Kaiser Friedrich und Kaiserin Viktoria

Textdaten
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Autor: Rudolf v. Gottschall
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Titel: Kaiser Friedrich und Kaiserin Viktoria
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 12, S. 181–182, 184–185
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Kurzbiographie des deutschen Kaisers Friedrich III. und seiner Frau Viktoria
zu Viktoria siehe ihren Artikel in der Wikipedia
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Kaiser Friedrich
und
Kaiserin Viktoria.



Die Alpen sind von vielen deutschen Kaisern überschritten worden, die in Hesperiens Fluren Sieg und Ruhm ernten wollten: diesmal ging eines deutschen Kaisers Alpenfahrt von den Seegestaden des Mittelmeeres über den Brenner, damit er den Thron seiner Väter besteige. Eine ruhmreiche Vergangenheit liegt hinter ihm; seine Thaten, sein ganzes Wesen haben ihn zum Liebling des Volkes gemacht. Ein herzliches Willkommen ruft es dem neuen Kaiserpaare entgegen und alle die Wünsche, welche die Herzen erfüllten, als des Reiches Kronprinz erkrankt im Süden weilte, alle die Gebete gelten jetzt dem deutschen Kaiser, der in der Mitte seines Volkes weilt, dem zweiten, der des neuen Reiches Krone trägt!

Friedrich Wilhelm Nikolaus Karl wurde am 18. Oktober 1831 im Neuen Palais bei Potsdam geboren, des damaligen Prinzen Wilhelm einziger Sohn. Seine Bildung wurde durch vortreffliche Lehrer geleitet: Ernst Curtius, der ausgezeichnete Alterthumsforscher, war 1844 als junger Professor der Berliner Universität vorzugsweise mit seiner Erziehung betraut worden und hat seinen Zögling auch 1849 auf die Universität Bonn begleitet. Der Prinz gab sich mit Eifer geschichtlichen Studien hin: er erhielt den Doktorhut an den Universitäten Bonn, Königsberg und Oxford und wurde Rektor der Universität Königsberg.

Im Jahre 1849 war er in das 1. Garderegiment eingetreten. Seine ersten Kriegsstudien im Felde zu machen, gab ihm der schleswig-holsteinische Krieg 1864 Anlaß, obschon er dort nicht im Feuer stand. Hohen Kriegsruhm aber gewann er im Feldzug von 1866, wo ihm der Oberbefehl über die zweite preußische Armee übertragen worden war. Hervorrückend aus den Bergpässen des schlesischen Gebirges, gewann er die Siege bei Nachod, Trautenau und Skalitz, und sein rechtzeitiges Erscheinen und Eingreifen in die Entscheidungsschlacht von Königgrätz, wo er die Höhen von Chlum, den Schlüssel der Stellung von Benedek, erstürmte und der ersten Armee den Weg zum Siege bahnte, ist eine jener Kriegsthaten, welche ihm unvergänglichen Ruhm sichert. Wie muthig auch von Sadowa aus die Preußen empordrangen gegen die Batterien, mit denen der österreichische Feldherr jene Höhen bewehrt hatte: unentschieden schwankte das Zünglein des Kampfes, und der weiße Kirchthurm von Chlum ragte, dem Anschein nach unerreichbar, über die Pulverwolken des Geschützkampfes; denn mit außerordentlicher Tapferkeit kämpften die Oesterreicher. Da schlugen von rückwärts die Kugeln ein in die Gruppe ihrer Heerführer und die Garden des preußischen Kronprinzen, vom Eilmarsch nicht ermattet, drangen unwiderstehlich die Höhe hinauf und siegten nach der [182] tapfersten Gegenwehr. Noch auf dem Schlachtfelde, während im eisernen Halbkreis die deutschen Heerscharen vordrangen, umarmte der König seinen Sohn und übergab ihm den Orden pour le mérite. In einem nur als Manuskript gedruckten Werke hat der Kronprinz seine Erfahrungen und Erlebnisse in diesem Kriege niedergelegt. Ebenso beschrieb er seine später im Jahre 1869 unternommene Reise nach dem Morgenlande, die ebenfalls nur als Manuskript gedruckt worden.

Der deutsch-französische Krieg 1870 rief ihn wieder ins Feld: ihm war das Oberkommando über die dritte Armee übergeben worden, welche die süddeutschen Truppen bildeten. Von dieser Armee kamen dem deutschen Volke die ersten ermuthigenden Siegesnachrichten zu: der Kampf bei Weißenburg, die Schlacht bei Wörth, in welcher General Mac Mahon bei aller Tapferkeit den deutschen Truppen unterlag, deren ausgezeichnete Führung der seinigen überlegen war. Und wieder sollte in der entscheidenden Schlacht von Sedan dem preußischen Kronprinzen zugleich mit dem Kronprinzen von Sachsen der Ruhm des eigentlichen Kampfes zufallen, während aus dem Hauptquartier des Königs der Schlachtplan hervorging, der das eiserne Netz um den gefangenen Feind zusammenzog. Der Sturz des Napoleonischen Kaiserthums, die Gefangennahme des großen Heeres und des mächtigen Monarchen sind glänzende Blätter im Ruhmesalbum des fürstlichen Heerführers. Als Paris eingeschlossen wurde, siegte der Kronprinz bei Villeneuve und Montrouge und half mit seinem Heere den unlöslichen Ring um des Feindes Hauptstadt bilden. In Versailles wurde er am 28. Oktober zugleich mit dem Prinzen Friedrich Karl zum General-Feldmarschall ernannt.

