Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. Nr. 5–6

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Titel: Jagd- und Lebensbilder aus Amerika. Nr. 5. Ein Lager in den Felsengebirgen. Der alte Schwede; Nr. 6. Das Musethier
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aus: Die Gartenlaube, Heft 35, S. 464–466
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Jagd- und Lebensbilder aus Amerika.

Nr. 5. Ein Lager in den Felsengebirgen. Der alte Schwede.

Das Jahr 1844 steht bei den nordamerikanischen Biberjägern oder Trappers in einem ganz besondern Rufe durch die äußerst günstigen Erfolge der Jagdzüge. Das Glück hatte die kühnen Männer ganz besonders begünstigt und sie thaten sich nach langen und harten Entbehrungen ganz besonders gütlich in dem Genuß der materiellen Güter, die ihnen in den Lagern geboten wurden, welche man auf den gewöhnlichen Sammelplätzen aufgeschlagen hatte.

An einem kleinen Flusse, Larami, hatten die Siouxindianer zugleich mit den Chaukattrussern, die in dem gedachten Jahre 1844 mit den Weißen auf einem sehr friedlichen Fuße lebten, ihre bewegliche kleine Stadt aufgeschlagen; das ganze Lager bestand aus mehr als 700 Hütten, und bot mitten in der Einsamkeit der Felsengebirge einen fast imposanten Anblick. Sämmtliche Hütten waren in gleichlaufenden Linien aufgestellt, und die Zelte der Häuptlinge waren leicht zu erkennen an den grotesk bemalten Wappenschilden, mit denen sie geschmückt waren. Ein Theil des Lagers war für die Handelsleute bestimmt, und hier gewann es den Anschein, als sollte ein sehr munteres Leben beginnen. Die Indianer sowohl als die Biberjäger hatten mächtige Haufen Pelzwerk und die Handelsagenten der verschiedenen Compagnien waren Tausende von Miles gereist, um auf dem Markte gegenwärtig zu sein und Alles aufzukaufen, dessen sie habhaft werden konnten. Die Trappers kamen einzeln oder in Trupps von 3 bis 10 Mann an, die meisten mit großen Packen von Biberfellen auf ihren Pferden oder Mauleseln. Einzelne gingen zu Fuß; sie waren trotz aller ihrer Wachsamkeit so unglücklich gewesen, sowohl ihre Thiere als ihr Pelzwerk im Kampf mit den Indianern zu verlieren, und waren nur froh, daß sie wenigstens ihre Kopfhaut gerettet hatten.

Auf dem Platze, wo der Handel vor sich gehen sollte, waren Tische und Zelte aufgestellt, und in der Mitte hatten Jäger von verschiedener Abkunft, deren Namen wohl bekannt und berühmt waren im „fernen Westen“, mit ihren Packen und Thieren sich gelagert. Es waren, wie gesagt, aber nicht blos Trapper von Profession, die man dort sah; in diesem Lager fand man viele indianische sowohl als europäische Namen vertreten. Da waren Shawnees und Delawaren; canadische Bergjäger und echte Yankeesöhne [465] am Newhampshire. Hier sah man einen Sohn des schönen Frankreichs seine kurze wohlangerauchte Thonpfeife an dem Cigarrenstumpf eines Neumejicaners anbrennen, dort einen Engländer mit einem gelbbraunen Jüngling von den Sandwichsinseln ein Stück Kautaback unter sich theilen. Hier rauchte ein Shawneeindianer die Friedenspfeife mit einem Abkömmling der stolzen „Sechs-Nationen-Indianer“, und dort, in einem Winkel des Marktplatzes zwischen aufgethürmten Biberfellpacken, mit dem Rücken an ein kleines Zelt gelehnt, in dem Branntwein und geräucherte Bärenschinken verkauft wurden, spielten ein alter Schwede und ein Virginier, die beide schon viele Jahre hindurch in den Bergen gejagt hatten, Karte um eine Büffelhaut und um’s Geld. Rings herum waren die Buden der Handelsleute aufgeschlagen, und zu diesen strömten sowohl die Weißen als die Indianer. In jenem glücklichen Jahre ward das Pfund Biberfell mit sechs Dollars bezahlt; doch Gold und Silber sieht man eben nicht viel auf diesen Märkten; der Biber ist das Bezahlungsmittel und wird zu dem angegebenen Preise von allen Kaufleuten angenommen, die dafür den Jägern und den Indianern Waaren verabreichen, und dabei natürlich ganz entsetzlich betrügen.

