Textdaten
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Autor: Ernst Meier
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Titel: Jokele
Untertitel:
aus: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben, S. 285-287
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1852
Verlag: C. P. Scheitlin
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Erscheinungsort: Stuttgart
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Google und Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
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[285]
82. Jokele.

Es schickt der Herr des Jokele naus,
Soll die Bire schüttle;[1]
’s Jokele will net d’ Bire schüttle,
D’ Bire wöllet net falle.

Schickt der Herr a Hundle naus,
Soll des Jokele beiße.
’s Hundle will net ’s Jokele beiße,
’s Jokele will net d’ Bire schüttle,
D’ Bire wöllet net falle.

Schickt der Herr a Prügele naus,
Soll das Hundle schlage.
’s Prügele will net ’s Hundle schlage,

[286]

’s Hundle will net ’s Jokele beiße,
’s Jokele will net d’ Bire schüttle,
D’ Bire wöllet net falle.

Schickt der Herr a Feuerle naus,
Soll das Prügele brenne.
’s Feuerle will net ’s Prügele brenne,
’s Prügele will net ’s Hundle schlage,
’s Hundle will net ’s Jokele beiße,
’s Jokele will net d’ Bire schüttle,
D’ Bire wöllet net falle.

Schickt der Herr ’s Wäßerle naus,
Soll das Feuerle lösche.
’s Wäßerle will net ’s Feuerle lösche,
’s Feuerle will net ’s Prügele brenne,
’s Prügele will net ’s Hundle schlage,
’s Hundle will net ’s Jokele beiße,
’s Jokele will net d’ Bire schüttle,
D’ Bire wöllet net falle.

Schickt der Herr a Oechsle naus,
Soll das Wäßerle saufe.
’s Oechsle will net ’s Wäßerle saufe,
’s Wäßerle will net ’s Feuerle lösche,
’s Feuerle will net ’s Prügele brenne,
’s Prügele will net ’s Hundle schlage,
’s Hundle will net ’s Jokele beiße,
’s Jokele will net d’ Bire schüttle,
D’ Bire wöllet net falle.

Schickt der Herr a Metzgerle naus,
Soll das Oechsle metzge.
’s Metzgerle will net ’s Oechsle metzge,
’s Oechsle will net ’s Wäßerle saufe,

[287]

’s Wäßerle will net ’s Feuerle lösche,
’s Feuerle will net ’s Prügele brenne,
’s Prügele will net ’s Hundle schlage,
’s Hundle will net ’s Jokele beiße,
’s Jokele will net d’ Bire schüttle,
D’ Bire wöllet net falle.

Schickt der Herr den Henker naus,
Soll das Metzgerle henke.
Henker will ja ’s Metzgerle henke,
’s Metzgerle will ja ’s Oechsle metzge,
’s Oechsle will ja ’s Wäßerle saufe,
’s Wäßerle will ja ’s Feuerle lösche,
’s Feuerle will ja ’s Prügele brenne,
’s Prügele will ja ’s Hundle schlage,
’s Hundle will ja ’s Jokele beiße,
’s Jokele will ja d’ Bire schüttle,
D’ Bire wöllet ja falle.


  1. lies: Soll die Bire schüttle [statt Soll die d’ Bire schüttle]. (Druckfehler)

Anmerkung des Herausgebers

[317] 82. Jokele. Mündlich aus Derendingen, Tübingen, Wurmlingen und sonst allgemein bekannt. Anstatt des Henkers heißt es in der Mittheilung aus Wurmlingen: „a Teufele,“ und die zweite Zeile lautet: „soll das Metzgerle hole.“ Der Schluß heißt allemal: „d’ Bire weand it (wollen nicht) falle.“ – (Bire, vom lat. pira, ist Birne mit unorganischem n.) Vgl. aus Deßau bei Fiedler, Volksreime u. s. w. Nr 36: „der Bauer schickt den Gepel aus,“ aber unvollständig, ohne Schluß. Englisch bei Halliwell: The nursery rhymes of England, 2. ed. 1843, p. 219-224, in mehren Versionen, die, wie ähnliche Häufungsreime, uralte Verwandtschaft beurkunden.

Ein sehr ähnliches und dem Thema nach offenbar verwandtes Lied findet sich chaldäisch in den gewöhnlichen jüdischen Hagada’s für das Passah; es ist das letzte Stück dieser zusammengestellten Festlieder und Vorträge und wird am Schluß des Osterfestes gesungen. Es beginnt: chad gadjâ, chad gadjâ, dezabbîn abbâ bitrê zuzê, chad gadjâ u. s. w. deutsch:

1.
Ein Böckchen, ein Böckchen,

Das kaufte der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen.

