Hans Jenitz, Geheim-Sekretär des Kurfürsten August

Die Steinkolosse am Elbberge Hans Jenitz, Geheim-Sekretär des Kurfürsten August (1893) von Georg Müller
Erschienen in: Dresdner Geschichtsblätter Band 1 (1892 bis 1896)
Gräber in der Sophienkirche
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Hans Jenitz,
Geheim-Sekretär des Kurfürsten August.
Von
Professor Dr. Georg Müller.


Durchblättert man im hiesigen Hauptstaatsarchive die stattliche Reihe von Copialen, die die Regierungserlasse des 16. Jahrhunderts enthalten, so muß man über den persönlichen Antheil staunen, den die Fürsten an der Verwaltung des Landes nehmen. Auf den verschiedenen Gebieten unterstanden alle einzelnen Maßregeln, oft unbedeutender und abliegender Natur, ihrer persönlichen Entscheidung. Die Erlasse wurden nicht selten nach eingehender Erwägung in der fürstlichen Kanzlei entworfen, die eingesandten Vorlagen in wichtigen Punkten geändert; schließlich bedurften alle Reskripte der eigenhändigen Unterschrift des Fürsten.

Mit größter Hochachtung wird man für Herzog Georg den Bärtigen erfüllt, wenn man seine Thätigkeit auf den verschiedenen Gebieten des politischen und wirthschaftlichen Lebens beobachtet. Herzog Moritz behielt sich auch seinen vertrauten Räthen gegenüber die letzte Entscheidung vor und wenn er durch seine großen politischen Pläne in erster Linie in Anspruch genommen wurde, so zeigte er doch auch in zahlreichen einzelnen Fragen, wie z. B. der Gründung und Ausstattung der Fürstenschulen, eine hervorragende Kenntniß und Thatkraft. Am deutlichsten tritt bei Kurfürst August das Bestreben hervor, seine persönliche Auffassung in der Behandlung der einzelnen Fragen zur Geltung zu bringen. Es erforderte dies eine um so größere Thätigkeit und Betriebsamkeit, als der unter seinem Vorgänger vollzogene Gebietszuwachs und der Aufschwung der wirthschaftlichen Verhältnisse an die Regierung höhere Aufgaben stellte und den Kurfürsten selbst ungleich mehr in Anspruch nahm. Unermüdlich zeigte er sich, einen genauen Einblick in die verschiedensten Verhältnisse und ein selbstständiges Urtheil über die vielgestaltigen, an ihn herantretenden Fragen zu bekommen. Er bereiste selbst das Land und zog Erkundigungen ein; er verhandelte eingehend mit seinen Räthen und Beamten; er ließ von sachkundigen Leuten, oft entgegengesetzter Anschauung, namentlich bei schwierigen Fragen Gutachten einholen. Die endliche Entscheidung schloß sich oft nicht einfach an das eine oder andere Urtheil an, sondern in eigenhändig geschriebenem Bedenken that sich der Wille des Kurfürsten kund. Sie beschäftigten sich mit kirchlicher Lehre und Verfassung ebenso, wie mit der Landwirthschaft, mit finanziellen und bergmännischen Fragen und zeigen eine eingehende Beschäftigung mit den behandelten Gebieten.

Diese Vertrautheit konnte sich der Kurfürst nur dadurch verschaffen, daß er in seiner Geheimkanzlei Leute hatte, die durch eigene Kenntniß der Verwaltung, wie des praktischen Lebens, durch ihre Beziehungen zu maßgebenden Fachmännern dem Kurfürsten zur Hand gehen konnten, in der Form aber die Biegsamkeit und Geschmeidigkeit besaßen, um Härten zu mildern und scharfe Aeußerungen in eine weniger verletzende Form zu kleiden. Unter diesen genoß mehr als zwei Jahrzehnte lang des Kurfürsten unbeschränktes Vertrauen der Geheime Kammersekretär Hans Jenitz. Wiewohl er nach außen wenig hervortrat, war er doch einer der einflußreichsten und maßgebendsten Beamten am kurfürstlichen Hofe. Seine Stellung trug einen rein persönlichen, vertraulichen Charakter. Dies tritt bereits [90] in seiner Amtsbestallung deutlich hervor. Während diese bei den meisten Beamten ziemlich umfangreich war, die einzelnen Pflichten und Geschäfte genau aufzählte und für die einzelnen Fälle genaue Verhaltungsmaßregeln gab, war die des Kammersekretärs außerordentlich kurz und enthielt über die Thätigkeit und Stellung nur allgemeine Andeutungen. Merkwürdigerweise ist nicht einmal der Rang genau angegeben. Jenitz wird nur Kammersekretär, in der Bestallung seines Vertreters dagegen „Geheimbter Kammersekretär“ genannt.

In der im Jahre 1575 erneuerten Bestallung, die uns allein erhalten ist, wird dem Kammersekretär vorgeschrieben, daß er dem Kurfürsten getreu, hold und dienstgewärtig, auch schuldig sein soll, seines Herrn Nutzen und Frommen zu schaffen und zu befördern, dagegen aber Schaden, Nachtheil und Schimpf nach höchstem seinem Vermögen zu wählen, wenden und verneinen. Es folgt dann eine Stelle, die der Kurfürst eigenhändig hinzugefügt hat: „Insonderheit aber soll er auf unsere perschon und unsere geheymte sachen bestellt seyn, auff uns allein und sunst auff nymands sehen, sych an nymanden hengen, noch einigen respeckt haben, sondern was wyr im bestellen, gehorsämblich und treulich vorrichten umd sich nymands freundschaft oder feindschaft davon wendigk oder irr machen lassen“. Er soll die Briefe, die zu des Kurfürsten eigenen Händen kommen, und was sonst einläuft, dem Kurfürsten vortragen und des Bescheides gewärtig sein, die Schreiben aber, die Justitiensachen betreffen, mit Vorwissen des Kurfürsten an die Regierung abgeben. Er soll ferner die Sachen, deren Geheimhaltung der Kurfürst wünscht, allein in seiner Verwahrung haben, fleißig und ordentlich registriren und Niemandem Meldung thun, sondern bis in sein Grab verschweigen, bei sich behalten und Alles thun, was einem getreuen Diener geziemt auch ohne besondere Namhaftmachung in der Bestallung. Als Gehalt erhält Jenitz 400 Gulden neben freier Kost am Hofe oder auf Reisen, dazu freie Fuhre für sich und seinen Gehülfen. In seiner Abwesenheit oder in Behinderungsfällen wird er durch den Kammersekretär Hans von Zschammer vertreten.

Dieser Anweisung gemäß finden wir Jenitz immer in der unmittelbaren Umgebung des Kurfürsten nicht nur in Dresden, sondern auch bei den zahlreichen Reisen, auf den kürzeren Jagdausflügen, wie dem oft monatelangen Aufenthalte in den eben erst entstandenen oder verschönerten Schlössern, der heute noch mit ihren Zinnen weithin leuchtenden Augustusburg, wie der mitten in der Lochauer Heide traulich versteckten Annaburg oder dem mit einem großen landwirthschaftlichen Betriebe umgebenen Mühlberg. Auch nach den kleinen Jagdschlössern im Lande hin und her begleitet er ihn, wie Sitzerode und Grillenburg. Die Einweihungsfeierlichkeit des letzteren begeisterte ihn zu einem uns erhaltenen dichterischen Versuche, der den Namen des Jagdhauses erklären sollte. Drei Verse zierten bis in unser Jahrhundert hinein das Tafelzimmer. Der erste Vers, in dem der Kurfürst redend eingeführt wurde, lautet:

Meines lieben Brudern kläglich End,
Der schwere Eingang zum Regiment,
Groß Widerwerttigkeit unnd Gfahr,
Mir schwere Sorg und Müh gebar.

Zur Vertreibung solcher Fantasey,
Fing Ich an dies neu Gebeu,
Die Grillenburg Ichs davon nennt,
In einem Jahr wards gar vollendt.

