Kalewala, das National-Epos der Finnen/Neunundzwanzigste Rune
Lemminkäinen voller Frohsinn,
Selbst der schöne Kaukomieli
Nimmt in seinen Sack nun Wegkost,
In die Schachtel Sommerbutter,
Auf ein Jahr zum Essen Butter,
Schweinefleisch nimmt er für’s zweite;
Ging nun um sich zu verbergen,
Ging und eilte gar behende,
Redet’ Worte solcher Weise:
Auf die Zeit von dreien Sommern,
In dem Lauf von fünf der Jahre,
Lass’ das Land von Schlangen fressen,
Lass’ im Hain die Luchse ruhen,
Aus dem Feld die Elennthiere,
Auf der Flur die Gänse schreiten.“
„Lebe wohl, o gute Mutter!
Wenn das Volk des Nordens kommet,
Aus dem Düsterland der Haufen,
Sage, daß ich fortgegangen,
Daß von hier ich mich begeben,
Als ich jenes Land geschwendet,
Welches jetzo abgeerntet.“
Zog das Boot dann in das Wasser,
In die Fluthen seinen Nachen
Von den stahlbeschlagnen Rollen,
Von den kupferreichen Walzen,
Ziehet auf den Mast die Segel,
Setzt sich selber an das Ende,
Schickt sich an das Boot zu lenken,
Stützt sich auf den Vordersteven,
Setzt sich an dem Steuerruder.
Redet Wort solcher Weise,
Läßt sich selber also hören:
„Wehe, Wind, in meine Segel,
Treibe, Luft, des Bootes Körper,
Laß den Nachen du nun eilen,
Zu dem Eiland ohne Namen,
Zu der namenlosen Landzung’!“
Wiegt der Wind den schönen Nachen,
Treibet ihn des Meeres Brandung
Auf des Wassers klarem Rücken,
Auf den weitgedehnten Öden;
Wiegt ihn dorten zwei der Monde,
Wiegt ihn noch im dritten Monde.
Saßen Mädchen auf der Landzung’,
Wandten sich nach allen Seiten,
Kopf und Augen nach dem Meere,
Eine wartet’ auf den Bruder,
Harrte, deß der Vater käme,
Doch vor allen andern harret
Die den Bräutigam erwartet.
Schon von ferne sahn sie Kauko,
Früher noch des Kauko Fahrzeug,
War gleich einer Hängewolke
Also denken da die Mädchen,
Reden so des Eilands Jungfraun:
„Was ist auf dem Meere Fremdes,
Was für Neues auf den Fluthen?
Bist du eins von unsern Schiffen,
Bist ein Boot du von dem Eiland,
Kehre du gerad’ nach Hause,
Zu des Eilands Stapelplatze,
Daß die Rede wir vernehmen,
Ob das Strandvolk nun in Frieden,
Oder ob’s im Kampfe lebet!“
Vorwärts trieb der Wind das Schifflein,
Wiegten ihm sein Boot die Wogen,
Schnell stößt darauf Lemminkäinen
Nun den Nachen an die Klippen,
Treibt zur Inselspitz’ sein Schifflein,
Zu des Eilands scharfer Kante.
Sprach, als er dorthin gekommen,
„Giebt es Platz wohl auf der Insel,
Land wohl auf des Eilands Fluren,
Daß das Boot an’s Land ich ziehe,
Auf das Trockne es dann stürze?“
Sprachen so des Eilands Jungfraun,
Antwort gaben so die Mädchen:
„Ist wohl Platz hier auf der Insel,
Land hier auf des Eilands Fluren,
Daß das Boot an’s Land du ziehest,
Rollen sind hier in Bereitschaft,
Angefüllt der Strand mit Walzen,
Hättest du auch hundert Böte,
Kämst du auch mit tausend Nachen.“
Darauf zog nun Lemminkäinen
An das Land sein Boot der Muntre,
Auf die Rollen seinen Nachen,
Redet selber diese Worte:
„Giebt es Platz wohl auf der Insel,
Einen kleinen Mann zu bergen,
Einen von geringen Kräften
Vor dem großen Kampfgetöse,
Vor dem lauten Spiel der Schwerter?“
Sprachen so des Eilands Jungfraun,
Antwort gaben so die Mädchen:
„Giebt wohl Platz auf dieser Insel,
Land hier auf des Eilands Fluren,
Einen kleinen Mann zu bergen,
Haben hier gar viele Schlösser,
Haben hier gar schöne Höfe,
Kämen auch ein Hundert Helden,
Selbst ein Tausend starker Männer.“
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Redet’ Worte dieser Weise:
„Giebt es Platz wohl auf dem Eiland,
Land wohl auf der Insel Fluren,
Von dem Birkenwald ein Stückchen
Wo den Wald ich fällen könnte,
