Kalewala, das National-Epos der Finnen/Achtzehnte Rune
Wäinämöinen alt und wahrhaft
Dachte nach und überlegte
Hinzugehn und heimzuführen
Eine schöngelockte Jungfrau
Aus dem nimmerhellen Nordland,
Aus dem düstern Sariola,
Nordlands weitberühmte Tochter,
Solch ein Bräutchen aus dem Norden.
Giebt dem Boote die Bekleidung,
Schmückt mit Gold das vordre Ende,
Ziert es aus mit schönem Silber;
Drauf an einem schönen Morgen,
In des Tages erster Frühe
Stößt das Fahrzeug er ins Wasser,
In die Fluth das plankenreiche
Von den borkentblößten Rollen,
Von den runden Tannenblöcken.
Richtet auf den starken Mastbaum,
Ziehet auf ein rothes Segel,
Zieht ein Segel blauer Farbe,
Steigt dann selbst hinab ins Fahrzeug,
Gehet in sein neues Schifflein,
Ging um durch das Meer zu steuern,
Um die blaue Bahn zu furchen.
Redet’ Worte solcher Weise,
Ließ sich selber also hören:
„Komme nun ins Boot, o Höchster,
Zu dem Schutz des schwachen Helden,
Zu des kleinen Mannes Stütze,
In den weiten Wogenflächen,
Auf den ausgedehnten Fluthen!“
„Wiege, Wind den schönen Nachen,
Treibe, Woge, mir mein Schifflein,
Ohne daß ich Ruder brauche
Und das Wasser damit schlage
Auf des Meeres weitem Rücken,
Annikki mit gutem Namen,
Sie, der Nacht und Dämmrung Tochter,
Die schon vor dem Tage wache,
Die des Morgens früh erwachet,
Hatte Wäsche durchzuklopfen,
Hatte Kleider auszuspülen
An der rothen Brücke Ende,
An des breiten Steges Kante,
Auf der nebelreichen Spitze
Blickt rundum nach allen Seiten
In die weitgedehnten Lüfte,
Blickt nach oben hin zum Himmel,
Blickt vom Strande hin zum Meere:
Oben schien gar schön die Sonne,
Unter schimmerten die Wogen.
Warf die Augen hin zum Meere,
Wandt’ den Kopf gerad zur Sonne;
An des Suomiflusses Mündung,
Sieht sie auf dem Meer’was Schwarzes,
Etwas Blaues auf den Wogen.
Redet Worte solcher Weise
Läßt sich selber also hören:
„Was ist auf dem Meere Schwarzes,
Was das Blaue auf den Wogen?
Bist du eine Gänseheerde,
Oder eine Heerde Enten,
Nun so steige auf zum Fluge
„Bist du eine Lachsesklippe
Oder sonst ein Zug von Fischen,
Nun so tauche dich zum Schwimmen,
Geh ins Innre du der Wogen!
„Bist du eine Felsenklippe
Oder sonst ein Zweig im Wasser,
Möge dich die Fluth bespülen,
Möge Wasser dich bedecken.“
Weiter rückte da das Fahrzeug,
Längs der nebelreichen Spitze,
Längs dem waldbedeckten Eiland.
Annikki mit gutem Namen
Sah nun schon das Fahrzeug kommen,
Sah das plankenreiche nahen,
Redet selber solche Worte:
„Bist du meines Bruders Fahrzeug,
Du der Nachen meines Vaters,
Eile rascher nach der Heimath,
Mit der Spitz’ zu diesen Walzen,
Mit dem Steu’r zu andern Walzen;
Bist du, Boot, aus fremder Ferne,
Mögst du immer weiter schwimmen
Mit der Spitz’ zu andern Walzen,
Mit dem Steu’r zu diesen Walzen!“
War kein Boot des Heimathlandes,
War auch nicht aus fremder Ferne,
War der Nachen Wäinämöinen’s,
Kommt bereits in größre Nähe,
Eilt herbei zur Unterredung,
Bringt ein Wort und nimmt ein andres,
Um das dritte gut zu sprechen.
Annikki mit gutem Namen,
Sie, der Nacht und Dämmrung Tochter,
Fraget so gewandt zum Fahrzeug:
„Wohin gehst du, Wäinämöinen,
Wohin du, o Freund der Wogen,
Darauf redet Wäinämöinen
Er, der Alte, her vom Boote:
„Bin auf Lachsfang ausgegangen,
Zu der Lachse munterm Laichen
In dem schwarzen Strom Tuoni’s,
In des schilf’gen Baches Tiefe.“
Annikki mit gutem Namen
Redet Worte solcher Weise:
„Sprich nicht lauter leere Lügen!