Die übrigen zwei Strophen führen den Gedanken nicht immer in sehr flüssiger Weise fort und schließen mit der Aufforderung zur Fröhlichkeit:

Wer nun hat Grillen, Mäus’ und Mucke,
Der laß sie hinnder sich zurucke.

Auch auf Reisen außerhalb Sachsens bis nach Wien und wieder bis nach Dänemark begleitete Jenitz seinen Herrn. Wir werden uns nicht wundern, wenn der kurfürstliche Sekretär trotz alles Diensteifers das Herumziehen manchmal recht überdrüssig bekam und seinen vertrauten Freunden gegenüber bittere Klagen laut werden ließ. Damit hing es zusammen, wenn ihm von einem Freunde nach Regensburg, wo er mit dem Kurfürsten im Herbste 1575 auf dem Reichstage weilte, ein herzlicher Glückwunsch zugesandt wurde, weil er die „Teiffel“ bald wieder in die Heimath umkehren könne. Dazu mochte die Umgebung des Kurfürsten wohl oft nicht gerade glänzend untergebracht sein, sogar an solchen Orten wie Annaburg. Wie sollte auch dort mitten in der Einöde, entfernt von großen Städten, die Bequemlichkeit und der Luxus beschafft werden, an die der auch persönlich vermögende Sekretär von der Hauptstadt her gewöhnt war. Namentlich im Winter ging es oft recht ungemüthlich her. Im Januar 1576 klagte Jenitz seinem Freunde Harrer, als er nach Annaburg gekommen sei, da habe er die Küche kalt und den Keller warm gefunden. Wohl antwortete der Kammermeister, so sei es ihm auch immer gegangen, an dergleichen Ueberraschungen sei er gewöhnt. Für nächste Zeit aber stellte er seine Ankunft auf dem Schlosse in Aussicht und dann lud er ihn ein, in dem von ihm mit großen Kosten gebauten Gasthofe an seiner Tafel sein Gast zu sein. Im nächsten Herbste scheint es nicht besser gewesen zu sein. Diesmal schickte Harrer z. B. an zwei Tagen hintereinander zehn Mandeln Leipziger Lerchen, vergaß auch den dazu gehörigen Wein nicht und freute sich zu hören, daß seine Sendungen der Tischgesellschaft gut geschmeckt und daß namentlich der kurfürstliche Leibarzt, Dr. Luther, an den Genüssen seine [91] Freude gehabt habe. Größere Reisen mochten noch größere Unbequemlichkeiten bieten. Im September 1579 folgte der Kurfürst einer Einladung zu Jagden des Kurfürsten von Brandenburg und hielt sich längere Zeit in Küstrin auf. Da klagte denn Jenitz auch, „daß sich auf den Jagtlegern in der Mark der Ungelegenheiten halber die Herbergen dermaßen zutrugen, daß einer lieber dafür daheim zu Haus sein wollte.“

Jedenfalls war der Geheimsekretär durch seinen Dienst völlig in Anspruch genommen. Täglich, mit Ausnahme der hohen Festtage, oder, wenn fürstlicher Besuch da war, hatte er beim Kurfürsten Vortrag und fertigte daraufhin die Beschlüsse aus. Außerdem mußte er den Tag über dem Kurfürsten zur Verfügung stehen, der ihn bei wichtigen Fällen zu jeder Tageszeit zu sich berief. Wurden doch gerade in jenen Jahrzehnten, in denen Jenitz an der Spitze der Geheimkanzlei stand, eine Reihe wichtiger Reformen geschaffen, die eingehende Erwägungen und umfangreiche Erörterungen nöthig machten. Für die Rechtspflege war die Begründung des Leipziger Schöppenstuhls eine wichtige Maßregel; die Finanzverwaltung und die Organisation der Landeskirche wurde durch eine Reihe tiefeinschneidender Ordnungen neu geregelt. Es wäre von Interesse, die persönliche Stellung und den Einfluß des Geheimsekretärs im Einzelnen festzustellen. Aber dafür fehlen uns die schriftlichen Quellen, da Jenitz nur mündlich mit dem Kurfürsten verhandelte. Wir haben nur außerordentlich wenige Schreiben, die zwischen beiden gewechselt wurden. Sie stammen nur aus solchen Zeiten, wenn Jenitz durch Geschäfte oder Familienangelegenheiten oder durch Krankheit vom Hofe fern gehalten wurde und zeigen, auf wie vertrautem Fuße er mit seinem Herrn stand. Oft wurden ihm Aufträge zu Theil, die in der Regel nur wirklichen Räthen zukamen, was dann Jenitz mit gebührendem Danke als besondere Auszeichnung anerkannte. So hatte er 1577 auf Befehl des Kurfürsten der Hochzeit der Tochter des Hofapothekers Johann unter der Linden beigewohnt. In dem Schreiben, in dem er den Dank der Eltern und des jungen Paares meldete, bedankte er sich für die ihm zu Theil gewordene Ehre und fügte hinzu: „Und wiewohl E. K. f. G. diese Beschickung durch derselben Räthe einen ansehnlicher und stattlicher hätten bestellen können, so vorhoffe ich iedoch, ich habe die Sache also vorrichtet, daß Euer Chur- und fürstliche Gnaden dessen keinen Schimpf haben werden“. Bei Trauerfällen hatte er wohl den Auftrag, die Theilnahme des Kurfürsten und der Kurfürstin auszusprechen. Als Christoph von Ragwitz gestorben war, überbrachte er der Wittwe im Auftrage seiner gnädigsten Herrschaft „Gruß und Gnade“ und hatte ihr mitzutheilen, daß der Kurfürst bereit sei für sie und die Kinder zu thun, was in seiner Macht stünde.

Zu seinen besonderen Amtsverrichtungen gehörte die Ordnung und Verwaltung des Geheimarchivs. Wie ein solches am kurfürstlichen Hofe zu Wittenberg bereits seit Georg Spalatins Bemühungen bestand, so ordnete Kurfürst August in seiner Geheimkanzlei eine Sammlung wichtiger Aktenstücke an. Er selbst führte den Schlüssel dazu und es war ein Zeichen seines Vertrauens zu dem Geheimsekretär, wenn er ihm Einlaß zu dem Archiv gewährte. Als der kurfürstliche Hof im September 1577 die Vorbereitungen zu dem Regensburger Reichstag traf, verlangte Kurfürst August von Mühlberg aus die Akten über die Reichstage und die Abmachungen zwischen den Kurfürsten und dem Kaiser. Jenitz schrieb ihm, die Reichstagsakten habe er nicht in Verwahrung; die andern lägen im Geheimarchiv: er wolle sie aus demselben nehmen, wenn der Kurfürst ihm die Schlüssel schicke. Dies geschah und kurz darauf sandte Jenitz ihm die betreffenden, genau auf einem Lieferscheine bezeichnete Akten, z. B. über die Religionsverhandlungen im Jahre 1560, über ein Gespräch zwischen dem Kaiser und Kurfürsten zu Augsburg im Jahre 1566 u. a. m. Von Mühlberg aus sandte der Kurfürst die Akten behufs Anfertigung eines Auszugs an den Kanzler Dr. Peifer nach Dresden.

Ein anderes Mal handelt es sich um den Verbleib eines hochwichtigen Aktenstückes über die Augsburgische Konfession. Es war zum Zwecke der Abfassung des Konkordienbuches mit anderen Schriftstücken Dr. Jakob Andreä zugeschickt worden. Als diese dem Tübinger Kanzler bei einer wichtigen Veranlassung im Januar 1580 wieder abverlangt wurden, erklärte dieser, die Handschrift der Augsburgischen Konfession sei von ihm mit den andern Akten bereits früher zurückgestellt worden. Weitere Nachforschungen darüber sind nicht bekannt. Leider ist das Aktenstück auch heute noch nicht wieder gefunden worden.