Trotz des Verbots, daß die Kaufleute auf diesen Märkten an die Indianer Branntwein verkaufen, war doch auf dem hier in Rede stehenden ein ungeheures Quantum „Feuerwasser“ vorhanden. Bevor nun der Indianer zu handeln anfängt, giebt ihm der Kaufmann einen tüchtigen Schnaps, der sogleich Leben in ihn bringt, und hat er nur einmal den ersten Schluck im Leibe, so kann man sicher sein, daß er den Handel bald abschließt. Die fürchterlichsten Excesse haben oft auf diesen Märkten und in Folge davon stattgehabt; einmal griff eine Schaar Siouxindianer, die von einem dieser Märkte zurückkehrten, wo man sie durch Branntwein und andere starke Getränke halb rasend gemacht hatte, ein Handelsfort an, das einer amerikanischen Pelzwerkcompagnie zugehörte. Sie plünderten es ganz aus und verbrannten zum Schlusse den Handelsmann mit seiner ganzen Familie auf einem Scheiterhaufen, zu dem das Wohnhaus des Forts die Brennmaterialien lieferte.

Nächst dem Branntweintrinken bildet das Spiel einen der Hauptzüge bei diesen Versammlungen. Auch der Pferdewettlauf ist sehr beliebt, und manches Biber- oder Büffelfell wechselt den Besitzer in Folge von Wetten, welche auf die Geschwindigkeit einzelner Pferde gemacht werden. Im Spiel zeichnen sich die Biberjäger vorzüglich aus; sie lieben, wie die Indianer, den Branntwein; aber noch leidenschaftlicher das Spiel. Nach indianischer Weise rund um das Feuer sitzend und eine ausgespannte Büffelhaut vor sich, spielen sie in verschiedenen Gruppen die am meisten geschätzten Bergspiele. Der Einsatz sind Biberfelle, und wenn diese verspielt sind, kommt die Reihe an die Pferde, die Maulesel, die Büchsen, die Jagdhemden und oft auch die Hosen dazu. Verwegene Spieler, erhitzt von Branntwein und Unglück, gehen im Lager herum und fordern auf, das höchste Spiel der Biberjäger zu spielen, wo der Einsatz ist: dessen Pferd, dessen Squaw, oder, was auch vorkommt, dessen Kopfhaut. „Nun ist Pferd und Biber weg,“ heißt es, wenn Einer bedeutend verloren hat. Meistens finden jedoch Pferd und Biber den Weg zu den Taschen des Handelsmanns, und der Jäger muß nun, vorausgesetzt, daß seine bekannte Ehrlichkeit ihm Kredit verschafft vom Kaufmann seine Ausrüstung für diesen Zug des nächsten Jahres auf Kredit nehmen. So verkehrt handeln diese Biberjäger, denen doch oft eine einzige glückliche Jagd Mittel in die Hände giebt, um dem ganzen wilden Jägerleben den Rücken zu kehren, und sich in irgend einer westlichen Kolonie niederzulassen und dort den übrigen Theil ihres Lebens in Ruhe zuzubringen. – Oft sind jene Märkte auch Zeugen von Blutvergießen und andern Verbrechen, die einzig und allein durch Branntwein und Kartenspiel veranlaßt werden. Zweikämpfe mit Büchsen auf zehn Schritt Entfernung sind häufig und oft fallen beide Duellanten auf das Wort „Feuer!“ zu gleicher Zeit.

