Handelsstationen in Westafrika

Textdaten
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Autor: Dr. Reichenow
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Titel: Handelsstationen in Westafrika
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 62-65
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1878
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Handelsstationen in Westafrika.

Als im Jahre 1833 das englische Parlament die Sclaverei in allen Colonien Großbritanniens aufhob, als auch Frankreich gegen dieselbe auftrat, da wurde dem Menschenhandel in Westafrika bald ein Ziel gesteckt. Nur an den oft erwähnten Küstenstrecken der Guineabucht hielt er sich noch längere Zeit, da die zerrissenen Gestade dort den kreuzenden Kriegsschiffen die Ueberwachung erschwerten und die Flußmündungen, sowie die vielen kleinen, längs der Küste gelegenen Inseln den leichten Schiffen der Sclavenhändler Zufluchtsorte und Verstecke gewährten. Nachdem aber durch die energischen Verfolgungen auch hier dem Unwesen Einhalt gethan worden war, mußten die Kaufleute, sollte der Handel nicht vollständig in’s Stocken gerathen, daran denken, ihre Aufmerksamkeit auf den Export solcher Rohproducte jener Länder zu richten, welche Ersatz bieten konnten für den Verlust, [063] den die Aufhebung des Sclavenhandels ihnen verursacht hatte, und ein solches Rohproduct, dessen Export in größerem Maße höchst gewinnbringend erschien, ja welches bald durch die Fortschritte der Industrie eines der wichtigsten Handelsobjecte wurde, fanden sie in dem Palmöle.

Dichte Urwaldung bedeckte in größter Gleichmäßigkeit und Einförmigkeit den Küstensaum des westlichen Afrikas, Gebirge und Tiefland, nur an wenigen höheren Uferstellen durch freieres Terrain unterbrochen, häufig aber von kleineren Flüssen durchzogen und von mächtigen, an den Mündungen oft meilenbreiten Strömen durchschnitten, welche ihre schlammigen Wasser reißend schnell dem Meere zuführen. Diese Urwaldung zeigt namentlich in den Flußniederungen, wo Sonne und Feuchtigkeit ihre kraftvollen Wirkungen entwickeln und die höchste Mannigfaltigkeit organischer Natur schaffen und erhalten, eine Ueppigkeit und Pracht, wie sie nur den Tropen eigenthümlich ist. Ihren Baumbestand bilden im Wesentlichsten die Oelpalme (Elaeis guineensis) und die Weinpalme (Raphia vinifera). Die letztere ist in den sumpfigen Niederungen vorherrschend. Wo in dem Delta der Flüsse das Schwemmland, die Ablagerung der mitgespülten Schlammmassen, sich über das Niveau des Wasserspiegels erhebt und nicht mehr bei der Fluth von den brackigen Wellen überspült wird, ersetzt die Weinpalme, vereint mit dem stachligen Pandanus, die in den niedrigsten Theilen der Mündungsländer ausschließlich herrschenden Mangrove. Je höher das Land ansteigt, je trockener der Boden wird, umsomehr verschwindet allmählich die Raphia und macht ihrer Verwandten, der Oelpalme, Platz. In einer Höhe von dreihundert Metern über dem Meere verschwindet sie vollständig. Die Oelpalme dagegen bedeckt die höchsten Gebirge: auf dem gewaltigen Pik des Camerun wächst sie noch, wenn auch nicht mehr in gleicher Ueppigkeit, in dreitausend Metern Meereshöhe.

Elfenbeinhändler an der Westküste Afrikas.
Nach der Natur aufgenommen von Max Klingelhöfer.

Unter beiden Palmen hat man sich nicht schlanke Bäume vorzustellen, wie die bei uns bekannteren Cocos- oder Fächerpalmen, welche auf hohem Stamme die majestätische Laubkrone tragen; sie bleiben bescheidener, niedriger, fast buschartig, erscheinen aber dennoch imposant, und der Reisende, der zum ersten Male in solche Waldung tritt, wird bezaubert durch die Fülle und Dichtigkeit des Laubdaches, das diese Bäume über ihn spannen. Wenige Fuß über dem Boden trennen sich die Blattstiele von dem rauhen, faserigen Stamme, streben schräg in die Höhe und neigen sich mit ihren Spitzen in weitem Bogen, ihre langen Fiedern wagerecht ausbreitend. Der Stamm erreicht im Allgemeinen kaum vier Meter Höhe, die Blattstiele aber haben eine Länge von sieben bis zehn Metern. Die Blüthe bildet eine Rispe oder Traube, welche am kurzen Stiele zwischen den Abzweigungen der untersten Blattstiele am Stamme hängt.