Früher fuhr mein Vater oftmals,
Fuhr gar oft der greise Alte,
Lachse aus dem Fluß zu fangen,
Lachsforellen mitzubringen:
Netze lagen in dem Boote,
Voll von Garnen war das Fahrzeug,
Netze hier und dorten Schnüre,
Große Stangen an den Seiten,
Gabeln an den Ruderbänken,
Wohin gehst du, Wäinämöinen,
Ziehst du aus, o Freund der Wogen?“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Zog hinaus, wollt’ Gänse fangen,
Zu dem Spiel der Buntbeschwingten,
Um die speichelreichen Vögel
In dem Sachsensund zu fangen,
In der ausgedehnten Weite.“
Annikki mit gutem Namen
„Kenne wohl den Wahrheitsprecher,
Kann den Lügner bald entdecken;
Früher fuhr mein Vater oftmals,
Fuhr gar oft der greise Alte
Aus um Gänse einzufangen,
Rothgeschnäbelte zu jagen:
Wohl bespannet war der Bogen,
Aufgezogen war die Sehne,
Schwarze Hunde an der Kette,
Welpen liefen an dem Strande,
Kläffer eilten durch die Steine;
Sprich die Wahrheit, Wäinämöinen,
Wohin soll die Reise gehen?“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Wenn ich nun von dannen ziehe,
Hin zum großen Kampfgetümmel,
Zu der Schlacht mit gleichen Köpfen,
Wo das Schienbein blutbeflecket,
Immer weiter spricht Annikki,
Sie, die Zinngeschmückte, redet:
„Kenne wohl den Gang zum Kampfe,
Früher ging mein Vater oftmals
Hin zum großen Kampfgetümmel,
In die Schlacht mit gleichen Köpfen,
Hundert Männer saßen rudernd,
Tausend andre standen drinnen,
An der Spitze hingen Bogen,
Sage endlich doch die Wahrheit,
Ernstlich ohne vorzulügen,
Wohin gehst du, Wäinämöinen,
Steuerst du, o Freund der Wogen!“
Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise:
„Komm, o Mädchen, in mein Fahrzeug,
Steig, o Jungfrau, in den Nachen,
Dann will ich die Wahrheit sagen,
Annikki, die Zinngeschmückte,
Giebt zur Antwort solche Worte:
„Mag der Wind ins Boot dir steigen,
Und der Sturm in deinen Nachen!
Werde um dein Boot dir kehren,
Stürz’ es sammt dem Vorderstamme,
Wenn die Wahrheit ich nicht höre,
Wohin du zu gehen denkest,
Nicht genau die Wahrheit höre,
Sprach der alte Wäinämöinen
Selber Worte solcher Weise:
„Will genau die Wahrheit sagen,
Log ich auch zuvor ein wenig:
Ging die Jungfrau heimzuführen,
Um das Mädchen anzuhalten
Aus dem nimmerhellen Nordland,
Aus dem düstern Sariola,
Aus dem Ort der Menschenfresser,
Annikki mit gutem Namen,
Sie, der Nacht und Dämmrung Tochter,
Als die Wahrheit sie gehöret,
Ohne Lug die ganze Wahrheit,
Ließ die Tücher ungeklopfet,
Ließ die Röcke ungespület
An des breiten Steges Kante,
An der rothen Brücke Ende,
Raffet mit der Hand die Röcke,
Macht sich rasch davon zu gehen,
Eilt alsbald in starkem Laufe,
Kommet in das Haus des Schmiedes,
Gehet selber hin zur Esse.
Dorten weilte Ilmarinen,
Er, der ew’ge Schmiedekünstler,
Schmiedet eine Bank aus Eisen,
Schmückt dieselbe aus mit Silber,
Ruß war armhoch auf dem Kopfe,
Hin zur Thüre trat Annikki,
Redet Worte solcher Weise:
„Bruder, Schmieder Ilmarinen,
Du, der ew’ge Schmiedekünstler!