Wo ich ordentlich ihn schwenden?“
Sprachen da des Eilands Jungfraun,
Antwort gaben so die Mädchen:
„Giebt kein Plätzchen auf dem Eiland,
Land nicht auf der Insel Fluren,
Wo dein Rücken ruhen könnte,
Land nicht von des Scheffels Größe,
Wo den Wald du fällen könntest,
Alles Land ist schon vertheilet,
Jedes Feld schon zugemessen,
Schon verlooset ist die Waldung,
Alle Wiesen haben Herren.“
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Fragt’ der schöne Kaukomieli:
„Giebt es Platz wohl auf der Insel,
Raum wohl auf des Eilands Fluren,
Wo ich meine Lieder singen,
Worte schmelzen mir im Munde,
Keimen mir aus meinem Zahnfleisch.“
Sprachen so des Eilands Jungfraun,
Antwort gaben so die Mädchen:
„Giebt wohl Platz hier auf der Insel,
Land hier auf des Eilands Fluren,
Wo du deine Lieder singen,
Guten Sang erheben könntest,
Wo du in dem Haine spielen,
Drauf begann nun Lemminkäinen,
Er, der Muntre, frisch zu singen,
Ließ im Hofe Ebereschen,
Eichen auf der Flur entstehen,
Ebne Zweige an den Eichen,
Eicheln drauf an jedem Zweige,
An den Eicheln goldne Rollen,
Einen Kuckuck an der Rolle:
Wenn der Kuckuck rufen wollte,
Floß das Kupfer von den Seiten,
Kam herabgerauscht das Silber
Zu den goldbedeckten Hügeln,
Zu den silberreichen Bergen.
Ferner sang noch Lemminkäinen,
Sang er noch und zaubert’ ferner
Bloßen Sand zu schönen Perlen,
Steine, daß sie ganz erglänzten,
Bäume, daß sie roth sich färbten,
Ferner sang noch Lemminkäinen,
Zaubert’ einen Born im Hofe,
Auf ihn einen goldnen Deckel,
Auf den Deckel einen Schöpfkrug,
Daß die Bursche Wasser tränken,
Daß die Maid die Augen wüsche.
Singet Teiche auf die Fluren,
Blaue Enten in die Teiche
Goldenwangig, silberköpfig,
Staunen da des Eilands Jungfraun,
Wundern sich der Insel Mädchen
Ob des Sangs von Lemminkäinen,
Ob der Zauberkraft des Helden.
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Sänge wohl ein schönes Liedlein,
Würde schönen Sang erheben,
Wär’ ich unter einem Dache,
Wenn nicht eine Stube da ist,
Wenn ich nicht auf Brettern stehe,
Werf’ ich meine Sprüch’ zum Haine,
Meine Lieder ich zum Walde.“
Sprachen so des Eilands Jungfraun,
Meinten so der Insel Mädchen:
„Haben Stuben zum Betreten,
Schöne Höfe dort zu weilen,
Aus der Kält’ das Lied zu führen
Darauf singet Lemminkäinen,
Als zur Stube er gekommen,
Zauberte zum Vorschein Krüge
Auf des langen Tisches Kante,
Krüge, die mit Bier gefüllet,
Kannen mit dem Honigtranke,
Schüsseln, die gar schwer belastet,
Schaalen die gefüllt bis oben;
Bier genug war in den Krügen,
Butter dort in großem Vorrath,
Schweinefleisch genug vorhanden
Zu der Speisung Lemminkäinen’s,
Zur Befried’gung Kaukomieli’s.
Kauko ist gewaltig vornehm,
Macht sich nicht daran zu essen
Ohne Messer reich an Silber,
Ohne goldverzierte Schneide.
Fand ein Messer reich an Silber,
Ißt darauf recht nach Belieben,
Trinkt das Bier mit voller Wonne.
Drauf bewegt sich Lemminkäinen
Durch die Dörfer nach der Reihe
Zu der Inseljungfraun Freude,
Zu der Schöngelockten Wonne;
Wo den Kopf er hingewendet,
Kam ein Mund ihm schon entgegen,
Wo die Hand er hingerichtet,
Ging zur Nachtzeit übernachten
In den dunkelsten Verstecken,
War wohl dort nicht eins der Dörfer,
Wo nicht zehn der Höfe waren,
War daselbst der Höfe keiner,
Der nicht zehn der Töchter zählte,
War daselbst wohl keins der Mädchen,
Keine von der Mutter Töchtern,
Neben der er nicht geruhet,
Tausend Bräute lernt er kennen,
Hundert Wittwen er gewinnen,
Waren zwei nicht in dem Zehend,
Drei nicht in dem ganzen Hundert,
Die als Mädchen unverführet,
Ungerührt als Wittwen blieben.