Im Jahre 1578 hatte der Kammersekretär eine Neuordnung des Geheimarchivs vorgeschlagen. Der Kurfürst lehnte sie als zu umständlich und weitläufig ab; auch würde, wenn die Aktenstücke zerschnitten und aufs Neue ordentlich zusammengebracht werden sollten, große Unordnung entstehen und viel Zeit bis zur Beendigung der neuen Aufstellung gehören. Er befahl, ihm erst die Magdeburgischen und die andern Händel „entzelich“ (d. i. einzeln), ein oder zwei Bücher auf einmal, zuzuschicken (Cop. 440, 148 b f).

Eine wichtige Seite von Jenitz’ Thätigkeit war die Besorgung und das Vorlegen von Zeitungen, auf deren Kenntniß der Kurfürst großen Werth legte. Er übergab sie entweder vollständig oder gab daraus Auszüge, z. B. wenn sie, wie es bei einem Briefe aus Krakau der Fall war und auch sonst häufig vorkommen mochte, „von natürlichen Dingen etwas ziemlich grob [92] lauteten“. Sie gingen dem Kammersekretär von den verschiedensten Seiten zu. Theils wurden sie durch kurfürstliche Räthe und Beamte geliefert, wie Christoph von Carlowitz, den Kammermeister Hans Harrer, theils wurden sie direkt von ständigen Correspondenten zugeschickt. Wurde auf genaue Nachrichten aus den Hauptländern Europas schon aus politischen Gründen großer Werth gelegt, z. B. bezüglich der Stimmung im Reiche wegen des Verhältnisses zum Kaiser, zu Frankreich u. s. w., so wurden sie besonders wichtig, seitdem der Kurfürst selbst sich in größere Handelsunternehmungen eingelassen hatte, die durch den Gang der politischen Verhältnisse wesentlich beeinflußt wurden.

Gern benutzte der Kurfürst seinen Kammersekretär dazu, um vertrauliche Nachrichten aus dem eigenen Lande zu erhalten. Jenitz mußte dann sich genaue Kenntniß über die Stimmung, die öffentliche Meinung, die Aufnahme einzelner Regierungsmaßregeln verschaffen und dem Kurfürsten Bericht erstatten. Ohne Angabe des Verfassers erschienene Bücher waren Gegenstand seiner Nachforschungen. Schwierige Verhandlungen, deren unbedingte Geheimhaltung der Kurfürst wünschte, wurden Jenitz anvertraut. Erwähnt sei folgender Vorfall.

Bei einer Fahrt des Kurfürsten im Jahre 1575 drängte sich ein Mann an den Wagen des Kurfürsten und bat flehentlich um Gehör; er wisse wichtige Geheimnisse. Und nun erzählte er von einer wunderbaren nächtlichen Begegnung in der Dresdner Heide im Mordgrunde. Der Kurfürst ließ ihm einen Thaler reichen und zu einem eingehenden Verhöre an Hans Jenitz weisen, das dieser in einem ausführlichen Schreiben dem Kurfürsten genau berichtete. Der Mann nannte sich Thomas Heckel und war ein Bäcker aus Stolpen. Er erzählte, er sei Nachts nach Dresden gegangen, um Korn zu kaufen. Da sei ihm ein Licht in den Mordgrund vorangegangen und schließlich sei ihm ein Mann in langem Kleide mit verhülltem Angesichte erschienen, habe ihm befohlen zum Kurfürsten zu gehen und ihm drei Warnungen vorzutragen: 1. sollte der Kurfürst nicht auf den bevorstehenden Reichstag nach Regensburg ziehen, sondern einen seiner Räthe hinschicken; der (kürzlich in Leipzig im Gefängniß gestorbene) Dr. Krakau habe ihm vertraut, die Verrätherei wäre jetzt groß, der Kurfürst könne Niemandem trauen; 2. solle er das Wild abschaffen, das den armen Leuten gewaltigen Schaden mache; wenn Jemand drei oder vier Scheffel aussäe, so ernte er kaum einen; dazu schössen die Förster den Bauern die Hunde weg, die das Wild von den Aeckern wegjagen könnten; der Kurfürst solle dies verbieten; 3. solle er die Theuerung des Getreides abschaffen, so werde ihm Gott Glück in seiner Regierung und Heil in seinem Hause zu Theil werden lassen. Er fügte noch allerlei abenteuerliche Reden hinzu. Die Nachforschungen über den Mann ergaben, daß man ihm nicht viel trauen dürfe; „er sei ein leichtfertiger, fauler Mensch, der mehr Bubenstücke mit Aufgrabung verstorbener Leute und Körper, bei denen er Geld vermuthete, und Zauberei geübt habe“. Der Kurfürst fuhr zum Reichstag; vielleicht hängt es aber mit diesem Vorgange zusammen, wenn in den Briefen an Jenitz nach Regensburg die guten Nachrichten über das Befinden des Kurfürsten mit besonderer Freude begrüßt und die Aussicht auf baldige Rückkehr gepriesen wurde.

Natürlich war Jenitz infolge seiner Stellung von dem jedesmaligen Stande der politischen Angelegenheiten auf das Genaueste unterrichtet. Gingen doch die verschiedenen Gutachten durch seine Hände. Er kannte die Pläne des Kurfürsten; seinen Freunden konnte er zuerst die Entscheidungen mittheilen, die wie ein Damoklesschwert über dem Lande gehangen und die Gemüther lebhaft bewegt hatten.

Ein Beispiel aus der inneren Politik sei erwähnt. Im Anfange des Jahres 1577 hegte man die Besorgniß, der Kurfürst werde den Leipziger Bürgermeister und Rath nicht bestätigen; in Leipzig wollte man sogar darauf wetten, er werde den Annaberger Zehentner, Hans Unwürde, zum Bürgermeister verordnen. Schließlich fiel die Entscheidung zu Gunsten der Leipziger Kandidaten aus. Jenitz hatte dabei seine Hand im Spiele. Denn Harrer dankte ihm für seine Vermittelung, sandte ihm auch den Gruß des neuen Rathsherrn Caspar Schellhammer, der in Bergwerksangelegenheiten eine angesehene und einflußreiche Persönlichkeit war. Bezeichnend ist, daß daneben Harrer selbst den Zweifel aussprach, ob die Wahl dieses Handelsherrn richtig gewesen sei, da ihn seine Geschäfte vielfach auf längere Zeit nach auswärts führten.

Auch in die geheimen Pläne war der Kammersekretär eingeweiht. Im Frühling 1577 besuchte Kaiser Rudolf II. die Stadt Bautzen. Der Kurfürst hatte die Absicht, behufs einer Besprechung mit diesem in die Sechsstadt zu reisen, wollte aber Niemanden von dem Vorhaben und der Ausführung wissen lassen. Natürlich wußte Jenitz davon und schrieb darüber vertraulich an den Kammermeister, der jedenfalls des Geldpunkts wegen ins Geheimniß gezogen wurde, auch wegen seiner zahlreichen Verbindungen am schnellsten von der Ankunft des Kaisers unterrichtet war. Die Absicht wurde, wie es scheint, fallen gelassen, namentlich auch deshalb, weil der Kurfürst alles Aufsehen vermieden wissen wollte und es sehr fraglich erschien, ob die Sache wirklich verborgen bleiben werde. Jenitz stand darüber mit dem Kammermeister in Briefwechsel.

Hin und wieder finden wir ihn auch zu diplomatischen Sendungen verwendet. Im Jahre 1563 [93] wurde er vom Kurfürsten an den Landgrafen von Hessen an das Hoflager zu Marburg geschickt in der Angelegenheit des dänisch-schwedischen Krieges. Da aber der Landgraf nicht da war und längere Zeit bis zur Rückkehr verstrich, so beschloß er, ihm entgegen zu reisen und ihn in Butzbach aufzusuchen, trug aber, bevor er Marburg verließ, sein Anliegen dem Herzog Wilhelm vor. Ueber diese Audienz schickte er einen eingehenden Bericht nach Dresden, der uns erhalten ist. Aus der Auffassung und Darstellung der Angelegenheit geht deutlich hervor, welche Gewandtheit er in der Behandlung diplomatischer Fragen hatte.