Beide Bäume sind von der größten Wichtigkeit für die Eingeborenen. Sie liefern ihnen das Material zum Bau ihrer Hütten, Bast zum Flechten von Stricken, zum Anfertigen der Fischnetze. Von der Weinpalme wird auch das bekannte Getränk, der Palmwein, gewonnen, das beliebteste Genußmittel jener Länder, wo es nicht durch den importirten Rum und Branntwein verdrängt ist und nur den Weibern und Kindern als Anregungsmittel ihrer Nerven übrig blieb. Die Oelpalme aber ist der bedeutungsvolle Baum, welcher jenes wichtige Handelsproduct, das Palmöl, liefert: sie ist der Träger des westafrikanischen Handels.

Die Zubereitung des rohen Palmöles für den Handel erfordert nicht besondere Mühe. Die Palmfrüchte, welche von rundlicher Form und der Größe einer Wallnuß sind und einen großen, von dem öligen Fleische umgebenen Kern haben, sitzen, zu einer Traube vereinigt, am Stamme, in geringer Höhe, sodaß man sie in den meisten Fällen vom Boden aus erreichen kann. Sobald sie vollständig reif sind, werden sie mit Buschmessern abgeschlagen, die gesammelten in ein Gefäß aus Thon oder in eiserne Kessel geworfen, welche die Europäer zu diesem Zwecke einführen, und vermittelst hölzerner Stempel zerstampft. Sodann vermischt man den Brei mit Wasser, [064] bringt ihn über langsames Feuer und kocht unter beständigem Rühren die Flüssigkeit, wodurch das Oel abgesondert und die Kerne und Fasern des Fleisches ausgeschieden werden, welche letztere man mit Schöpfern aus grobem Geflechte entfernt. Die nunmehr klare Flüssigkeit läßt man erkalten und füllt das Oel, nachdem das Wasser sich abgesetzt hat, in thönerne Kalebassen oder hohle Kürbisse, in welchen es zum Verkaufe gebracht wird. In solchem Zustande gebrauchen es auch die Eingeborenen und ebenso die Weißen dort als Nahrungsmittel. Die Neger bereiten alle Speisen mit dem Palmöle zu. Es hat frisch einen sehr angenehmen Geschmack, und jeder Europäer, der Palmölsuppe mit „Fufu“ (aus der Yamswurzel bereitete Klöße) oder Fische mit Palmölsauce in Afrika genossen, wird diese Gerichte sicher als Delicatessen würdigen gelernt haben.

Die ungeheuren Mengen des Palmöles, welche man gegenwärtig von Afrika ausführt, um sie hier zu Seifen und Maschinenschmiere zu verarbeiten, decken kaum den großen Bedarf. Vornehmlich wird das Oel von den Flußniederungen der Guineabucht exportirt, da das dort gewonnene an Qualität das vorzüglichste ist, weshalb auch die obenerwähnten Flüsse bei den Kaufleuten allgemein den Namen „Oelflüsse“ (oil-rivers) führen. Von diesen ist wieder der Neu-Kalabar der berühmteste.

Für die Tonne Palmöl werden in Afrika Waaren im Werthe bis zu zweihundert Mark bezahlt. Wenn man erwägt, daß dieselbe Menge in Europa sechshundert bis achthundert Mark kostet, daß außerdem die als Tauschartikel verwendetet Waaren im Verhältnisse zum Einkaufspreise sehr hoch berechnet sind, oft mehrere hundert Procent eintragen, so leuchtet ein, daß der Palmölhandel, trotz der damit verbundenen bedeutenden Unkosten, welche die Erhaltung der Stationen und die lange Seereise verursachen, sehr gewinnbringend ist. Vorzugsweise sind die Handelsunternehmungen in Westafrika in Händen englischer Kaufleute, doch trifft man die Schiffe aller Nationen an jenen Küsten. Auch Deutschland wird an verschiedenen Punkten vertreten, und in dieser Beziehung ist namentlich das große Hamburger Haus „C. Wörmann“ rühmlichst zu erwähnen, welches gegenwärtig über die ganze Küste, vom Senegal bis zum Cap Lopez, seine Factoreien und Stationen ausgedehnt hat und sogar an mehreren Stellen, am Camerun und Gabun, die Concurrenz anderer Nationen siegreich überwunden und den ersten Rang unter den dortigen Handeltreibenden errungen hat. Ein Agent dieses Hauses am Gabun, Herr C. Wölber, ist neuerdings zum Consul des deutschen Reiches für jene Gegenden ernannt worden.