Schmiede mir ein Weberschiffchen,
Schmied’ mir nette Fingerringe,
Zwei, ja drei der Ohrgehänge,
Fünf, ja sechs der Gürtelketten,
Werde dir die Wahrheit sagen,
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Sagest du mir gute Worte,
Schmied’ ich dir ein Weberschiffchen,
Schmied’ ich nette Fingerringe,
Schmied’ ein Kreuz dir für den Busen,
Bess’re aus dir deinen Kopfschmuck,
Sagst du aber schlechte Worte
Brech’ ich deinen Schmuck in Stücke,
Werf’ ihn von dir in das Feuer,
Annikki mit gutem Namen
Redet Worte solcher Weise:
„O du Schmieder Ilmarinen,
Denkst du wohl noch heimzuführen
Die du einstmal dir verlobet,
Dir zum Weibe auserlesen!“
„Schmiedest ohne aufzuhören,
Hämmerst ja zu allen Zeiten,
Rossen machst du Sommers Hufe
Nachts baust du an deinem Schlitten,
Machst die Seiten an dem Tage,
Um zur Brautfahrt hinzuwandern,
Nach dem Nordland aufzubrechen,
Dahin eilet nun ein Schlau’rer,
Kommet dir zuvor ein Weit’rer,
Führt hinweg was dir gehöret,
Nimmt für sich was du geliebet,
Zwei der Jahre angeblicket,
Wäinämöinen eilet jetzo
Auf des blauen Meeres Rücken,
An der Spitz’ mit goldnem Schnitzwerk,
An dem Kupfersteuer sitzend
Nach dem nimmerhellen Nordland,
Nach dem düstern Sariola.“
Kam dem Schmieder so ein Kummer,
Schwere Zeit dem Eisenmanne,
Aus der Faust prallt’ ihm die Zange,
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Annikki, du liebe Schwester!
Werde dir ein Weberschiffchen,
Schöne Fingerringe schmieden,
Zwei, ja drei der Ohrgehänge,
Fünf, ja sechs der Gürtelketten,
Wärme du die süße Badstub’,
Füll’ mit Rauch die Honigkammer
Mit den feingespaltnen Scheiten,
Gieb mir auch ein wenig Asche,
Gieb ein Bißchen von der Lauge,
Daß den Kopf ich damit wasche,
Meine Glieder damit rein’ge
Von den Kohlen seit dem Herbste,
Von den Schlacken seit dem Winter!“
Annikki mit gutem Namen
Wärmte heimlich drauf die Badstub’,
Heizt’ mit Holz, das Wind gebrochen,
Sammelt’ Steine aus dem Strome,
Mehrt’ durch Sprengen drauf die Hitze
Durch das Wasser aus der Quelle,
Aus dem stetsbewegten Sprudel,
Brach dann Besen im Gebüsche,
Macht’ aus Laub ihm weiche Quasten,
Bäht’ die honigreichen Besen
Auf des süßen Steines Spitze,
Macht’ aus saurer Milch ihm Lauge,
Macht’ aus glattem Stoff die Seife,
Macht’ sie aus geschmeid’ger Masse,
Um des Freiers Kopf zu waschen,
Seine Glieder rein zu reiben.
Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew’ge Schmiedekünstler,
Schmiedet was die Jungfrau wünschte,
Bessert aus den Schmuck des Kopfes,
Während sie die Badstub’ heizte,
Legt ihr in die Hand die Sachen,
Also redete die Jungfrau:
„Hab’ die Badstub’ schon geheizet,
Schon gewärmt die dampf’ge Kammer,
Habe schon gebäht die Besen,
Schon geschwungen dort die Quasten;
Bade dich nun zur Genüge,
Gieße Wasser nach Belieben,
Wasch das Haupt zur Flachses Weiße,
Ilmarinen, er, der Schmieder,
Ging nun selber sich zu baden,
Wusch sich dorten zur Genüge,
Scheuert’ blank den ganzen Körper,
Wusch die Augen, daß sie glänzten,
Wusch die Schläfen, daß sie blühten,
Seinen Hals so weiß wie Eier,
Seine Glieder, daß sie strahlten;
Kommt ins Zimmer aus dem Bade,
Wunderschön sind seine Wangen,
Schöngeröthet ihre Fläche.
Redet Worte solcher Weise:
„Annikki, geliebte Schwester!
Bringe mir ein Hemd von Leinwand,
Bringe mir die besten Kleider,
Daß ich meine Glieder schmücke,
Daß ich mich zum Freien rüste!“
Annikki mit gutem Namen
Für die schweißbefreiten Glieder,
Für den unbedeckten Körper,
Holt’ ihm enggewirkte Hosen,
Die die Mutter selber nähte,
Für die schmutzbefreiten Hüften,
Deren Knochen nicht zu sehen.
