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Titel: Jagdschloß und Werkstätte
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aus: Die Gartenlaube, Heft 3, S. 44-47
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Deutschlands große Industrie-Werkstätten.
Jagdschloß und Werkstätte.


Wenn man die Bevölkerung von Ländern und Städten so ziemlich nach den Allgemeinbegriffen beurtheilen kann, unter welche sie die Dinge ordnet, so ergiebt sich für den Nürnberger unmittelbar die gewerbliche Richtung als charakteristisch. Er hat für alle materiellen und idealen Dinge das Wort: Waare. Gute oder schlechte Waare ist sein Compaß wie für die Dinge auf Erden, so für die, welche jenseit derselben in den Glaubensdogmen, in den Köpfen der Philosophen, in den höchsten Gesetzen der Sittlichkeit beruhen. Eine rege Gewerkthätigkeit sprach sich schon in dem Nürnberger Volkscharakter aus, als die ersten Ansiedler aus den fränkischen Wäldern dahinkamen und sich mit ihren Wohnungen und Gewerben im Schutze der Burg auf dem Jurafelsen ansiedelten und so Burger, das heißt Bürger wurden. Bis in die neueste Zeit hat sich dieser industrielle Nürnberger Zug erhalten. Er hob sich Hand in Hand mit der politischen Bedeutung der Stadt im fünfzehnten und sechszehnten Jahrhundert zu einer künstlerischen Höhe, die er vielleicht nie wieder erreichen wird. Je mehr aber das Regiment der Stadt gegen die Bewegung der Zeit sich abschloß und innerlich sich verknöcherte, desto mehr ging auch das Gewerk zurück. Der kunstgewerbliche Handwerker, der früher Künstler gewesen, sank mit der Abnahme der politischen Selbstständigkeit des Bürgerthums wieder zum Handwerker herab. So blieb es von der Zeit des dreißigjährigen Krieges an bis zu dem Momente, wo die Ereignisse der Welt die Nürnberger Stadtregierung von ihrem Asthma erlösten, das heißt die politische Selbstständigkeit der Stadt aufhoben. In Nürnberg hatte sich trotz alledem doch noch die Tradition des Kunsthandwerkes erhalten, dazu eine gewisse mechanische Kunstfertigkeit und im Bunde damit der deutsche Fleiß. Damit hat sich das Kunsthandwerk als Kleinkunst durch die politische Trübseligkeit der Zeit fortgefristet, bis es durch die

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Das Tucher’sche Haus in Nürnberg.
Aus Johannes Röhring’s „Deutsche Architekturbilder“ (photographische Wiedergaben F. C. Mayer’scher Originalgemälde).

baierische Regierung oder vielmehr durch das Wehen einer modernen Zeit einen neuen und großartigen Aufschwung bekam.

Die Gegenwart, die so reich an politischen und socialen Neugestaltungen ist, scheint im künstlerischen Leisten damit nicht gleichen Schritt halten zu können. Die jetzige Zeit mit ihren gewaltigen technischen Fortschritten war in Deutschland schon einmal ähnlich da, im fünfzehnten Jahrhundert. Darauf folgte das Reformationszeitalter, geistig, politisch und künstlerisch gleich groß. In ihm stand in Nürnberg die deutsche Kunstübung auf ihrer höchsten Höhe; die geistige Bewegung hatte ihr gerade ihren höchsten originalen Ausdruck, einen eigenen Stil gegeben. Aus den Kämpfen der Gegenwart soll sich dieser noch herausbilden. Bis dahin müssen wir in Erwartung der Dinge harren und uns mit unserem künstlerischen und verfeinerten Bedürfniß an die Muster halten, welche unsere Vorfahren mit ihrem naiven Naturgefühle, ihren gesunden Anschauungen und ihrer frischen [46] Phantasie uns hinterlassen haben. Die Nachahmung, die Herstellung und Vervielfältigung derselben geschieht in unseren Tagen in solcher Vollkommenheit, daß das Nachgeahmte fast das Original übertrifft. Nicht Jedermann ist so reich, um sich in den Besitz von Originalen zu setzen, aber jeder Mensch, wenn auch nur in mittlerer Lebensstellung, kann sich vermöge eines gebildeten und geläuterten Kunstgeschmackes für seine Umgebung das Schönste auswählen, was das Menschenauge erschaut und die Menschenhand ausgeführt hat.

