Honoratiorenball
[147] Honoaratiorenball. (Mit Illustration S. 145.) Es liegt schon in
dem Klang des Wortes etwas Respekteinflößendes, zur Ehrerbietung
Nöthigendes. Wenn ein neudeutscher Bürger aus Kamerun eine Reise durch
deutsche Städte und Städtchen machte und dort auf einen „Honoratiorenball“
geladen würde, wer weiß, ob ihn nicht schon das Wort, der bloße
Klang des Wortes in die Flucht jagte. Mancher von den jungen Leuten,
die in den Tanzsaal geladen werden, folgte wohl gerne seinem Beispiel,
er darf es aber nicht, denn er ist nicht so unabhängig wie sein schwarzer
Landsmann, seine ganze Existenz hängt vielleicht von dem größeren oder
geringeren Geschick ab, mit dem er heute die Honoratiorentochter im Takte
drehen wird. Und es gehört nicht nur großes Geschick, es gehört auch
ein festes, gut versichertes Herz dazu. In vielen Fällen wenigstens, was
jeder zugeben wird, der den armen Jüngling im Mittelpunkt unseres
Bildes betrachtet. Ein herrliches Geschöpf mit einem Sirenengesichtchen
und einer entzückenden Gestalt im Arm zu halten und dabei zu wissen,
daß man nichts als eine Art Rotirmaschine, daß kein Blick der Holden
dem Tänzer lohnt, daß ihre Augen nur auf den Papa gerichtet sind,
der, sein erhabenes Honoratiorengesicht zu einem wohlgefälligen Lächeln
verziehend, würdevoll mit den Händen den Takt giebt – den Duft des
verführerischen Goldhaars zu athmen, die rothen Lippen in so gefährlicher
Nähe zu sehen und zu wissen, daß dieser stolze Backfisch „Honoratiore“
vom Scheitel bis zur Zehe ist und sich hoch über allen Nichthonoratioren
fühlt – gewiß, es ist keine Kleinigkeit, da Tänzer zu sein. Aber die
Probe wird bestanden, und wenn der Tanz zu Ende, lohnt wohl ein
Knix der Schönen, ein herablassendes Kopfnicken des Papa, der ganz
glücklich ist, daß sein Töchterlein sich als brillante Tänzerin erwiesen hat.
Derselben Ansicht sind ja auch die älteren Damen der Gesellschaft, die
mit kritischen Blicken die Tanzenden verfolgen, und der „gewichtige“
Honoratiore – Gemeinderath ist er ohne Zweifel – der mit einer
so graziösen Handbewegung auf das Pärchen deutet, ist sicher auch
der Anschauung, daß der stolz dahinschwebende Backfisch die Königin des
Festes ist. Wie lange wird die arme Rotirmaschine noch von ihr
träumen?! E. P.
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