Hypochonders Mondlied (1838)
Singt ihr in eurem Freudenliede:
Der heitre Mond am Himmel lacht,
Und ihm entstrahlt ein süßer Friede –
So habt ihr nie den Mond bedacht.
Bleich, ohne Wasser, ohne Luft,
Er zieht mit ausgestorbnem Leben,
Ein Todtengräber sammt der Gruft.
Dort dringt der Mond mit seinem Schimmer
Und winkt und lockt aus Bett und Zimmer,
Der Schläfer folgt ihm auf das Dach,
Hin, her, des Daches steilsten Bug,
Enthoben ihn dem Erdenzug.
Der Mond zieht traurig durch die Sphären,
Denn all die Seinen ruhn im Grab;
Drum wischt er sich die hellen Zähren
Darum durchschleicht er Fenster, Thüren,
Auf Diebessohlen leis und lind,
Der Erde heimlich zu entführen
Im Schlafe dies und jenes Kind.
Sucht er sein feines Silbernetz,
Und sie zu sich hinaufzuschwingen;
Doch seine Fäden reißen stets.
In seine Wüste zu entrücken
Ein lebenwarmes Erdenkind.
Der Mond wohl auch die Schlummerlosen
Der Erde zu entlocken sucht,
Bereden sie zu früher Flucht.
Oft wenn ich ging durch Wald und Wiesen,
Log mir der Mondenschein so lang,
Ich sei auf Erden nur verwiesen,
Weil er uns nicht vermag zu stehlen,
Nicht wachend, nicht in Schlafesruh,
Schickt er mit Blicken, stieren, scheelen,
Der Erde Todeswünsche zu.
Zum stillen, blassen Mond empor,
Daß nicht ein wunderliches Grauen
Mir heimlich das Gebein durchfror.
Nirgends, auf Wald und Feld und Straßen,
Wie auf dem Kirchhof, wo verlassen
Ein armes Herz vor Leide bricht.
Ja, Gräber sind für ihn die Stelle,
Und an Ruinen Dorngesträuch;
Bewahrt das Brautbett, rath’ ich euch.
Laßt ihr den Mond ins Brautbett scheinen,
Ist euer künftig Kind bedroht,
Denn viele Stunden wird es weinen,
Umhüllen sie das Haupt genau,
Denn spielt der Mond mit ihren Haaren,
So färbt er sie frühzeitig grau.
Ein Dolch, gewetzt im Mondenschein,
Sticht eine ewig stumme Wunde,
Trifft mittendurch ins Herz hinein.
Und jene grausen alten Weiber,
Weil ihnen sonst die dürren Leiber
Das tolle Volk zu Asche brennt;
(– Wenn auch von Aerzten, Philosophen,
Ein volkverwirrendes Komplott
Der aufgeklärten Zeit zum Spott –)
Und pflücken murmelnd Gras und Kraut,
Woraus zu manchen Zauberleiden
Bergjäger, der kein Raubschütz, meidet
Den Mond; ein Wild, im Mondenstrahl
Geschossen oder ausgeweidet,
Verwest so frühe noch einmal.
Wenn hell der Mond am Himmel blinkt,
Als Mastbaum in das Meer getragen,
Zerbricht der Sturm – das Schiff versinkt.
Tief in den höchsten Steyrerfelsen
Der Mond wird schuld an dicken Hälsen,
Wenn er in einen Brunnen scheint.
Die Spinnerin am Rad umspinnt
Daß sie ein Leichenhemd gewinnt. – –
Weil mich der Mond, ins Zimmer glotzend,
Nicht schlafen ließ in dieser Nacht,
Hab’ ich Poet hinwieder trotzend
Noch wüßt’ ich viel von ihm zu melden,
Doch seh ich dort im Untergang
Hinunterducken meinen Helden,
Bevor ich noch das Schlimmste sang.