Unter den Jägern fiel uns besonders der sog. alte Schwede auf, ein mehr als 60jähriger Mann, der schon dreißig Jahre in den Felsengebirgen und unter den Indianern zugebracht hatte. Hoch, stark und muskulös, mit einem von Sonne und Wind dunkel gefärbten Gesicht, gab er durch seine blauen Augen und sein hellblondes Haar, das in starker Fülle über seine Schultern herablief und dem die Jahre noch nicht die Silberfarbe aufzudrücken vermocht hatten, seine nordische Herkunft deutlich zu erkennen. Keiner von seinen Kameraden kannte seine frühere Lebensgeschichte; er ging unter dem Namen the old Swede (der alte Schwede), obgleich ihm dieser Name mißfiel. Eigentlich hieß er Hjalmar Adlerkreuz und hatte einem einzigen seiner wenigen vertrauten Freunde erzählt, daß er von einem alten adeligen Geschlechte Schwedens abstamme. Was ihn aber nach Amerika geführt und dort veranlaßt hatte, Biberjäger zu werden, das war Niemand im Stande aus ihm herauszulocken. Niemals sah man ihn lachen, selbst nicht über die spaßhaftesten Scenen. Nie trank er Branntwein, außer einmal im Jahre, auf dem Markte, wo er seine Felle verkaufte, und auch da war er sehr mäßig. Dagegen beherrschte ihn die Leidenschaft des Spiels vollständig. Er selbst hat erzählt, daß er in den letzten zwanzig Jahren seines Aufenthalts in den Bergen über 15,000 Dollars für Biberfelle erhalten habe. Jedes Jahr hatte er beschlossen, sich rückwärts nach St. Louis zu wenden, um dort seine Tage zu beschließen, und aus diesem Grunde hatte er auch seine Felle nie anders als gegen baares Geld verkauft; aber ein vierzehntägiger Aufenthalt in dem Lagerplatz hatte ihn immer wieder „reingeputzt,“ und nach so vieler Jahre Verlauf hatte er nicht einmal beim Wiederbeginn der Jagd so viel Kredit, um sich die nothwendige Ausrüstung zu verschaffen. Verschiedene Erzählungen berichten von seinem Muthe, seiner Ausdauer und Geistesgegenwart, und auch sein Tod ist nicht weniger charakteristisch.

Adlerkreuz war eben mit mehreren andern Trappern auf einem Ausflug, als sie in der Morgenstunde in ihrem Lager von einer großen Anzahl Indianer angegriffen wurden, die nach gewöhnlicher Weise die Jäger überrumpelt hatten und nun ein großes Blutbad unter ihnen anrichteten. Adlerkreuz selbst war verwundet, aber doch noch im Besitz seiner Büchse und seines Pulver- und Kugelbeutels. Nahe bei der Stelle, wo sie sich gelagert hatten, stand ein hohler Baum; schnell eilte er zu demselben, kroch hinein und vertheidigte sich von da aus lange Zeit mit der größten Hartnäckigkeit und Kaltblütigkeit gegen die Indianer, denen er fünf Mann tödtete und mehrere verwundete. Da die Indianer den muthigen Jäger aus seinem Versteck nicht herausbringen konnten, so benutzten sie den eben günstig wehenden Wind und legten Feuer in das lange dürre Gras. Bald entzündete sich nun auch der dürre Stamm, und Adlerkreuz sah sich nun genöthigt, seinen Schlupfwinkel zu verlassen. Er ergriff die Büchse am Lauf, stürzte mit furchtbaren Kolbenschlägen unter die Indianer und fiel endlich, durchbohrt von unzähligen Pfeilen, nachdem er mehrere seiner grimmigen Feinde umher zu Boden geschmettert. Später fanden einige von seinen Kameraden die Leiche. Der Kopf war skalpirt, aber derselbe Ernst, der während des ganzen Lebens über seine Gesichtszüge gebreitet war, zeigte sich noch unverändert im Tode. Man begrub ihn auf der Stelle, wo er gefallen war, und in dem dunkeln einsamen Bergpaß steckten die rauhen Jäger nach ihrer Gewohnheit dem gefallenen Gefährten ein einfaches hölzernes Kreuz auf.

Nr. 6. Das Musethier.

