Ist das Choleragift entdeckt?

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Autor: C. Falkenhorst
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Titel: Ist das Choleragift entdeckt?
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aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 504, 506–507
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Ist das Choleragift entdeckt?

Als Robert Koch im Jahre 1884 in dem Kommabacillus den Erreger der asiatischen Cholera erkannte, da war der Wissenschaft die Bahn zur völligen Aufklärung der zahlreichen Räthsel gebrochen, welche das Wesen der gefürchteten Krankheit umgaben. Eine der wichtigsten Fragen, welche die Aerzte sich vorlegten, war: auf welche Art vermag der entdeckte winzige Feind den menschlichen Körper so schwer zu schädigen? Alles sprach dafür, daß er im Darme ein Gift erzeuge, welches die schweren Krankheitserscheinungen und in so vielen Fällen den Tod bringe, und ungesäumt ging man daran, in den zahlreich angelegten Reinkulturen der Cholerabakterien dieses Gift aufzusuchen.

Die Wege für diesen Theil der Forschung waren scheinbar bereits vorgezeichnet. Man wußte, daß verschiedene Bakterien in dem Nährboden, in dem sie leben, Gifte erzeugen, ebenso wie der Hefepilz aus Zucker den giftige Alkohol bildet. Aus totem faulenden Fleisch hatte man „Ptomaïne“ oder Leichengifte hergestellt, die ein Werk verschiedener Fäulnißbakterien waren und ihrer chemische Zusammensetzung nach in die Klasse von Körpern gehören, die schon längst als „Alkaloïde“ bekannt sind. Viele Pflanzen erzeugen derartige Gifte, wie z. B. aus dem Mohnsafte das Morphium gewonnen wird. Solche Alkaloïde fand man auch in Kulturen der Cholerabakterien, aber ihre Wirkung war so schwach, daß sie als Verursacher der schweren Cholerasymptome nicht angesehen werden konnten. Man mußte also weiter forschen.

In der Mitte der achtziger Jahre wurde eine neue Art von Giften entdeckt, welche wie Eiweiß zusammengesetzt sind und die man darum „Toxalbumine“, d. h. Eiweißgifte, nannte. Die Toxalbumine werden ebenfalls von verschiedenen Bakterien gebildet, und in einer mühevollen Reihe von Versuchen wurde erwiesen, daß die Erreger der Diphtherie und des Wundstarrkrampfes gerade durch solche Stoffe das Leben des Menschen bedrohen. Nachdem man so das Diphtherie- und das Tetanusgift gefunden hatte, glaubte man, daß auch bei der Cholera die Toxalbumine als krankmachende Ursache angesehen werden müßten, und in der That gelang es, in den Kommabacillen auch diese Gifte nachzuweisen, wieder aber nur in solchen Mengen und in solcher Beschaffenheit, daß sie keineswegs als das eigentliche Choleragift gelten konnten.

Dieses eigenartige Verhalten der Kommabacillen bildete einen der Gründe, warum ein Theil der Forscher bezweifelte, daß der Kommabacillus der eigentliche und alleinige Erreger der Cholera sei. Der Streit der „Lokalisten“ und „Kontagionisten“ ist aus der Zeit der letzten Choleraepidemie wohl bekannt. Haben doch Professor Pettenkofer und Professor Emmerich in München Reinkulturen der Kommabacillen getrunken, um durch einen lebensgefährlichen Versuch am eigenen Leibe die vielumstrittene Frage zu entscheiden. Aber auch dieser gewagte Versuch brachte nicht die gewünschte Klärung, obwohl er mehr dafür zu sprechen schien, daß der Kommabacillus in der That der Choleraerreger sei.

Nun überrascht Professor Emmerich in München die Welt durch neue Mittheilungen, welche die schwierige Frage des Choleragiftes betreffen.

Wenn weder Alkaloïde noch Toxalbumine als die krankmachenden Stoffe bei der Cholera gelten können, dann müssen es andere Stoffwechselerzeugnisse der Kommabacillen sein: so rechnete Emmerich, und er lenkte seine Aufmerksamkeit einem Stoffe zu, den die Kommabacillen in verhältnißmäßig große Mengen zu erzeugen vermögen. Dieser Stoff ist die salpetrige Säure oder deren Verbindungen, die salpetrigsauren Salze oder Nitrite.

