Künstliche Diamanten
Wieder ist der rastlos vorwärts schreitenden Chemie die Verwirklichung eines alten Traumes geglückt: man hat den kostbarsten aller Edelsteine, den Diamanten, im chemischen Laboratorium dargestellt! Vor zwei Jahren konnten wir in einem Artikel über „Edelstein-Alchemie“ (1878, Seite 228) den Lesern der „Gartenlaube“ über ein neu entdecktes Verfahren berichten, nach welchem sich Sapphire, Rubine und Smaragde, die nächst ihm werthvollsten Steine, künstlich herstellen lassen. Das waren die Vorläufer, denen um die letzte Jahreswende Gerüchte folgten, daß nun auch dem Diamanten sein Recht geschehen sei. Aber wie es schon so oft dagewesen, diese Gerüchte, welche James Mactear in Glasgow als Denjenigen nannten, dem der große Wurf geglückt sei, erwiesen sich als trügerisch; seine angeblichen Diamanten hielten einer genauen chemischen und mineralogischen Prüfung nicht Stand. Aber die Diamantenfabrication war nun im Flusse; gleich darauf wurde Dr. Marsden in Bristol als Diamanten-Koch ausgerufen, und ehe er noch seine Künste eingestehen oder ableugnen konnte, legte Professor Stokes am Februar dieses Jahres Proben wirklicher, unbezweifelbarer Kunst-Diamanten, welche J. Ballantyne Hannay, ein junger Chemiker in Glasgow, nach einem sehr sinnreichen Verfahren dargestellt hat, der Londoner königlichen Gesellschaft der Wissenschaften vor.
Ehe wir sein Verfahren und den Weg, der ihn zur Entdeckung desselben geführt hat, genauer beschreiben, wird es zweckmäßig sein, einen Blick auf die Vorgeschichte dieser Entdeckung zu werfen. Jeder Schulknabe weiß heute, daß der unbezwingliche, Adamas, wie ihn die Alten mit Recht genannt haben, weil er alle Steine ritzt, ohne von irgend einem derselben angegriffen zu werden, für den Chemiker nichts anderes ist, als – bloße Kohle im dichtesten, krystallisirten Zustande. Und doch ist sein Werth nicht ein blos auf seiner Seltenheit beruhender, lediglich eingebildeter, denn der Diamant besitzt wirklich auch innere Eigenschaften, die ihn an die Spitze aller Edelsteine stellen. Wir hörten eben, daß er der härteste aller Steine sei, und neulich (Seite 11 dieses Jahrgangs) erfuhren wir, daß er unter allen Stoffen am stärksten phosphorescirt, nämlich unter gewissen Bedingungen mit der Helligkeit einer brennenden Kerze. Ebenso lenkt er den Lichtstrahl mit einer stärkeren Kraft, als irgendein anderer Stein, von seinem Wege ab und erzeugt dadurch, indem er die Farbenantheile des weißen Lichtes sondert, das herrlichste Farbengefunkel, welches es geben kann, wenn ein geschickter Schliff dem Lichte zahlreiche Einfallsflächen neben einander verschafft hat.
Außer einigen stark mit Blei oder Thallium – einem durch die Spectralanalyse entdeckten Metalle – versetzten Glasflüssen, aus denen man falsche (Simili-) Brillanten herstellt, zeigen ein so starkes Lichtbrechungsvermögen nur noch einige sehr kohlenstoffreiche organische Substanzen, namentlich viele ätherische Oele, und aus dieser Uebereinstimmung schloß bereits Newton, daß auch der Diamant einen brennbaren Stoff enthalten müsse.
