1. Ein nüchtern Mann — ein armer Mann! vertrocknet Herz und
Kehle, ein König, der da trinken kann zugleich mit Leib und Seele!
2. Hier sitz ich auf dem grünen Pfühl von Maien aufgeschlagen,
der Tag ist lau, der Wein ist kühl, so muß der Trank behagen.
3. Und rings um meinen Thron gedeckt die Flaschen in dem Grase,
kein Pfaff und kein Minister steckt ins Regiment die Nase.
4. Es spielt mir um die Stirn der Kranz wie’m Bacchus Blatt und
Traube, es schwärmt umher der Frauen Tanz, bacchantisch in dem Laube.
5. Sie säen nicht, sie ernten nicht, sind doch so froh genähret; ich
trinke nur und sorge nicht, so hat mir’s Gott bescheret.
6. Und du, mein einzger Herzensfreund, genug fürs ganze Leben,
du trinkst mit mir, und jedem Feind kann ich mit dir vergeben.
7. Mit dir beim Weine Zug um Zug, wie wachsen die Gedanken!
So selig kann des Adlers Flug im Äthergold nicht schwanken.
8. Und all der hohe stolze Tag, uns soll er ganz gehören, kein
Zeiger und kein Stundenschlag darf seine Feier stören.
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9. Fern braust der Markt, wo groß und klein sich Schätze will
erraffen, ’s sind lauter Knechte, die den Wein in meine Schläuche schaffen.
10. Wenn alle Welt im Staube wühlt, muß es doch einen geben,
der einen König noch sich fühlt, als König weiß zu leben.
11. Stoßt an! und sinkt der Sonnenschein und ist mein Reich
zerfallen, sollst du des Thrones Erbe sein, die andern die Vasallen.
12. Sei König, wer da trinken kann zugleich mit Leib und Seele.
Ein nüchtern Mann — ein armer Mann! vertrocknet Herz und Kehle.
J. G. Fischer.
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