[506] Schon durch frühere Untersuchungen Petris war bekannt, daß man in Kulturell der Kommabacillen Nitrite vorfinde, man hatte ihnen aber bisher zu wenig Beachtung geschenkt. Diese Salze sind äußerst heftige Gifte. Meerschweinchen, Kaninchen, Hunde werden schon durch geringe Mengen von Nitrit getötet, aber am empfindlichsten zeigt sich gegen dieses Gift der Mensch selbst. Während z. B. 0,2 g Natriumnitrit genügen, um ein etwa 2 kg schweres Kaninchen zu töten, ruft dieselbe menge bei einem 70 kg schweren Menschen die schwersten Vergiftungserscheinungen hervor, und da durch Zufall Menschen wiederholt am Genuß von Nitriten erkrankten, so sind uns die Symptome dieser Vergiftung bekannt. Wir wollen sie kurz schildern.

Es stellen sich ein: Schwindel, Brechneigung, Erbrechen, öftere Entleerung dünnflüssiger gelbgefärbter Flüssigkeit (bis zu 30 Wiederholungen an einem Tage) , ein Sinken der Körperwärme, anfangs Beschleunigung, dann Verlangsamung der Athmung, hochgradiges Blauwerden der Lippen und der Hände, die sich kalt anfühlen, mitunter Krämpfe; endlich erfolgt der Tod bei vollem Bewußtsein. Wir sehen ein Krankheitsbild, das fast genau mit dem der Cholera übereinstimmt! Auch im Blute der mit Nitriten Vergifteten zeigen sich dieselben Veränderungen wie im Blute Cholerakranker. Die geringfügigen Unterschiede lassen sich ungezwungen dadurch erklären, daß in Vergiftungsfällen das Nitrit zum Theil schon im Magen aufgesogen, bei der Cholera dagegen erst im Dünndarme durch die Kommabacillen gebildet wird und erst von hier aus seine verderbliche, so oft tödliche Wirkung zu entfalten beginnt.

Wir sind nicht in der Lage, sämtliche Versuche Emmerichs, die in ihren Einzelheiten nur dem medizinisch Gebildeten verständlich sein würden, zu besprechen. Nach der Ansicht Emmerichs sind sie geeignet, zu beweisen, daß die Nitrite, die von den Kommabacillen erzeugt werden, die wesentlichste Ursache der Choleraerkrankung bilden, daß sie es in erster Linie sind, durch welche der winzige Feind den Menschen niederwirft und tötet.

Es ist klar, daß unter diesen Umständen unser Bestreben darauf gerichtet sein müßte, die Kommabacillen an der Erzeugung von Nitriten zu hindern. Die Richtigkeit dieses Gedankengangs scheint bereits durch Thatsachen erhärtet worden zu sein. Professor Rudolf Emmerich, der seine Untersuchungen in Gemeinschaft mit Professor Tsuboi anstellt, besaß verschiedene Reinkulturen von Kommabacillen; eine derselben stammte aus Hamburg und ihre Bakterien hatten aus unbekannten Gründen inzwischen das Vermögen, Nitrite zu bilden, stark eingebüßt; eine andere Kultur war von Massana bezogen, und ihre Bakterien bildeten außerordentlich viel Nitrit. Es wurden nun mit beiden Kulturen Thierversuche angestellt, deren Ergebniß war, daß die Kommabacillen aus Massana sich bei weitem verderblicher, giftiger erwiesen als die Hamburger.

Wenn wir aber unsere Feinde in der Gifterzeugung beschränken wollen, so müssen wir wissen, woraus sie das Gift bilden. Auch das ist bekannt. Die Salpetersäure kennt jeder von unseren Lesern und ebenso die salpetersauren Salze. Salpetersaures Natron ist der berühmte Chilesalpeter, salpetersaures Silber der ätzende Höllenstein; diese salpetersauren Salze nennt man „Nitrate“, und aus Nitraten bilden die Kommabacillen Nitrite. Demjenigen unserer Leser, die in der Chemie nicht bewandert sind, wird vielleicht eine nähere Auskunft über die Zusammensetzung dieser Stoffe erwünscht sein.