Von dieser Vermuthung ausgehend, veranlaßte der Großherzog Cosimo der Dritte von Toscana im Jahre 1694 durch Hergabe einiger Diamanten die Naturforscher seines Hofes zu Florenz, den unbezwinglichen einmal im Focus eines großen Brennspiegels der Feuerprobe auszusetzen, welche er – nicht bestand. Hier, wo allerdings auch Gold und Silber wie Wachs schmolzen und sich verflüchtigten, bekam der Stein alsbald Risse, erglühte unter Funkensprühen und verschwand. Es war ein fürstlicher Versuch, welchen Kaiser Franz der Erste 1750 in Wien wiederholen ließ. Am leichtesten geht die Verbrennung in einem Behälter mit reinem Sauerstoffgase vor sich, wobei man zugleich das Verbrennungsproduct sammeln kann, und begüterte Chemiker wiederholen dieses historische Experiment jetzt wohl alljährlich in ihren Vorträgen. Als ich vor achtzehn Jahren bei dem berühmten Mitscherlich (gestorben 1863) in Berlin Chemie hörte, ging der zum Feuertode bestimmte Diamant mit den anderen Brillanten des Professors Tags vorher unter einer Glasglocke im Hörsaal herum, und wir wurden aufgefordert, Studienfreunde anderer Disciplinen, die einen sehr seltenen und berühmten Versuch sehen wollten, in den geräumigen Hörsaal mitzubringen. Es war aber nicht viel dabei zu sehen, und die Verbrennung eines Stückchens gewöhnlicher Holzkohle, einer Uhrfeder, eines Schwefel- oder Phosphorstückes in Sauerstoff ist unendlich glanzvoller. Lavoisier, der in der französischen Revolution der Guillotine geopferte Reformator der Chemie, wies nach, daß der Diamant sich bei dieser Verbrennung in dieselbe Luftart verwandelt, die wir beständig ausathmen und welche Champagner und Selterwasser moussirend macht, in den hauptsächlichsten Bestandtheil unseres Schornsteinrauches, in – Kohlensäure. So ergab sich, daß der Diamant aus gemeinem Kohlenstoff besteht; und daß neben ihm kein weiterer wesentlicher Bestandtheil vorhanden ist, hat später der englische Chemiker Humphry Davy dargethan.
Der Kohlenstoff theilt mit manchen anderen Elementarstoffen die Eigenthümlichkeit, in verschiedenen Modificationen aufzutreten. Die ursprünglichst bekannte Form ist diejenige, in welcher er bei unvollkommener Verbrennung (Verkohlung) der organischen Körper, deren Hauptbestandtheil er bildet, zurückbleibt, weil sich nämlich die anderen Grundbestandtheile derselben leichter und schon bei niedrigerer Temperatur mit Sauerstoff und unter einander zu flüchtigen Verbindungen vereinigen, als er selbst. Auch die Torf-, Braunkohlen- und Steinkohlen-Bildung ist eine solche langsame Verbrennung, deren Product im Allgemeinen um so reicher an reinem Kohlenstoff zu sein pflegt, je älter die Fundschicht und je weiter damit die langsame Verbrennung der organischen Substanz fortgeschritten ist. Ein mehr oder weniger reiner Kohlenstoff einer zweiten Modification findet sich in Gestalt undurchsichtiger bleigrauer, metallglänzender Krystalle oder Schuppen an vielen Orten der Erde; es ist der sogenannte Graphit oder das Reißblei, aus welchem unsere Bleistifte und feuerfesten Tiegel gemacht werden und welcher außerdem in den Künsten und Gewerben vielfache Anwendungen erfährt.
Der Graphit ist von der gewöhnlicher Kohle jedoch wesentlich nicht nur durch seine krystallinische Gestalt, sondern auch in seinen chemischen Eigenschaften verschieden; er ist ein anderer Zustand derselben, wie der rothe Phosphor der schwedischen Zündhölzer ein weniger feuergefährlicher und weniger giftiger Zustand des gewöhnlichen Phosphors ist. Gleichwohl gelingt es nicht nur, gewöhnlichen weißen Phosphor in rothen, sondern auch gewöhnliche Kohle in Graphit umzuwandeln, indem man sie in geschmolzenem Gußeisen auflöst und daraus herauskrystallisiren läßt. Der Ueberschuß scheidet sich beim Erkalten aus dem Gußeisen als Graphit ab und war schon längst als sogenannter Eisenschaum oder Gahrschaum der Hochöfen bekannt. Sollte man nun, so fragten sich die Chemiker seit mehr als einem halben Jahrhundert, nicht den Diamanten ebenso wohl wie seinen rußigen Bruder, künstlich herstellen können? In der That, dieser Gedanke hat nichts Abenteuerliches. Da der Diamant, abgesehen von den zufälligen Beimengungen, die ihn öfters färben oder trüben, nichts als klare, krystallisirte Kohle ist, warum sollte man nicht jede Kohlensorte, wie die Chemiker sagen, „umkrystallisiren“ lassen können? Es handelt sich hier nicht um die Umwandlung des einen Elementes in ein anderes, wie bei der Alchemie oder Goldmacherkunst, sondern einzig darum, einen gegebenen, überall in Masse vorhandenen Stoff zur Krystallisation zu bringen.