Holte ihm dann weiche Strümpfe,
Die einst seine Mutter strickte,
Um das Schienbein zu bedecken,
Darauf Schuhe, die gut paßten,
Schöne Stiefel, die erhandelt,
Auf die Kanten seiner Strümpfe,
Die die Mutter einst genähet;
Ein Gewand von blauer Farbe,
Unten von der Leberfarbe,
Auf das Hemd von schöner Leinwand,
Die aus reinstem Flachs bereitet;
Dann den Rock aus grobem Tuche,
Ums Gewand von blauer Farbe,
Das das neuste von den neuen;
Einen Pelz mit tausend Knöpfen,
Ausgeschmückt mit hundert Zierden
Auf den Rock von grobem Tuche,
Welchen feines Tuch umkreiset,
Noch den Gürtel um die Hüften,
Die mit Gold gezierte Binde,
Die die Mutter einst gestricket,
Buntgezierte Handschuh ferner,
Fingerhandschuh goldenkantig,
Von den Lappen angefertigt,
Auf die schöngeformten Hände;
Eine Mütze, die sich hebet
Auf dem Haupt mit goldnen Locken,
Die der Vater einst gekaufet,
Als zum Freien er sich schmückte.
Ilmarinen, er, der Schmieder,
Machet, daß die Kleider passen,
Redet dann zu seinem Knechte:
„Schirre mir das flinke Füllen
Vor den buntgeschmückten Schlitten,
Daß ich auf die Fahrt mich mache,
Nach dem Nordland hin verreise!“
Also gab der Knecht zur Antwort:
„Haben grade sechs der Rosse,
Pferde, welche Hafer fressen,
Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Nimm den besten von den Hengsten,
Spann das Füllen in’s Geschirre,
Vor den Schlitten du das Falbe,
Setze sechs der Kuckucksvögel,
Sieben von den blauen Vögeln,
Daß sie auf dem Krumholz weilen,
An des Joches Riemen rufen,
Daß die Mädchen hastig aufschau’n,
Bringe her das Fell des Bären,
Daß ich mich auf selbes setze,
Bringe her die Haut der Robbe
Her als Decke auf den Schlitten!“
Darauf spannt der Knechte ew’ger,
Der mit Geld bezahlte Diener,
Ins Geschirr das flinke Füllen,
Vor den Schlitten hin das Falbe,
Stellet sechs der Kuckucksvögel,
Daß sie an dem Krummholz zwitschern,
An des Joches Riemen lärmen;
Bracht herbei das Fell des Bären,
Daß der Wirth sich darauf setzte,
Brachte dann die Haut der Robbe
Her als Decke zu dem Schlitten.
Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew’ge Schmiedekünstler,
Flehte nun zu Ukko oben,
„Sende frischen Schnee, o Ukko,
Lasse weiche Flocken fallen,
Daß der Schlitten drüber gleite,
Auf dem Schnee vorübersause!“
Frischen Schnee entsandte Ukko,
Ließ die weichen Flocken fallen,
Deckt der Heidekräuter Stiele
Und verbirgt die Beerenbüschel.
Selbst der Schmieder Ilmarinen
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„Glück, sei nun bei meinen Zügeln,
Gott beschütze du den Schlitten,
Nicht Zerreißt das Glück die Zügel,
Nicht zerschmettert Gott den Schlitten!“
Raffet mit der Hand die Zügel,
Mit der andern dann die Peitsche,
Schlägt das Roß mit seiner Peitsche,
„Weißstirn, jage nun von dannen,
Tummle dich mit Flachsesmähnen!“
Springend jagt das Roß des Weges
An des Meeres sand’gem Ufer,
An dem Rand des Honigholmes,
An des Erlenhügels Seite,
Jagte lärmend hin am Strande,
Rauschend durch den Sand am Ufer,
In die Augen fliegt der Flugsand
Jagte einen Tag, den zweiten,
Jagte auch am dritten Tage,
Endlich an dem dritten Tage,
Holt er ein den Wäinämöinen,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„O du alter Wäinämöinen,
Laß uns friedlich uns vergleichen,
Daß, obwohl wir um die Wette
Sie nicht wider ihren Willen,
Sondern frei dem Manne folge!“
Sprach der alte Wäinämöinen:
„Will in Frieden mich vergleichen,
Nicht mit Kraft sie fortzuführen,
Wider ihren Willen nimmer:
Daß sie dem gegeben werde,
Welchem sie sich selbst bestimmet,
Werd’ nicht lange Feindschaft tragen
Fahren drauf des Weges fürder,
Jeglicher auf seinem Wege,
Rauschend fuhr das Boot am Strande,
Rasch das Roß, die Erde bebte.