Also brachte Lemminkäinen,
Er, der Muntre, zu sein Leben
In dem Laufe dreier Sommer
Zu der Inseljungfraun Freude,
Zu der Wonne aller Wittwen,
Ließ nur eine unerfreuet,
Eine arme, alte Jungfrau
Auf der langen Landzung’ Spitze,
In dem zehnten jener Dörfer.
Dachte schon an seine Reise,
Um zur Heimath sich zu wenden,
Kam die arme, alte Jungfrau,
„Armer Kauko, schöner Jüngling,
Willst du nicht auch mich bedenken,
Wünsch’ ich, wenn du weiter reisest,
Daß dein Boot auf Felsen laufe.“
Nicht erhebt er vor dem Hahn sich,
Eh’ der Henne Sohn gekrähet,
Zu der Freude mit der Jungfrau,
Zu dem Scherze mit dem Mädchen.
Drauf an einem Tage endlich
Den Entschluß nun aufzustehen
Vor dem Monde, vor dem Hahne.
Er erhob sich vor der Zeit noch,
Vor der angesetzten Stunde,
Macht’ sich auf um zu durchwandern
Alle Dörfer nach der Reihe
Zu der Freude mit der Jungfrau,
Zu dem Scherze mit dem Mädchen.
Als allein des Nachts er gehet,
Zu der langen Landzung’ Ende,
Zu dem zehnten jener Dörfer,
Sah er keinen von den Höfen,
Wo nicht drei der Häuser standen,
Sah er von den Häusern keines,
Wo nicht drei der Helden waren,
Sah er von den Helden keinen,
Der sein Schwert dort nicht geschliffen,
Der sein Beil nicht scharf gewetzet
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Redet’ Worte dieser Weise:
„Ach das Tagsgestirn erhebt sich,
Ja die liebe Sonne steiget
Auf den ärmsten aller Männer,
Mir auf meinen Hals, ich Armer!
Lempo würde nun den Helden
Wohl mit seinem Hemde schützen,
Wohl mit seinem Mantel decken
Wenn ihn hundert überfallen,
Tausend Männer ihn bedrängen!“
Ließ die Jungfraun unumarmet,
Ließ die Sehnsucht nach denselben,
Wendet’ sich zu seinem Boote,
Er, der Arme, zu dem Nachen;
Schon verbrannt ist er zu Asche,
Ganz und gar in Staub verwandelt.
Merkte schon das Unheil nahen,
Fing ein Schifflein an zu zimmern,
Sich ein neues Boot zu bauen,
Bauholz fehlt dem Zimmermanne,
Bretter um das Boot zu bauen;
Findet dort ein Bißchen Bauholz
Und gar wenig kleine Bretter,
Fünf der Stücke einer Spuhle,
Sechs der Trümmer einer Spindel.
Zimmert sich darauf ein Fahrzeug,
Macht mit Kunde dieses Fahrzeug,
Macht es voller Zauberweisheit,
Haut mit einem Schlag die Hälfte,
Mit dem zweiten dann die andre,
Hauet noch zum dritten Male,
Und schon fertig ist das Fahrzeug.
Stößt das Boot dann in das Wasser,
Läßt das Fahrzeug in die Fluthen,
Redet Worte solcher Weise,
„Schwimm als Blase auf den Wogen,
Schwimm als Blümchen auf den Fluthen!
Leih, o Aar, mir drei der Federn,
Drei, o Aar, und zwei, o Rabe.
Zu der Hut des kleinen Bootes
An des schlechten Nachens Leisten!“
Setzt sich auf des Bootes Boden,
Eilte zu dem Hintertheile,
Kopfgesenkt und schlechter Laune,
Daß er Nachts nicht bleiben durfte,
Nicht bei Tage dorten leben
Bei der Inseljungfraun Freuden,
Bei dem Tanz der Schöngelockten.
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Scheiden muß von hier der Bursche,
Reisen von den hies’gen Häusern,
Von den Freuden dieser Jungfraun,
Doch bei diesem meinen Scheiden,
Meinen Gehen von dem Orte
Freuen sich die Jungfraun nimmer,
Tanzen nicht die Schöngelockten
In den Stuben voller Thorheit,
In den unglücksel’gen Höfen“.