Obwohl bei den friedlichen Verkehre, der aus der gegenwärtigen Art und Weise des Handelns hervorgeht, die Europäer Gewaltthätigkeiten der Neger in jenen Districten nicht mehr zu befürchten haben, ist doch die alte Gewohnheit, auf Schiffen zu wohnen und nicht am Lande Factoreien zu errichten, in den mehrfach erwähnten Flußniederungen wenigstens allgemein, beibehalten. Nur ausnahmsweise findet man Stationen am Lande, welche dann kleine Filiale der schwimmenden Hauptdepots sind. Einmal herrscht die Ansicht bei den Kaufleuten, daß das Wohnen auf dem Flusse, über dem Wasser, für den Weißen gesünder sei als am Lande, weil man mehr den günstigen Einfluß der frischen Seebrise genießt, welche mit großer Regelmäßigkeit alle Nachmittage in die Flußniederungen hineinweht, andererseits aber können am Lande Belästigungen der Schwarzen niemals gänzlich vermieden werden, weil die Besitzungen beständig den unvermeidlichen Diebereien derselben ausgesetzt sind, besonders aber durch die Streitigkeiten der Neger unter einander, welche nur zu häufig in offene Fehde ausarten, gefährdet werden.

Man unterscheidet zwei Arten der schwimmenden Depots. Theils werden hierzu noch seetüchtige Schiffe benutzt, welche man, wie früher von den Sclavenhändlern geschah, nur so lange an den gewählten Orten verankert, bis die genügende Menge Oel und Elfenbein gekauft worden ist und das Schiff seine volle Ladung erhalten hat, die es nun sogleich, abgelöst in der Regel durch ein neu ankommendes Schiff des betreffenden Kaufmannshauses, über den Ocean dem heimathlichen Handel und der Industrie zuführt. Während der Zeit des Stationirtseins nimmt man das Takelwerk von den Masten, um der Gewalt der häufigen, mit grausigem Toben heranbrausenden Tornados weniger ausgesetzt zu sein, und versieht das Deck, zum Schutze gegen die glühenden Sonnenstrahlen, mit einem leichten Mattendache. Häufiger aber benutzen die Kaufleute als Depots alte, zum Seegebrauch nicht mehr geeignnete, aber möglichst geräumige Schiffe, die man dauernd an ihrem Bestimmungsorte verankert oder, wie es von den Seeleuten genannt wird, vermauert. Ihre Takelage wird vollständig entfernt; die Masten werden abgeschnitten oder wenigstens gestutzt, sodaß nur der Schiffsrumpf übrig bleibt, daher diese Depots auch von den Engländern „hulks“ genannt werden. Das Deck versieht man hier in der Regel mit einem dauerhafteren Dache aus Zinkblech und richtet die Cajüte zu einer möglichst wohnlichen Behausung ein.

Die Colonien solcher schwimmenden Factoreien bestehen aus etwa zehn bis fünfzehn Schiffen, die ebenso viele Kaufmannshäuser repräsentiren und den verschiedensten Nationen angehören. Die Verkehrssprache bildet an diesen Orten, welche nicht Besitzungen einer bestimmten Nation sind, die englische, welche ja überhaupt auf der See die herrschende ist und ihrer Einfachheit und Leichtigkeit wegen vor anderen sich zur Weltsprache eignet. Auch mit den Eingeborenen verkehren die Kaufleute nicht in deren Sprache, sondern in der englischen. Die Neger lernen Sprachen außerordentlich schnell und sind sehr gewandt, mit einem oft höchst geringen Vocabelschatze sich verständlich zu machen, ja sogar fließend und anhaltend zu reden. Freilich läßt die Aussprache, worin sie ja nur dem Gehöre folgen, immer viel zu wünschen übrig. Ein Engländer, der nicht die betreffenden Erfahrungen gemacht hat, wird gewiß seine Muttersprache im Munde eines Schwarzen nicht wieder erkennen – natürlich sind die in den Missionsschulen erzogenen Neger hiervon auszunehmen – und auch in die eigenthümlichen Satzbildungen kann der Europäer sich anfänglich schwer hineinfinden, da die Schwarzen ihre eigene Ausdrucksweise nur in englische Worte übertragen.

