Jung Musgrave und Lady Barnard

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Textdaten
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Autor: Theodor Fontane
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Titel: Jung Musgrave und Lady Barnard
Untertitel:
aus: Gedichte, Seite 365–368
Herausgeber:
Auflage: 10. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1905
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger
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Erscheinungsort: Stuttgart und Berlin
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[365]
Jung Musgrave und Lady Barnard.[1]


     Jung Musgrave trat in die Kirche,
Sein Kleid war gold und blau:
Er grüßte die schönen Frauen,
Nicht so Unsre liebe Frau.

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     Er sah sich um im Kreise,

Nur Eine fehlte noch,
Eintrat da Lady Barnard,
Das war die schönste doch.

     Ihr Auge fiel auf Musgrave,

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Ihr Auge wie Sonnenschein,

Da fühlte des Knaben Herze:
Der Lady Herz ist Dein.

     Sie flüsterte: „Jung Musgrave,
Ich liebe Dich seit lang!“

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„„So that ich, liebe Lady,

Nur war mein Wort zu bang.““

     „Ich hab’ ein Haus im Walde,
Verschwiegen und bewacht,
Und willst Du kommen, Jung Musgrave,

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Jung Musgrave, so komm heut Nacht!“


     Den Knaben überlief es,
Als habe sie ihn geküßt,
Er sprach: „ich komme lieb Lady
Und wenn ich sterben müßt.“

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     Das hörte der Lady Läufer,

Nicht lang er so stund und sann:
„Und bin ich Mylady’s Läufer
So bin ich Mylord’s Mann!“

     Er sprach es und lief waldeinwärts,

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Lief über das Haideland;

Die Sterne standen am Himmel,
Als vor dem Schloß er stand.

     „Wach auf, wach auf, Lord Barnard,
Deine Ehr’ ist krank und wund;

35
Jung Musgrave und Deine Lady

Die küssen sich zur Stund.

     Sie küssen sich im Walde
In Deines Försters Haus; –
Laß satteln, Mylord Barnard,

40
Und komm und reite hinaus.“


     Der Lord fuhr auf vom Lager:
„Lieber Läufer, sprichst Du wahr,
Mein Forst und meine Aecker
Sind Deine auf ein Jahr.

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     Doch hast Du falsch gesprochen

Oder trog Dich falscher Schein,
An den höchsten Baum im Walde
Sollst Du gehangen sein!

     Auf, auf, meine Mannen alle,

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Und sattelt mein schnellstes Thier,

Oft sind wir rasch geritten,
Heut reiten rascher wir.“

[367]
     Hin ging es über die Haide,

Lord Barnard’s Horn erklang; –

55
Jung Musgrave küßte die Lady,

Er küßte sie so bang.

     „Ich hör’ es von fernher klingen, –
Das ist keine Wachtel im Korn,
Das ist kein Häher im Walde,

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Das ist Lord Barnard’s Horn!“


     „„Gieb mir die Hand, Jung Musgrave,
Deine Lippen sind so kalt, –
’s ist Pfeif und Horn des Hirten
Was über die Haide schallt.

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     Dein Falk hat Schellen und Bänder,

Dein Roß hat Streu und Korn,
Und Du – Du hast mich selber,
Was kümmern Dich Pfeif’ und Horn.““

     Und als sie das gesprochen,

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Lord Barnard hält davor: –

Er hat drei silberne Schlüssel,
Die schlossen Thür und Thor.

     Er schob zurück den Vorhang,
– Zorn schüttelte seinen Leib;

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„Sag an, sag an, jung Musgrave,

Wie findest Du mein Weib!“

     „„Ich finde sie süß, Lord Barnard,
Ich finde sie süß und traut,
Und schliefe doch lieber im Walde

80
Bei Ginster und Haidekraut.““


[368]
     „Steh auf, steh auf, Jung Musgrave,

Leg Kleid und Waffen an,
Steh auf, ich mag nicht tödten
Einen unbewehrten Mann.

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     Und hast Du keine Waffen,

Ich hab zwei Klingen hier,
Nimm Du die beste und längste
Und laß die kürzeste mir.“

     Jung Musgrave schlug zum ersten,

90
Er traf Lord Barnard gut,

Lord Barnard schlug zum zweiten,
Da lag der Knab’ im Blut.

     Die Lady warf sich auf ihn:
„Leb wohl, mein süßer Knab’,

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Will beten für Deine Seele

So lang ich leben hab’.“

     „„Dann bete schnell, lieb’ Lady,
Und bete für Dich mit!““
In ihren weißen Nacken

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Die rothe Klinge schnitt.


     Lord Barnard stieg zu Rosse,
Aufglomm der erste Schein,
„Begrabt sie bei einander, –
Ein Grab und einen Stein!“

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     Lord Barnard ritt von dannen,

Sah starr in’s Morgenlicht:
„Die Ehre ist genesen,
Mein Herze ist es nicht!“

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Fontanes Vorlage seiner Umdichtung ins Deutsche ist die englische Volksweise Little Musgrave and Lady Barnard aus dem 17. Jahrhundert, die auch unter anderen Namen bekannt ist (englische Wikipedia).