Heinrich von Valois, Herzog von Anjou

Textdaten
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Autor: Heribert Rau
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Titel: Heinrich von Valois, Herzog von Anjou
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 520–523
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[520]
Heinrich von Valois, Herzog von Anjou.
1573.

„Staubwolken fliegen auf – Ha, Reiter ohne Zahl!
Sie sprengen lustig her durchs grüne Neckarthal. –
Das blitzt und funkelt ja, daß mir die Augen brennen! –
Jetzt rollt ihr Banner auf – jetzt kann ich sie erkennen!“ –

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„Es sind Franzosen, Herr! – doch sicher nicht zum Streit

Erschienen sie vor Euch; sie führen Festgeleit!“

Also vom Thurme hoch der Wächter eifrig spricht
Zum frommen Friederich; der sagt: Ich bin bereit
Sie freundlich zu empfah’n; dem Gast reich ich die Hand.

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Heinrich von Valois ist’s, der jetzt nach Polenland

Mit seinen Mannen zieht, die Krone zu empfangen.
Ihn treibt zu uns, glaubt mir, nicht eigenes Verlangen;
Er trauet sicherlich uns Hugenotten nicht;
Doch macht’s sein Bruder ihm, der König, wohl zur Pflicht,

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Damit kein Unbill er im fremden Land erfahre,

Und sich der Teutschen Gunst im Voraus schon bewahre.
Er komme nur getrost und ziehe friedlich ein!
Zwar werden wir ihm hier ein strenger Mahner seyn,
Doch dinget man bei uns nicht blutbegier’ge Horden,

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Den Andersdenken im Schlafe hinzumorden.“

Der Kurfürst sprichts mit Ernst, ertheilet die Befehle,
Und zieht sich dann zurück in seines Schlosses Säle.

Indessen war die Schaar der Franken angekommen
Und hat auf flinkem Roß den Burgweg bald erklommen.

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Welch zierlich prächt’ger Trupp! Wie blitzen die Gewande

Von Gold und Edelstein! Was selbst die fernsten Lande
An auserlesnem Schmuck, an einzig schönen Gaben,
An Farbenpracht und Werth nur darzubieten haben,
Dies Alles sieht man hier in seltenem Verein.

30
Der Perle reinen Glanz, des Demants Wunderschein,

Des Tigers scheckig Fell, des Hermelines Pelz,
Die Perlenmutter auch in lichtem Farbenschmelz,
Vom Reiher und vom Strauß die reiche Federnpracht,
Von Helm und Harnisch dir mit Lust entgegenlacht.

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Doch prangt vor Allen wohl im ganzen Reitertroß

Heinrich von Valois auf seinem Berberroß;
Hoch sieht man ihn empor aus ihrer Mitte ragen,
Stolz wieget sich sein Haupt, bestimmt die Kron’ zu tragen.

Jetzt ist das Thor erreicht; weit öffnet es die Flügel;

40
Der Herzog sprengt herein, schwingt rasch sich aus dem Bügel,

Wirft Peitsch’ und Zügel ab – Doch wie? Was soll das seyn? –
Er findet sich erstaunt im weiten Hof allein!
Kein Diener ist zu sehn von Nahe noch von Fern;
Welch’ schmählicher Willkomm so königlichem Herrn!

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Mit unterdrücktem Zorn, mit wuthgebleichten Wangen,

Wird endlich an der Thür’ der stolze Gast empfangen.
Zwei teutsche Edelleut’, gepanzert ganz in Stahl,
Die führen schweigend ihn bis zu dem Kaisersaal.
Da plötzlich öffnet sich die zwiegespalt’ne Pforte –

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Der Herzog steht erblaßt – ihm fehlen alle Worte;
[522]

Er blickt entsetzt umher – welch eine Schreckensstunde?
Denn dicht gedrängt um sich gewahrt er in der Runde
Nur Hugenotten, die, der Mordnacht jüngst entflohn,
Hier Schutz und Schirm gesucht an Kurfürst Friedrichs Thron;

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Und ihm entgegenblickt, hoch an des Saales Wand

Coligny, wie er stirbt, gemalt von Meisterhand;
Wie von Begeisterung das Antlitz übergossen,
Der greise Held erblaßt durch Valois’s Mordgenossen. –

Noch starrt der Herzog stumm hin nach dem grausen Bild,

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Da grüßt der Kurfürst ihn mit Worten sanft und mild,

