
Dick der Dampf sich in die Lüfte
Von dem Sitz des wilden Feuers,

450
Aus den weitgedehnten Flammen,

Füllt des Nordlands halbe Strecke,
Ganz die Heimath der Karelen.
     Alles Volk blickt auf zum Himmel,
Blickt gar ängstlich in die Höhe:
„Woher mag der Rauch wohl kommen,
Mag der Dampf zum Himmel steigen?
Ist zu klein für Kriegesfeuer,
Ist zu groß für Hirtenfeuer.“
     Lemminkäinen’s alte Mutter

460
Ging am Morgen in der Frühe

Wasser aus dem Quell’ zu holen,
Sah des Rauches dicke Masse
In der Gegend von dem Nordland,
Redet Worte solcher Weise:
„Ist wohl Rauch vom Kriegesfeuer,
Von den Flammen großer Feindschaft.“
     Selbst der Inselländer Ahti,
Er, der schöne Kaukomieli,
Blicket um sich in die Runde,

470
Dachte nach und überlegte:

„Möchte wohl es näher sehen,
In der Nähe es betrachten,
Wo der Rauch den Ursprung habe
Und der Dampf die Luft erfülle,
Ob es Rauch vom Kriegesfeuer,
Von den Flammen großer Feindschaft.“
     Kauko blicket scharfen Auges
Auf den Ort der Rauchesmasse,
War nicht Feuer eines Krieges,

480
Flammen nicht von großer Feindschaft,

War das Feuer von dem Biere,
Flammen von dem Dünnbierbrauen
An dem Sunde Sariola’s,
An der Klippenbucht der Landzung’.
     Fleißig blickte Kauko dorthin,
Drehte schief das eine Auge,
Schielte mit dem andern Auge
Und verzog den Mund allmähliq;
Redet bei dem letzten Blicke,

490
Spricht vom Sunde her die Worte:

„O geliebte Schwiegermutter,
Nordlands wohlgesinnte Wirthin!
Braue Bier von rechter Güte,
Mache Dünnbier, das was tauget,
Als Getränk dem großen Haufen
Und zumal den Lemminkäinen
Bei dem eignen Hochzeitsfeste
Mit der vielgeliebten Tochter!“
     Fertig war das Bier geworden,

500
War der Männer Trank bereitet,
[118]

Ward das rothe Bier gelagert,
Ward das Dünnbier fortgeführet
In der Erde nun zu schlafen,
In dem festen Felsenkeller,
In den festen Eichenfässern,
Hinter kupferreichen Zapfen.
     Fertig ließ Pohjola’s Wirthin
Darauf alle Speisen kochen,
Ließ die Kessel alle brausen,

510
Ließ die Pfannen alle zischen,

Backte darauf große Bröte,
Klopfte große Massen Breies
Zu des guten Volkes Nahrung,
Zu des großen Haufens Speisung
Bei des Nordens langem Schmause,
Beim Gelage Sariola’s.
     Fertig backte sie die Bröte,
Klopfte fertig bald die Breie,
Wenig Zeit war hingegangen,

520
Kaum ein Augenblick verflossen,

Als das Bier im Fasse klopfte,
Dünnbier in dem Keller rauschte:
„Mag man kommen mich zu trinken,
Komme man mich auszuschlürfen,
Daß mit Ehren man mich rühme,
Mich nach rechter Art besinge.“
     Ward gesucht nach einem Sänger,
Einem wohlerfahrnen Sänger,
Der gehörig preisen könnte

530
Und gar schöne Lieder singen;

Einen Lachs bringt man als Sänger,
Einen Hecht um gut zu singen,
Singen ist nicht Lachses Sache,
Hechte können nimmer singen,
Lachse haben schiefe Kiefer,
Hechte weitgespreizte Zähne.
     Ward gesucht nach einem Sänger,
Einem wohlerfahrnen Sänger,
Der gehörig singen könnte,

540
Schöne Lieder tönen ließe;

Einen Knaben bracht’ zum Singen,
Brachte man als Sänger jetzo,
Singen ist nicht Knabensache,
Nicht des speichelreichen Kindes,
Kinder haben krumme Zungen,
Zungen mit gebogner Wurzel.
     Hitzig ward das Bier im Fasse,
Heftig fluchte das Getränke
In den festen Eichenfässern,

550
Hinter kupferreichen Zapfen:

„Schaffet ihr nicht einen Sänger,
Einen wohlerfahrnen Sänger,
Der gehörig singen könnte,
Schöne Lieder tönen ließe,
Schlage ich durch alle Reifen,
Werde ich den Boden sprengen.“
     Darauf ließ Pohjola’s Wirthin
Überall zur Hochzeit laden,
Sandte Boten um zu bitten,

560
Redet selber diese Worte:

„O mein liebes, kleines Mädchen,
Dienerin, die mir gehöret!
Ruf’ die Leute nun zusammen,
Zum Gelag’ die Männerschaaren,
Bitte Arme, bitte Dürft’ge,
Bitte Blinde, Mühbeladne,
Bitte Lahme, bitte Krüppel,
Bring’ die Blinden du in Böten,
Bring’ zu Rosse her die Lahmen,

570
Schlepp’ die Krüppel her im Schlitten!“

     „Lade ein das ganze Nordvolk,
Lade ein das Volk Kalewa’s,
Bitt’ den alten Wäinämöinen,
Daß er hieselbst kunstvoll singe,
Bitte nur nicht Kaukomieli,
Nicht den Inselländer Ahti!“
     Antwort giebt das kleine Mädchen,
Redet Worte solcher Weise:
„Warum soll ich Kaukomieli,

580
Soll den Ahti ich nicht bitten?“

     Darauf giebt des Nordlands Wirthin
Diese Worte ihr zur Antwort:
„Deshalb sollst den Kaukomieli,
Sollst den Ahti du nicht bitten,

[119]

Weil er stets zum Streit geneiget
Und ein Prügler voller Hitze,
Übet Frevel auf der Hochzeit,
Schaden stiftet er beim Schmause,
Lachet über keusche Mädchen

590
In den schönen Festgewändern.“

     Antwort giebt das kleine Mädchen,
Redet Worte solcher Weise:
„Wie erkenn’ ich Kaukomieli,
Daß ich ihn nicht hieher bitte,
Kenn’ ja nicht des Ahti Wohnung,
Nicht die Heimath Kaukomieli’s.“
     Sprach die Wirthin von Pohjola,
Redet selber diese Worte:
„Leicht erkennst du Kaukomieli,

600
Leicht den Inselländern Ahti,

Ahti wohnet auf der Insel,
An dem Wasser er, der muntre,
An des breiten Busens Seite,
An der Kaukospitze Biegung.“
     Darauf trug das kleine Mädchen,
Trug die gutgelohnte Dirne
Diese Ladung hin zu sechsen,
Brachte sie zu acht der Leute,
Lud das ganze Volk des Nordlands,

610
Bat das ganze Volk Kalewa’s,

Ladet selbst die Heimatharmen,
Tagelöhner schmalgekleidet,
Nur den einz’gen Lemminkäinen,
Ahti ließ sie ungeladen.