Kurz vor den letzten Weihnachtsfeiertagen war ich in Nürnberg. An einem Schaufenster fesselte mich eine Photographie, nach welcher beifolgender Holzschnitt gefertigt ist. Das Original ist ein Oelbild, welches der Hofrath Fr. C. Mayer, königlicher Professor an der Kunstgewerbeschule zu Nürnberg, im Jahre 1869 gemalt hat. Es stellt ein Nürnberger Patricier-Haus dar, aus der Zeit, wo die gothischen Formen mit der mittelalterlichen Welt bereits im Absterben begriffen waren und sich mit Formen der antiken Culturwelt mischten, welche bald genug die Alleinherrschaft errangen und den Stil des Humanismus – die Renaissance brachten. Für die Zeit, in der es entstanden, von 1533 bis 1544, war es ein Prachtbau, weil ganz in Sandstein ausgeführt, während im Mittelalter und selbst in dem prächtigen und reichen Nürnberg die Wohnhäuser zumeist aus Fachwerk gebaut waren. Die damaligen Häuser hatten nach außen, nach der Straße zu, wenig Fenster, diese klein mit runden, stark verbleiten Fensterscheiben, ein Chörlein mit reichem steinernem Bildwerk und bunten Glasfenstern und daneben ein schmales Pförtlein mit Spitzbogen. Nach außen lebte der Bürger des Mittelalters wenig; nach der Straße schloß er sich ab. Seine Behaglichkeit, seine bequeme Einrichtung, seinen anmuthenden Schmuck zeigte der deutsche Bürger im Innern seines Hauses. Wie sich hier sein ganzes Wesen aufthat, so auch sein Haus, in offenen Gängen und Treppen, in Höfen, über die ein alter Nußbaum sein dichtes Blätterdach spannte und Generation um Generation in seinem kühlen Schatten vor der Gluth des Sommers aufnahm.

Das Besitzthum war auf der Höhe gelegen, an der äußersten Grenze des Stadtbanns, wenn auch noch innerhalb desselben. Es gehörte einem aus den Nürnberger Geschlechtern, einem Tucher, und diente früher wohl für den Sommeraufenthalt der Familie. Denn hier oben auf demselben Höhenzuge, auf dem die Burg von Nürnberg liegt, war bessere Luft als unten in den engen Straßen der Stadt, namentlich auf der Sebalderseite, wo die Aristokratie wohnte. Wenn auch in jenen Zeiten Licht und Luft noch nicht zu der sanitären Würdigung gekommen waren, wie in der Gegenwart, so hat man sie gewiß nicht minder wohlthuend als heutzutage empfunden. Das Grundstück bot ganz nahe den Thoren der Stadt dem waidlustigen Eigenthümer den Vortheil, daß er gleich vor den Thoren derselben war, um mit seinem Troß und Jagdzeug im weiten Reichswalde rings umher der edlen Waidkunst obzuliegen.

Mit der Zeit ward ein Theil der alten Baulichkeiten aus Fachwerk, von denen unser Bild noch einen Theil erhalten hat, abgerissen und an Stelle desselben dieses neue Jagdschlößlein aus Stein erbaut, darin der Herr mit seiner Familie von der Zeit an, wo draußen im Wald das Laub gelb zu werden begann, Einlager hielt. Die Gasse, in der das Besitzthum lag, hieß, wie noch heute, die Herschelgasse.

Unser Bild zeigt uns einen Herbstabend. Die Lichter der untergehenden Sonne spielen auf den Fliesen des Hofes, durch das Thürlein von der Straße her dringt eine Fülle von goldigem Lichte, der Ton des Hifthorns hat der edlen Frau mit ihrem Knaben das Nahen des Gatten verkündet. Eiligen Fußes schreitet sie die Stufen hinab, den Gemahl, den Vater zu empfangen, der wohlbehalten mit seinem Gefolge von einer glücklichen Jagd zu den Seinen heimkehrt.