Es würde uns wundern, wenn er nicht auch in den theologischen Wirren, die in jener Zeit am kursächsischen Hofe eine große Rolle spielten, seine Hand im Spiele gehabt hätte. Erwähnt wird er in den krypto-kalvinistischen Streitigkeiten. Mit größter Auszeichnung hatte der Kurfürst den Pirnaer Superintendenten Dr. Stößel behandelt. Um so größer war sein Grimm, als er erfuhr, daß dieser, ursprünglich, z. B. in der Disputation zu Heidelberg, ein eifriger Verfechter streng lutherischer Lehre, seinen früheren Standpunkt aufgegeben hatte. Er sandte Jenitz nach Pirna, wo Stößel seit längerer Zeit in seiner Wohnung bestrickt war. Ob und inwieweit die kurz darauf erfolgte Enthebung des ursprünglich noch durchaus zuversichtlichen Geistlichen von seinem Amte und seine Verbannung nach Mühlberg mit Jenitz’ Bericht zusammenhing, läßt sich nicht feststellen.

Auch in die Streitigkeiten mit Jakob Andreä, die dessen Stellung am kurfürstlichen Hofe mehr und mehr erschwerten und schließlich den plötzlichen Sturz herbeiführten, bekommen wir durch Jenitz’ Briefwechsel einen Einblick. Wie hoch man den Tübinger Kanzler am Hofe schätzte, geht aus den Berichten über dessen Thun und Leben hervor, die an den Kammersekretär ergehen. Aber bald erscheinen mehr oder minder schwere Verstimmungen. Im Dezember 1578 wurde in Dresden der Synodus gehalten, der die bei Gelegenheit der Visitationen hervortretenden Schwierigkeiten zu entscheiden hatte, und der Hofprediger, M. Georg Lysthenius, sollte demselben nicht als stimmberechtigtes Mitglied, sondern als Berichterstatter für den Kurfürsten und die Kurfürstin beiwohnen. Es kam aber zwischen ihm und dem Tübinger Kanzler zu einem heftigen Streite, über den nur ungewisse Andeutungen an das kurfürstliche Hoflager in Annaburg gelangten. Lysthenius wurde von den Festpredigten entbunden, die er in der Weihnachtszeit in Annaburg hatte halten sollen. Jenitz wurde aber zu vertraulicher Berichterstattung über den Zwist aufgefordert.

Die Gesuche der Gelehrten hatte der Kammersekretär auch zu erledigen. Sie waren zum Theil durchaus vertraulicher Natur. So war der Wittenberger Poet Stigelius einst in Ungnade gefallen und suchte nun durch ein lateinisches Gedicht sich das kurfürstliche Wohlwollen wieder zu erwerben. Jenitz legte es vor. Der Kurfürst lachte und äußerte, Stigelius habe ihm die Offension um Gotteswillen abgebeten.

Nicht so schnell ließ sich des Kurfürsten Zorn gegen einen Gelehrten zweideutiger Art, Valten Merbitz, besänftigen. Er hatte ihn in Berlin kennen gelernt, wo er in Gegenwart des Kurfürsten aus Merkur Silber bereitete. Als er ihn im Jahre darauf nach Dresden kommen und seinen Versuch in größerem Maßstabe wiederholen ließ, kam kein Silber zum Vorschein. Da der Kurfürst den Entschuldigungen des Mannes keinen Glauben schenkte, sondern annahm, daß ihm der Künstler sein Geheimniß nicht verrathen wolle, so ließ er ihn auf die Bergveste Hohnstein bringen und ihn peinlich fragen. Hans Jenitz, so schrieb der Kurfürst an Merbitz, hatte den Befehl, „solches aus Dir zu bringen durch den Mester, der die Leute höcher, als auff ihre Eide pflegt zu fragen, darnach wisse Dich zu richten“. Merbitz erklärte, er habe in Berlin betrüglicher Weise das Silber und Merkur in den Schmelztiegel gethan. Zweimal gefoltert, einmal sogar zwei Stunden lang, legte er kein anderes Geständniß ab. Schließlich erklärte der Scharfrichter, er müsse aufhören, wenn ihm Merbitz nicht unter den Händen sterben sollte.

Bei seiner Bekanntschaft mit den Gelehrten erhielt er die Vermittelung aller möglichen Aufträge. Landgraf Wilhelm hatte z. B. eine Anzahl Fragestücke, die astronomische und astrologische Gegenstände betrafen, an den Kurfürsten geschickt und ihn ersucht, dieselben durch Peucer beantworten zu lassen. Dieser wurde damals wegen seiner Betheiligung an den krypto-kalvinistischen Bestrebungen zu Leipzig in der Pleißenburg in strenger Haft gehalten und gab widerwillig, nur durch eine Drohung des Kurfürsten gezwungen, sein Judicium in lateinischer Sprache ab. Die Fragen nebst Antworten wünschte der Kurfürst ins Deutsche übersetzt zu haben. Er beauftragte daher Jenitz, eine geeignete zuverlässige Persönlichkeit in Dresden ausfindig zu machen. Dieser beauftragte damit den Rektor der Kreuzschule, M.  Friedrich Zörler, und band ihm aufs Gewissen, Tag und Nacht zu arbeiten, um den Auftrag des Kurfürsten möglichst schnell zu erfüllen. Schließlich handelte es sich noch um die Gewinnung eines guten Schreibers, der orthographice und leserlich schreiben könne. Da Daniel Fischer, der dazu besonders tüchtig war, nicht in Dresden weilte, so wurde der kurfürstliche Kanzleischreiber Georg Probst dazu bestimmt, der schon die Arbeiten des Mathematikers Joachim Heller kopirt hatte. Da dieser aber durch Krankheit abgehalten war, wurde es Peter Zorn übertragen. Schließlich bat er um ein Geschenk für den Uebersetzer und Abschreiber. [94] (K. v. Weber, Anna. S. 292f. Loc. 8523 Das Ander Buch. 1574–1577 Bl. 363–368.)

Ebenso war Jenitz mehrfach der Vermittler in Kunstangelegenheiten, z. B. bei dem Denkmale, das Kurfürst August seinem Bruder Moritz im Dome zu Freiberg errichtete. Langer Verhandlungen hatte es bedurft, ehe es zu Stande kam. Auch Jenitz war dabei betheiligt. Er vermittelte den Schriftenwechsel mit dem Lübecker Goldschmied Wessel und der Kurfürst nahm darauf mehrfach Bezug, als es sich um die Feststellung des Geldes und die Ausführung des Denkmals handelte. Ferner nahmen die niederländischen Meister mit ihm Rücksprache. Sie suchten ihn auf, als er sich in Dresden aufhielt, und in einem längeren Schreiben berichtete er über die Verhandlungen und fügte seine Vorschläge bei.

Bei dem Ankaufe von Juwelen, Gold- und Silbersachen hatte er die kurfürstliche Entscheidung einzuholen. An ihn wurde der Nürnberger Hans Lemker gewiesen, als es sich um die Lieferung eines Amphitheatrum, kostbarer silberner Teller und anderer Kostbarkeiten handelte. Aus gleichem Anlasse stand er mit dem Augsburger Philipp Stamler in Verbindung.

Für die Antiquitäten hatte er selbst eine große Vorliebe und wurde daher beim Aufenthalte von Sammlungen zu Rathe gezogen. Bei einem Ankaufe in Wien hatte er die Handschriften, Gemälde und Antiquitäten besichtigt, die Jakob Strada dort gesammelt hatte. Als sie dieser später dem Kurfürsten anbot, berief er sich ausdrücklich auf das Interesse, das der Kammersekretär den Gegenständen hatte zu Theil werden lassen. (Loc. 8523 Das Ander Buch Bl. 181.)

Mit dem Kurfürsten theilte er die Neigung für den Gartenbau. Das Erwachen des Frühlings in Dresden beobachtete er mit besonderer Freude und berichtete darüber seinem Freunde, dem Kammermeister, der sein Bedauern aussprach, gerade in dieser herrlichen Zeit von Dresden fortsein zu müssen.