Es giebt für dieses Ziel, wie in dem obenerwähnten Artikel [339] über Edelstein-Alchemie eingehender dargelegt wurde, hauptsächlich drei verschiedene Wege. Man versetzt ihn durch Auflösung oder Erhitzung in gelöste, flüssige oder dampfförmige Gestalt und giebt den dadurch beweglicher gemachten kleinsten Theilchen durch langsame Verdunstung des Lösungsmittels oder allmähliche Abkühlung Zeit und Gelegenheit, die diesem Stoffe eigenthümliche Krystallform anzunehmen. Allein außer dem geschmolzenen Eisen, aus welchem der Kohlenstoff als undurchsichtiger Graphit auskrystallisirt, fand man kein Lösungsmittel desselben und noch weniger gelang es, ihn für sich zu schmelzen, geschweige denn, ihn zu verflüchtigen. Eine Zeit hindurch gab man sich der Hoffnung hin, die Kohle durch die gewaltige Gluth des zwischen zwei Kohlenspitzen übergehenden galvanischen Lichtbogens zu schmelzen, und hat thatsächlich in demselben kleinere Schmelzperlen entstehen sehen, welche die Härte des Diamanten besaßen. Sie waren aber schwarz und undurchsichtig, wie die schwarzen Diamanten Brasiliens, welche so wenig selten sind und so niedrig im Preise stehen, daß man sie in der Neuzeit zum Besatze von Steinsägen benützt, mit denen man nicht nur Marmor, sondern auch Granit mit der größten Leichtigkeit schneidet.
Aus dem Verhalten eines in den Gluthbogen einer kräftigen elektrischen Batterie gebrachten Diamanten glaubt man im Gegentheil schließen zu müssen, daß der Diamant in der Natur nicht durch Schmelzung entstanden sein könne. Man sieht ihn nämlich, wenn man durch ein dunkelgefärbtes Glas auf den mit blendendem Lichte glänzenden Stein blickt, sich dabei stark aufblähen und in eine coaksähnliche Kohle verwandeln. Die heimlichen Diamanten-Fabrikanten – denn in der Stille hat so mancher Chemiker an dem Problem gearbeitet – versuchten es nun mit der langsamen Ausscheidung des Kohlenstoffs aus seinen Verbindungen, sei es durch chemische Mittel oder durch den galvanischen Strom, mit dessen Hülfe man bereits manches Element aus seinen Verbindungen zum ersten Male isolirt hatte. Im Besondern wurde eine Zeit lang eifrig mit der eine wasserhelle Flüssigkeit darstellenden Verbindung des Schwefels mit dem Kohlenstoff gearbeitet. Es erwies sich jedoch alle Liebesmühe vergebens; überall, wo man den Kohlenstoff zwang, aus einer Verbindung auszutreten, erschien er als schwarzer, rußiger Geselle, so unähnlich wie möglich dem ersehnten strahlenden Anblick der dritten Modification.
