« Die beiden den Herodesnamen als Individualnamen führenden Söhne Herodes’ I. Walter Otto
Herodes
Herodes, König von Chalkis »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).
[203]
6) Herodias.

Herodias, Tochter des Aristobulos, des Sohnes Herodes’ I. (aus der Ehe mit der ersten Mariamme) und der Berenike, der Tochter der Salome (Schwester Herodes’ I.) und des Kostobar. Darf man einmal der Reihenfolge in der genealogischen Aufzählung bei Josephus Glauben schenken, so wäre sie die ältere der beiden Töchter des Aristobulos gewesen (bell. Iud. I 552: auch ant. Iud. XVIII 136); Keims 46 Behauptung, sie sei die jüngere, ist jedenfalls nicht genügend begründet. Ihr Geburtsjahr läßt sich auf Grund der Dauer der Ehe ihrer Eltern nur ganz allgemein als zwischen 15 und 8 v. Chr. fallend angeben, da wir das Verhältnis ihrer Geburt zu dem ihrer Brüder nicht festlegen können (vgl. S. 207. Keims Ansatz der Geburt auf 14 v. Chr. oder der v. Gutschmids Kleine Schriften II 318 auf 9 v. Chr. berüchsichtigen diese Schwierigkeit nicht. Wegen ihrer Verlobung im J. 6 v. Chr. würde man die frühest möglichen Jahre vorziehen).

Es ist alsdann auch nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob sie oder ihre Schwester Mariamme von ihrem Großvater im J. 6 v. Chr. mit dessen Sohne Herodes verlobt oder ob sie für den Sohn des ältesten Herodessohnes, des Antipatros, und dann sogar für diesen selbst bestimmt worden ist (Joseph. bell. Iud. I 527. 565; ant. Iud. XVII 14. 18). Jedenfalls hat die erste Verlobung keinen Bestand gehabt; zugleich mit dem Sturz des Antipatros im J. 5 v. Chr. ist sie – wer auch der Verlobte war – gelöst worden (für alles Nähere s. S. 200f., wo auch Keims früher Ansatz der ersten Heirat der H. zurückgewiesen wird). Der eventuelle Verlobte der H., ihr Onkel Herodes, ist später ihr erster Gemahl geworden. Aus dieser Ehe ist eine Tochter Salome entsprossen (Joseph. ant. Iud. XVIII 136. Die Angabe der slavischen Überarbeitung von Josephus, bell. Iud. zu II 9 c. 1, aus der ersten Ehe seien sogar vier Kinder hervorgegangen, ist wohl reine Erfindung; den Text s. bei Berendts Die Zeugnisse vom Christent. im slav. ‚De bello Iudaico‘ d. Joseph. Text. u. Unters. z. Gesch. d. altchristl. Liter. N. F. XIV 4; s. hierzu S. 200). Die Geburt der Salome darf man allem Anschein nach kaum viel früher als etwa 14 n. Chr. ansetzen (das Nähere s. S. 190f.). Aus der Zeit der Geburt der Tochter auf die Zeit der Verheiratung der Mutter zu schließen, ist leider nicht möglich, da es sich um eine Spätgeburt gehandelt haben kann.

Nicht lange Zeit nach dieser Geburt ist dann der Bruch mit ihrem Gatten erfolgt (für die Chronologie s. S. 186ff. Hierzu sei noch bemerkt, daß die Verwertung des etwaigen Alters für die Zeit der Eheirrung der H., wie dies mitunter geschieht, kaum am Platze ist. Die femme de trente ans kann ebensowohl plötzliche Leidenschaften entfesseln wie eine jüngere). H., der Typus der ehrgeizigen [204] Frau, kann sich auf die Dauer an der Seite ihres gar nicht ehrgeizigen Gatten nicht befriedigt gefühlt haben, und dieses Gefühl des Unbefriedigtseins wird dann viel dazu beigetragen haben, sich so rasch ihrem bereits mit einer nabatäischen Prinzessin verheirateten Schwager und Onkel, dem Tetrarchen Herodes Antipas, in die Arme zu werfen und seine Werbung zu erhören, als er auf einer Romreise einen Abstecher in ihr Haus machte und sich dabei leidenschaftlich in sie verliebte. Es wurde zwischen ihnen die Trennung von den beiderseitigen Gatten für die Zeit der Rückkehr des Herodes Antipas verabredet. Die stolze H. war nämlich nicht gewillt, als zweite Frau neben der arabischen Königstochter in das Haus ihres zukünftigen Gemahls einzuziehen, sondern wollte ganz allein in diesem herrschen. Wie verabredet ist es auch gekommen (Joseph. ant. Iud. XVIII 109ff.; weiteres s. S. 186). Es ist jedoch verfehlt, mit Ewald Gesch. d. Volks Israel V³ 103 anzunehmen, daß zu diesem Doppelehebruch und der neuen gegen das jüdische Gesetz verstoßenden Ehe allein der Ehrgeiz die Prinzessin getrieben habe; daß H. ihren zweiten Mann auch wirklich geliebt hat, zeigt ihr Verhalten nach dessen Sturze (s. u.).

