Herrn Dirk Wrak’s Großmuth

Textdaten
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Autor: Otto Beneke
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Titel: Herrn Dirk Wrak’s Großmuth
Untertitel:
aus: Hamburgische Geschichten und Sagen, S. 74–76
Herausgeber:
Auflage: 2. unveränderte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Perthes-Besser & Mauke
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Erscheinungsort: Hamburg
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Quelle: Google, Commons
Kurzbeschreibung:
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[74]
29.[1] Herrn Dirk Wrak’s Großmuth.
(1270.)

Es geht die Sage von Herrn Dirk oder Ditrich Wrak, dem Aeltesten dieses Namens, der Ao. 1268 in den Rath gekoren ist, daß er ein sehr edler, großmüthiger Mann gewesen sei, der selbst seinen Feinden Böses mit Gutem vergolten habe.

[75] Wie’s sich nun ereignet, daß große Männer ihre Widersacher haben, so traf es sich, Gott weiß, aus welchen Ursachen, daß der Herzog von Sachsen dem Herrn Wrak abgünstig wurde. Er aber fürchtete wohl Gott, aber keinen Menschen, that Recht und scheuete Niemand. Darum focht ihn seines fürstlichen Feindes Groll auch gar nicht an. Der aber ergrimmte deshalb nur noch mehr, und schrieb ihm nach damaliger Weise einen Absagebrief, darin stand’s ehrlich und Deutsch: „Sei auf deiner Hut, zumal wenn du reisest und durch mein Land ziehest, denn ich lass’ dir aufpassen, und wenn ich dich ertappe, so muß du ohne Gnade hängen, den hänfenen Strick dazu führe ich allerwegen mit mit. Wornach sich zu achten.“ Das war keine frohe Kunde, und manchen guten Rathmann späterer Zeit hätt’s die Lustfahrten in den Sachsenwald und alles Reisen bitter verleidet, wenn solche Botschaft an ihn gelangt wäre. Aber Herr Dirk Wrak lachte darob, meinte nur, er müsse wohl ein Abwehrmittel gebrauchen, das sollte aber glimpflicher sein, als die Drohungen. Ließ also eine starke silberne Kette schmieden, etliche Ellen lang, die trug er mehrfach um Hals und Brust geschlungen, als sei’s zum Zierrath. Und schrieb darauf an den Herzog etwa so: „Ew. Durchläuchtigkeit gnädigen guten Willen habe vernommen, und vermelde dagegen zur schuldigen Danksagung in aller Devotion, daß ich allemal, wenn ich gen Lübeck zur Tagfahrt reite, zwar keinen gemeinen hänfenen Strick, sondern ein silbern Kettlein bei mir führe, daran ich Ew. Durchläuchtigkeit henken will, wo ich Derselben mächtig werde. Wornach sich zu achten.“

Ob nun der Herzog aus dieser kühnen Antwort des beherzten Mannes sich wenig Ersprießliches für seinen Handel versah, oder ob ihm dessen Großmuth, die seinen Strick mit dem Silbergeschmeide vergalt, das Herz rührete, worauf denn [76] Beide ihre Erbietungen für gute harmlose Schwänke passiren ließen: genug, weder Strick noch Kettlein sind gebraucht, sie haben sich Beide ungehängt gelassen, bis an ihr natürlich und will’s Gott selig Ende, das bei Herrn Dirk Wrak Ao. 1301 erfolgte, worauf er zu St. Petri im Leichenhause begraben worden unter dem sogenannten blauen Stein. Und die armen Leute, zumal die im heiligen Geist-Spital, sind über seinen Tod sehr betrübt gewesen, denn er hat die löbliche Gewohnheit gehabt, an allen Abenden vor Sonn- und Festtagen (und damals gab’s der letzteren noch dreimal mehr als jetzt) jedem Armen ein Brodt und ein Licht, oder dessen Werth, nämlich einen Pfennig, zu verehren.

Im Wappenschilde hat aber Heer Wrak einen Arm geführt, in dessen bloßer Hand ein lodernd Feuer zu sehen ist, was den kühnen Muth des tapfern Mannes, dessen Hand wohl manch’ heißes Ding angefaßt hat, ohne sich zu verbrennen, genugsam bezeichnet. Man muß brennende Fragen nur keck und fest angreifen, dann thun sie kein Weh, das ist eine alte Wahrheit.

Anmerkungen

[377] Diese Sage erzählt eine handschriftl. Raths-Succession auf dem Stadt-Archiv. – Beckendorp’s handschriftl. Chronik datirt sie von 1260 und nennt Wrak Bürgermeister. Er ist aber urkundlich erst seit 1268 als Rathmann und gar nicht als Bürgermeister bekannt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 20 (Druckfehler)