Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
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Titel: In memoriam aeternam
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Herausgeber: Leipziger Volkszeitung
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Erscheinungsdatum: 16. April 1913
Verlag: Leipziger Volkszeitung
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Erscheinungsort: Leipzig
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In memoriam aeternam.

Sie kauen schwer am Jubiläumsjahr,
Das scheinbar völlig unverdächtig war
Und doch von Stacheln wie ein Igel starrte.
Uns aber bracht‘ es einen Ehrentag,

5
Der den erheben und begeistern mag,

Der Welt und Leben sieht von höhrer Warte.

Der Jahre fünfzig sind dahingerauscht,
Seit hier Lassalles lebend’gem Wort gelauscht
Zum erstenmal die keimende Gemeinde.

10
Ein Sturm des Beifalls brauste durch das Haus,

Barst auch in höhnisches Gewieher aus
Der ganze Troß der nörgelsücht’gen Feinde.

Daß er ein Adler unter Spatzen war,
Dem Volk der Arbeit war es blendend klar

15
Und diesem Führer schenkten sie Vertrauen;

Gerade Köpfe hatten eingesehn,
Sie müßten fürder eigne Wege gehn
Und diese sich mit rüst’gem Arme hauen.

Und diese Tat war würdig höchsten Ruhms,

20
Denn als Heloten[1] nur des Bürgertums

War auf das Blachfeld[2] man bisher gezogen;
Man hat umschmeichelt sie und ausgenutzt,
Schulmeisterlich herunter sie geputzt
Und immer sie verraten und betrogen.

25
Daß mit des Geistes und der Rede Macht

Das Volk zu bess’rer Einsicht er gebracht,
Daß auf die eigne Kraft er es verwiesen,
Das brach die Lebenskraft der Tyrannei;
An diesem Felsen kommt sie nicht vorbei

30
Und dafür sei er heute noch gepriesen.


Sie haßten also und mit gutem Grund
Den „Volksverführer“ giftig alle Stund,
Sie überhäuften ihn mit Schimpf und Schande,
Und als er, lange vor erreichtem Ziel,

35
Von des Bojarensöhnchens[3] Kugel fiel,

Da ging ein Jubel durch die deutschen Lande.

Nun war zu hoffen, daß sein Werk verkam,
Was einen Druck von ihrer Seele nahm,
Den sie als unerträglich oft empfunden.

40
Was sich vor ihm und seinem Geist verkroch,

Es wagte scheu hervor aus sich’rem Loch
Aufatmend sich in jenen düstern Stunden.

Die armen Toren, die des Geistes Wehn
Mit ihren engen Hirnchen nicht verstehn,

45
Die kärglich leben von Gedankensplittern!

Wie müssen sie, so oft in stiller Nacht
Erinnrung an sein hohes Bild erwacht,
Noch vor dem Schatten des Gefallnen zittern.

Denn die Entwicklung, die er angebahnt,

50
Er hat sie selber schwerlich je geahnt;

So hoch sind die Gedanken kaum geflogen,
Wie triumphierend stünde heut er da,
Wie er das Reis als starke Eiche sah,
Das sorglich er aus zartem Keim gezogen!

55
Drum ziemt es sich, daß wir an diesem Tag

Mit einem höhern, vollen Herzensschlag
Des ringenden, des lautern Manns gedenken.
Wenn auch das Volk zuweilen rauh erscheint —
Es wird den Braven, die es treu gemeint,

60
Ein unvergängliches Erinnern schenken.

                                                                      R.L.


  1. Heloten, Staatssklave im alten Sparta.
  2. Blachfeld, flaches, ebenes Feld, besonders, wenn es mit Bäumen besetzt ist.
  3. Bojaren, waren Adelige unterhalb des Ranges eines Fürsten oder Zaren.

Anmerkungen (Wikisource)

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Im Februar 1863 wurde Lassalle von Otto Dammer, Julius Vahlteich und Friedrich Wilhelm Fritzsche vor das Komitee der Leipziger Arbeiterzentrale geladen. Er solle seine Ideen einbringen und ein revolutionäres Programm für die Arbeiterbewegung formulieren. Lassalles Offenes Antwortschreiben datiert vom 1. März 1863. Die Arbeiter müssten sich, so Lassalle, zu einer eigenen Partei zusammenschließen, ihre Interessen bündeln und Genossenschaften gründen, um ihre „legitimen Interessen befriedigen zu können“. Lassalle schrieb einem Freund, dass die „Wirkung des Schreibens erstaunlich sein wird“. Tatsächlich gab das Offene Antwortschreiben den Anstoß zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) – der ersten Vorgängerorganisation der SPD.

Am 23. Mai 1863 wurde im Leipziger Pantheon der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV) gegründet. Ferdinand Lassalle wurde für fünf Jahre zum Präsidenten gewählt. Nach einem Duell starb Ferdinand Lassalle am 31. August 1864 im Alter von 39 Jahren in Carouge.