Heilige Gräber
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Heilige Gräber.
Rudolf Lavant.
Ein Volk ist dann nur tapfrer Männer werth
Und dann allein darf hoffen es auf neue,
Wenn es die Todten noch im Grabe ehrt
Und ihre Hügel pflegt in echter Treue.
Die unsre Fahne in den Kampf getragen,
Die in Berlin die Barrikadenschlacht
Mit festem Muth begeistrungsvoll geschlagen.
Mit schönen Worten, die ja billig sind,
Dann aber drehte plötzlich sich der Wind ―
Es ward Verlegenheit, sie zu erwähnen.
Wer hat es laut zu rügen noch gewagt,
Als die Verleumdung dreist ihr Grab bespieen?
Und jedes Makels wurden sie geziehen.
Das Volk allein gedachte seiner Pflicht
In jenen trüben, würdelosen Tagen;
Das Volk allein vergass die Todten nicht,
Nur in den Kellern noch und unterm Dach,
Von russgeschwärzten, sehnigen Gestalten,
Ob man sie auch gehindert hundertfach,
Ward ihr Gedächtnis dankbar festgehalten.
Im Innersten gepackt von jenem Ringen,
Hat sich’s vom Mund den Bissen abgespart,
Um seinen Todten einen Kranz zu bringen.
Es zog hinaus beim ersten Tagesgraun,
Um sich an jener Stätte zu erbau’n
Und auf die Hügel seinen Kranz zu legen.
Und stummer, heisser Herzensdank gebührt
Mit vollem Recht den Hochgemuthen, Braven,
Und die nun längst in tiefem Frieden schlafen.
War’s doch kein leerer, trügerischer Wahn,
Für den die Trotzigen, die Kühnen stritten ―
Dem Volke brach der Opfertod die Bahn,
Führt eure Kinder an die Gräberreihn,
Denn rasch entflammt für Grosses sich die Jugend;
Prägt ihnen Ehrfurcht für die Todten ein,
Lehrt sie bewundern ihre Bürgertugend.
Und einen bessern könnt ihr nimmer spenden,
Denn was die Helden jener Zeit gewollt,
Ein kommendes Geschlecht wird es vollenden.
Anmerkungen (Wikisource)
Bearbeiten- Das Gedicht bezieht sich auf den Artikel, Friedhof der Märzgefallenen, in der Wikipedia.