König Gram befreit seine Braut Signe

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Titel: König Gram befreit seine Braut Signe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 21, S. 648–649, 675
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[648–649]

König Gram befreit seine Braut Signe.
Nach einem Gemälde von Ferdinand Leeke.

[675] König Gram befreit seine Braut Signe. (Zu dem Bilde S. 648 und 649.) Baumbach, der anmuthige Sänger der Spielmannslieder, hat ein Epos gedichtet, worin er die Geschichte von der Werbung Horands um Hilde, die Tochter König Hagens, erzählt – in freier Umformung der Stoffe, die uns im Gudrunlied erhalten sind. Wie Baumbach das liebt, fügt er bei schicklichen Gelegenheiten kurze, dramatisch bewegte Lieder ein, wie sie dem Orte und der Stimmung entsprechen. Ein solches Lied hat unseren Künstler zu seinem Gemälde begeistert. Hildburg singt es dem Königskinde Hilde, in dessen jungfräulicher Seele eben die Liebe zu dem fremden Recken Horand aufzusprießen begonnen hat. Es ist ein Lied von dem König Gram, dem ein geheimnisvoller Spiegel die ferne Braut, Signe, des Finnenkönigs Tochter, im Brautgeschmeid und Brautgewand an eines Fremden Seite zeigt:

„Da sprach kein Wort der König Gram,
Das Steuer er zu Handen nahm,
Gen Mitternacht, gen Finnenland
Ward schnell das Drachenschiff gewandt;
     Hei, wie es flog im Winde!

Der Finnenkönig saß im Saal
Bei seiner Tochter Hochzeitsmahl.
Schön Signe saß so blaß und bleich
Und neben ihr im Kleide reich
     Der Fürst der wilden Sachsen.

Da trat ein alter Mann herein,
Den hüllten Grauhundfelle ein.
Er ging am Stab gebückt einher,
Als ob er siech und müde wär’,
     Und saß am Eingang nieder.

So Meth als Wein in Strömen rann,
Und wüster Lärm im Saal begann,
Manch einer vom Bewußtsein schied,
Ein finn’scher Sänger sang ein Lied,
     Das klang wie Rabenkrächzen.

Da nahm das Saitenspiel zur Hand
Der fremde Mann im Wolfsgewand
Und sang ein Lied voll Klang und Gluth,
Von Frauentreu und Mannesmuth.
     Schön Signe saß und lauschte.

Und wie vom Regen neu belebt
Die welke Blüthe sich erhebt,
So hob das schöne Haupt die Braut,
Von heißen Thränen hell bethaut,
     Und spähte nach dem Sänger.

Da warf der Fremde von sich schnell
Die Kappe sammt dem rauhen Fell.
Hei, wie den bleichen Bräutigam
Zu Boden schlug der König Gram
     Mit seinem guten Schwerte!

Schön Signe von dem Hochsitz sprang,
Der König fest die Braut umschlang,
Und aus dem Hochzeitssaal im Flug
Sein starker Arm die Taube trug
     Zum Drachenschiff am Strande.“

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