Das ist ein Bild von damals. Das Haus aber steht heute noch, als Zielpunkt für die meisten Nürnbergreisenden: in gewisser Beziehung ist ihm auch sein Charakter als Jagdschloß verblieben, das heißt für die Kunstliebhaber, die hierher auf Ausbeute gehen. Es hat in seinen Räumen die C. W. Fleischmann’sche Hofkunstanstalt aufgenommen, deren Erzeugnisse über ganz Europa verbreitet sind. Worin diese Erzeugnisse bestehen? fragt der Leser. Sehen ist besser als berichten, und so wollen wir dem Hause einen Besuch machen. Wir läuten. Schon der Glockenzug an dem alten Hause erregt unsere Aufmerksamkeit. Er besteht aus einem in Eisen getriebenen Blumengewinde und hing, wenn ich nicht irre, einstens an der Pforte eines süddeutschen alten Klosters. Auf dem Hofe, in den wir durch das geöffnete Pförtlein eingetreten sind, hängen noch viele derartige Exemplare nebst ganzen Glockenstühlen, stehen eiserne kunstvoll gearbeitete Gestelle, die einst zur Aufnahme für Kohlenbecken bestimmt waren; heutzutage stellt man kostbare Gefäße mit Palmen darauf. Es sind Nachahmungen von Schmiedearbeiten des sechszehnten Jahrhunderts. Wir treten durch ein italienisches Bogenportal in einen weiten Raum des Erdgeschosses. Früher diente derselbe jedenfalls den Jagdtreibern und dem Gesinde des Tucher’schen Hauses zum Aufenthaltsort. In dem offenen hohen Kamin lagen mächtige Holzkloben, und der niedere Jagdtroß mag hier um das behagliche Feuer nicht minder abenteuerliche Jagdgeschichten erzählt haben, als oben im Saale der Herr unter seiner Jagdgesellschaft.

Der Kamin ist verschwunden, ebenso wie die Menschen, aber dafür steht eine Reihe Modelle von Thonöfen da, wie sie der deutsche Kunstfleiß, dem Wärmebedürfnisse unseres Klimas entsprechend, vom Mittelalter an bis zum Zeitalter des Rococo in das deutsche Haus hineingesetzt hat. Von der Nachbildung des einfachen grünen Kachelofens fing der Gründer der Anstalt, Herr Fleischmann, an, und stieg in immer größerer Vervollkommnung bis zur Nachahmung der prächtigsten Modelle, die sich in Nürnberg in alten Patricierhäusern, auf der Burg, im bairischen Nationalmuseum, in süddeutschen Schlössern und Klöstern befinden. Es gelang ihm, die einfache grüne, glasirte Thonkachel zu einem mit Reliefs und Figuren in Majolica-Schmelzfarben buntstaffirten Kunstwerke zu machen. Der alte deutsche Kachelofen hat allen modernen Heizvorrichtungen zum Trotz doch sein altes, gutes Recht bewahrt. Der bekannte Pariser Chemiker Dr. Deville schrieb in Bezug auf die deutschen Kachelöfen an Fleischmann in Nürnberg: „Ich kenne keine bessere Art der Erwärmung, als die Oefen aus Thon, deren man sich in Deutschland bedient.“

Bekannt ist es, daß sich auch Liebig kurz vor seinem Ableben auf eine Anfrage über Heizung und Ventilation, die von Nürnberg an ihn erging, in gleichem Sinne ausgesprochen hat und dazu noch bemerkt, daß auf seinen Rath eiserne Centralheizöfen unter der Regierung des Königs Max des Zweiten aus der königlichen Residenz in München entfernt und diese durch Zimmeröfen ersetzt wurden. Dem Besitzer der Anstalt ist es gelungen, den deutschen Ofen, entsprechend dem gesteigerten Bedürfnisse nach reichen und originellen Formen, zu einem Kunstwerke zu gestalten. Die Burg Hohenzollern, die Residenz in München, das königliche Schloß zu Hohenschwangau, Schloß Trausnitz, das Jagdschloß zu Bebenhausen bei Tübingen, ja selbst das Winterpalais in Petersburg werden mit den Fleischmann’schen Nachahmungen geheizt. In ihnen ist die alte deutsche Töpferkunst wieder zu Ehren gekommen. Die glücklichen Versuche, die hier mit der gröbsten Fayenceart, nämlich der Ofenkachel, gemacht werden, ließen C. W. Fleischmann einen Schritt weiter auf ein mehr künstlerisches Gebiet thun.

