Jako’s Erziehung und Unterricht

Textdaten
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Autor: Karl Ruß
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Titel: Jako’s Erziehung und Unterricht
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1888
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Jako’s Erziehung und Unterricht.
Von Dr. Karl Ruß.

Treten wir in eine Häuslichkeit, in welcher Kinder gellend schreien und sich nicht beruhigen lassen wollen oder in der Hunde uns entgegen bellen und immerfort kläffen, so empfangen wir keinen angenehmen Eindruck. Ungezogen sind die Einen, schlecht erzogen die Anderen. Auch das Thier kann, gleich dem Menschen, nur dann ein guter Genosse sein, wenn ihm eine sorgfältige oder mindestens eine angemessene Erziehung zu Theil geworden.

In dieser Wahrheit liegt die Erklärung, weßhalb wir so viele widerwartige Köter unter den Hunden, falsche und boshafte Katzen, störrische Pferde, unliebenswürdige Papageien vor uns sehen. Wer nicht selber wohl erzogen ist, kann auch keinen Andern gut erziehen; dieser Ausspruch gilt auch den Hausthieren gegenüber. Alle Untugenden, welche ein solches Thier hat, bilden nur das Spiegelbild der eigenen Fehler und Schwächen des Menschen.

Von Natur zeigt sich der Vogel in jenem wundersam anmuthenden Wesen, welches wir mit dem Worte harmlos bezeichnen. Dies finden wir bewahrheitet noch heut zu Tage und in unserer Nähe, z. B. an den gefiederten Gästen, welche zur Winterzeit aus dem hohen Norden bei uns einkehren, den Seidenschwänzen u. a. Sie bleiben dicht vor uns sitzen und blicken dem Schützen ahnungslos in das Tod und Verderben sprühende Rohr. Bald aber haben sie den Menschen in seiner Furchtbarkeit kennen gelernt und dann sind sie scheu und verschlagen geworden, wie leider die meisten Vögel unserer heimischen Fluren.

So hat der Verkehr des Menschen mit den Thieren auf diese überall eingewirkt – und sein Einfluß insbesondere auf die Entwickelung des einzelnen Thieres ist ein um so größerer, je geistig höher dasselbe steht, je näher es also ihm selber verwandt ist.

Wenn ein begabter Künstler eine Reihe inniger Beziehungen zwischen dem Menschen- und Thierleben uns vor Augen führt, wenn er Thiere in menschlichen Gestalten oder umgekehrt Menschen sinnbildlich als Thiere dargestellt hat, so weiß der verständnißvolle Blick auch hier aus dem Scherz wohl gar ernste Lebenswahrheiten zu entnehmen; denn eben im Guten und Bösen, in Freude und Leid, in Scherz und Ernst giebt es Uebereinstimmungen zwischen der Menschen- und Thierwelt.

Ganz eben so, wie sprichwörtlich Pudel, Mops, Windhund, Katze u. a. m. in der äußeren Erscheinung und selbst im innern Wesen ihre Herren verbildlichen können, so ist dies entschieden auch beim Papagei der Fall; nur kommt es bei ihm mildernd und entschuldigend in Betracht, daß ein derartiger Tropenbewohner selbst einem gebildeten Publikum nach allen seinen Eigenthümlichkeiten hin noch keineswegs bekannt genug ist. Lediglich von dem Gesichtspunkte aus, daß Niemand nach seinem Vogel – ich meine hier nur den Papagei – falsch beurtheilt werden möge, will ich es mir angelegen sein lassen, Anleitung zur rechten Erziehung eines gefiederten Sprechers zu geben.

Kommt ein solcher Vogel nach der Reise vom Händler her dem Käufer unbeschreiblich wild, unbändig und mit unerträglichem Geschrei entgegen, so könnte er ihm die Liebhaberei in der That ein- für allemal verleiden, und doch vermögen wir dasselbe unausstehliche Geschöpf in überraschend kurzer Frist in einen liebenswürdigen Gesellschafter zu verwandeln, der uns Vergnügen in hohem Maße gewähren und bedingungsweise sogar unser Freund werden kann.