Nächst dem Oele ist das Elfenbein der wichtigste Handelsartikel an jenen Küsten, wozu an einzelnen Orten noch Rothholz und Gummi-Elasticum tritt. Letzteres, ein sehr werthvolles und gewinnbringendes Product, ist das Erzeugniß einer großen Waldliane, der erhärtete Milchsaft der Landolphia florida sowie einiger Verwandten dieser Schlingpflanze. Die Elfenbeinausfuhr ist gegenwärtig noch sehr bedeutend. Trotz der Verfolgungen, welchen die Elephanten überall ausgesetzt sind, findet man sie vielfach, auch in der Nähe der Küste noch ungemein häufig, und daß viele ein sehr hohes Alter erreichen, bevor sie dem Erzfeinde der Thiere, dem Menschen, zum Opfer fallen, beweisen die großen schweren Zähne, welche in den Handel gelangen. Solche von fünfzig bis sechszig Kilogramm kommen nicht selten vor; man erhält sie sogar von siebenzig bis achtzig Kilo Gewicht. Ein Elephant, der ein Paar solcher gewaltigen Hauer in seinen Kiefern tragen kann, muß ein mächtiger Bursche sein, dessen Alter man auf weit über hundert Jahre anzunehmen hat.

Auf unserem Holzschnitte, einer Originalskizze des Malers Klingelhöfer, der mehrere Jahre die Westküste Afrikas bereiste, um landschaftliche Studien zu machen, sieht man einige Elfenbeinhändler, welche soeben nach langem Marsche aus dem Innern angekommen sind, um einen großen Elephantenzahn zu verhandeln. Wie der Neger zu allen Dingen sehr viel Zeit gebraucht, so währt auch der Elfenbeinhandel oft stundenlang, um schließlich doch zu keinem Ergebnisse zu führen. Der Zahn wird häufig wiederholentlich von verschiedenen Leuten dem Kaufmanne präsentirt, indem die Neger, welche beim Handel mit großer Raffinerie verfahren, den letzteren zu täuschen meinen und bei dem mehrfachen Anerbieten derselben Waare doch einmal einen höheren Preis zu erzielen hoffen.

Wenngleich es eine verlockende Aussicht ist, innerhalb acht bis zwölf Jahren ein nicht unbedeutendes Vermögen sich zu erwerben, was die in Afrika thätigen Kaufleute mit Sicherheit erwarten dürfen, so ist doch das Loos der Europäer, die, angezogen von dem ihnen winkenden Gewinne, nach jenen dem Weißen feindlichen Ländern ziehen, ein nicht beneidenswerthes. Wenn auch ein Stationsvorsteher, umgeben von möglichstem Comfort, wie ein Fürst in seiner Factorei, auf seinem Schiffe lebt und gebietet, wenn er auch eine große Zahl als Diener fungirender Neger zur Verfügung hat, die stets seines Winkes gewärtig stehen, Bedienungen, wie sie in Europa gar nicht möglich sind und welche von den nach langjähriger Abwesenheit Zurückkehrenden hier häufig sehr vermißt werden, wenn er auch frei und unabhängig, nur auf [065] sich allein angewiesen dasteht und thun und lassen kann, was ihm beliebt, so entbehrt er dafür doch der meisten Annehmlichkeiten und Genüsse, welche das Leben in civilisirten Ländern bietet, vor Allem der Zerstreuungen durch gesellschaftlichen Verkehr. In den meisten Fällen ist das Verhältniß der wenigen auf einander angewiesenen Weißen in den Colonien nicht einmal ein freundschaftliches. Der Handel, der Verkehr mit den Schwarzen besteht jahraus jahrein in einem langweiligen Einerlei. Nur die Streitigkeiten und Kriege der Neger, bei welchen die Weißen in der Regel Partei ergreifen oder als Vermittler auftreten, bieten einige Abwechselung in der einförmigen Lebensweise. Das freudigste Ereigniß aber bildet das allmonatliche, an einzelnen Punkten häufigere Erscheinen der englischen Postdampfer. Ist der „Steamer“ zu erwarten, so steht jeder Kaufmann auf dem Decke seines Schiffes, das mächtige Fernrohr vor dem Auge. Wehe dem Neger, der jetzt mit einer Kalebasse Oel den Beobachter zu stören versucht, eine reiche Auswahl wenig schmeichelhafter Bezeichnungen ist das Geringste, was er nebst seinem Oele wieder mit sich fortnimmt, denn der Kaufmann ist nicht gewöhnt, sich stören zu lassen, am wenigsten in so wichtigen Augenblicken. Bewegungslos steht er und späht in die Ferne, bis ein Wölkchen am Horizonte das Nahen des Ersehnten anzeigt, worauf sogleich zur Begrüßung die Flagge an den Tag geht. Nach kurzer Zeit schallt ein Böllerschuß über das Wasser; der schöne, große Dampfer liegt zwischen den Hulks. Auf allen Schiffen werden die Boote klar gemacht; acht bis vierzehn Kruneger (Eingeborene von Cap Palmas, welche die zur Arbeit brauchbarsten Neger sind und allgemein in Westafrika von den Kaufleuten in Dienst genommen werden) besetzen, häufig in gleiche Uniform gekleidet, die Ruderbänke. Am Steuer wird ein Leopardenfell oder ein Teppich über den Sitz gebreitet, auf welchem der Besitzer der Hulk Platz nimmt, in eleganter Kleidung, den Strohhut mit einem weißen Tuche umwunden, dessen Zipfel über den Nacken herabhängen, den aufgespannten Sonnenschirm in der Hand, den unvermeidlichen, der auch bei bewölktem Himmel nicht fehlen darf und mehr ein Zeichen der Würde als ein Schutzmittel ist.