[318]
2.
Da kam die Katz und fraß das Böckchen,

Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

3.
Da kam der Hund und biß die Katz,

Die gefreßen das Böckchen,
Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

4.
Da kam der Stock und schlug den Hund,

Der gebißen die Katz,
Die gefreßen das Böckchen,
Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

5.
Da kam das Feur und verbrannte den Stock,

Der geschlagen den Hund,
Der gebißen die Katz,
Die gefreßen das Böckchen,
Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

6.
Da kam das Waßer und löschte das Feuer,

Das verbrannt den Stock,
Der geschlagen den Hund,
Der gebißen die Katz,
Die gefreßen das Böckchen,
Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

7.
Da kam der Stier und trank das Waßer,

Das gelöscht das Feuer,
Das verbrannt den Stock,
Der geschlagen den Hund,
Der gebißen die Katz,
Die gefreßen das Böckchen,
Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

8.
Da kam der Schlächter und schlachtete den Stier,

Der getrunken das Waßer,
Das gelöscht das Feuer,
Das verbrannt den Stock,

[319]

Der geschlagen den Hund,
Der gebißen die Katz,
Die gefreßen das Böckchen,
Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

9.
Da kam der Todesengel und schlachtete den Schlächter,

Der geschlachtet den Stier,
Der getrunken das Waßer,
Das gelöscht das Feuer,
Das verbrannt den Stock,
Der geschlagen den Hund,
Der gebißen die Katz,
Die gefreßen das Böckchen,
Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

10.
Da kam der Heilge, der gesegnet sei! und erschlug den Todesengel,

Der geschlachtet den Schlächter,
Der geschlachtet den Stier;
Der getrunken das Waßer,
Das gelöscht das Feuer,
Das verbrannt den Stock,
Der geschlagen den Hund,
Der gebißen die Katz,
Die gefreßen das Böckchen,
Das gekauft der Vater für zwei Silberstück,
Ein Böckchen, ein Böckchen.

Im Wunderhorn, 3. Bd. Anhang S. 44, steht eine Uebersetzung, wie sie in jüdischen Hagáda’s vorkommt. Die Diminutive kennt das Original nicht. Halliwell hat eine historisch-allegorische Deutung beigefügt, wie sie von diesem Liede zuerst P. R. Leberecht, im „Christlichen Reformator,“ Leipzig, 1731, vol. XVII. p. 28 aufgestellt haben soll. Danach ist der Vater = Gott; das Böckchen ist das hebräische Volk; die zwei Silberstücke (Drachmen) bezeichnen Mose und Ahron. Dann folgen judenfeindliche Völker von den alten Assyrern bis auf die Türken, deren Macht (d. i. den Todesengel) der Heilige, [320] d. i. Gott selbst, in der messianischen Zeit vernichten wird!! Ein ähnliches englisches Sprechlied steht p. 222:

1.
Dieß ist das Haus, das Hans gebaut.


2.
Dieß ist das Malz,

Das lag im Haus, das Hans gebaut.

3.
Dieß ist die Ratz’,

Die fraß das Malz,
Das lag im Haus, das Hans gebaut.

4.
Dieß ist die Katz’,

Die tödtete die Ratz’,
Die fraß das Malz,
Das lag im Haus, das Hans gebaut.

Die Katze wird dann vom Hunde zerrißen, der Hund von der Kuh gestoßen, die Kuh von einer Jungfer gemelkt, die Jungfer von einem ganz verlumpten Mann geküßt, beide von einem ganz abgeschabten und geschornen Priester getraut u. s. w.

Genauer entspricht dem „Jokele“ im Englischen die prosaische Erzählung von der alten Frau, die beim Auskehren einen halben Schilling findet, dann auf den Markt geht und ein Schwein kauft. Auf dem Heimwege kommt sie an eine Steige; das Schwein will nicht hinüber; sie bittet einen Hund, das Schwein zu beißen; der Hund will nicht. Dann bittet sie weiter einen Stock, den Hund zu schlagen; ein Feuer, den Stock zu brennen; Waßer, das Feuer zu löschen; einen Ochsen, das Waßer auszutrinken; einen Metzger, den Ochsen zu schlachten; einen Strick, den Metzger zu hängen; eine Ratte, den Strick zu zernagen; eine Katze, die Ratte zu tödten. – Die Katze will es, wenn sie ein Schälchen Milch bekommt; die Kuh will die Milch geben für eine Handvoll Heu und gibt sie. Die Katze trinkt sie und will nun die Ratte tödten, da fängt die Ratte an, den Strick zu zernagen u. s. w., bis endlich das Schwein über die Steige springt.

Ebenso in den oldenburgischen Spielen, Reimen und Räthseln „Aus der Kinderstube,“ 1851. S. 64; nur endet es hier damit, daß die Katze sich ebenfalls weigert, die „Maus“ zu freßen.