Die salpetrige Säure ist eine chemische Verbindung von 1 Atom Wasserstoff (den die Chemiker mit H bezeichnen), 1 Atom Stickstoff (N) und zwei Atomen Sauerstoff (O); ihre chemische Formel lautet also HNO2. In der Salpetersäure sind dieselben drei Elemente vorhanden, aber an die Stelle von zwei Atomen Sauerstoff treten deren drei; ihre Formel ist darum HNO3. Verbinden sich diese Säuren mit Kalk, Kali oder Natron, so entstehen Salze: salpetrigsaurer oder salpetersaurer Kalk, salpetrigsaures oder salpetersaures Kali (der Kalisalpeter) u. s. w.[1] Das sind die in der Natur weitverbreiteten Salze, und die Kommabacillen verwandeln die Nitrate dadurch in Nitrite, daß sie ihnen Sauerstoff entziehen.

Die Bedeutung der Nitrate in der Natur ist eine außerordentlich große; die grünen Pflanzen, die wir anbauen, um aus ihnen Brot und Gemüse zu gewinnen, brauchen die Nitrate zu ihrer Ernährung, und es sind wunderbarerweise wieder Bakterien, welche den Pflanzen diese Nährstoffe liefern. Erst in der allerletzten Zeit wurden diese geheimen Vorgänge auf unseren Wiesen und Feldern ergründet; alljährlich werden hier von winzigen Kügelchen und Stäbchen große Mengen von Nitraten aus den Bestandtheilen der Luft und des Wassers, aus verwesender organischer Materie gebildet, und wir selbst schaffen Nitrate Centnerweise auf die Felder, um deren Fruchtbarkeit zu erhöhen; für den Chilesalpeter bezahlt Europa jährlich gegen 500 Millionen Mark an Amerika und eine ganze Flotte ist mit der Herbeischaffung dieses werthvollen Dungmittels beschäftigt.

Durch ihre Wurzeln nehmen die Pflanzen die Nitrate auf und verwandeln sie in ihren Zellen in den kostbaren Nährstoff für Menschen und Thiere, in das Pflanzeneiweiß. Wenn wir aber die Feldfrüchte ernten, so sind noch nicht die gesamten Nitrate in Eiweiß umgewandelt; in fast jedem unserer pflanzlichen Nährstoffe ist noch etwas Salpeter oder salpetersaurer Kalk und Magnesia enthalten, und diese Nitrate gelangen auch in unseren Magen und Darm und bilden hier das Rohmaterial, aus welchem der Kommabacillus sein gefährlichstes Gift herstellen kann.

Aber nicht alle eßbaren Pflanzen enthalten gleiche Mengen von Nitraten. Während in der Gerste nur 0,04%, im Mais nur 0,55% Salpetersäure ermittelt wurden, fand man im Blumenkohl 1,18%, in Erdkohlraben 1,18%, in Weißrüben 1,89% und in rothen Rüben 1,92%. Dann wechselt auch dieser Gehalt je nach der Bodenbeschaffenheit, der Düngung und der Witterung; die Kartoffel z. B. kann sehr reich und sehr arm an Nitraten sein, und man hat ausnahmsweise im Kopfsalat mehr als 1,8%, in Mohrrüben bis 2%; in Weiß- und Rothrüben bis 3,5% Salpetersäure ermittelt. Dem Landwirthe ist es längst bekannt, daß ein besonders hoher Gehalt des Futters an Nitraten den Thieren schädlich ist und beim Vieh Krankheiten erzeugt, die an Nitritvergiftung erinnern. Denn die Kommabacillen sind nicht die einzigen Bakterien, welche Nitrate in Nitrite verwandeln, dasselbe vermögen auch andere im thierischen und menschlichen Darm lebende Mikroorganismen; aber die Kommabacillen produzieren 4000 mal mehr Nitrit, und darum sind sie so gefährlich.

Im Gegensatz zu den Pflanzen ist die Fleischnahrung zumeist nitratfrei oder außerordentlich arm an Nitraten.

Nach Emmerichs Ansicht werden dadurch viele Räthsel der Cholera gedeutet. Wir wissen, wie sehr diese Seuche sich in Gebieten ausbreitet, in welchen die Bevölkerung auf eine weniger gute, an Nitraten reiche Nahrung angewiesen ist, und mit Recht haben die Aerzte zu Cholerazeiten seit mehr als dreißig Jahren auf Grund allgemeiner Erfahrung vor dem Genuß von Salat und Gemüse dringend gewarnt.