In allen Sammlungen von Erzeugnissen alter Töpferkunst wird man niedrigen, runden, breiten Krügen begegnen, die an der Außenseite in nischenartigen Vertiefungen, in eingebrannten Schmelzfarben, die Figuren der deutschen Kaiser, der Kurfürsten des heiligen römischen Reiches oder die Apostel zeigen. Diese Krüge, Apostelkrüge oder auch von dem Orte, wo sie hauptsächlich erzeugt wurden, nämlich in Kreußen bei Bayreuth, Kreußener Krüge genannt, stehen wegen ihrer Seltenheit bei den Sammlern in hohem Werthe. Theils ist es die künstlerische Ausführung dieser Erzeugnisse der Töpferkunst, die ihnen die Werthschätzung der Kenner verschafft, theils auch die Mode und das gesteigerte Luxusbedürfniß unserer Tage.

Noch vor fünfundzwanzig Jahren besaß nur ein geringer Bruchtheil der deutschen Familien – ich meine damit nur die wohlhabenderen Classen – einen Raum in ihrer Wohnung, der lediglich für die Abhaltung der täglichen Mahlzeiten bestimmt war. Seit den letzten zwölf Jahren hat sich jede nur einigermaßen gut situirte Familie ihr Speisezimmer eingerichtet. Man wendet heutzutage alle irgend verfügbaren Mittel auf die Ausschmückung dieses Raumes, von dessen Schwelle man die Sorgen des Tages und der Geschäfte hinwegscheuchen möchte. [47] Dazu muß auch die Töpferkunst mithelfen. So setzt man z. B. oberhalb der Täfelung, rings um das Zimmer, einen Fries von farbigen emaillirten Fliesen in holländischen, blau und weißen Mustern, in orientalischen, wie man sie noch in der Alhambra sieht, in englischen oder französischen. Die Büffets stattet man mit Krügen aus, mit alten Gläsern verschiedener Formen, vornehmlich aber mit großen Schauplatten von gebranntem emaillirtem Thone, die mit biblischen oder mit mythologischen Gegenständen bemalt sind.

Für diese Schaustücke, mit denen man die Wände der Speisesäle schmückt, da stilgerechter Weise in einem Speisezimmer kein anderes Bild angebracht werden soll als etwa ein Stillleben, sind die alten Majolicaplatten Norm geworden, die ihren Namen von der Insel Majorca haben, wo sie in vorzüglicher Schönheit gefertigt wurden. Bekanntlich sind sie nur in drei Farben gemalt, in blau, gelb und grün. Es geht die Sage, daß Raphael, in Urbino in Liebe zu einer Töpfertochter entbrannt, in der Werkstätte des Vaters die Platten und Gefäße bemalt habe, um so der Geliebten immer nah sein zu können. Da aber die Originale dieser Art nur noch von Museen und Millionären bezahlt werden können, so ist Herr Fleischmann dem künstlerischen Bedürfnisse der Zeit dadurch entgegengekommen, daß er versucht hat, die alten Modelle der Töpferkunst in Platten, in Tellern, Gefäßen, Consolen nachzuahmen. Die reichen Nürnberger Sammlungen, auch die des Nationalmuseums in München, boten ihm eine Fülle der herrlichsten Originale, darunter welche nach Zeichnungen von Behaim, von Bernhard Palissy, von Luca della Robbia.

Die Ausstellung all dieser Gegenstände in einem andern Saale des Erdgeschosses des älteren, nach der Straße gelegenen Gebäudes liefert den Beweis, wie nahe die Nachbildungen den Vorbildern gekommen sind. Einzelne Stücke sind von vollendeter Technik. Es muß bemerkt werden, daß man es hier mit keinem Fabriketablissement zu thun hat, sondern mit einer Kunstanstalt, wo jedes einzelne Stück unter liebevoll bildender Menschenhand reift. Ganze Rüstungen, Waffen aller Art finden in den Werkstätten der Anstalt die geschicktesten Nachbildner, welche den Copien in der täuschendsten Weise den Charakter der betreffenden Zeit zu verleihen wissen.