Wenig Zeit war hingegangen,
Kaum ein Augenblick verflossen,
Sieh, da bellte schon der Haushund
Und des Schlosses Hündin kläffte
In dem nimmerhellen Nordland,
Früher mukste er weit leiser,
Brummte seltener der Haushund,
Auf dem Ackerrain gelagert,
Mit dem Schwanz den Boden schlagend.
Sprach der Hauswirth von Pohjola:
„Gehe, Tochter, zuzuschauen,
Was der dunkle Hund gebellet,
Angeschlagen er, der Langohr!“
Klüglich antwortet die Tochter:
Muß den großen Stall besorgen,
Muß die große Heerde hüten,
Muß mit großem Steine mahlen,
Fein das Mehl durch Siebe lassen,
Feines Mehl bei dicken Steinen,
Habe wenig Kraft beim Mahlen.“
Leise bellt’ des Schlosses Unhold,
Selten knurrte er voll Ärger,
Sprach der Hauswirth von Pohjola:
Was der dunkle Hund gebellet,
Angeschlagen er, der Thorwart!“
Also antwortet die Alte:
„Hab’ nicht Zeit und kein Verlangen,
Muß die große Wirthschaft sätt’gen,
Muß das Mittagsmahl besorgen,
Muß das große Brot bereiten,
Muß den Teig recht kräftig kneten,
Groß ist’s Brot, das Mehl vom feinsten,
Sprach der Hauswirth von Pohjola:
„Immer haben Weiber Eile,
Mädchen immer viel zu schaffen,
Wenn am Ofen sie sich braten,
In dem Bette lang sich strecken,
Geh, o Sohn, um zuzuschauen!“
Also antwortet der Bursche:
„Hab’ nicht Zeit um zuzuschauen,
Muß das stumpfe Beil jetzt schleifen,
Einen Haufen Holz nun spalten,
Es in feine Scheite schlagen,
Groß der Haufen, fein die Scheite,
Habe wenig Kraft zum Hauen.“
Immer bellt’ des Schlosses Kläffer,
Knurrte noch des Schlosses Hündin,
Lärmte noch der Hund, der Unhold,
Klagte noch des Hügels Wächter,
Sitzend auf dem Saum des Feldes,
Sprach der Hauswirth von Pohjola:
„Ohne Grund bellt nicht der Braune,
Nimmer schlägt er an vergebens,
Knurret nicht der Föhren wegen.“
Ging nun selber zuzuschauen,
Schreitet durch den Raum des Hofes
Zu des Feldes letztem Rande,
Zu dem hintersten der Äcker.
Schauet auf des Hundes Schnauze,
Auf des Sturmeshügels Spitze,
Auf des Erlenberges Rücken;
Sah nun wohl die ganze Wahrheit,
Was der Braune so gebellet
So geklagt die Zier des Bodens,
So geheult der Wollschwanzträger;
Rothgefärbt ein Fahrzeug segelt
Auf des Lempibusens Rücken
Und ein bunter Schlitten eilte
Selbst der Hauswirth von Pohjola
Ging sogleich in seine Stube,
Macht sich auf nach seinem Hause,
Redet selber solche Worte:
„Fremde sind bereits gekommen
Auf des blauen Meeres Rücken,
Angefahren auch ein Schlitten
An dem Strand des Honigholmes,
Angesegelt ist ein Fahrzeug
Sprach die Wirthin von Pohjola:
„Woher nehmen wir ein Zeichen,
Weshalb her die Fremden kommen?
O du liebe, kleine Tochter,
Lege Sperberholz ins Feuer,
Zünde an des Holzes Zierde!