Das Musethier (cervus alres) ist die größte Hirschart. Der Bock erreicht die Größe eines Maulthiers, ja man findet sie in noch größerem Maße. Ein solcher war 17 Faust hoch und wog 1200 Pfund. Das Thier ist etwas kleiner. Der Bock ist dunkelbraun auf Rücken, Kopf und Weichen, im Winter sieht er jedoch dunkler und nur ganz alte Böcke werden beinahe schwarz. Das Thier ist heller und unter dem Bauche beinahe weiß.

Es gehört offenbar ganz zur Art des europäischen Elenns, darf aber nicht mit dem amerikanischen Elenn verwechselt werden, das ganz anderer Art ist. Es ist die größte, aber auch ungraciöseste Hirschart. Sein Kopf ist lang, ohne alles Verhältniß, sein Hals kurz und seine Beine zu hoch. Ferner sind seine Ohren beinahe einen Fuß lang, eselähnlich, breit und schlotternd, seine Augen schmal, seine Schnauze viereckig mit einem tiefen Einschnitt in der Mitte, der ihm das Ansehen eines Thieres mit gespaltenem Huf giebt. An der Kehle zwischen Hals und Nacken hat es einen rauhen Auswuchs krauser Haare, den man bei dem Bock wie bei dem Thiere findet. Eine aufrechtstehende Mähne, die vom Gehörn bis zum Widerrist läuft, vollendet die Häßlichkeit seiner Erscheinung. Auch das Gehörn ist auffallend. Es ist geschaufelt, aber aus jeder Seite der Schaufeln wachsen Enden oder Spitzen hervor. Die Weite des Gehörns beträgt häufig mehr als vier Fuß. Ein solches weg einmal 60 Pfund. Natürlich giebt dies dem Thiere eine stattliche Erscheinung. Da es aber nur die Böcke ziert und es sich bei diesen erst im siebenten Jahre vollständig entwickelt, so [466] gewähren die Rudel keinen durchweg imponirenden Anblick. Der Länge seiner Beine und der Kürze seines Halses wegen kann das Musethier nicht wie anderes Wild äsen, es muß dies vielmehr bergan oder knieend thun.

Im April oder Mai wirft das Thier ein bis drei Kälber, und diese begleiten ihre Aeltern, bis sie erwachsen sind. Im Winter vereinigen sich die Familien zu Heerden, die oft mehrere Aecker einnehmen. Dort jagt man sie am Besten zur Schneezeit, wenn der Schnee so fest gefroren ist, daß er den Jäger, nicht aber das Wild trägt. Dann verletzt sie die harte Eiskruste bald, daß sie die Lust am Laufen verlieren und die Hunde sie stellen können. Aber auch dann sind sie für diese wie für den Jäger noch gefährliche Feinde.

Ich erlebte dies einmal zur Genüge, als ich im nördlichen Theil vom Staat Maine bei einem Freunde zum Besuch war, der mitten im Walde lebte, und seine Zeit größtentheils auf die Jagd verwandte. Als wir uns zur Musethierjagd anschickten, legten wir vor allen Dingen Schneeschuhe an, kleine drei Fuß lange Boote, die an dem Fuß befestigt werden, und auf denen man pfeilschnell über die Schneefläche dahingleitet. Dann nahmen wir unsere schwersten Büchsen und ein Paar tüchtige Hunde mit und schossen nach der Gegend, wo, wie mein Freund wußte, sich Ahornbäume befanden, an denen die Musethiere zu äsen pflegten. Als wir etwa zwei Meilen gelaufen waren, spürten wir die Thiere, und indem wir der Spur folgten, kamen wir tief in das Dickicht nach einem ganz abgelegenen Theil des Waldes. Da fanden wir ganz frische Spuren und es währte nicht lange, so rief mir mein Freund zu: „Da unten sind sie, so wahr ich lebe, still!“

Als ich nach der Richtung hinsah, welche mein Freund bezeichnete, sah ich allmälig die großen, dunklen Umrisse des wunderbaren Thieres, das Schaufelgehörn, den großen ungeschickten Kopf, und den kurzen Hals. Neben ihm bewegten sich kleinere Thiere, die Kuh mit zwei Kälbern.