Weinten schon des Eilands Jungfraun,
Jammerten der Landzung’ Mädchen:
„Weßhalb gingst du, Lemminkäinen,
Gingst du ob der Mädchen Keuschheit,
Oder ob des Weibermangels?“
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Ging nicht ob der Mädchen Keuschheit,
Nimmer ob des Weibermangels;
Würde hundert Weiber haben,
Könnte tausend Mädchen nehmen;
Deshalb geh’ ich Lemminkäinen,
Da mich Sehnsucht nun ergriffen,
Sehnsucht nach dem Heimathlande,
Nach des eignen Landes Erdbeer’n,
Nach des eignen Berges Himbeer’n,
Nach der eignen Landzung’ Mädchen,
Nach des eignen Hofes Hühnern.“
Darauf trieb nun Lemminkäinen
Mit dem Schifflein in die Weite;
Kam ein Wind und trieb das Fahrzeug,
Auf des Meeres blauen Rücken,
Zu den weitgedehnten Öden;
An dem Strande stehn die Armen,
Auf den Steinen dort die Zarten,
Weinen sehr des Eilands Jungfraun,
Jammern sehr die goldnen Mädchen.
So lang’ weinten dort die Jungfraun,
Jammerten des Eilands Mädchen,
Als der Mastbaum noch zu sehen,
Weinten nimmer nach dem Mastbaum,
Nimmer nach den Eisenringen,
Weinen nach dem Mann am Maste,
Nach des Eisenhakens Lenker.
Selber weinte Lemminkäinen,
Weinte er und war betrübet,
So lang’ noch zu sehn die Insel
Und des Eilands Berge schimmern;
Weinte nimmer nach der Insel,
Weinte nach der Insel Mädchen,
Nach den Gänsen jener Berge.
Darauf fährt nun Lemminkäinen
Auf des Meeres blauem Rücken,
Segelt einen Tag, den zweiten,
An dem dritten Tage aber
That ein großer Wind entstehen
Und der Lüfte Strand erbrausen,
Kam ein großer Sturm aus Nordwest,
Reißen ab des Bootes Seiten,
Stürzen um des Nachens Wölbung.
Darauf stürzte Lemminkäinen
Mit den Händen in das Wasser,
Mußte mit den Fingern rudern,
Mit den Füßen mußt’ er steuern.
Schwamm die Tage, schwamm die Nächte,
Steuerte mit allen Kräften,
Siehet da ein kleines Wölkchen,
Welche sich in Land verwandelt
Und zur Landzung’ sich gestaltet.
Stieg an’s Land und ging zum Hause,
Fand die Wirthin dort beim Backen;
Ihre Töchter bei dem Kneten:
„O du Wirthin voller Güte,
Wenn du meinen Hunger sähest,
Meine Lage du erkenntest,
Eiltest du behend’ zur Kammer,
Brächtest Bier mir eine Kanne,
Mir ein Stücklein Schweinefleisches,
Thätest dieses hin zu braten,
Schüttetst Butter auf das Stücklein,
Um den müden Mann zu speisen,
Um den Helden hier zu tränken;
Bin geschwommen Nächt’ und Tage
Auf des breiten Meeres Wogen,
Gleich als schützten mich die Winde,
Ging die Wirthin voller Güte
Nach dem Vorrathshaus am Berge,
Schnitt sich Butter in der Kammer,
Holt’ ein Stücklein Schweinefleisches,
That das Stücklein hin zu braten,
Um den Hungrigen zu speisen,
Brachte Bier ihm in der Kanne
Um den müden Mann zu tränken;
Gab ihm einen neuen Nachen,
Daß der Mann von dannen ziehe,
Zu der Heimath Gränzen reise.
Drauf gelangte Lemminkäinen
Zu der Heimath lieben Gränzen,
Sah das Land und sah die Ufer,
Sah die Inseln, sah die Sunde,
Sah die frühern Stapelplätze,
Sah die frühern Wohnungsstätten;
Sah den Berg mit seinen Tannen,
Sah nur nicht die Stube stehen,
Nicht die Wände sich erheben;
Wo die Stube einst gestanden,
Hebt ein Faulbaumhain die Wipfel,
Tannen stehen auf dem Hausberg
Und Wachholder hin zum Brunnen.
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Hab’ in diesem Hain gespielet,
Auf dem Rasen mich gerollet,
Mich gewälzt am Ackersaume,
Wer entführte denn die Stube,
Wer zerbrach das schöne Dächlein?