Fließet es von rothem Blute,
O, dann kommet es zum Kriege,
Fließt dagegen reines Wasser,
Nordlands schlankgewachsne Jungfrau,
Sie, ein Mädchen gar bescheiden,
Legt das Sperberholz ins Feuer,
Zündet an des Holzes Zierde;
Fließet nicht von rothem Blute,
Nicht von Blute, nicht von Waßer,
Honig sah hervor sie fließen,
Süßen Seim zum Vorschein kommen.“
Aus dem Winkel sprach Suowakko,
„Fließet Honig aus dem Holze,
Träufelt es von süßem Seime,
Sind die Gäste, die jetzt kommen,
Eine große Schaar von Freiern.“
Darauf ging des Nordlands Wirthin,
Mit der Wirthin auch die Tochter
Gar geschwinden Schritts zum Hofe,
Eilten rasch hinaus ins Freie,
Warfen ihre Augen dorthin,
Sahen dorther angekommen,
Angesegelt einen Nachen,
Hundert Bretter hat der Nachen
Diesseits in dem Lempibusen,
Bräunlich schien das Boot von unten,
Röthlich glänzt’ die ob’re Hälfte,
Voller Kraft stützt an dem Steuer
Sich ein Mann aufs Kupferruder;
Laufen sahen sie das Füllen,
Fahren ihn, den buntgeschmückten,
An dem Strand des Honigholmes;
Sechs der goldnen Kuckucksvögel
Lärmten an dem Krummholzbogen,
Sieben blaugefärbte Vögel
Sangen an des Joches Riemen,
Saß ein stolzer Held im Schlitten,
Hält die Zügel in den Händen.
Sprach die Wirthin von Pohjola,
„Bist zu gehen du gesonnen,
Wenn sie kommen dich zu freien
Als Gefährtin für das Leben,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen?“
„Welcher mit dem Boote kommet,
Mit dem rothen Fahrzeug schiffet
Diesseits in dem Lempibusen,
Ist der alte Wäinämöinen,
Führt im Schiffe guten Vorrath,
„Welcher in dem Schlitten fähret,
In dem buntgeschmückten gleitet
An dem Strand des Honigholmes,
Ist der Schmieder Ilmarinen,
Kommet her mit leeren Händen,
Hat den Schlitten voll mit Sprüchen.“
„Treten sie in unsre Stube,
Bring’ du Honigtrank im Kruge,
Bringe ihn im doppelohr’gen,
Dem zu folgen du gesonnen;
Gieb ihn nur dem Wäinämöinen,
Der im Schiffe Güter brachte,
Schätze in des Bootes Boden!“
Doch des Nordlands schöne Tochter
Giebt zur Antwort solche Rede:
„Theure, die du mich getragen,
Mutter, die mich auferzogen!
Werde nicht den Reichthum wählen,
Wähl’ den Mann mit schönem Antlitz,
Den an allen Gliedern schönen;
Nimmer ist in frühern Zeiten
Wohl ein Mädchen so verkaufet,
Ohne Schätze wird sie folgen
Ilmarinen, jenem Schmieder,
Der den Sampo hat geschmiedet,
Der den Deckel hat gehämmert.“
Sprach die Wirthin von Pohjola:
Wählst den Schmieder Ilmarinen,
Dessen Stirn vom Schweiße triefet,
Seine Leinen rein zu spülen,
Und des Schmiedes Kopf zu waschen.“
Also antwortet die Tochter,
Redet Worte solcher Weise:
„Will den Wäinämöinen nimmer,
Nicht den alten Mann beschützen,
Würde Mühe mit ihm haben,
Drauf gelangte Wäinämöinen
Früher an das Ziel der Reise,
Stieß den rothgefärbten Nachen,
Setzt des dunkelfarb’ge Fahrzeug
Auf die eisenfesten Rollen,
Auf die kupferreichen Walzen,
Dringt dann selber in die Stube,
Geht geschwinde ein zum Hause,
Redet auf dem Boden stehend,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„Willst du, schöne Jungfrau, werden
Lebenslänglich meine Gattin,
Meine Tage mit mir theilen
Als ein heißgeliebtes Hühnchen?“
Nordlands schöne Jungfrau selber
Giebt geschwinde diese Antwort:
„Hast du schon das Boot gezimmert,
Aus den Splittern meiner Spindel,
Aus den Trümmern meiner Spuhle?“
Sprach der alte Wäinämöinen,
Redet selber solche Worte:
„Hab’ ein schönes Boot gezimmert,
Gut gefüget diesen Nachen,
Daß dem Winde Stand er halte
Und dem Wetter widerstehe,
Wenn er durch die Wogen treibet,
Wie ein Bläschen sich erhebet,
Wie ein Blümchen sich beweget
Durch des Nordlands weite Fluthen
Durch die schaumbedeckten Wogen.“
Nordlands schöngewachsne Tochter
Gab zur Antwort diese Worte:
„Mir gefällt kein Mann vom Meere,
Keiner der auf Wogen weilet,
Seinen Sinn entführen Stürme,
Deshalb mag ich dir nicht folgen,
Mag ich mich an dich nicht binden
Als Gefährtin für das Leben,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen,
Dir die Schlafstatt zu besorgen
Und für deinen Kopf das Kissen.