Textdaten
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Autor: H. P.
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Titel: Gute und böse Geister
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 224, 225, 229, 239
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1889
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[224]

Beim Wein.
Nach einem Gemälde von Eduard Grützner.
Photographie im Verlag von Fr. Hanfstängl in München.

[225]

Beim Bier.
Nach einem Gemälde von Eduard Grützner.
Photographie im Verlag von Fr. Hanfstängl in München.

[229]

Beim Schnaps.
Nach einem Gemälde von Eduard Grützner.
Photographie im Verlag von Fr. Hanfstängl in München.

[239] Gute und böse Geister. (Zu den Bildern S. 224, 225 und 229.) Sage mir, mit wem du umgehst, und ich will dir sagen, wer du bist“: in tausendfältiger Abwandlung wird das Wort tagtäglich gebraucht. Ich lobe mir die folgende Variante: „Sage mir, was du trinkst, und ich will dir deinen inneren und äußeren Menschen künden.“ Oder hält es jemand für möglich, daß hinter der überraschenden Antwort „Wasser“ ein bärtiger Kriegsheld mit klirrenden Sporen, jeder Zoll ein Eisenfresser, zum Vorschein käme? Oder erwartet man nach der Stimme, die da flüstert „Milch“, einen klugen Diplomaten und nicht vielmehr ein bleichsüchtiges Backfischchen, welches die Meierei auf ärztlichen Befehl besuchen muß? Denken wir bei „Kaffee“ an eine Wahlschlacht im Wirthshaus? oder bei „Chartreuse“ an eine Waschfrau? Trinkt ein Seemann Selterswasser? oder ein Volksschullehrer „Heidsiek Monopol“? Also es wird wohl stimmen, es muß stimmen!

Warum muß es stimmen? Ei nun, weil die geistige und, sagen wir es frei heraus, auch die körperliche Physiognomie des Menschen weit mehr in ihren Eigenthümlichkeiten herausgebildet wird durch das, was er trinkt, als durch das, was er ißt. Essen muß jeder Mensch, um sich zu erhalten, er folgt einem Naturtriebe. Trinken aber, ja das ist etwas anderes, das Trinken wird – sobald wir von dem kindlichen Alter, wo ein Königreich für ein Stück Kuchen preisgegeben wird, absehen – bewußt oder unbewußt als Wissenschaft betrieben, es gehört zu den feineren Genüssen, welche den Plackereien des täglichen Lebens die Thür vor der Nase zuschlagen und dem Menschen erlauben, sich frei und leicht, als Herr der Welt, zu fühlen. In diesem Hochgefühl ergeht sich der Mensch, wenn er den ihm passenden „guten Tropfen“ vor sich hat. Der Geist regt sich, er ringt sich los von den Gewichten, die seinen Flug beschweren, und baut sich ein Paradies nach seinen Ideen aus. Da nun der vernünftige Mensch, seinem Geldbeutel und seiner Zunge zugleich Rechnung tragend, zum Gewohnheitsthier auch in diesem Falle wird, so kommen schließlich durch dauernde Verbindung der beiden Geister, jenes im Glase und jenes hinter der Stirne, ganz charakteristische Physiognomien zu stande, und damit wäre die Behauptung des Satzes: „Sage mir, was du trinkst“ etc. begründet. Diesen inneren Zusammenhang zwischen Physiognomie und Lieblingsgetränke im Bilde zu erweisen, das hat nicht leicht je ein Künstler so gut verstanden wie Eduard Grützner, dessen humorvolle Schilderungen trinkfroher Mönche und Jäger in Tausenden von Nachbildungen verbreitet sind. Ihm verdanken wir auch die drei Bilder unserer heutigen Nummer, die wir im folgenden zu Führern genommen haben.