Wir haben aber lange noch nicht das Schönste gesehen. Das ist, wenn wir die schmale steinerne Wendeltreppe empor gehen, der lange, die ganze Breite des steinernen Gebäudes durchmessende Saal, der weite Raum, in welchem einst Herr Tucher die Genossen seiner Jagdvergnügungen beim frohen Mahle versammelt hatte. Wir vergessen beim Betreten dieses bis in das geringste Ornament ganz im Geschmacke und Stile des sechszehnten Jahrhunderts gehaltenen Saales, wir vergessen, sag’ ich, daß wir eine Stunde vorher im Correspondenten von und für Deutschland eine Kammerrede des Fürsten Bismarck gelesen haben – wir sind hier im sechszehnten Jahrhundert.

Wir sitzen auf dem Luther-Stuhle, von welchem das Germanische Museum das Original besitzt, an einer wunderbar schönen, in Holzarabesken eingelegten Tafel, von dem das Original sich ebendaselbst befindet; wir hören Wilibald Pirkhaimer mit seinem Freunde Tucher, dem regierenden Bürgermeister, von den religiösen Wirrnissen der Zeit sprechen, von seinem Freunde Melanchthon, vom Bauernkriege, der damaligen socialdemokratischen Erhebung; wir trinken aus den getriebenen Silbergefäßen der Zeit; wir essen mit Bestecken, wie sie in jener Geschichtsperiode gebräuchlich waren; wir putzen das Licht auf dem getriebenen Eisenleuchter sogar mit einer Lichtscheere, deren Modell vor 300 Jahren in Nürnberg angefertigt wurde. Wenn man vom Mahle aufsteht und die Servietten mit roth und blau gestickten Rändern aus der Hand läßt, dann werden Einem freilich keine blauen Gläser vorgesetzt, um den Mund zu spülen. Das sechszehnte Jahrhundert hat das viel besser verstanden. Dieser in Holz prachtvoll eingelegte Waschtisch an der linken Seite der Thür ist für die Gäste bestimmt, die sich vom Tische erheben. Die Sache geht so viel reinlicher und appetitlicher zu, als an den modernen Tafeln, wo Jeder zusehen muß, wie der Andere Toilette macht.

Das sechszehnte Jahrhundert hat in dieser bis auf das geringste Detail durch das moderne Handwerk nachgeahmten Einrichtung sein Spiegelbild erhalten; die ganze Heimlichkeit und Traulichkeit deutschen Familienlebens aus dieser Zeit drängt sich einem mit anheimelndem Zauber in’s Gemüth.

Schritt für Schritt, in langsamer, steter Vervollkommnung, ist Herr Fleischmann durch unablässiges Bemühen, durch das aufmerksame Hinauslauschen auf das Bedürfniß und den Geschmack der Zeit, und durch große Opfer auf diese Höhe des Kunsthandwerkes gelangt. Jetzt arbeitet er in Silber, in jedem Metalle, in eingelegten Arbeiten, in Thon und Email – und mit Papiermaché hat sein Vater vor ungefähr achtundvierzig Jahren in Nürnberg in demselben Hause angefangen. Als Urkunden der ersten Thätigkeit des Geschäftes sind Proben der Erzeugnisse damaliger Zeit in einem besonderen Zimmer des Hauses aufbewahrt. Es sind Puppenköpfe, Spielwaaren und Figuren. Von da ging es zur Nachahmung sämmtlicher Obstarten für wissenschaftliche Zwecke, ebenfalls in Papiermaché, und so weiter zur Nachbildung anatomischer und pathologischer Präparate, namentlich menschlicher Knochentheile und Skelete aus demselben Material. Für Akademien und Lehranstalten wurden diese als Lehrgegenstände benutzt und brachten den Erzeuger in lebhaftesten Verkehr mit den ersten Größen der Wissenschaft, von denen er die anerkennendsten Zeugnisse erhalten.

So ist das Jagdschloß, das einstens nur dem Genusse und der Freude des Lebens geweiht war, eine deutsche Werkstätte geworden, in deren Producten der bewährte Kunstfleiß der alten fränkischen Reichsstadt und das deutsche Kunsthandwerk den Kampf mit den verwandten Erzeugnissen des Auslandes siegreich aufgenommen hat.