Als nun um die letzte Jahreswende James Mactear in Glasgow wirklich künstliche Diamanten erzeugt zu haben glaubte, welche aber die mannigfachen Proben, denen man sie unterwarf, nicht bestanden, ahnte man wohl nicht, daß ein Landsmann von ihm, J. B. Hannay, in derselben Stadt schon auf einem besseren Wege zur Erreichung dieses ersehnten Zieles sei. Hannay hatte sich kurz vorher in Gemeinschaft mit einem Mitarbeiter, Namens Hogarth, mit einer Untersuchungsreihe beschäftigt, welche die Zusammenpreßbarkeit der Gase betraf, über welche der geneigte Leser ebenfalls im Jahrgang 1878 der „Gartenlaube“ (Seite 80) Näheres findet. Wir wissen, durch die daselbst näher beschriebenen neuen Untersuchungen, daß sich alle Gase durch die vereinte Wirkung von starkem Druck und Kälte in Flüssigkeiten verwandeln lassen. Die Kälte gehört nothwendig mit dazu, und Dr. Andrews in Belfast hat in neuerer Zeit (1869) gezeigt, daß es für jedes Gas einen bestimmten Temperaturgrad giebt, über welchen hinaus es durch keinen Druck mehr in eine Flüssigkeit verwandelt werden kann. Man nennt diesen Grenzpunkt den kritischen Punkt des betreffenden Gases und hat bemerkt, daß alle Gase dicht jenseits desselben durch starken Druck in einen Zustand versetzt werden, der weder derjenige einer wirklichen Flüssigkeit, noch der eines richtigen Gases ist. Man hat vielmehr einen wahren Uebergangszustand zwischen beiden vor sich, aus welchem sie durch leichte Abkühlung in den flüssigen, durch geringe Druckverminderung in den wahren Gaszustand übergehen.
Es bot sich nun wie von selbst die Frage dar, wie sich in zugeschmolzenen Röhren über ihren kritischen Punkt erhitzte Flüssigkeiten verhalten möchten, die feste Körper aufgelöst enthielten. Wird der letztere ausgeschieden werden, wenn die Flüssigkeit in jenen Mittelzustand übergeht?
Die Versuche von Hannay und Hogarth zeigten, daß z. B. eine weingeistige Lösung von Jodkalium, die in einer starken zugeschmolzenen Glasröhre weit über ihren kritischen Punkt erhitzt wurde, diesen salzartigen Stoff keineswegs ausschied; er blieb in dem gasförmig gewordenen Lösungsmittel aufgelöst, wie vorher in der Flüssigkeit. Erst wenn man die Spitze der Glasröhre durchbrach und damit den Druck plötzlich aufhob, schied sich das Iodkalium aus der gasförmigen Lösung aus, und zwar in Gestalt einer Schneewolke aus feinen Krystallen oder eines zarten Rauhreifes, der sich auf den inneren Wandungen der Glasröhre absetzte.
Weitere Versuche zeigten, daß solche überhitzte und zusammengepreßte Gase, ganz wie eine Flüssigkeit, auch nachträglich feste Körper mit Leichtigkeit auflösten, wie denn z. B. Kieselerde, Thonerde, Zinkoxyd und andere in kochendem Wasser schwerlösliche Stoffe von überhitztem und stark zusammengedrücktem Wasserdampf leicht aufgelöst und beim Nachlaß des Druckes zum Theil in krystallinischer Gestalt ausgeschieden wurden. Doch läßt sich mit Wassergas in diesem Zustande schlecht experimentiren, da es auch die Glaswandungen dabei auflöst.
Wahrscheinlich veranlaßten nun Mactear’s angebliche künstliche Diamanten Hannay und Hogarth erst, zu ihren einschlägigen Versuchen zurückzukehren und zu probiren, ob nicht auch Kohle auf diese Weise in Gasen aufgelöst und nachher in krystallinischer Gestalt ausgeschieden werden konnte. Allein – mochten sie nun Graphit, Holzkohle oder feinsten Lampenruß anwenden, es wollte ihnen nicht gelingen, die Kohle trotz der feinsten Zertheilung in irgend einem überhitzten Gase aufzulösen. Sie kamen deshalb darauf, Gase anzuwenden, die den Kohlenstoff in chemischer Verbindung enthalten, und seine Ausscheidung zu bewirken, während sich das Gas in jenem zusammengepreßten Zustande befand, wobei es ja möglich war, daß der Kohlenstoff, wenn auch nicht mehr chemisch gebunden, so doch aufgelöst bleiben konnte, um sich, wie die anderen festen Körper, nachher in krystallinischer Form auszuscheiden. Der Kohlenstoff bildet eine Menge flüchtiger Verbindungen mit Wasserstoff, zu denen beispielsweise unser Petroleum und Leuchtgas gehören, und man kann denselben in stark erhitzten und verschlossenen Röhren den Wasserstoff durch Metalle entziehen, die, wie Natrium und Magnesium, bei hohen Temperaturen eine starke Verwandtschaft zum Wasserstoff haben. Dieser Versuch wurde in sehr dicken flintenlaufartigen Eisenröhren mit anderthalb Zoll starken Wandungen ausgeführt, wobei man Sorge tragen mußte, daß zugleich ein feuerbeständiges Gas vorhanden war, in welchem der ausgeschiedene Kohlenstoff gelöst bleiben konnte. Die feuerbeständigen Verbindungen von Kohlenstoff und Stickstoff (Cyangas etc.) zeigten sich am besten dazu geeignet.
