Hyperion an Bellarmin XII
[81] Zweites Buch.
[83] HYPERION AN BELLARMIN.
Ich liebe diess Griechenland überall. Es trägt die Farbe meines Herzens. Wohin man siehet, liegt eine Freude begraben. Und doch ist so viel Liebliches und Grosses auch um einen. Auf dem Vorgebirge hab’ ich mir eine Hütte gebaut von Mastixzweigen, und Moos und Bäume herumgepflanzt und Thymian und allerlei Sträuche. Da hab’ ich meine liebsten Stunden, da siz’ ich Abende lang und sehe nach Attika hinüber, bis endlich mein Herz zu hoch mir klopft; dann nehm’ ich mein Werkzeug, gehe hinab an die Bucht und fange mir Fische. Oder les’ ich auch auf meiner Höhe droben vom alten herrlichen Seekrieg, der an Salamis einst im wilden klugbeherrschten Getümmel vertobte, und freue des Geistes mich, der das wütende [84] Chaos von Freunden und Feinden lenken konnte und zähmen, wie ein Reuter das Ross, und schäme mich innigst meiner eigenen Kriegsgeschichte. Oder schau’ ich auf’s Meer hinaus und überdenke mein Leben, sein Steigen und Sinken, seine Seeligkeit und seine Trauer und meine Vergangenheit lautet mir oft, wie ein Saitenspiel, wo der Meister alle Töne durchläuft, und Streit und Einklang mit verborgener Ordnung untereinanderwirft. Heut ist’s dreifach schön hier oben. Zwei freundliche Regentage haben die Luft und die lebensmüde Erde gekühlt. Der Boden ist grüner geworden, offner das Feld. Unendlich steht, mit der freudigen Kornblume gemischt, der goldene Waizen da, und licht und heiter steigen tausend hoffnungsvolle Gipfel aus der Tiefe des Hains. Zart und gross durchirret den Raum jede Linie der Fernen; wie Stuffen gehn die Berge bis zur Sonne unaufhörlich hinter einander hinauf. Der ganze Himmel ist rein. Das weisse Licht ist nur über den Aether gehaucht, und, wie ein silbern Wölkchen, wallt der schüchterne Mond am hellen Tage vorüber. |