Er macht dem Kurfürsten deshalb oft eingehende Vorschläge über den Gartenbau. Im Frühlinge 1576 schreibt er: „Ich finde allhier, daß es fast an der Zeit wäre, Kernobst als Kirschen, Morellen, Pflaumen, Mißpeln und Quitten zu pfropfen. Nun hat die Römische Kaiserliche Majestät Euer Churf. Gnaden den nähern Herbst etliche gute grüne Pflaumen geschickt und sich erboten, derselben auf den Frühling Peltzzweige d. i. Propfreiser davon zukommen zu lassen, stelle demnach zu E. f. g., ob sie etwo dem Proßkofski ein Brieflein schreiben lassen wollen“. Ebenso hält er die Bestellung von Reisern von großen ungarischen Pflaumen für wünschenswerth, da der Gärtner von Ostra im Garten ungefähr 500 junge Stämme Spillinge und Pflaumen hat, die ungepfropft und „fein frech“ wachsen. Auch über die Bepflanzung der neuen Festungswälle mit Kirschbäumen, 1 Schuh auseinander, berichtet er dem Kurfürsten; aus dem Wilischen See läßt der Zeugmeister gute Erde auf den neuen Platz führen. Auch unten auf dem Platz um das alte Vorwerkshaus hinter dem Schlosse könnten Bäume gepflanzt werden.

Bei diesen Vorschlägen hebt Jenitz immer hervor, daß sie unmaßgeblich seien und fügt wohl hinzu: „Daß steht alles bei E. f. g. gnädigstem Wohlgefallen, ich bitte allein, mir solche Thorheit zu Gnaden zu halten“. Manchmal bringt er auch wichtigere Sachen vor, die er der Aufmerksamkeit des Kurfürsten empfiehlt. Am 6. März 1576 schreibt er ihm, der Königstein liege gar öde und verlassen da, Niemand wohne auf demselben. Schloß und Eisen würden abgerissen, der Brunnen sei in Gefahr von gottlosen Leuten vergiftet zu werden. Und doch sei die Bergveste so wichtig, da sie fast auf der Landesgrenze liege. Der Kurfürst werde schon die nöthige Verordnung zu thun wissen.

In der Zeit der Pest zeigte er sich um seinen Herrn sehr besorgt. Als er 1577 zur Hochzeit seiner Tochter in Dresden weilte, schrieb er dem Kurfürsten, schon vor einiger Zeit seien mehrere Leute in Dresden von Fremden mit der Pest angesteckt worden. Er fragte nun, ob er zum Kurfürsten kommen sollte, oder ob dieser es vorziehe, ihn noch nicht anzunehmen. Auf jeden Fall empfahl er dem Kurfürsten, sich bei dem Leibarzt Dr. Luther, der die Krankheit schon behandelt habe und ein Mittel dagegen wisse, mit Arznei zu versehen, auch rieth er dem Kurfürsten sich an einen Ort zu begeben, wo die Luft rein sei.

Außerdem betraf der Briefwechsel die verschiedensten wirthschaftlichen Angelegenheiten. Der Kurfürst hatte von den Herren von Schleinitz ein größeres Gebiet gekauft. Hier sollten Fischteiche angelegt werden. Jenitz beschäftigte sich in einem Berichte eingehend mit der Frage. Ein anderes Mal hatte er mit der Anstellung des Seilers zu thun. Ein Sehnenmacher aus den Niederlanden sollte im Ochsenhofe, der früher dem Bürgermeister Kühn gehört hatte, Garn aus Hanf machen. Es sollte ihm ein Stück Land angewiesen und bearbeitet werden, damit er Hanf säen könne. Oft sind die Angelegenheiten in den Briefen nur knapp angedeutet, weil der Schreiber wie der Empfänger des Briefes genau über den Gegenstand unterrichtet waren. So berichtete Jenitz dem Kurfürsten von einem Instrumente Konrad Königs, bei dessen Anfertigung auch ein gewisser Korzrock betheiligt war. Aus gleichzeitigen Quellen ergiebt sich, daß es ein Schrittmesser war, den der Kurfürst bei seinem Reitesel gebrauchen wollte, wie er ihn auch an einem zweirädrigen Wagen befestigen ließ. Dann wieder handelte es sich um Besorgung von zwei Brillengläsern, die übrigens sehr theuer zu [95] stehen kamen. Die „Lumagen, welches fürnehme Händler in Italien waren“, hatten sie in Frankfurt auf der Messe abgeliefert und nicht weniger als 13 Kronen dafür verlangt. – Natürlich lag dem Vorstande der Geheimkanzlei die Heranziehung junger Schreiber ob. So gewann er einen Knaben, der bisher bei dem Stadtschreiber Burkhard Reiche gearbeitet hatte und nun vom deutschen Schreiber noch besonderen Unterricht im Schreiben und Rechnen empfing.

Selbstverständlich war es, daß der Geheimsekretär von den verschiedensten Leuten angegangen wurde, die mit Gesuchen an den Kurfürsten kamen. Hatte er doch über die Supplikationen Vortrag zu halten und [WS 1] auf die Art und Weise seiner Darstellung, wie seine Befürwortung kam viel an. Da erschienen zunächst die Beamten, die ihre Berichte und Anträge einreichten und baten, daß ihre Anliegen ihrem Wunsche gemäß entschieden würden. Besonders deutlich können wir dies im Briefwechsel des Kammermeisters verfolgen. Dieser hatte zwar täglich Vortrag beim Kurfürsten. Wenn er aber in Geschäften längere Zeit abwesend war und die schnelle Erledigung seiner Anliegen wünschte, so wendete er sich an Jenitz. So war er im Jahre 1579 als Mitglied in den Ausschuß des „Tiefen Stollens“ in Altenberg gewählt worden und sollte eine Musterung des Bergwerks vornehmen. Da bat er um Auswirkung eines viertägigen Urlaubs; einen Tag brauchte er zur Reise hin, einen zurück; zwei Tage rechnete er auf die Revision. Dann wieder handelte es sich um Geldsachen. Harrer hatte von Rudolf von Bünau auf Teuchern gegen 12 000 fl. zu fordern, die Hälfte als Betrag des ihm vorgestreckten Kapitals, die andere Hälfte wegen einer Bürgschaft, die Rudolf von Bünau für den zahlungsunfähig gewordenen David von Ponickau übernommen hatte. Trotz wiederholter Mahnungen konnte der Kammermeister nicht zu seinem Gelde kommen. Dazu meldeten sich andere Gläubiger, die ihm zuvorzukommen drohten. Da faßte er den Entschluß, das Gut Teuchern als Pfand zu fordern, und stellte Jenitz die Dringlichkeit der Lage vor, da zur Einnahme des Gutes, weil einem Schriftsassen gehörig, ein kurfürstlicher Befehl gehörte.

Dann aber schickte Harrer die Gesuche anderer Bittsteller, in der Regel mit einer sachlichen Begründung. Lorenz Winkelmanns, Dieners in der Kantorei, Supplikation um Ueberlassung eines Strafgeldes wird zur Berücksichtigung empfohlen, weil er viele Kinder hat. Als der Münzdrucker Heinrich Würgler 1573 von dem Kurfürsten entlassen wurde, übergab dessen Gehilfe das Inventar. Da dieser drei Jahre auf ihn gewartet und das Werk hatte anrichten helfen, ohne etwas zu bekommen, wurde er zu einer Entschädigung empfohlen. Bisweilen trug die Empfehlung einen sehr persönlichen Charakter. Johann von Embden hatte von Merten von Miltitz auf Scharfenberg das Gut Riesa gekauft und bat den Kurfürst um Erlaß der Steuern. Jenitz wurde von Harrer ersucht, ihm möglichste Förderung zu Theil werden zu lassen. Zur Begründung fügte dieser hinzu, daß der Bittsteller „sein alter Zechgenosse sei, den er einstmals in Pfaff Jorgens Hause gesoffen, daß er die Stiegen heruntergefallen“. Als Caspar Hauptmann in Altenberg in Gefahr war, wegen eines Verbrechens das kurfürstliche Gebiet räumen zu müssen, milderte Jenitz die Strafe und empfing den Dank des Kammermeisters. Bisweilen freilich wurde auch eine abweisende Bemerkung hinzugefügt mit der Nachricht, er überschicke die Supplikation nur, um den aufdringlichen Quäler los zu werden.