Am 18. Januar 1871, nachdem König Wilhelm zum deutschen Kaiser proklamirt worden, erhielt der Kronprinz die Würde als Kronprinz des Deutschen Reichs, den Titel kaiserliche Hoheit und nach der Unterzeichnung der Friedenspräliminarien in Berlin am 22. März das Großkreuz des Eisernen Kreuzes. Als General-Inspekteur der vierten Armee-Inspektion mußte er oft nach Süddeutschland sich begeben, wo ihm stets des Volkes wärmste Sympathien entgegenkamen.

Oft vertrat er in den letzten Jahren den Kaiser, in Wien und Stockholm, in Madrid und Rom. Nach dem Nobilingschen Attentat war er von Juni bis Dezember 1878 der Vertreter des Kaisers in allen Regierungsangelegenheiten, und im Jahre 1881 wohnte er als solcher dem Leichenbegängniß des Kaisers von Rußland in St. Petersburg bei.

Ein Freund der Wissenschaften und Künste, denen er seine Mußestunden weihte, hat er stets dem Gediegenen und Werthvollen seine Theilnahme geschenkt, mochte es sich um archäologische Studien handeln, um die Interessen der Gelehrsamkeit und Fragen des grauen Alterthums, wie bei den Ausgrabungen von Olympia, oder um Erzeugnisse neuer Dichtung, wie er denn Gustav Freytag, der in seinem Hauptquartier zum Theil den Feldzug von 1870 mitmachte, mehrfach ausgezeichnet hat und auf Emanuel Geibels Grab den verdienten Lorbeerkranz niederlegen ließ.

Volksthümlich war stets des Kaisers Art und Weise; die Soldaten im Kriege nannten ihn „unsern Fritz“ und zahlreiche Anekdoten berichten von seiner guten Laune, seinen glücklichen Einfällen, seinem leutseligen Sinne. Vorurtheilsfrei, ein Sohn der modernen Zeit, hat er stets das Vermächtniß des Großen Friedrich, die Toleranz in Glaubenssachen, vertreten und sich mehrfach in solchem Sinne beschwichtigend ausgesprochen, wenn mit erbittertem Fanatismus religiöse Gegensätze auf einander platzten.

Seine imponirende Heldengestalt hat noch bei der Jubiläumsfeier der Königin Viktoria im vorigen Jahre die Bewunderung der englischen Bevölkerung erregt: wie eine kräftige deutsche Eiche ragte er hervor unter den Lords der englischen Inseln, welche glänzend die Majestät umgaben, deren Scepter über alle Kontinente reicht.

Seitdem aber ist mit der schweren Erkrankung des allgemein beliebten Fürsten eine „Fluth des Wehs“, um mit dem englischen Dichter zu sprechen, über unser Land hereingebrochen: bange Befürchtungen lösten sich ab mit hoffnungsvollen Lichtblicken; alltäglich brachte der Telegraphendraht Berichte über das Befinden des erhabenen Kranken, und die Theilnahme des deutschen Volkes und aller Völker folgte diesen wechselvollen Berichten mit tiefer Niedergeschlagenheit oder auch mit gehobener Stimmung. Heiße Segenswünsche begleiteten den heimkehrenden Monarchen, den seine hohe Sendung und sein unerschütterliches Pflichtgefühl ins Vaterland zurückriefen. Hat doch die deutsche Kaiserkrone einen würdigen Träger gefunden, und berechtigt ist der in Millionen Herzen lebendige Wunsch, daß dieser Machtfülle in der Hand eines edlen und berufenen Fürsten eine lange Dauer beschieden sein möge.

Kaiserin Viktoria ist die älteste Tochter der Königin von England, die Princeß Royal von Großbritannien und Irland; sie ist geboren am 21. November 1840. Kaiser Friedrich ist mit ihr vermählt seit dem 25. Januar 1858. Von den Kindern dieser Ehe leben noch sechs: die Prinzen Wilhelm und Heinrich, die Prinzessinnen Charlotte, Viktoria, Sophie und Margarethe.

Die Kaiserin ist wie der Kaiser eine Freundin der Künste und Wissenschaften, welche in ihr eine erhabene Schutzherrin finden werden. Eine ausgezeichnete Gattin und Mutter, ist sie den deutschen Frauen ein leuchtendes Vorbild, und die treue Liebe, mit welcher sie den kranken Gatten pflegt, hat ihr die Herzen in unserem Volke zugewendet.

So begrüßt Deutschland sein Kaiserpaar mit warmer Huldigung, mit treuer Hingebung! Möge unter dem Scepter des Kaisers Friedrich über den deutschen Landen der Friede walten mit allen seinen Segnungen: aufblühendem Handel und Verkehr, glanzvoller Entfaltung von Kunst und Wissenschaft, schönem Einklang der Staatsmacht und der Volkswünsche, harmonischem Zusammenwirken der Parteien für das allgemeine Wohl! Das wird der Kaiser walten und das walte Gott!

Rudolf v. Gottschall.     
[184–185]

Friedrich, deutscher Kaiser, und seine Gemahlin.