Wir standen beide still und hielten und beruhigten die Hunde, welche kampfbegierig vorwärts stürmen wollten, sahen aber bald ein, daß wir über dreihundert Schritt weit, also außer Schußweite seien und daß uns daher nichts anderes übrig blieb, als die Hunde loszulassen und ihnen rasch zu folgen.

Dies geschah. Die Hunde sprangen fort und wir schossen nach, in demselben Augenblick setzte sich aber auch das Wild in Bewegung. Ich konnte es deutlich laufen sehen. Der Bock führte, die Andern folgten. Sie galoppirten nicht, sondern liefen in scharfem Trab, wie rasche Pferde. Sie hielten die Köpfe ganz gerade, die Schnauzen nach vorn, und der Bock drehte sich zuweilen um, nach den Verfolgern zu sehen. Sowie ihre gespaltenen Hufe den Boden berührten, erkrachte dieser in eigenthümlicher Weise, es war ein Ton, als wenn man Nüsse knackt oder ein Zündhütchen platzt. In kurzer Zeit waren sie uns außer Sicht und wir konnten nur an dem Anschlagen der Hunde abnehmen, wo sie sich befanden.

Als wir an Ort und Stelle ankamen, fanden wir, daß nur der Bock Stand hielt und die Hunde mit Gehörn und Hufen von sich abwehrte, als er uns indessen kommen sah, machte auch er sich auf und verschwand. An der Stelle, wo er gekämpft hatte, sahen wir die Spur der Kuh und der Kälber nach einer andern Richtung abgehen. Er hatte diese also offenbar erst in Sicherheit bringen wollen und suchte sich jetzt selbst zu bergen. Wir beschlossen, die Spur getheilt zu verfolgen. Mein Freund ging der Kuh und den Kälbern nach, ich wollte den Bock aufsuchen. So eilte ich abermals dem Anschlag der Hunde nach, bis ich ihm nach etwa einer halben Meile ganz nahe kam. Da verwandelte sich das Bellen aber plötzlich in ein Geheul, ein Hund kam mir auf drei Beinen entgegen, der andere lag am Boden, und das Musethier stieß fortwährend nach ihm mit den Schaufeln und warf ihn in die Höhe, um seine volle Wuth an ihm auszulassen. Als er mich sah, ließ er ihn indessen los und wandte sich wieder zur Flucht. Ich setzte ihm sogleich nach, ohne auf den zweiten lahmen Hund zu warten, denn ich sah, daß das Musethier schon erschöpft lief und daß ich es auf meinen Schneeschuhen überholen konnte. Als ich ihm auf etwa hundert Schritt nahe war, dachte ich daran, zu feuern, da wandte er sich plötzlich um und machte Front gegen mich. Sein mächtiges Gehörn war bis zum Widerrist zurückgeworfen, seine Mähne stand aufrecht, ja das gesammte Haar seines Felles schien sich zu sträuben, Alles war ein Ausdruck der Wuth an ihm, und er war der furchtbarste Feind, dem ich noch begegnet war. Mein erster Gedanke war natürlich, die Büchse anzulegen und zu feuern. Dies that ich auch. Ich zielte auf’s Blatt, aber sei es, daß die Entfernung zu groß war oder daß die auf den Schnee prallende Sonne mich blendete, kurz, ich traf den Bock wohl, aber nur in die Schulter.

Dies setzte ihn natürlich vollends in Wuth, und augenblicklich stürzte er vor und auf mich los, so daß mir nichts übrig blieb als mich hinter einen Baum zu retten. Ein solcher, ein dicker Fichtenstamm bot mir allerdings Schutz, aber nur so viel, als mich das Musethier nicht mit seinen furchtbaren Schaufeln erreichen konnte. Es blieb dicht vor dem Baume stehen und verfolgte jede meiner Bewegungen, denn so wie ich mich regte, suchte er näher zu kommen und stierte mich mit seinen furchtbaren Augen an.