Namentlich spielte eine wichtige Rolle das Auswirken der kurfürstlichen Privilegien und Freiheiten, die in einer Zeit wirthschaftlicher Regsamkeit und Unternehmungslust von großer Bedeutung waren. Sie wurden meist von dem Landrentmeister und dem Kammermeister als Sachverständigen vom technischen und finanziellen Gesichtspunkte begutachtet und Jenitz behufs Herbeiführung kurfürstlicher Entscheidung und Bestätigung übersandt. Mehrfach beschäftigte ihn z. B. die Ausfuhr der Mühlsteine aus Pirna, für die der Leipziger Großkaufmann Hans Fuchs der Jüngere eine besondere Begnadigung erlangt hatte, die dann mehrfacher Erneuerung bedurfte. Beinahe scheint es, als ob Jenitz diesem Handel nicht besonders hold war, da er selbst einen eigenen Steinbruch besaß und nun Unbequemlichkeiten und Schwierigkeiten fürchtete. Wenigstens geht dies auch aus dem Tone des Schreibens hervor, mit dem Harrer den neuen Vertrag übersendet. Er bemerkt nämlich im Gegensatz zu seiner sonstigen Entschiedenheit, ihm könne die Sache ziemlich gleich sein, er habe keinen Vortheil davon. Jenitz wußte es beim Kurfürsten durchzusetzen, daß die Verschiffung der Sandsteine insofern eine Beschränkung erfuhr, als nur denen die Ausfuhr von Mühlsteinen nach Hamburg gestattet wurde, die sich verpflichteten, auf der Rückfahrt die Schiffe mit Boysalz zu befrachten.

Eine besondere Rolle spielt ferner die Vermittelung über freien Eintritt und Austritt der Waaren. Wohl waren mehrfach Versuche gemacht worden, auch von kaiserlicher Seite, die Zölle an den Landesgrenzen, z. B. auf der Elbe zu beseitigen, aber Kurfürst August hielt starr an seinem Rechte fest. Dies hinderte ihn nicht, auf dem Gnadenwege für einzelne Fälle Ausnahmen zu gestatten und, da es sich oft um große Summen handelte, so sind die zahlreichen Gesuche um dergleichen Erlasse und freie Paßbriefe wohl erklärlich. Lieferungen für Fürsten wurden ohne Weiteres vom Zoll befreit; so konnte Herzog Ulrich von Mecklenburg Steine und Holz [96] steuerfrei zugeführt bekommen, wie andererseits der kurfürstliche Paßbrief die zollfreie Einfuhr von 200 Schweinen sicherte, die in Böhmen durch zwei Fleischer für die Kurfürstin behufs Mästung in den von ihr besessenen Mühlen angekauft worden waren. Aber anders stand es bei den Geschäften von Privatleuten und da wurde der Kammersekretär mit seinem Einflusse häufig in Anspruch genommen. Da handelt es sich um zollfreie Einfuhr und Ausfuhr von Getreide, das dann durch Mangel oder Ueberfluß, schlechte und gute Ernte begründet wurde. Natürlich spielte die Ausfuhr der Metalle eine große Rolle. Kupfer, Zinn und Farbe kamen hauptsächlich in Betracht. Jenitz und Harrer besaßen solche Freiheiten. Andererseits handelte es sich um kurfürstliche Empfehlungen an andere Fürsten wegen steuerfreien Ausgangs oder Durchgangs, z. B. beim Ankauf von polnischen Ochsen hatte man auf diese Weise sich freie Durchfuhr gesichert; nur die Stadt Breslau hatte sie noch nicht bewilligt, hier sollte dann der Rathsherr Friedrich Schmidt die nöthigen Schritte thun.

Verhältnismäßig wenig wissen wir über des Geheimsekretärs dienstliches Verhältniß zur Kurfürstin Anna. Doch ergiebt sich aus den wenigen Briefen, die sie an ihn richtete, daß er auch ihr Vertrauen im hohen Grade genoß. Vielfach wurde er mit Besorgungen in Anspruch genommen. Von seiner Schwieger aus Annaberg mußte er 6 Paar lange grünseidene Handschuhe besorgen, für deren Form genaue Vorschriften gegeben wurden. Ein anderes Mal hatte sie eine große Anzahl Steheauf bestellt, es scheinen gegen 200 gewesen zu sein. Auch für Ueberraschungen für ihren Gemahl hatte er zu sorgen. Als der Kurfürst von einer längeren Reise zurückkam, veranlaßte sie Jenitz sich zu erkundigen, wo bei dem Zuge der Vögel in der Umgegend von Dresden die beste Gelegenheit zum Vogelstellen sei. Ihr Gemahl sollte sich dorthin begeben. Aber auch in vertraulichen Dingen wendete sie sich an ihn und wir erfahren dann von Verstimmungen am kurfürstlichen Hofe. So schrieb sie am 22. August 1576 an ihn, sie habe gehört, Herren und Räthe seien in Zwist und beschwor ihn „bei seinem christlichen Gewissen und so lieb ihm ihre Gunst wäre“ um genaue und zuverlässige Auskunft. Bekanntlich beschäftigte sie sich gern mit Heirathsplänen, von denen Jenitz sehr bald erfuhr. So meldet er zuerst dem Kammermeister die, wie es scheint, nach längeren Verhandlungen zu Stande gekommene Verlobung des Markgrafen Georg Friedrich von Brandenburg mit einer an Annas Hofe erzogenen Herzogin von Mecklenburg. In Krankheitsfällen steht die Kurfürstin dem Geheimsekretär und seiner Familie mit Rath und That zur Seite. Im Herbst 1579 war Jenitzens Frau durch ein gichtisches Leiden arg geplagt. Die Kurfürstin hörte davon und schickte ihr ein Rezept, außerdem das Muster zu einer Badewanne, das Jenitz behufs Anfertigung derselben dem Kandelgießer übergab.

Jenitz stand auch in Briefwechsel mit dem Kurprinzen Christian. Dieser fragte nicht selten bei ihm an, um etwas von den Entschließungen des Kurfürsten zu hören, so über die Besetzung der Beamtenstellen oder Etikettenfragen, z. B. ob der Kurfürst aus Anlaß des Todes des Landgrafen Philipp von Hessen Trauer angelegt habe. Jenitz berichtete, daß es geschehen sei, als Herzog Friedrich Wilhelm von Sachsen am Hoflager zu Augustusburg angekommen sei und selbst, ebenso wie seine Gemahlin und sein Hofgesinde Trauerkleider getragen habe. Er fügte hinzu, daß auch der Kurprinz es thun solle. Er hatte übrigens dem Kurfürsten die Briefe des Sohnes vorzulegen, die ziemlich häufig gewesen zu sein scheinen. Jenitz schrieb ihm, er dürfe dem Kurfürsten vor der Audienzstunde nicht mit Briefen kommen, dagegen wolle er die Schreiben der Kurfürstin jeder Zeit sofort überreichen. Er fügte hinzu, der Kurprinz solle die Antworten nicht zu schnell und häufig erwarten. Der Kurfürst sei außerordentlich in Anspruch genommen. Als der Kurprinz einmal lange keinen Brief erhielt, war er in Sorge, er könne bei seinem Vater in Ungnade gefallen sein, und wendete sich an Jenitz mit der Bitte um Auskunft. Dieser beruhigte ihn; bei seiner höchsten Treue und Glauben könne er ihn versichern, daß er weder bei dem Herrn Vater noch bei der Frau Mutter in letzter Zeit einigen Unwillen gespürt habe; der Kurprinz sei der gehorsame, liebe Sohn. (Loc. 8841. Schreiben, so an Churfürst Christian. 1583–1591. Bl. 34, 56, 57.)

