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Titel: Kaiser Franz Joseph I.
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aus: Die Gartenlaube, Heft 25, S. 777, 782
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[777]
Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0777.jpg

Kaiser Franz Joseph I.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph Pietzner in Wien, mit Umrahmung von Rudolf Rößler.

[782]

Kaiser Franz Joseph I.

(Mit dem Bild S. 777.)

Vor fünfzig Jahren, am 2. Dezember 1848, bestieg Kaiser Franz Joseph I im jugendlichen Alter von 18 Jahren den Thron des alten Habsburgerreiches. Inmitten der schwersten Wirren vollzog sich der Thronwechsel. Kurz vorher war der Oktoberaufstand in Wien durch die Armee des Fürsten Windischgrätz niedergeworfen worden und in der Kaiserstadt waltete blutig das Kriegsgericht; die italienischen Provinzen standen in hellem Aufruhr und auch die Ungarn hatten zu den Waffen gegriffen. Die Grundfesten Oesterreichs schienen erschüttert und Kaiser Ferdinand I sah sich bewogen, zu gunsten seines jugendlichen Neffen abzudanken. Im Hoflager zu Olmütz wurde Franz Joseph am 1. Dezember 1848 für volljährig erklärt, und schon am darauffolgenden Tage trat er die Regierung an.

Vielverheißend und vertrauenerweckend klangen die Worte des Manifestes, das der junge Herrscher an seine Völker richtete: „Das Bedürfniß und den hohen Werth freier, zeitgemäßer Institutionen aus eigener Ueberzeugung erkennend,“ hieß es darin, „betreten Wir mit Zuversicht die Bahn, die Uns zu einer heilbringenden Umgestaltung und Verjüngung der Gesammtmonarchie führen soll. Auf den Grundlagen der wahren Freiheit, auf den Grundlagen der Gleichberechtigung aller Völker des Reiches und der Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz sowie der Theilnahme der Volksvertreter an der Gesetzgebung wird das Vaterland neu erstehen in alter Größe, aber in verjüngter Kraft.“

Das edle Ziel, das Kaiser Franz Joseph sich steckte, war jedoch nicht leicht zu erreichen. Es war eine schwere Bürde voll Sorgen und drückendster Verantwortung, welche sich mit der Kaiserkrone des alten Habsburger Reiches auf das Haupt des jugendlichen Herrschers senkte. In der langen Spanne eines halben Jahrhunderts hat Oesterreich-Ungarn unter der Regierung Franz Josephs tiefeingreifende Wandlungen durchmachen müssen; in den Kriegen begleitete der Sieg nicht immer die kaiserlichen Heere und in der Ordnung der inneren Angelegenheiten, in der Stellungnahme den nationalen Streitigkeiten gegenüber trafen die Ratgeber der Krone nicht immer das Richtige. Aber bei allem Wechsel des Schicksals, in glücklichen und mehr noch in trüben Tagen gab der Kaiser durch sein Pflichtbewußtsein ein leuchtendes Vorbild zur Sammlung und Versöhnung. Mit nimmer ermüdendem Eifer trachtete er, Beruhigung, Zufriedenheit und Wohlstand zu schaffen und die vielfach auseinanderstrebenden Volkselemente unter den höheren Gesichtspunkten des Gesamtstaates zu vereinigen. Durch diese aufopferungsvolle jahrzehntelange Arbeit hat er in der That die Liebe seiner Völker errungen, die namentlich bei besonderen festlichen wie traurigen Anlässen sich in leuchtendster Weise kundgab. Vom Volksjubel war er umbraust, als er am 2. Dezember 1873 sein fünfundzwanzigjähriges Regierungsjubiläum feierte; zu einem wahren Volksfeste gestaltete sich die Feier seiner Silbernen Hochzeit am 24. April 1879, und als er am 8. Juni 1892 das fünfundzwanzigjährige Jubiläum seiner Krönung zum König von Ungarn beging, huldigten die Magyaren in Budapest voll Begeisterung ihrem Monarchen.

Als vollends das seltene Jubiläum der fünfzigjährigen Regierung Kaiser Franz Josephs herannahte, waren die Völker des weiten Reiches mit fast beispiellosem Eifer bedacht, das Jubeljahr durch großartige Huldigungen und im Sinne des Jubilars durch leuchtende Werke der Wohlthätigkeit zu einem denkwürdigen zu gestalten. In allen Gauen und in allen Städten war man bestrebt, der Freude und Genugthuung über das frohe Ereignis glanzvollsten Ausdruck zu geben, und allen voran ging Wien, die alte Residenz der Habsburger, die Stadt, in der Franz Joseph am 18. August 1830 das Licht der Welt erblickt und in der er den größten Teil der schönen und trüben Stunden seiner langen vielbewegten Regierungszeit verbracht hat.

Die Jubiläumsausstellung im Prater, das Fünfte Oesterreichische Bundesschießen mit dem großartigen Festzuge, die Jubiläums-Kunstausstellung, der Kinderfestzug, die Eröffnung der Stadtbahn, Kircheneinweihungen und noch unzählige mit äußerem Gepränge verbundene Huldigungsakte wurden abgehalten oder vorbereitet, abgesehen von den Tausenden von Stiftungen und Wohlfahrtseinrichtungen, die im Sinne des hohen Jubilars geschaffen wurden. Aus allen Teilen der civilisierten Welt waren Besuche von gekrönten Häuptern, Thronfolgern, Abgesandten angekündigt, welche dem edlen Friedensfürsten ihre Glückwünsche persönlich darbringen wollten. Dankbar erkannten alle Völker Europas es an, daß des Kaisers aufrichtiges Streben stets auf die Erhaltung des Friedens gerichtet war.

Da schwirrte am Abend des 10. September eine unfaßbare, entsetzliche Unheilsbotschaft durch die Städte und Länder des weiten Reiches: die Kaiserin ermordet! Als dem greisen Monarchen die entsetzliche Nachricht überbracht wurde, da soll er, vom Schmerz überwältigt, ausgerufen haben: „Mir bleibt doch keine Heimsuchung erspart!“

Und in der That, welches Schicksal kann mit dem des edlen Dulders auf dem Throne verglichen werden! Der Bruder im fernen Mexiko als Rebell erschossen, der einzige Sohn und Erbe in der Blüte seiner Jahre dahingerafft und nun die sanfte stille Gefährtin, die ihm in seinem größten Schmerze die lautgepriesene Stütze war, von dem Stahl eines wahnwitzigen Mordgesellen hingestreckt! Wahrlich, Grauenvolleres konnte selbst die alte Schicksalstragödie nicht ersinnen. Dazu die vielen Erschütterungen der äußeren und inneren Politik, die fast unlösbaren Wirren der Gegenwart! Unser Mitleid verwandelt sich in Bewunderung, wenn wir den greisen Monarchen aufrecht sehen, unentwegt ausharrend bei seiner strengen Pflichterfüllung, wie er es all die Jahre gehalten, getröstet und erhoben durch ein tiefes Gottvertrauen.

Mit schrillem Klang riß die Saite der Festesfreude entzwei. Jetzt tönen nur Totenklagen und Orgeltrauerklang.

Der einsame Mann auf dem Throne löst sich von seinen Schmerzen los und sinnt und sinnt dem Glücke seiner Völker nach. Möchte doch die Sturmflut der Leidenschaften ebben, auf daß der Lebensabend des gebeugten Steuermanns auf dem Staatsschiffe noch durch freundliche Lichtblicke verklärt werde!

Das ist der stille Segenswunsch all der Millionen, die heute in dem weiten Reiche des Jubiläums ihres Kaisers gedenken.