Textdaten
Autor: Rudolf Lavant
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Titel: Im Burgfrieden
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Herausgeber: Königlich Sächsischer Ameisen-Kalender
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Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Friedrich Geissler (E. Trachbrodt)
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Erscheinungsort: Leipzig
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Im Burgfrieden.

Eine Felsensäule schroff und steil,
Ragt empor aus eines Waldthals Grünen,
Unerreichbar für des Schützen Pfeil,
Unerklimmbar für den Fuß des Kühnen.

5
An dem Abhang, wie ein Falkennest,

Hängt die Burg mit Brücke, Wall und Zinnen —
Trotzig, sturmerprobt und wetterfest,
Nur durch Hunger endlich zu gewinnen.

In die Lande läßt im Abendglühn

10
Hoch vom Thurm sein drohend Banner wallen,

Der da droben waltet, rauh und kühn,
Stahlumhüllt, in waffenvollen Hallen.

Ab und zu sprengt er herab zu Roß,
Finstern Blicks und kriegerisch gerüstet,

15
Hinter ihm der bärt'gen Knappen Troß,

Die's nach lust'gem Waffentanz gelüstet.

Hüte dich, wenn dir die Fehde gilt,
Auf der Nachbarburg, du wilder Ritter!
Trümmer rauchen, wenn die Wuth gestillt

20
Dieses schwere, drohende Gewitter.


Stadt im Thal, der nie er freundlich war,
Hat er dir den Untergang geschworen?
Schicke eiligst deiner Bürger Schaar
Auf die Wälle, zu den festen Thoren!

25
Seinen Weg bezeichnet dichter Qualm —

Und des Nachts am Himmel blut'ge Röthe —
Niederhauen läßt er Baum und Halm
Und die Stätte hinter ihm wird Oede.

Seiner Heimath denkt der Strenge kaum

30
In des Treffens, in des Sturm's Getose;

Nur zuweilen irrt durch seinen Traum
Scheu und lieblich doch das Bild der Rose.

Lieblich ist des Schloßherrn Töchterlein,
Lieblich wie die Ros' im kleinen Garten,

35
Die in Regen und in Sonnenschein

Einst die Mutter sie gelehrt zu warten.

In der Burg ist dieser Platz allein
Friedlich, freundlich, bunt von zarten Blumen,
Und sie streut den zahmen Vögelein,

40
Die sie alle kennen, freundlich Krumen.


Aber plötzlich banger Ahnung Raub,
Nach dem Söller[1] eilt sie, späht nach Fahnen;
Kündet nirgends aufgewehter Staub
Vaters Heimkehr in die Burg der Ahnen?

45
Kehrt er heim, doch nicht, wie sie geglaubt —

Auf der Brust die rothe Todeswunde?
Bringt ein Bote, blutig und bestaubt,
Stammelnd ihr die düstre Schreckenskunde?

Zieht heran ein reis'ges Rächerheer,

50
Um der Burg den Untergang zu künden

Mit den Donnern brüllend, dumpf und schwer
Aus den neuen ries'gen Feuerschlünden?

Flüchtet obdachlos des Ritters Kind,
Bricht die Burg der Grimm der Schonungslosen?

55
Wiegt sich eine Birke einst im Wind,

Wo die Rose blühte unter Rosen?

                                                       R.L.


  1. Ein Söller oder Altan ist eine offene, auf Stützen oder Mauern ruhende Plattform eines Obergeschosses eines Gebäudes.