Vor allem gilt es, ihn zu beruhigen und dann zu zähmen. Der Weg zum ersteren Ziel ist mühelos; man überläßt den Papagei zunächst ganz sich selber und vermeidet es nur sorgsam, ihn zu erschrecken oder zu ängstigen. Er bemerkt bald, daß keinerlei Gefahr für sein Leben vorhanden sei, und mit dem Gefühl der Sicherheit gewinnt er auch die Ruhe, um alles rings umher aufwerksam zu beobachten. Bei immer gleichmäßig ruhigem und freundlichem Begegnen erkennt er in dem bis dahin so sehr gefürchteten Menschen nunmehr seinen Wohlthäter, und dann schließt er sich ihm mit voller Hingebung an; Leckereien, wie Nüsse, süße Mandeln u. a. führen rasch zur innigen Befreundung und zum Zahmwerden. Bekannte Kunstgriffe, um diesen Zweck zu erreichen, sind noch, daß man seinen Käfig keinenfalls höher als das menschliche Auge und dann auch so stelle, daß der Pfleger sich zwischen dem Vogel und dem Licht befinde, sowie daß man jedes seiner Bedürfnisse selber befriedige, ihm also stets persönlich das Futter, Wasser u. dergl. reiche. Allerdings giebt es einzelne hartnäckige Naturen, welche freiwillig durchaus nicht zahm werden wollen und deren Trotz also durch Zwangsmittel gebrochen werden muß. Aber in Anbetracht dessen, daß solch ein Vogel für jede wirkliche oder vermutliche Mißhandlung ein erstaunlich treues Gedächtniß hat und es z. B. selbst nach Jahren noch dem nachträgt, der ihn einst mit Gewalt aus dem Versandkäfig hervorgeholt hat, sollte jeder derartige Zwang wie auch jede Bestrafung nur in negativen Maßregeln, wie Hunger, Durst, Verdunkelung, niemals aber in positiven, wie Schläge und dergleichen bestehen.

Jetzt beginnt der eigentliche Unterricht und dieser muß mit großer Umsicht ausgeführt werden. Am besten früh Morgens und Abends in der Dämmerung; nachdem man den Vogel ruhig und liebevoll, ohne ihn zu erschrecken, ermuntert hat, sagt man ihm zunächst ein Wort und zwar immer nur dasselbe, genau in gleicher Betonung, klar und deutlich ausgesprochen vor. Worte mit vollem Vokal a oder o und scharfen Konsonanten k, r, t, bei Vermeidung von sch und z lernt er vorzugsweise leicht; so bei den Vogelhändlern gewöhnlich Lora, Hurrah, Jako etc. Sobald er nur ein solches Wort klar und sicher nachspricht, hat man den Beweis, daß der Vogel zur Abrichtung tauglich ist.

Mit dem zweiten, dritten und den folgenden Worten geht es dann ungleich rascher von Statten. Man hat nur die Vorsicht zu beachten, daß man niemals ein neues Wort folgen läßt, bevor er das vorhergegangene gut und sicher aussprechen kann. Bald beginnt man auch mit kurzen Sätzen, denen dann allmählich längere Redensarten folgen. Wenn der Jako übt, so soll man nicht nachhelfen, indem man in das Wort, bei welchem er stockt, einfällt; das giebt eine fehlerhafte Aussprache. Unter sorgsamer Beachtung dessen, sage man vielmehr jedesmal den ganzen Satz, beziehentlich das Wort von neuem vor.