Wie ein großer Theil der kurfürstlichen Beamten besaß Jenitz ein ziemliches Vermögen und legte es in Geld- und Handelsgeschäften an. Eine Papierfabrik gründete er in Lohmen und ließ sich von seinem Freunde Harrer Anweisungen über Anlage und Betrieb geben. Da er aber wegen seiner dienstlichen Geschäfte oft keine Zeit hatte, so übernahm der Kammermeister den Verkauf. Er bat sich dann die Proben mit Angabe der Preise für die einzelnen Sorten aus und verhandelte es mit dem Papier, das er selbst in Hermsdorf herstellte.

Um das Jahr 1578 kaufte der Kammersekretär vom Kurfürsten das Gut Praschwitz. Da er es aber zu theuer bezahlt hatte, so wurden ihm durch Befehl vom 18. Oktober 1578 die Zinsen überlassen, die Hans Christoph von Bernstein früher aus dem Dorfe Praschwitz bezogen hatte.

Stark war er beim Bergbau betheiligt. Er besaß Kuxe von dem „Tiefen Stollen“ in Altenberg und konnte durch mancherlei kurfürstliche Vergünstigungen [97] den Betrieb unterstützen, um so mehr da sein Gesellschafter, der Kammermeister, ihn genau über den jedesmaligen Stand der Zinnausbeute unterrichtete.

Schon früh beschäftigte er sich mit dem Kupferhandel. Wenn die kurfürstlichen Hütten ursprünglich nur für einen mäßigen Betrieb eingerichtet waren, so übernahmen sie doch schon Lieferungen ins Ausland. So ging Herzog Ulrich von Mecklenburg Jenitz um Lieferung von Kupfer an. Später ist dieser sehr stark an den „Seigerhändeln“ betheiligt, die seit dem Jahre 1577 einen großen Aufschwung nahmen; selbst der Kurfürst hatte Antheile und interessirte sich lebhaft dafür. Man kaufte das rohe Kupfer in Mansfeld und Eisleben, seigerte es in eigenen Hütten, z. B. in Lüderstadt und Wernigerode und verkaufte dann das gewonnene Silber und reine Kupfer. Zahlreiche große Handelsherren waren dabei mit großem Vermögen betheiligt. Eingehenden Bericht erhielt Jenitz über den Ankauf der Steinacher Hütten von Harrer, der seine Kenntniß von einem Ascherslebener Geschäftsfreunde, Baltzer Müller, hatte. Dieser war sehr für den Ankauf, denn das sehr wichtige Heizmaterial, das Holz, ließ sich bis an Ort und Stelle flößen. Dazu lag die Hütte nur 9 Meilen von Bamberg; bis dahin konnte das gewonnene Kupfer zu Wagen, von da zu Schiff bis an den Hauptverkaufsort, Frankfurt am Main, gebracht werden. Jenitz sollte sich wegen seiner vielfachen Beziehungen noch des Näheren an dem Coburger Hofe erkundigen. Auch von dem Ankaufe der Hütte Honkirchen war die Rede; da sie arg verfallen war, schien sie weniger empfehlenswerth. Thatkräftig nahm man sich der Angelegenheit an und große Kapitalien wurden in den Handel gesteckt; zahlreiche Reisen, Besuche und Besichtigung der Hütten, sowie der ununterbrochene Schriftenaustausch zeigten das Interesse, das man an der Sache hatte.

Mit großer Spannung erwartete man die erste Probe des Geschäfts auf der Frankfurter Messe im September 1578. Das Geschäft ging glänzend. 8000 Centner wurden für 137 600 fl. verkauft, der Centner also zu 17 1/5 fl. Der Kurfürst erhielt auf das Schnellste den Bericht, „damit er möchte lustig werden“. An Jenitz aber schrieb Harrer, er komme ihm auf diesen glücklichen Erfolg ein groß Glas Wein und hoffe, sein Freund werde ihm Bescheid thun. Hans von Bernstein glaubte, einen Reingewinn von 30 000 fl. für die Privattheilnehmer annehmen zu dürfen, während Harrer auf 48 000 fl. rechnete. Jenitz wurde sofort in die Berathung gezogen, wozu man den auf den Kurfürsten fallenden Theil verwenden sollte; es wurde die Kündigung und Rückzahlung eines großen Kapitals ins Auge gefaßt, das von Schönberg auf Purschenstein dem Kurfürsten geliehen hatte. Mit wie großartigen Plänen man sich trug, geht auch daraus hervor, daß man daran dachte, alles schwedische Kupfer aufzukaufen, um den Preis immer mehr in die Hand zu bekommen.

Weniger glücklich war die Herstellung von Saflor- und Lasurfarben, die Jenitz mit dem Kammermeister begann. Am liebsten hätten sie eine völlig eingerichtete Hütte gekauft, aber die Verhandlungen zerschlugen sich. Jetzt mußte Nosseni einen schönen Mühlstein besorgen, der Dresdner Bürger Schwarz, der eine Eisenhütte bei Königstein besaß, lieferte die Mörser, hieb aber die Abnehmer gründlich übers Ohr. Die Art des Betriebs suchte man von einem Nürnberger Unternehmer zu erfahren. Peter von der Heiden leitete das Stampfwerk. Am 5. August 1578 wurden auf einer Zusammenkunft in Nossen die näheren Feststellungen über die Ausdehnung des Betriebs getroffen. Der Hauptort für die Herstellung der Farben war in Schneeberg, in Dresden befand sich der Lasurhof. Mancherlei Schwierigkeiten waren zu überwinden, ehe das Geschäft in Gang kam. Um so größer war die Freude, als z. B. 1579 die Nachricht von guten Anbrüchen von reinem Kobalt und Wismut nach Dresden kam. Jetzt suchten sie fremde Gesellschaften zu gewinnen, wo möglich die Konkurrenten selbst, die ihren Hauptsitz in Nürnberg hatten. Sie scheinen das kurfürstliche Privileg nicht beachtet und in Sachsen Handel getrieben zu haben. Endlich gelang es Harrer, Fässer mit ihren Waaren in Dresden mit Beschlag zu belegen, die Georg Meinel in Nürnberg gehörten. Sie waren von Joachimsthal nach Schneeberg an Wolf Karl, von diesem an Wilhelm Krapp nach Magdeburg gesandt worden. Ein langer Briefwechsel folgte. Schließlich schienen die Gegner nachzugeben. Als deshalb Hans Plenz aus Pirna im Auftrage des Wolf Kron, der in Nürnberg ein ähnliches Geschäft hatte, ankam, wurde Jenitz von seinem Gesellschafter Harrer angewiesen, ihn geschickt zu behandeln; er sollte ihm verschiedene Proben zeigen und ihm mit dem Angebote eines Kaufes oder einer Vergesellschaftung entgegenkommen. Namentlich sollte er auch in Erfahrung bringen, wohin der Nürnberger Händler seine Waaren absetze. Mit Lasur sei nichts zu machen, aber Saflor sei gut, weil er in verschiedener Weise verwendet werden könne. Namentlich solle er auch heraus zu bekommen suchen, unter welchem Namen sie ihre Waaren verhandelten, er glaubte, daß sie besondere Bezeichnungen führten. Auch sollte ihnen der Mund wässrig gemacht werden mit dem Vorgeben, daß man schon bedeutenden sicheren Absatz habe. Jenitz sollte sich alle Mühe geben, damit sie endlich zum Verschleiß ihrer Waaren kämen. Die Sache entwickelte sich aber auch jetzt nicht in gewünschter Weise. Trotz des kurfürstlichen Privilegiums geriethen sie mit den Nürnbergern [98] in Streit. Auch fand man den ganzen Betrieb nicht gesichert genug.