Nieder brannte man die Stube,
Und der Wind entführt’ die Asche.“
Da begann er sehr zu weinen,
Weinte einen Tag, den zweiten,
Weinte nicht um seine Stube,
Weinte um der Stube Lieben,
Um die Theuren in der Kammer.
Sieht da einen Vogel fliegen,
Einen Adler sich bewegen,
Wendet fragend sich an diesen:
„Adler, du mein lieber Vogel,
Könntest du es mir nicht sagen,
Wo die Mutter wohl geblieben,
Sie, die mich mit Schmerz getragen,
Gar nichts wußte dieser Adler,
Wußte nichts der dumme Vogel,
Wußte nur, daß man gestorben,
Und der Rab’, daß man vernichtet,
Durch das Schwert davongetrieben,
Mit dem Beile man getödtet.
Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Theure, die du mich getragen,
Bist nun todt, die mich getragen,
Bist dahin, du liebe Mutter,
Staub schon ist dein Leib geworden,
Fichten wachsen auf dem Haupte,
Auf den Fersen dir Wachholder,
Auf den Fingerspitzen Weiden.“
„Hab’ nun meinen Lohn, Bethörter,
Hab’, Unsel’ger, meine Strafe,
Daß mein Schwert ich dort gemessen,
Zu dem Hofe von Pohjola,
Zu des Düsterlandes Gränzen:
Untergang ward meinem Stamme
Und getödtet meine Mutter.“
Schaut sich um nach allen Seiten,
Siehet gar gelinde Spuren,
Die das Gras herab getreten
Und das Heidekraut zerdrücket;
Gehet um den Weg zu finden,
Zu dem Walde führt der Fußweg,
Dorthin leitet ihn die Richtung.
Gehet eine Meil’, die zweite,
Eilet noch ein Stücklein Landes
In des schatt’gen Haines Dickicht,
In den Schooß der düstern Waldung;
Sieht dort ein verstecktes Hüttlein,
Eine kleine Winkelstube
In der Höhlung zweier Felsen,
Drinnen seine liebe Mutter,
Sieht sie dort, die greise Alte.
Darauf freut sich Lemminkäinen,
Er, der Muntre, sehr im Herzen;
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„Theure Mutter, die ich liebe,
Der das Leben ich verdanke!
Bist, o Mutter, noch am Leben,
Glaubte dich schon längst gestorben,
Meinte, daß man dich getödtet,
Mit dem Schwerte dich vernichtet,
Mit dem Speere dich gemordet.
Weinte aus dem Kopf die Augen,
Meine Wangen mir zu Schanden.“
Sprach die Mutter Lemminkäinen’s:
„Freilich bin ich noch am Leben,
Mußte damals wohl entfliehen,
In dem Dunkel dieses Haines,
In dem Schooß der düstern Waldung;
Kam mit Krieg das Volk des Nordens,
Zog zum Streit der ferne Haufen
Gegen dich, den Mühbeladen,
Gegen dich, den Unheilsvollen,
Brannte unser Haus zu Asche
Und zerstörte unsern Hofraum.“
Sprach der muntre Lemminkäinen:
Sei du nur nicht trüber Stimmung,
Laß die Traurigkeit du fahren!
Werde eine neue Stube,
Eine bessere dir zimmern,
Werde nach dem Nordland ziehen,
Werd’ das Lempovolk vertilgen.“
Sprach die Mutter Lemminkäinen’s,
Selber Worte dieser Weise:
„Lange bist du, Sohn, geblieben,
Dort in jenen fernen Ländern,
Stets bei jenen fremden Thüren,
Auf der Landzung’ ohne Namen,
Auf dem unbenannten Eiland.“
Sprach der muntre Lemminkäinen
Er, der schone Kaukomieli:
„War gar schön daselbst zu leben;
Wonniglich daselbst zu spielen,
Röthlich glänzten dort die Bäume,
Silbern dort der Tannen Zweige,
Golden dort der Heide Blumen;
Berge gab es dort aus Honig,
Felsen ganz aus Hühnereiern,
Honig floß aus trocknen Fichten,
Milch entströmte dürren Tannen,
Butter floß aus allen Ecken,
Bier aus allen Zaunstaketen.“
„War gar gut daselbst zu leben,
Darin war mir schlecht das Leben,
Deshalb ungewohnt zu weilen,
Fürchten that man für die Mädchen,
Glaubte, daß die Frauenzimmer,
Diese schlechten Lumpendinger,
Dieses schlimmgerathne Völkchen
Von mir schlecht behandelt würde,
Über’s Maaß von mir besuchet:
Hab’ die Mädchen doch gemieden,
Wie der Wolf sich vor den Schweinen,
Vor den Hühnern sich der Habicht.“