Meine einzige Hoffnung war jetzt, daß er mir Zeit lassen würde, zu laden, aber, o Himmel, wie groß war mein Schreck und mein Aerger, als ich fand, daß ich kein Pulver bei mir hatte. Mein Freund hatte das Pulverhorn, das für uns Beide dienen sollte, und in der Eile des Verfolgens hatte keiner von uns hieran gedacht.

Was sollte ich nun thun? Dem Thiere mit dem Jagdmesser entgegentreten, wäre Wahnsinn gewesen, sowie es mich fassen konnte, war ich verloren. Sein Gehörn und seine Hufe waren bessere Waffen als die meinen. Ich kam daher zu der Ueberzeugung, daß es das Gescheidteste wäre, das Musethier zu lassen, wo es war und mich von ihm fortzumachen. Aber wie war das anzustellen? Das verdammte Thier stand immer noch da, drei Schritt von mir und schien entschlossen, mich zu belagern. Eine liebenswürdige Aussicht bei solcher Temperatur!

Ich hielt es ungefähr eine Stunde lang aus. Dann wurde ich der Sache überdrüssig und fing an zu rufen, um ihn zu schrecken. Vergebens. Ich hoffte auch, mein Freund würde mich hören. Auch das war nicht der Fall. Meine Stimme verhallte nutzlos im Forst. Da beschloß ich, wenigstens etwas zu versuchen. Ich sehe um mich, und gewahrte hinter mir einen noch stärkeren Baum, als hinter dem ich stand. Dahin glitt ich so rasch als möglich, aber sogleich folgte mir auch der Bock und stellte sich ebenso wieder vor mich hin. Ich hatte also nichts gewonnen, als daß ich etwa um zwanzig Schritt dem Hause näher war. Wie, wenn ich es versuchte, ihm auf diese Weise ganz nahe zu kommen? Dieser Gedanke kam mir plausibel vor, und ich fing an, einen Baum mit dem andern zu vertauschen, aber ebenso rastlos kam mir mein furchtbarer Feind nach, und zuletzt machte ich die traurige Entdeckung, daß der Wald immer dünner wurde und auf der Ebene nur ein Paar dürftige Fichten standen, die mir keinen Schutz verhießen. Ich mußte also ausharren, bis mein Freund mich fand. Aber meine Kräfte schwanden, und zu meinem Schrecken begann es stark zu schneien. In kurzer Zeit mußte meine Spur verschneit sein und dann war es zweifelhaft, ob mein Freund mich finden würde. Der Bock stand noch immer da und schlug zuweilen den Boden mit den Hufen, als warte er ungeduldig auf den Augenblick, wo ich mich wieder regen würde.

Diese Manöver von seiner Seite flößten mir eine Idee ein, und ich wunderte mich, daß ich nicht längst darauf verfallen war. Ich hatte ein ganz scharfes Jagdmesser, und wenn es mir gelang, dieses fest an meine Büchse zu binden, konnte ich es wagen, den Kampf mit dem Thiere aufzunehmen, denn dann konnte ich es erreichen, ohne daß es mich verletzen konnte. Gedacht, gethan! Ich nahm meine Buckskintragebänder, machte mir ein Bayonnet an meine Büchse zurecht und schritt zur That. Sowie ich mich zeigte, sprang der Bock vor. Diesen Moment benutzte ich, ihm mein Bayonnet in die Rippen zu stoßen. Ich traf ihn in’s Herz, denn er stürzte augenblicklich zusammen, wälzte sich ein paar Mal, stieß mit den Hufen und färbte die Schneefläche mit Blut. Kaum hatte ich diesen Sieg erfochten, so hörte ich ein Hallo und sah meinen Freund über das offene Feld auf mich zukommen. Er hatte seine Jagd vollendet, alle drei Thiere erlegt und das Fleisch auf Bäume gehängt, um es nachher abzuholen.

In gleicher Weise zerlegten wir jetzt auch den Bock, und mein Freund war sehr zufrieden mit dem Ertrage der Jagd, bedauerte aber doch den Verlust seines guten Hundes.