Wohl im Zusammenhange mit diesem Unternehmen gründeten die Beiden eine Seifenfabrik; die Asche suchte man ursprünglich aus Außig zu beziehen und leitete mit dem dortigen Rathe Verhandlungen ein. Nachdem aber dieser schließlich abgelehnt hatte, bot der Förster in Hermsdorf, Georg Zwey, größere Massen, z. B. im Februar 1579 200 Tonnen an.

Das höchste Interesse aber nahm Jenitz an dem Pfefferringe, den der Augsburger Handelsherr Konrad Rot 1579 plante. Er hatte nichts Geringeres zum Ziele, als den gesammten Gewürzhandel der Welt in die Hand zu bekommen und die Preise nach Belieben bestimmen zu können. Auch der Kammermeister, ja der Kurfürst selbst, war betheiligt. Das Unternehmen scheiterte bekanntlich an dem Widerstande der süddeutschen und italienischen Kaufleute, die das Geschäft nicht aus der Hand geben wollten, wie namentlich den verhängnißvollen spanisch-portugiesischen Wirren. Von Interesse ist es zu beobachten, wie Jenitz dazu dienen mußte, den Kurfürsten für das Geschäft zu erwärmen. Da ihn Harrer als vorsichtige Natur kannte, so legte er den größten Werth darauf, des Kammersekretärs Besorgnisse zu zerstreuen. Als z. B. Jenitz sehr ungünstige Nachrichten aus Nürnberg und Italien bekommen hatte, ließ er es sich angelegen sein, sie als unwahrscheinlich und unglaubwürdig darzustellen. Es läßt sich nicht feststellen, ob Jenitz schließlich selbst bei dem nach kaum einjährigem Bestande erfolgten Zusammenbruch der Gesellschaft etwas von dem eingezahlten Kapitale verloren habe, oder ob er nicht vielmehr durch den Kurfürsten und dessen rücksichtsloses und thatkräftiges Vorgehen gedeckt wurde.

Der Abschluß von Geldgeschäften hing zum Theil mit dem Handel zusammen. Da die Waaren nicht immer gegen Baar verkauft wurden, so gaben die gestundeten Kapitalien Veranlassung zu Bank- und Wechselgeschäften. Jenitz erscheint dabei als besonders vorsichtiger Mann, der sich durch gute Bürgschaften und schnelles Zugreifen zu sichern wußte. Cäsar Pflug zum Stein war ihm und Harrer 5000 fl. für Zinn schuldig, mußte aber zahlungsfähige Bürgen stellen. Als jetzt Albrecht Mittelstraßen auf Selcha sogar mit kurfürstlich-brandenburgischer Empfehlung gegen ihn Klage erhob, konnte Jenitz die Aengstlichen ruhig auf die Bürgen verweisen. Schließlich kamen sie zu ihrem Gelde, als der Kurfürst dem Schuldner sieben Dörfer im Amte Delitzsch abkaufte und sie natürlich über den Termin der Zahlung die besten Nachrichten hatten. Erwähnt sei, daß das Geld zu 8 Prozent verzinst wurde. Gegenseitige Geldgeschäfte hören zwischen dem Kammermeister und Kammersekretär nicht auf; auch an Dritte verleihen sie gemeinsam. Jenitz bekam übrigens auch bezüglich der Verwaltung des kurfürstlichen Vermögens von Harrer Winke, die er seinem Herrn mitzutheilen hatte. Der König von Dänemark hatte an den Kurfürsten Zinsen „für eine gewisse Summe“ zu zahlen. Er ließ sie in Lübeck erlegen. Dies war aber für die kurfürstliche Kasse sehr wenig vortheilhaft, da dort viel falsche Thaler bei Zahlungen unterliefen. Harrer veranlaßte daher Jenitz, dem Kurfürsten den Vorschlag zu machen, sich das Geld in Hamburg durch Wichmann auszahlen zu lassen, der das Geld in Reichswährung überlieferte. Das Geld sollte dann zu Schiff unter dem Schutze von Hakenschützen und Einspännigen, die am Ufer entlang gingen, von Hamburg nach Dresden gebracht werden.

Keiner der Vertrauten des Kurfürsten August hat sich so lange in seiner Gunst erhalten, wie Jenitz. Theils traten sie des Alters wegen ab, wie der Kanzler von Kiesewetter, der durch Haubold von Einsiedel ersetzt wurde, theils fielen sie den religiösen Wirren zum Opfer, wie Peucer, theils war der Kurfürst mit ihrer Haltung unzufrieden: der Landrentmeister Bartel Lauterbach starb, Hans Harrer nahm sich selbst das Leben, der Kammerrath Hans von Bernstein fiel 1584 in Ungnade. Jenitz erhielt sich in seiner Gunst bis ans Lebensende des Kurfürsten. Allerdings machten sich auch Bemühungen geltend, ihn zu stürzen. Die Einen wollten ihn wegen Uebergriffen in der Regierung anklagen, man sagte ihm nach, er regiere das Land (Loc. 9668 Schriften, 1581–1592. Bl. 6, 24); Andere warfen ihn unsaubere Geldgeschäfte vor: er stecke in „Parthitenhändeln, Geldausleihen, Rentgulden und Wechselgeldern“ (Loc. 9668 Schreiben, so von Churfürst August . . . und Jenitz . . . gerichtet. Bl. 9); kurz er verderbe Alles. Das Vertrauen des Kurfürsten blieb dieser Intrigue gegenüber unerschüttert. Da kam der Tod des Kurfürsten und die Frage, wie der Nachfolger sich zu ihm stellen würde.

Am 30. Mai 1586 ernannte ihn Christian I. unter ehrender Anerkennung seiner bisherigen Thätigkeit zu seinem vertrauten Rathe und Amtmann zu Hohenstein, stellte ihm auch die Heranziehung zur Berathschlagung der Bergsachen und bauenden Gewerke in Aussicht. Als Gehalt bezog Jenitz 400 fl. Dienstgeld als vertrauter Rath, 288 fl. auf zwei reisige, 144 fl. auf zwei Kutschpferde. Dazu kamen die nicht unbeträchtlichen Sporteln aus dem Amte. Die Bestallung enthält genaue Vorschriften über die Handhabung des Gerichtsverfahrens und der Verwaltung.

Aber bereits drei Jahre später meldete der Kurfürst am 26. Oktober dem Geheimen Rathe Dr. Wolfgang Eulenbeck, am vergangenen Donnerstag sei Jenitz in Gebenhausen gestorben. Er wies ihn an, des Amtmanns [99] Häuser in Dresden, Lohmen und Hohenstein zu versiegeln. Und als die Erben um Freigebung der Besitzungen baten, befahl der Kurfürst einem Ausschusse, dem auch des Verstorbenen Schwiegersohn, der Kammermeister Gregor Unwürde, und sein ältester Sohn Ernst Jenitz angehörten, eine Durchsicht des Nachlasses vorzunehmen, und begründete es damit, „weil er unser Amtmann viel geheime Sachen unter seinen Händen gehabt, derwegen wir nicht gerne wollten, do ichtwas noch vorhanden, daß dasselbe weitläufig gemacht werde“. Er fügte noch hinzu: „Da er jedenfalls von Kriegsbestallungen und anderen Kriegssachen allerlei nach sich gelassen, auch gute Lust zu allerlei Künsten gehabt“, so sollte der Kanzler Krell die Erben vermögen, solche Bücher und Schriften zum Abschreiben folgen zu lassen; sie sollten ihnen zurückgegeben werden. Ebenso vermuthete man Akten über Bergsachen. Die Familie stand später bei der Kurfürstin Wittwe und den Prinzen in hohen Ehren. Die älteste Tochter war an Hieronymus Lotter in Leipzig, eine andere an den Kammersekretär Gregor Unwürde verheirathet. Den drei Söhnen Ernst, Christian und August wurden zu ihrer Hochzeit im Jahre 1593 und 1594 Geschenke geschickt. Ernst wurde ein Paß nach Schweden bewilligt, wo er auf dem Bergwerke eines Hamburgers eine Anstellung in Aussicht hatte.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: doppeltes und