Eine andere Quelle, durch welche Nitrate in unseren Darm gelangen, ist das Wasser. Wir haben gesehen, daß im Boden überall Nitrate gebildet werden. Das Regenwasser wäscht nun dieselben aus, auch das Grund- und Brunnenwasser kann Nitrate enthalten. Nach den in den Jahren 1890, 1891 und 1892 von Déhérain in Grignon vorgenommenen Versuchen wechselte im Drainagewasser der Nitratgehalt mit der Jahreszeit; während im Wasser von einem Hektar zur Winterszeit nur 11 kg Salpetersäure nachgewiesen wurden, fanden sich im Frühling 17 kg, im Sommer 26 kg und im Herbst 40 kg vor. Somit ist das Wasser im Herbst, der für die Verbreitung der Cholera günstigsten Zeit, am reichsten mit Nitraten versetzt.

Auch in dem Trinkwasser unserer Leitungen und Brunnen hat man salpetersaure Salze, oft sogar in sehr großen Mengen, gefunden; in verschiedenen Brunnen wurden auf das Liter Wasser folgende Mengen von Salpetersäure berechnet: Budapest bis zu 1,35 g, Magdeburg bis zu 1,13 g, Lissabon 1,0 bis 1,16 g etc. Andrerseits ist es bekannt, daß Menschen unter Symptomen einer Nitritvergiftung erkrankten, nachdem sie ein vorher zufällig mit Salpeter verunreinigtes Wasser getrunken hatten. Erst vor kurzem wurde aus Dembowalonka, Kreis Briesen in Westpreußen, gemeldet, daß dort eine Anzahl Menschen plötzlich krank wurde und ein Theil von ihnen starb. Die Nachforschung ergab, daß sie aus einem offenen Gewässer getrunken hatten, in welchem kurz vorher Salpetersäcke ausgewaschen worden waren. Man darf [507] annehmen, daß in diesem Wasser der Salpeter in Natriumnitrit zersetzt wurde; es ist ja seit langer Zeit bekannt, daß in schlechtem Wasser neben Nitraten auch Nitrite vorkommen können.

Welche praktischen Schlüsse für die Verhütung und Bekämpfung der Cholera ließen sich nun aus diesen Aufstellungen Emmerichs ziehen?

Zuvörderst ist hervorzuheben, daß sie die bisherigen Errungenschaften der Bakteriologie nicht aufheben, sondern dieselben erweitern. Was Robert Koch über die Verhütung der Cholera gelehrt hat, bleibt zu Recht bestehen. Unser Bestreben muß nach wie vor in erster Linie darauf gerichtet sein, dem Kommabacillus den Eintritt ins Land, und wenn dieser nicht verhütet werden konnte, die weitere Ausbreitung innerhalb der Grenzen zu verwehren. Der Beobachtung Kranker, der zweckmäßigen Desinfektion und der Reinhaltung der Gewässer, der persönlichen Pflege der Gesundheit würden aber auf Grund der Enthüllungen von Emmerich noch andere Maßregeln hinzugefügt werden müssen, die darauf ausgehen, dem Feinde die Mittel zur Giftbildung zu entziehen.

Dies wird erreicht durch Versorgung der Bevölkerung mit nitrat- und nitritfreiem Wasser sowie mit möglichst nitratfreier Nahrung. In letzter Beziehung wird es Aufgabe der Chemie sein, durch sorgfältige Untersuchung der Nahrungsmittel über deren Nitratgehalt Klarheit zu schaffen. Es werden dabei wichtige Thatsachen erörtert werden. Wie gefährlich erscheint z. B. in einer Zeit, da die Cholera in der Nähe ist, die Verwendung des Salpeters zum Fleischpökeln! Gerade in unseren Tagen, wo in Anbetracht der Futternoth so viel Vieh geschlachtet wird und verschiedene Fleischkonserven in großen Mengen bereitet werden, ist es dringend nothwendig, vor der vielfach üblichen Benutzung des Salpeters zu diesem Zwecke zu warnen.

