Im Vorbeigeh’n
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Im Vorbeigeh‘n.
Die weite Welt umspinnt ein Dämmern,
Ein Dämmern mild und friedevoll
Und matt erklingt das rasche Hämmern,
Das aus der nahen Schmiede scholl.
Im Nest am weinberankten Haus
Und taumelnd flattert hin und wieder,
Des Dunkel’s froh, die Fledermaus.
In weichmelodischem Gedränge,
Schickt seines Abendläutens Klänge
Herab zur stillen Stadt der Dom.
Es ist, als ob in blauen Lüften
Sogar des Windes Stimme schweigt,
Aus all den grünen Gärten steigt.
Und die im Lärm des Tages schliefen,
Die tausend Stimmen, leis und zart,
Sie regen in der Seele Tiefen
Und die im hastigen Getriebe
Den Muth zum Sprechen ganz verlor,
Es flüstert halb bewußte Liebe
Uns holde Märchen nun in’s Ohr.
Wem würde nicht die Wange heiß?
Es kommt die Zeit der stillen Gänge,
Um die der beste Freund nicht weiß.
Noch trägt uns zu vertrautem Plaudern
Wir wagen nur nach kurzem Zaudern
Vermessen einen Abendgruß.
Genug, gab uns die Abendstunde
Nach einem arbeitsreichen Tag
Für flüchtige Sekunden lag.
Noch wagt sie’s nicht, emporzublicken,
Noch in der Kehle stockt das Wort,
Noch muß für sie die Freundin nicken ―
Und dennoch weiß sie, daß wir kommen,
Noch ehe wir ein Wort getauscht,
Und dennoch hat sie leicht beklommen
Auf unsern raschen Schritt gelauscht,
Wenn wir nicht froh hereingeseh’n
Und nicht den Abendgruß gesprochen
Wie immer „im Vorübergehn“.
Und sinkt ihr Köpfchen in die Kissen,
Ich wollte nur, Du könntest wissen,
Was sie dann Alles träumt und denkt!
Nur Eines will ich Dir verrathen,
Da schön’re Kunde noch nicht frommt,
„Ob er wohl morgen wiederkommt?“
R.L.