H. hat auf ihren zweiten Gemahl während des ganzen Verlaufs ihrer Ehe großen Einfluß auszuüben verstanden (Joseph. ant. Iud. XVIII 246), der sich wohl mit den Jahren gesteigert haben dürfte; denn die Ausgestalter der Salomeerzählung der Evangelien rechnen nicht mit einem den Tetrarchen auch in staatlichen Angelegenheiten völlig bestimmenden Einfluß seines Weibes, sondern lassen H. ihren Wunsch der Hinrichtung des Täufers nur durch List erreichen (s. Matth. XIV 3ff. Marc. VI 17ff. und über den Charakter der Salomeerzählung vgl. S. 190f.). Mag auch das einzelne, was die Evangelisten über den Anteil des H. an der Hinrichtung des Täufers erzählen, legendarischen, novellenartigen Charakter tragen, so dürfte doch der von ihnen bezeugte Haß der Herodias gegen Johannes, weil dieser in seinen Bußpredigten ihre neue Ehe aufs schärfste getadelt hatte, als historische Tatsache zu fassen sein, und sie kann daher auch sehr wohl zu der Vollstreckung des Todesurteils an dem Täufer viel beigetragen haben; beides würde zu dem Charakterbild der H. gut passen.

Um 30 n. Chr. hat H. noch die Freude gehabt, daß ihre junge Tochter Salome den bisher noch unvermählten Bruder ihres Gemahls, den Tetrarchen Philippos, geheiratet hat, eine Heirat, die man bei dem großen Altersunterschied der Ehegatten (wohl einige 30 Jahre) doch wohl als Ausfluß des politischen Ehrgeizes der Salome ansehen darf (s. Joseph. ant. Iud. XVIII 137 und [205] vgl. hierzu, vor allem für die Chronologie, S. 191). Da Philippos jedoch schon 34 n. Chr. starb (Joseph. ant. Iud. XVIII 106), die Ehe kinderlos blieb und das Reich des Philippos nach seinem Tode von Rom eingezogen wurde, so hat H. mit dieser Ehe keine für ihre Familie dauernden Erfolge erzielt.

Sie mußte dann die Niederlage ihres Gemahls im Araberkriege miterleben, an der sie die eigentliche Schuldige war, und mußte es schließlich mit ansehen, daß ihr liederlicher Bruder Agrippa I., dem sie einst in der höchsten Not eine Beamtenstellung in ihrer Hauptstadt Tiberias verschafft hatte (Joseph. ant. Iud. XVIII 119), infolge der Gunst des neuen Herrn in Rom, seines Freundes Gaius, einen höheren Rang als ihr Gemahl, nämlich die Königswürde, erlangte. Dieser Glückswechsel hat der ehrgeizigen und stolzen Frau keine Ruhe mehr gelassen. Die bisherige Stellung ihres Mannes, dessen großer Reichtum genügten ihr nicht mehr, und in heftigen Szenen hat sie es schließlich durchgesetzt, daß Herodes Antipas zu dem Entschluß kam, den Kaiser auch für sich um die Verleihung des Königstitels anzugehen.

H. hat dadurch selbst ihren Sturz herbeigeführt. Denn Agrippa verstand es Gaius gegen den Tetrarchen einzunehmen, und diesem ist statt der Königswürde die Absetzung und die Verbannung in eine kleine gallische Provinzstadt zuteil geworden (Joseph. bell. Iud. II 181–183; ant. Iud. XVIII 240–252 und vgl. hierzu S. 195f.).

[206] Im Unglück hat sich H. als die treue Gefährtin ihres Mannes bewährt. Gaius hat ihr nämlich, als er erfuhr, sie sei die Schwester seines Freundes Agrippa, nicht nur ihr Privatvermögen gelassen, sondern er hat auch im übrigen sie nicht das Geschick des Gatten teilen lassen wollen. H. hat jedoch diese Gnade stolz abgelehnt: sie, die Gefährtin der glücklichen Tage ihres Gatten, wollte diesen auch im Unglück nicht verlassen (Joseph. ant. Iud. XVIII 253f.).

Diese Treue der Frau ist geeignet, ihr Bild freundlicher erscheinen zu lassen, das im übrigen, will man nicht ihren maßlosen Ehrgeiz hierfür gelten lassen, lichte Züge kaum aufzuweisen hat. Denn sie war hart und rücksichtslos, herrisch und neidisch, eine Frau, die in ihrer Leidenschaft sich über alle Gebote der Sitte hinweggesetzt hat (man lese das von Johannes Chrysostomos in einer Predigt von ihr gezeichnete Bild, das freilich die Feder eines Feindes entworfen hat; s. Mignes Patrologia im VIII. Band der Werke des Joh. Chrys. Col. 485ff.). Nach der christlichen Überlieferung soll H. sehr alt geworden sein (Nikeph. Kall. hist. eccl. I 20).

Neuere Literatur. Außer den bereits S. 198 angeführten Werken s. Keim s. Herodias in Schenkels Bibellexikon III 46ff. Sieffert Realenzykl. f. protest. Theol. und Kirche VII³ 769f. s. Herodias. Diction. de la bibl. III 652 s. Hérodiade. Prosop. imp. Rom. II 143 nr. 116.

« Die beiden den Herodesnamen als Individualnamen führenden Söhne Herodes’ I. Walter Otto
Herodes
Herodes, König von Chalkis »
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Für eine seitenweise Ansicht und den Vergleich mit den zugrundegelegten Scans, klicke bitte auf die entsprechende Seitenzahl (in eckigen Klammern).