Industrielle Unternehmungen in Brüssel

Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Industrielle Unternehmungen in Brüssel
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 156
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1858
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[156] Industrielle Unternehmungen in Brüssel. Zu den bedeutendsten industriellen Etablissements in Belgien gehört unstreitig die vor dem Brüsseler Thore Ninove in der Vorstadt gleichen Namens gelegene Pauwel’sche Fabrik für Anfertigung aller wesentlich Eisenbahnen betreffenden Materialien aus Holz und Eisen, als Wagen, Schienen, Brücken u. s. w., doch sind im Ganzen keinerlei Werke, die aus jenen beiden Stoffen gefertigt werden, ausgeschlossen, so daß eine Aufzählung aller Producte, die aus dieser großen Werkstätte des Gewerbfleißes hervorgehen, beinahe eben so unmöglich als überflüssig sein würde. Wie vielfach aber ihre Thätigkeit und weitverbreitet ihr Name ist, erschließt sich schon daraus, daß in dieser Fabrik vollständige Blockhäuser aus Eisen für Californien zumeist und andere Länder Amerika’s gearbeitet werden, daß hier vor kurzer Zeit für den Herzog von Aremberg ein eisernes Gewächshaus vollendet ward und der Kaiser von Rußland, so wie der junge König von Portugal ihre eigenen Staatswagen, wie sie auf Eisenbahnen dienen sollen, hier fertigen ließen. Diese Fabrik mit ihren weiten Hofräumen, ausgedehnten Werkstätten und sonstigen Gebäulichkeiten nimmt aber auch einen Flächenraum ein, der mindestens zwei Mal so groß ist, als der des großen Brüsseler Marktes; 1000 Arbeiter sind hier täglich beschäftigt, mit Hülfe von 75 Maschinen aller Art Werke auszuführen, die das stets sich steigernde Bedürfniß ihnen aufträgt, während die Zahl der außerhalb der Fabrik für dieselbe thätigen Arbeiter auf 4000 wenigstens anzuschlagen ist.

Doch beschauen wir jetzt die Einzelnheiten selbst. Im Innern des Hofraumes finden wir zuerst einen höchst geräumigen Schuppen für feine und geschnittene Hölzer, dann den Gasapparat, der der Fabrik selbst eigen ist und dessen Gasometer die für das Ganze nöthigen 1000 Flammen liefert. Von hier aus wenden wir uns links nach der Holzwerkstätte in dem ersten Hauptgebäude der Fabrik; hier finden wir zuerst 150–200 Arbeiter, eingetheilt in 3 verschiedene Classen: Modellmacher, Stellmacher und Möbelschreiner, die der Natur ihrer Beschäftigungen nach ein zusammengehöriges Ganze bilden und bei ihren Arbeiten von 7 Scheibensägen, 1 sechsblätterigen Säge, 1 Stechmaschine, 1 Bohrmaschine, 2 Hobelmaschinen und 1 Garnirbank bedient werden; alle diese Maschinen setzt eine horizontale Dampfmaschine von 20 Pferdekräften in Bewegung. An diese Werkstatt grenzt die der Wagenlackirer, deren Zahl ungefähr 50 beträgt, während die der Wagentapezirer, die im obern Geschoß arbeiten, nur auf 20 anzusetzen ist. – Die rechte Seite desselben Gebäudes bildet eine Eisendrechslerwerkstatt, wie sie wohl vollständiger kaum mehr anzutreffen sein möchte; eine Pyramidalmaschine von 25 Pferdekräften treibt an mehr als 40 Bänke, zur verschiedenartigsten Bearbeitung des Eisens bestimmt, wie 20 Eisendrehbänke, unterschieden in Cylinderdrehbänke, Räderdrehbänke und Filtrirbänke; hierauf 4 Hobelbänke, 1 Mortesemaschine, 15 Bohrmaschinen verschiedener Systeme, 10 Schraubschneidemaschinen, endlich, als das Sehenswürdigste, die neue Bascülpresse (presse à bascule), welche die Räder an die Achse setzt und eine Kraft von 40,000 Kilos ausübt. Zum eigensten Behufe der hier auszuführenden Arbeiten besteht noch im obern Geschoß eine Holzdrechslerwerkstatt, worin aus Holz, Elfenbein und Horn die für Wagen nöthigen Materialien geliefert werden. Aus dem Eisenatelier gelangen wir zu verschiedenen Schmieden, unterhalten von 6 Ventilateurs, die durch eine horizontale Dampfmaschine von 20 Pferdekräften in Bewegung gesetzt werden; es sind hier im Ganzen 40 Essen und daran durchschnittlich 100 Mann beschäftigt. Sehr zu bemerken sind hier die vier sogenannten Dampfhämmer, die durch ihren eigenen Dampf getrieben werden und von denen zwei 1000 Pfund schwer sind; im Räume zwischen den 2 Reihen bildenden Schmieden beachten wir 6 große Oefen, zur Bearbeitung von Eisenrädern bestimmt. – Endlich haben wir noch die neben diesem ersten Hauptgebäude der Fabrik liegende Eisengießerei zu beachten, in der schon kolossale Stücke von 20,000 Pfund gegossen worden sind und zu welcher die schweren Kessel auf einer besonders erbauten Eisenbahn geführt werden.