Freilich ergiebt sich die Begabung als außerordentlich verschiedenartig und zwar sogar bei den einzelnen Papageien von ein und derselben Art. Ein Graupapagei, und gleicher Weise eine Amazone, lernt rasch jedes vorgesprochene Wort, vergißt jedoch über dem neuen stets bald wieder das vorige; ein anderer lernt schwieriger, behält dann aber auch für immer; ein dritter lernt gut und behält gut; ein vierter lernt überhaupt garnichts; ein fünfter lernt wohl, jedoch nichts deutlich auszusprechen; ein sechster nimmt die menschliche Sprache nicht an, ahmt dagegen alle möglichen anderen Laute nach, wie Hundegebell, Hahnenschrei, Thürknarren u. a.; ein siebenter hat auch keinen Sinn für menschliche Worte, doch vermag er eine, ja selbst drei bis vier Liedermelodien tadellos nachzuflöten. Große Schwierigkeit, natürlich aber auch ein hoher Reiz für den Liebhaber liegt in der Mannigfaltigkeit dieser Begabung, und ein Haupterforderniß für das Gelingen der Abrichtung ist es erklärlicher Weise, daß man vor allem die betreffende Veranlagung des Vogels zu ermitteln suche und ihr entsprechend den Unterricht gestalte. Erklärlicher Weise stuft sich auch der Werth der einzelnen Vögel je [60] nach ihrer Begabung bedeutsam ab; um dies aber ermessen zu können, bedarf es bereits recht gründlicher Kenntnisse und Erfahrungen.

Wenden wir uns nun dem Unterricht wieder zu, so muß ich bitten, Folgendes als vorzugsweise wichtig zu beachten. Von vornherein strebe man mit größter Sorgfalt danach, daß der Papagei dabei an Zeit, Ort, Persönlichkeiten, Dinge und Vorgänge immer bestimmte Vorstellungen knüpfe. Die meisten sprachbegabten Papageien, namentlich die großen kurzschwänzigen und auch manche langschwänzige Arten begreifen dies leicht und behalten dergleichen mit unglaublicher Sicherheit im Gedächtnis. Ein solcher sachgemäß abgerichteter Vogel wird niemals die Namen von Personen verwechseln, die er einmal kennt und deren Eigentümlichkeiten er sich eingeprägt hat; er darf niemals anders als früh „guten Morgen“, spät „guten Abend“ sagen, beim Anklopfen „herein“, beim Fortgehen „lebe wohl“; er weiß alle Gegenstände, die ihm behagen, genau zu unterscheiden, und wenn er eine Leckerei fordert, die man ihm vorenthält, weil sie ihm schädlich sein kann, während man ihm eine andere zum Ersatz bietet, so wirft er die letztere voller Entrüstung fort, selbst wenn sie ihm sonst ganz angenehm sein würde, so z. B. ein Stückchen Obst anstatt eines Knochens mit Fleisch zum Benagen.

Ein Papagei, der ein oder wenige Worte spricht, ist erklärlicher Weise gleich weit werthvoller und mit jedem einzelnen Wort, welches er hinzulernt, oder gar mit jeder Redensart steigt sein Preis außerordentlich, so daß ein solcher Vogel, der beim Einkauf 15, 20, 30 bis 40 Mark kostete, dann bald für 30, 50, 100, ja 300 Mark und darüber verkauft werden kann. Wer also mit der sachgemäßen Abrichtung sprachbegabter Papageien sich beschäftigt, kann darin einen reichen Ertrag gewinnen. Dazu gehören aber ganz besondere Erfordernisse, und zwar vor allem eine möglichst gründliche Kenntniß der verschiedenen Papageienarten, welche zum Sprechenlernen fähig sind, sodann ein liebevolles Herz für diese Vögel; denn wenn man den gefiederten Schüler nicht mit größter Sorgfalt, Geduld und Liebe behandelt, so wird man keinen willigen, lernbegierigen Schüler an ihm vor sich haben. Schließlich hat die Erfahrung auch gelehrt, daß ein Papagei nur dann bald und gut sprechen lerne, wenn der Lehrmeister eine klangvolle Stimme hat; daher sind Frauen in solcher Unterrichtung meistens vorzugsweise glücklich.[1]