Und wünscht ihm alles Glück zu seiner neuen Krone,
Und friedlich Regiment auf Polens schönem Throne.
Drauf muß der Frankenfürst auch strenge Worte hören
Von jenem schändlichen blutdürstigen Verschwören

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Der unglückseligen Bartholomäusnacht,

Die blinder wilder Haß unchristlich angefacht;
Von Frankreichs Hinterlist und oft gebrochner Treue,
Und daß der Hof sich nicht der frechsten Laster scheue. –

So spricht der teutsche Fürst mit würdevoller Ruh,

70
Dem stolzen fränk’schen Gast an seinem Hofe zu.

Dann läßt er königlich und reich bewirthen ihn,
Doch mundet’s Valois nicht, er sehnt sich, fortzuziehn.
Von Heidelberg herab, dem schönen Felsenschloß,
Eilt schweigend und beschämt alsbald der fremde Troß.

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Es blitzen Gold und Stein von Harnischen, den blanken,

Es weht der Federnschmuck im Wind mit stolzem Schwanken,
Doch hört der Pförtner noch den Herzog Anjou schwören:
Von nun an soll kein Gott ihn jemals mehr bethören,
Selbst in der größten Noth, bei solchen deutschen Bären,

80
– Noch gar auf Heidelberg – je wieder einzukehren.
Heribert Rau.

Als zu Ende des Jahres 1573 und zu Anfang des folgenden, Heinrich, Bruder des Französischen Königs Karl IX. und dessen Nachfolger, als erwählter König von Polen, dahin durch Deutschland reiste, wurde ihm Ludwig, Graf von Löwenstein und Herr von [523] Scharfeneck als Kaiserlicher oberster Begleitungscommissär beigegeben. Ein ungenannter Sekretär desselben hielt hierüber ein umständliches Tagebuch, welches auf sieben Bogen in Quart gedruckt erschienen ist. Hierin kommt unter andern interessanten Zügen, auch folgende Anekdote vor:

„Auf wiederholte Einladung Kurfürstens Friedrich III. zu Pfalz, durch seinen zum Empfang und Geleit entgegengesandten Prinzen Christoph, daß, weil er Leibesschwachheit halber nach Oppenheim nicht kommen könne, der König ihn zu Heidelberg besuchen möchte, begab sich dieser am 11. Dezember dahin. Der Kurfürst lag unwohl zu Bette und konnte deswegen keiner Freude mit dem König pflegen oder sich viel mit ihm besprechen. Auf dessen Anregung aber las ihm, als er ein wenig erwarmt war, Graf Ludwig von Nassau, des Prinzen von Oranien Bruder, im Kurfürstlichen Gemache bei genommener Gelegenheit eine ernstliche Collecte (Text), wegen des vor einem Jahre in Paris und andern Orten Frankreichs, wider alle Treue und Glauben an dem Admiral von Coligny und seinen Glaubensgenossen unmenschlicher Weise verübten Mords, (Pariser Bluthochzeit), welches Gott nicht ungestraft lassen würde. Der König suchte denselben damit zu entschuldigen, der Admiral habe auf der Hochzeit eine heimliche Meuterei anrichten, und den König, seinen Bruder, überfallen wollen. Der Kurfürst aber fragte ihn flugs: „Lieber! Wie stark ist der Admiral mit allen seinen Hugenotten auf die Hochzeit kommen?“ Und da der König (Valois) geantwortet: „Auf tausend Pferde stark;“ fragte der Kurfürst weiter: „Ist gut, Lieber! Wie stark ist aber der König wohl da gewest?“ – Auf Valois Antwort: „Auf dreitausend,“ – sagte der Kurfürst: „Da liegt’s. Wie hätten Tausend wider Dreitausend etwas anfangen dürfen, in einer solchen großen Stadt, wo männiglich gern die Hände in der Hugenotten Blut gewaschen hätte? Sehet selbst, wie es so gar nicht klappte, und Eure Reden wider Euch selbst zeugen!“ – Diese verdrüßliche Vorhaltung soll in die fünf Stunden lang gewährt haben, worüber sich auch des Königs Kanzler in Oppenheim hernach sehr beschwert hat.“

(Aus Freihr. von Hormayr’s Taschenbuch von 1833. Seite 43–44.)

Andere Chronisten erzählen diese Scene mit verschiedenen Varianten, deren eine H. Rau zu seinem Gedichte benützt hat. Man vergleiche hierüber die Worte des Historikers de Thou, des P. Daniel und Kayser’s Schauplatz, Seite 305. Ferner A. Schreiber’s „Vaterl. Blätter“ 1812. Nr. 18. etc.