Im zweiten Hauptgebäude der Fabrik werden im linken Flügel die Wagen zusammengesetzt und in Ordnung aufgestellt, im rechten geschieht dasselbe mit den für Zuckersiedereien oder anderen Beruf bestimmten Kesseln und großen Baustücken, wie eisernen Gebäuden u. s. w. Auf diese Räume folgt wiederum eine Schmiede, die ebenfalls von einer eigenen Maschine bedient wird, und in der mit Hülfe großer Oefen die Wagenfedern gehärtet und gebogen werden. Zu diesem Ende wendet man verschiedene Pressen, einige Bohrmaschinen und Planirhämmer an. Treten wir jetzt aus diesem zweiten Gebäude heraus, so haben wir einen zweiten großen Holzplatz vor uns, auf dem von durchschnittlich 24 Arbeitern die Bäume aus dem Groben gesägt werden; links bemerken wir einen gewaltigen Wagenschuppen, in dem Hunderte von Wagen zum Abholen bereit stehen, und endlich finden wir jenseits des Holzplatzes noch eine Gelbgießerei und Feilenhauerei, in welcher letzterer durchschnittlich 10 Mann beschäftigt sind. – So viel wird hinreichen, um nach diesen allgemeinen Angaben sich eine Vorstellung von der Ausdehnung dieser Pauwel’schen Fabrik machen zu können. Noch mögen einige weitere Bemerkungen hinzugefügt werden. Von den Arbeitern arbeiten höchstens 100 auf Tagelohn, alle andern auf Stück; die Löhne werden monatlich ausgezahlt; von je einem Franken wird ein Cent abgezogen zur Unterhaltung der Krankencasse, wodurch gesorgt wird, daß dem Arbeiter in Krankheitsfällen ärztliche Behandlung und Medicin unentgeltlich geboten werden, und er noch außerdem etwas mehr, als die Hälfte seines Tagelohns, beziehen kann. Der Betrag der Löhne ist natürlich nach den Arbeitern sehr verschieden: Schmiede verdienen von 3–10 Franken, Drechsler von 2–7, Bankarbeiter von 2–6, Gelbgießer von 2–7, Kupfergießer dasselbe, Wappenzeichner bis über 10 Franken, Tapezirer von 2–5, Modellmacher, Schreiner und alle Maschinenarbeiter bis 4 Franken. Die Verwaltung der Geschäfte ist in den Händen von ungefähr 20 Büreaubeamten, welche zunächst mit den Ober- und Unterwerkmeistern zu verkehren haben. An der Spitze der Verwaltung befindet sich Herr Franz Pauwel, doch ist derselbe seit einigen Jahren nicht mehr Haupteigenthümer der Fabrik, die vor 20 Jahren durch ihn erst im kleinsten Maßstäbe begründet ward, aber in kurzer Zeit durch seine Thätigkeit, Gewandtheit und talentvolle Leitung zu hoher Bedeutung sich erhob, sondern nur noch eingesetzter Beamter der Actiengesellschaft, an welche die Fabrik übergegangen ist, und zu deren hauptsächlichsten Mitgliedern er durch Beschießung eines großen Theils seines Vermögens mit Recht zählt. Der Associationsfonds dieses großen Unternehmens beträgt 10 Millionen Franken.