Der hochbegabte Vogel entwickelt im Umgang mit dem Menschen, welcher ihn einsichtsvoll und verständig behandelt, eine erstaunliche Klugheit. Wenn nun zu dem Papagei Jemand geführt wird, der das Wesen eines solchen Thieres gar nicht kennt, auch keine Einsicht in die obwaltenden Verhältnisse hat, so ist es wohl erklärlich, daß derselbe entweder glaubt, ein Wesen vor sich zu haben, welches ihm gleich stehe, sein Freund und Genosse sein, mit ihm denken und fühlen, leiden und sich freuen könne, oder daß er trotz alledem, die Achseln zuckend, ein absprechendes Urtheil fällt und meint, dies Alles sei doch nur eingelerntes, mechanisches Nachplappern.

Ja, Wunder sehen wir eben nur durch unsere Brille, die unserer Sentimentalität oder unseres guten Glaubens – und im schroffen Gegensatz dazu urtheilt auch die sogenannte strenge Wissenschaft nur zu häufig falsch, eben weil ihr hier der Boden des tatsächlichen Wissens durchaus fehlt. Gerade den hochorganisirten Thieren gegenüber hat unsre Kenntniß noch so viele Lücken, daß wahrscheinlich viele Menschenalter dazu gehören werden, um dieselben sach- und wahrheitsgemäß auszufüllen.

Uebrigens gilt alles Gesagte nicht vom Jako oder Graupapagei allein, sondern auch von allen Papageien überhaupt, aus deren Reihen wir bis jetzt gefiederte Sprecher vor uns haben. Die Amazonenpapageien oder Kurzflügel stehen wenigstens in den großen Arten der eigentlichen oder gemeinen Amazone, dem sogenannten doppelten Gelbkopf, dem Gelbnacken, der Surinamamazone, der Mülleramazone u. a. dem Graupapagei mehr oder minder gleich und auch einige der kleineren Amazonen, so der kleine Gelbkopf, sind manchmal reichbegabt. Dann folgen die Edelpapageien, unter denen es gleichfalls einzelne hervorragende Sprecher giebt; weiter die Kakadus und die Araras, von denen auch manche hochgerühmt werden. Diesen Kurzschwänzen reiht sich dann als ebenbürtig auch ein Geschlecht der Langschwänze an und zwar eine Gruppe der Edelsittiche, die sogenannten Alexandersittiche.

Auch die farbenprächtigen Loris oder Pinselzüngler lernen zum Theil recht niedlich plappern, ferner die gleichfalls sehr bunten Plattschweifsittiche, von denen manche gleichfalls einige Worte nachsprechen können. Unter allen zahlreichen übrigen, den Langflügelpapageien, Keilschwänzen, Dickschnäbeln, Schmalschnäbeln u. A. haben wir keine namhaften Sprecher mehr vor uns; sie lernen sämmtlich nur ein oder einige Worte mechanisch nachplappern. Nur wenige Papageiengeschlechter giebt es aber, deren Angehörige bis jetzt noch gar keine Sprachbegabung gezeigt haben, so z. B. die allbeliebten, fast durchgängig leicht züchtbaren Zwergpapageien und die niedlichen, komischen Fledermauspapageien. Ueber kurz oder lang aber wird man sicherlich auch bei ihnen diese schöne Naturgabe entdecken. Das ist meine feste Ueberzeugung; denn wir haben ja einen der allerkleinsten lebend eingeführten Papageien, den allbekannten Wellensittich, bereits in mehreren Fällen als menschliche Worte allerliebst nachplaudernden Sprecher vor uns.

  1. Nähere Auskunft über alle diese Verhältnisse und Anleitung zur Abrichtung habe ich in meinem Buch „Die sprechenden Papageien“ gegeben. Dort finden die Leser auch eine ausführliche Beschreibung der vielfach benutzten Papageienständer, von denen ein sehr praktischer, der sogenannte verstellbare Papageienständer, am Anfang dieses Artikels abgebildet ist.