Textdaten
<<< >>>
Autor: Pr.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Hanswurst und Pantalon
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 675
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1897
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[672]

Hanswurst und Pantalon.
Nach dem Gemälde von E. Klimt.

[675] Hanswurst und Pantalon. (zu dem Bilde Seite 672 und 673.) So weit auch die Lust am Schauspiel sich im deutschen Kulturleben zurückverfolgen läßt, so hat es doch gar lange gedauert, bis die deutsche Schauspielkunst in eigenen Theatern feste Heimstätten gefunden hat. Und als an den Fürstenhöfen Deutschlands und von Seiten einzelner Stadtverwaltungen die ersten ständigen Bühnen errichtet wurden, da waren es anfangs meist fremdländische Sänger- und Schauspielertruppen, aus Italien, Frankreich und England, welche sie angewiesen bekamen und die sich behaglich darin einnisteten. Hat so auch die dramatische Kunst in Deutschland unter dem Druck der Verhältnisse später als in jenen Nachbarländern ihren Aufschwung genommen. Und als sie erstarkte, mußte sie sich die bereits von der Kunst des Auslands beschlagnahmten heimischen Wirkungsstätten erst mühsam erobern. Die ersten Siege in dieser Beziehung wurden aber dabei nicht von der ernsten Muse, sondern vom heiteren Komus – auf dem Gebiete der volkstümlichen Komödie errungen. Wenn später die einseitige Vorliebe des Volks für den Hanswurst und seine meist recht derben Possen die ernste Kunst veranlaßte, dem Hanswurst den Krieg zu erklären, so darf die ruhmreiche Geschichte ihrer weiteren Entwicklung doch der Verdienste nicht vergessen, welche der allbeliebte Spaßvogel sich in jenen Jahren schwerer Kämpfe um das Gedeihen der deutschen Bühne überhaupt erworben hat.

Mit vollem Recht hat daher, als es galt, den stolzen Prachtbau des neuen Burgtheaters in Wien mit Bildern aus der Theatergeschichte auszuschmücken, auch der alte brave deutsche „Hanswurst“ ein Ehrenmal der Erinnerung erhalten. Es besteht in dem prächtigen Gemälde Ernst Klimts, das jetzt dem Treppenhause des herrlichen Musentempels zur anmutenden Zierde gereicht und dessen Wiedergabe unseren Lesern ein lebensvolles Bild vermittelt aus der Zeit, da noch unter freiem Himmel und auf offenem Markt die deutschen „Komödianten“ ihre Bühne aufschlagen mußten, um mit ihrer heiteren Kunst das stets schau- und lachlustige Volk zu erlaben.

Gerade Wien, die alte Kaiserstadt mit ihrer daseinsfrohen Bevölkerung, das als Pflegstätte der deutschen Bühnenkunst einen so hohen Rang einnimmt, hat besonderen Anlaß, dankbare Erinnerungen aus jener Zeit zu pflegen. Daß hier das deutsche Schauspiel zu einem festen Heim gelangte, war das entschiedene Verdienst desselben Mannes, der unter den deutschen Hanswurstdarstellern und Hanswurstiadenverfassern den höchsten Ruhm erlangte, des lustigen Schlesierkinds Joseph Stranitzky. Das von der Stadt erbaute erste Theatergebäude am Kärntner Thor war sofort nach seinem Bestehen einer italienischen Truppe überlassen worden. Dem genannten Komiker gelang es, dank der Beliebtheit, die sein echt volkstümlicher Humor den Wienern abgewann, die Italiener aus dem Haus zu verdrängen. Schon vor 1712 faßte er darin festen Fuß. Von 1720 an bis zu seinem Tod (1726) war er dann mit seiner Truppe im ununterbrochenen Besitz dieses ersten Wiener Stadttheaters. Er verdrängte aber auch das von den Italienern bisher mit größtem Erfolg gepflegte pantomimische Stegreifspiel, ihre commedia dell’ arte aus der Gunst der Wiener, indem er einige der typischen Figuren derselben, wie die Columbine, den Pantalone, in seine deutschen Possenspiele übernahm, dagegen die Figur des Arlechino durch den deutschen Hanswurst ersetzte. Er ließ denselben in der Maske eines Salzburger Bauern auftreten, wodurch er gewissermaßen auf den Lustigmacher der alten Fastnachtspiele zurückgriff. Die Metamorphose fand überall in Deutschland Nachahmung und denselben Beifall wie in Wien.

Auch der Hanswurst aus dem von festlicher Luft und Sonnenglanz durchglühten Klimtschen Bild hat die Salzburger Bauerntracht. Es ist der Marktplatz der alten freien Reichsstadt Rothenburg, aus dem eine Wandertruppe ihre schlichte Bühne „mit hoher obrigkeitlicher Erlaubniß“ aufgeschlagen hat. Eine Posse der neuen Wiener Art hat eben unter dem Beifall der zahlreichen Zuhörerschaft ihr Ende erreicht. Es handelt sich um eine der komischen Eifersuchtsscenen, welche den Hauptinhalt vieler dieser Schwänke bildeten. Hanswurst hat eben einen alternden Gecken, im Maskenkostüm des Pantalon, der um die Gunst seiner geliebten Columbine buhlte, dazwischenfahrend auf die Seite geworfen und setzt nun den Zuschauern triumphierend seine Heldenthat auseinander. Spöttisch lächelnd blickt Columbine auf den besiegten Galan herab, der die Faust ohnmächtig drohend erhebt. Indem der Maler so einen Vorgang darstellte, welcher den deutschen Hanswurst über den welschen Pantalon triumphieren läßt, deutet er mit sinniger Symbolik auf den Sieg hin, der sich in der Geschichte der deutschen Bühne an den Namen des volksbeliebten Wiener Hanswurstes Joseph Stranitzky knüpft. Pr.