Der Vortheil, den wir durch nitratarme oder nitratfreie Ernährung gewinnen, ist ein sehr großer; denn nach den Ausführungen des Professors Emmerich finden alsdann die Kommabacillen, selbst wenn sie in den Darm eindringen und sich in ihm vermehren sollten, keine Stoffe, aus denen sie Nitrite bilden könnten; sie erzeugen alsdann andere Säuren, namentlich Milchsäure, und die Störungen, die sie verursachen, sind leichterer Art, gleich jenen leichten Durchfällen, der „Cholerine“, die man so oft während der Choleraepidemien beobachtet.

Wir ersehen daraus, daß die Entdeckung Emmerichs, vorausgesetzt, daß sie im Laufe weiterer Prüfungen sich stichhaltig erweist, uns höchst werthvolle Mittel an die Hand giebt, mit deren Hilfe wir wohl imstande sind, während einer Choleraepidemie einen schweren Verlauf der Infektion zu verhüten.

Sehr bedeutungsvoll würde aber die Entdeckung des Münchener Forschers für die Behandlung der Cholera sein. Die Heilung des einmal ausgebrochenen Leidens ist das heiß ersehnte Ziel der Aerzte, aber wir wissen ja, daß gegen die asiatische Seuche keines der bekannten Mittel wirklich hilft. Ist nun die Cholera in der Hauptsache eine durch die Kommabazillen hervorgerufene Nitritvergiftung, so ist dem Arzte der Weg vorgezeichnet, auf welchem er ein Gegenmittel zu suchen hat. In der That arbeiten bereits Emmerich, Tsuboi und Löw gemeinsam, um ein derartiges Mittel zu finden, welches die Nitrite im Darme unschädlich machen würde. Welche der Wissenschaften in diesem Wettstreit den Sieg davontragen wird, läßt sich nicht voraussagen. Vielleicht gelingt es der Chemie, einen derart wirkenden Stoff aufzufinden; vielleicht aber giebt uns die junge und doch so ruhmreiche Bakteriologie Waffen gegen den Kommabacillus.

Sie ist wunderbar, diese Kleinwelt der Spaltpilze, welche Erde und Wasser durchdringt! Es giebt auch Bakterien, welche die Nitrite in die wenig schädlichen Nitrate verwandeln. Sie sind tagtäglich in unzähligen Billionen in Thätigkeit. Auf der Oberfläche der Erde leben zahllose ovale Bakterien, Nitromonaden, welche die Fähigkeit besitzen, uns dem Ammoniak[2] salpetrige Säure zu erzeugen, die sich im Erdboden sofort mit Kalk, Kali und Natron zu Nitriten verbindet. Wären diese Nitromonaden allein da, so würde der Erdboden bald mit diesen giftigen Salzen gesättigt sein; aber neben ihnen leben andere stäbchenförmige Nitrifikationsbakterien, die sich sofort der Nitrite bemächtigen und sie in Nitrate verwandeln. Sollte es nicht möglich sein, daß unter diesen Bakterien sich auch Arten vorfänden, welche im menschlichen Darm fortkommen und hier den Kampf gegen den Kommabacillus aufnehmen könnten, indem sie die Nitrite sofort wieder in Nitrate umbildeten? Das sind Hoffnungen, welche die Brust des Forschers schwellen lassen und ihn zu weiterer Thätigkeit anspornen. Die eine oder andere von ihnen wird sich trügerisch erweisen, aber es hat den Anschein, daß wir am Vorabend eines großen Fortschritts stehen. Hoffen wir, daß der deutschen Wissenschaft, welche den Erreger der Cholera entdeckt, welche Mittel und Wege zur Verhütung der Seuche gewiesen hat, auch der Ruhm zufallen möge, das Werk zu krönen und ein sicheres Heilmittel gegen den Würgengel Cholera zu finden! C. Falkenhorst. 


  1. Die salpetersauren Salze werden auch Nitrate, die salpetrigsauren Salze aber Nitrite genannt; so sagt man anstatt „salpetersaures Natron“ Natriumnitrat und anstatt „salpetrigsaures Natron“ Natriumnitrit.
  2. Das Ammoniak ist aus 1 Atom Stickstoff und 3 Atomen Wasserstoff zusammengesetzt; seine chemische Formel ist darum NH3.