Der Versuch gelang nicht gleich ohne Umschweife. Von zehn Stück dieser starken Eisenröhren, die nur einen halben Zoll innerer Weite besaßen, widerstand nur eine dem starken Gasdruck während des Glühens; neun wurden aufgerissen. Aber wenn der Versuch gelang, zeigten sich in der Röhre feine glänzende Splitter von in krystallinischer Gestalt ausgeschieder Kohle, das heißt von wirklichen Diamanten.
Hannay selbst, und Professor Maskelyne, ein berühmter englischer Mineraloge, sowie andere Naturforscher haben diese Splitter allen möglichen Proben unterworfen, um sich zu vergewissern, ob es wirkliche Diamanten seien. Und sie haben alle diese Proben bestanden. Ihre Härte ist so groß, daß sie Sapphir mit Leichtigkeit ritzen, was eben nur der Diamant vermag. Sie sind, wie der echte Diamant, dreiundeinhalbmal schwerer als Wasser. In dem elektrischen Glühbogen verhalten sie sich ebenfalls ganz wie der natürliche Diamant, und vor dem Löthrohre oder in Sauerstoff verbrennen sie ohne Rückstand und geben soviel Kohlensäure, daß man den Kohlenstoffgehalt, ähnlich wie bei echten Diamanten, auf achtundneunzig Procent berechnen konnte. Die Krystallgestalt betreffend, fand man eine höchst charakteristische Eigenthümlichkeit der natürlichen Diamanten, nämlich, daß sie nicht wie fast alle anderen Krystalle gerade, sondern gewölbte Flächen zeigen, auch an den künstlichen wieder, doch ließ sich wegen der Kleinheit der Fragmente hier wenig Sicheres feststellen. Es scheint fast, als ob man es mit zersprungenen Krystallen zu thun habe; denn nur an wenigen Stücken fand man ausgebildete Flächen oder Ecken, vielleicht war der plötzliche Uebergang von starkem zu geringem Druck oder von hoher zu niedriger Temperatur daran schuld. Eins nur erscheint sicher: das lange angestrebte Problem, Diamanten zu erzeugen, dürfte hiermit gelöst sein.
Ob dieses für die Wissenschaft höchst interessante Ergebniß für das praktische Leben jemals irgend eine Bedeutung gewinnen wird, steht dahin. Vorläufig dürfen Diejenigen, welche einen [340] Theil ihres Ueberflusses in Brillanten angelegt haben, ruhig schlafen; die erwähnten kleinen Partikel werden ihre Schätze nicht entwerthen. Es ist ja nicht undenkbar, daß die Industrie sich des von den Erfindern offen dargelegten Verfahrens mit Erfolg bemächtigen und daß sie als Schmucksteine brauchbare Krystalle erzeugen mag; wahrscheinlich ist es gerade nicht. Auch würde darin kein großer Gewinn für die Gesammtheit liegen; denn mit ihrem Kaufpreise würde auch sofort ihr Ansehen sinken, weil sie dann nicht mehr als sicheres Unterscheidungsmittel der Geldaristokratie gelten könnten.
