Textdaten
Autor: Walther Kabel
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Titel: König Peter von Serbien
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aus: Bibliothek der Unterhaltung und des Wissens, Jahrgang 1912, Bd. 5, S. 218–220
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Erscheinungsdatum: 1912
Verlag: Union Deutsche Verlagsgesellschaft
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Erscheinungsort: Stuttgart, Berlin, Leipzig
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[218] König Peter von Serbien. – Von der Lebensführung des einstigen Prinzen Peter Karageorgiewitsch, des jetzigen Serbenkönigs, ist bisher wenig in die Öffentlichkeit gedrungen. Dabei gibt gerade jene Zeit, als er noch als bescheidener Privatmann in Paris lebte, den besten Aufschluß über seine Persönlichkeit, deren charakteristischen Zügen man bisher recht wenig Gerechtigkeit hat widerfahren lassen.

Prinz Peter, der älteste Sohn des 1859 zur Thronentsagung gezwungenen Fürsten Alexander von Serbien, war mit Glücksgütern nicht allzu reich gesegnet. Als er noch die Generalstabsschule in Paris besuchte, gehörte er zu den am saubersten, aber auch am einfachsten gekleideten Zöglingen. Da seine bescheidenen Mittel ihm nicht gestatteten, fürstlichen Aufwand zu treiben, verbarg er seine Abkunft nach Möglichkeit. In seinem ganzen Auftreten zeigte er stets die größte Bescheidenheit. Er arbeitete fleißig, beschäftigte sich viel mit Heeres- und Waffenkunde, versäumte es aber auch nicht, seinen Körper [219] durch eifriges Betreiben aller Sportarten zu stählen und sich im Gebrauche von Schuß- und Hiebwaffen zu üben.

Den Feldzug 1870/71 machte er als französischer Kriegsfreiwilliger bei der Armee Bazaines mit. In den Kämpfen, die der entscheidenden Schlacht von Sedan vorausgingen, führte er eine Patrouille, die die Aufgabe hatte, die Stärke der linken Seitendeckung des auf Sedan vorrückenden deutschen Heeres zu erkunden. Begierig, diesem Auftrag möglichst gerecht zu werden, wagte er sich in einer regnerischen Nacht allein zu dicht an ein von preußischen Truppen besetztes Dorf heran, um festzustellen, welche Waffengattungen dort lagerten. Hierbei wurde er von einigen Ulanen entdeckt und hart verfolgt. Glücklich gelangte er an das Ufer der Meuse, sprang in den Fluß und durchschwamm ihn in voller Uniform, während ihm die Karabinerkugeln der Ulanen um die Ohren pfiffen.

Das Apachenunwesen stand in Paris bereits zu jener Zeit, als Prinz Peter noch in der Seinestadt wohnte, recht stark in Blüte. Einmal kehrte der Prinz spät nachts von einem Besuche heim und kam dabei auch über den Boulevard Malesherbes. Plötzlich versperren ihm zwei herkulisch gebaute Kerle, die bisher im Schatten der Alleebäume auf ein Opfer gelauert hatten, den Weg.

„Kein Laut. Und leere schleunigst deine Taschen, wenn dir dein Leben lieb ist.“

Prinz Peter markiert den völlig Entsetzten, will, scheinbar ergeben in sein Schicksal, in die Brusttasche greifen, um eine nicht vorhandene Brieftasche hervorzuholen, ändert aber blitzschnell die Handbewegung, versetzt dem einen Strauchdieb einen so gewaltigen Boxhieb unter die Nase, daß der Kerl einen regelrechten Purzelbaum nach rückwärts schlägt, und erledigt den zweiten durch einen Fußtritt in die Magengegend ebenso kunstgerecht. Dann ruft er eine eben vorüberfahrende Droschke an und bringt die Banditen mit Hilfe deren Insassen nach der nächsten Polizeiwache.

Jedenfalls dürfte keiner der heute regierenden Fürsten Europas ein ähnliches Abenteuer erlebt haben. König Peter ist auf diese Erinnerung auch nicht wenig stolz. Kürzlich soll [220] er bei einem Festmahl in seinem Palast den geschilderten Vorgang in launigster Weise dem an seinem Hofe beglaubigten deutschen Gesandten erzählt haben.

In wie bescheidenen Verhältnissen Prinz Peter seinerzeit in Paris lebte, davon weiß der bejahrte Portier des Hauses Rue Joffroy Nr. 47 manches zu berichten. Dort hatte der heutige Serbenkönig eine kleine Wohnung in der dritten Etage für 750 Franken jährlich gemietet. Den Mietkontrakt unterzeichnete er schlicht mit Peter Karageorgiewitsch. Jener Portier schildert den Prinzen als einen überaus freundlichen Herrn, der sich so manches Mal mit ihm und seinen Kindern unterhalten habe, wobei er nie duldete, daß man ihn mit dem Prinzentitel anredete. Den Mietkontrakt hat der Portier unlängst an einen reichen Amerikaner, der eifriger Sammler von Handschriften ist, für nicht weniger als 5000 Franken verkauft.

W. K.