Von allen Seiten fahren die Kaufleute herbei. Die Briefe werden in Empfang genommen, Ladungen geholt und abgegeben und ein paar Stunden mit den Officieren des Dampfers und den ankommenden oder heimfahrenden Passagieren verplaudert, bis der Böllerschuß die Abfahrt verkündet. Bald ist der Rauch wieder hinter dem Horizonte verschwunden; die Colonie liegt in ihrer früheren Einsamkeit da.

Die Entbehrung geselliger Unterhaltung, mancher Zerstreuungen und Genüsse würden indessen den Aufenthalt in jenen Ländern nicht in so trübem Lichte erscheinen lassen. Es würde nicht zu hoch sein, zehn Jahre voll Entbehrungen gegen ein später sorgenfreies Leben einzusetzen. Das Schlimmste, was den Europäer in Westafrika bedroht, ist das Klima.

In den Flußniederungen ist das Klima als ein mörderisches für den Weißen zu bezeichnen, und es ist nicht zu viel gesagt, wenn man behauptet, der dorthin reisende Europäer träte mit einem Fuße in sein Grab. Die Meisten werden innerhalb der ersten drei Jahre ihrer Anwesenheit hingerafft. Wer diese erste Zeit überstanden, hat Aussicht, länger den verderblichen Einflüssen des Klimas zu trotzen. Acclimatisiren aber kann sich der Europäer dort niemals; noch nach zehnjähriger und längerer Anwesenheit ist er dem Fieber ebenso ausgesetzt wie der neue Ankömmling, und mancher Kaufmann, der sich nach langer Abwesenheit zur Rückkehr in die Heimath rüstete, um die Früchte seiner Arbeit zu genießen, ist noch in der letzten Frist der schleichenden Krankheit erlegen. Fieber, Dysenterie und Leberabscesse sind die Krankheitserscheinungen, denen die Weißen ausgesetzt sind, denen so viele unterliegen. Man berechnete früher, daß von allen Angekommenen nach drei Jahren der dritte Theil todt sei. Das Beibehalten der in der Heimath gewohnten Lebensweise, das jetzt durch Conserven ermöglicht werden kann, sowie Erfahrungen in Behandlung der Krankheiten haben dieses Verhältniß gegenwärtig günstiger gestaltet. Dennoch sind die Opfer zahlreich. Die Engländer sagen mit Recht, daß für ihre westafrikanischen Colonien immer zwei Gouverneure unterwegs seien, der eine, den man todt zurückbringe, der andere, der hinausgehe, um dessen Stelle einzunehmen.

Mehrfach wurde in neuerer Zeit der Gedanke ausgesprochen, dem Kulihandel die Richtung nach Westafrika zu geben. Menschen, welche, wie die Chinesen, an ein ähnliches Klima gewöhnt sind und nicht, wie die Europäer, oder wenigstens in viel geringerem Grade als diese unter den Einflüssen desselben zu leiden hätten, würden bei ausdauernder Arbeitsamkeit in jenen Breiten, die sich für Kaffee-, Cacao-, Reis-Pflanzungen etc. so außerordentlich günstig zeigen, in kurzer Frist die blühendsten Colonien schaffen können. Die Besetzung der westafrikanischen Küsten mit chinesischen Colonisten würde unzweifelhaft auch für den europäischen Handel von der höchsten Bedeutung werden.

Dr. Reichenow.