Viel wichtiger würde es sein, wenn man so große und reine Stücke herstellen könnte, daß sich daraus Gläser für Mikroskope und Fernröhre herstellen ließen, die wahrscheinlich unsere gläsernen Werkzeuge übertreffen würden, doch ist dazu noch weniger Aussicht vorhanden. Eine andere naheliegende Frage ist, ob sich die Diamanten in der Natur unter ähnlichen Verhältnissen gebildet haben möchten, wie die Hannay’schen? Die äußeren Bedingungen dazu, starke Glühprocesse unter gewaltigem Gasdruck, sind gewiß oftmals auf dem jungen Erdball vorhanden gewesen. Es ist für mich selbst überraschend und bezeichnend für die Weise, wie Prophezeiungen zu Stande kommen, daß ich vor ungefähr elf Jahren die Abscheidung des Kohlenstoffs aus seinen Verbindungen durch Metalle bei hohem Gasdruck als den muthmaßlichen Weg bezeichnete, auf dem die Natur Diamanten hervorgebracht haben könnte.
Nicht um irgend welche Prioritätsansprüche zu erheben, sondern einfach der Curiosität halber theile ich die Stelle, welche in einer Berliner Zeitschrift („Das Haus“, 1869, Nr. 25) steht, hier wörtlich mit. Es ist dort davon die Rede, daß das oben beschriebene Verhalten des Diamanten in der Hitze des galvanischen Kohlenlichtes nicht dafür spräche, daß er auf feurigem Wege entstanden sei. Nun heißt es: „Aus diesem Verhalten hatte man alsbald geschlossen, daß die Bildung der Diamanten auf kaltem und nassem Wege vor sich gegangen sein müsse, und Liebig sprach seine Meinung dahin aus, daß vielleicht eine Art Fäulniß oder Zersetzungsproceß aus einer organischen Substanz den Kohlenstoff in krystallinischer Form abgeschieden habe. Ein solcher Abscheidungsproceß hat immerhin für den Chemiker seine Fragezeichen, und man mag eher an die Abscheidung des Kohlenstoffes durch andere Substanzen, vielleicht unter erhöhtem Druck, denken. So scheidet Eisen das Kupfer aus seinen Lösungen … Vielleicht waren es in der That Eisenverbindungen, welche den Kohlenstoff als Diamant ausschieden; denn er kommt besonders häufig in einem eisenreichen Steinschutt (Caskalho) vor.“
Im Uebrigen braucht die Diamantenbildung in der Natur nicht überall in gleicher Weise vor sich gegangen zu sein – die Natur hat viele Mittel, und es läßt sich nicht leugnen, daß viele Diamanten Eigenschaften darbieten, welche eine allmähliche Bildung auf nassem Wege bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich machen. Manche Stücke zeigen Vertiefungen an der Oberfläche, als ob dieselbe ursprünglich weich gewesen wäre und Eindrücke von runden Sandkörnern oder spitzen Steinen empfangen habe. Aehnliche Vermuthungen erweckt das Studium der Einschlüsse vieler Diamanten. Petzoldt wollte Ueberbleibsel organischer Zellenbildung in einzelnen Stücken gesehen haben, und auch Göppert bemerkte mikroskopische Maschenbildungen, die wenn auch nicht auf organische Zellenbildungen, doch auf ein System regelmäßiger Sprünge hindeuteten, wie sich solche in weichen, langsam eintrocknenden organischen Massen (wie Gummi und Harz) bilden. Lippert nahm vor zwölf Jahren in gewissen Diamanten traubenförmig gehäufte grüne Kügelchen wahr, die auf’s Täuschendste den Zellen gewisser niedriger Pflanzen (Algen) glichen, und manche Naturforscher waren nicht abgeneigt, darin diejenigen Organismen zu erblicken, welche vielleicht die Bildung der Diamanten bewirkt haben könnten. Obwohl diese Vermuthung noch durch die Aehnlichkeit der krummflächigen Diamanten mit gewissen in organischen Flüssigkeiten gebildeten Krystallen, den sogenannten Krystalloiden unterstützt wird, bietet sie doch bei näherer Betrachtung so viele Schwierigkeiten, daß es richtiger ist, unsere völlige Unkenntniß von der Bildung der natürlichen Diamanten einzugestehen. Um so erfreulicher ist der Triumph der Wissenschaft auf diesem Gebiete, sofern er einen neuen, vorher ungeahnten Weg zeigt und beweist – wenn man daran zweifeln könnte – daß die bekannten Naturkräfte ausreichen, um den Diamanten hervorzubringen und seine Bildung zu erklären.