Zufriedenheit und sichtliches Wohlbehagen herrschen in dem ersten Kreise, wo aus kostbaren alten Gläsern die Blume der edlen Rebe emporsteigt. Sind es nicht prächtige Herren, diese Herren Ordensbrüder? Als Bruder Kellermeister das jüngst angekommene Fäßlein Malvasier auf grünbauchige Flaschen zog und dabei mit vorsichtig gespitztem Munde kostete, machte er nicht umsonst ein lächelndes Gesicht: „Der Tropfen wird den Herren schmecken, er ist köstlich, mild und kräftig zugleich,“ schmunzelte er. In der That, nun die Herren zur Weinprobe in der Bibliothek des Klosters beisammen sitzen, mundet ihnen nicht nur das köstliche Getränk, sondern es rührt und regt sich auch hinter den hohen Stirnen, die Gedanken werden flüssig, die Geister nehmen höheren Flug. Im Wein ist Wahrheit! Während der jüngste Ordensbruder ein lustiges Stücklein aus Juvenal oder Ovid oder sonst einem alten Knaben aus längst versunkenen Jahrhunderten vorliest, färbt der Malvasier die Stirn mit jener feinen flüchtigen Röthe, welche den edlen Trinker eines edlen Trankes ziert. –

Ignaz Pößl ist seines Zeichens Metzgermeister – das heißt, er war es bis vor zwei Jahren, jetzt aber hat er sein Geschäft seinem Aeltesten übergeben und hat sich ausschließlich aufs Privatisiren und – Politisiren verlegt. Ja, die Politik, die ist sein Steckenpferd, seine Stärke und seine Schwäche, und wenn er seine Maß „Bürgerliches“ vor sich hat, kommen ihm die besten Gedanken. Die muß er mittheilen, es wäre schade, wenn sie verloren gingen. Josef, der Förster, und sein Schwiegervater, der alte Schreiber, haben auch gute Ideen, aber – – – und dann baut sich die Welt so rosig auf, die Steuern würden geringer werden, die Kriege würden abgeschafft und jede Militärvorlage überflüssig werden, wenn nur die Welt plötzlich so dastünde, wie Ignaz Pößl sie in seinem frischen Krug erblickt. Dabei ist er aber meilenweit von Umsturzideen entfernt, „nur immer stat“ ist sein Grundsatz. Kühlfeuchter Dunst wallt durch den Keller, die Cigarre ist auch nicht übel und Ignaz Pößls Gesicht und Bäuchlein werden immer rundlicher und behäbiger.

Der Denker und der Dichter Trank ist der Wein; Bier ist der Stoff, in welchem ehrenfeste, gut bürgerliche Gemüthlichkeit gedeiht. Beide stehen in unmittelbarem Gegensatz zum Getränk des Proletariers, zum Branntwein, zum Schnaps.

„Nur heute komm gleich nach Haus, nur dies eine Mal gehe am Wirthshaus vorbei und bringe mir den Lohn heim für die hungernden Kinder!“ So bittet die Frau am Sonnabend Morgen. Am Abend wartet sie natürlich vergeblich. Um wenigstens etwas vom Wochenverdienst zu retten, muß sie die weibliche Scham verleugnen und sich in die abscheuliche Alkoholatmosphäre der Kneipe begeben, den Mann herausholen und noch höhnende Reden mit anhören. Zuerst war der Feuertrank dem Mann als Sorgenbrecher willkommen, aber als die Sorgen vergessen waren, da ließ der Schnaps den Mann nicht mehr los, und nun ist es der vermeintliche Sorgenbrecher, welcher Sorgen über Sorgen auf die Familie häuft. Wie er wirkt auf Geist und Körper des Trinkers? Man braucht den Mann nur anzusehen, und man hat das Gegentheil von den Wirkungen des Bieres: statt Zufriedenheit und Verträglichkeit Auflehnung gegen alles Bestehende und Rauflust; statt des hohen Gedankenfluges, den die Geister des Weins anfachen, seelische Rohheit. –

Sage mir, was du trinkst, und ich will dir sagen, wer du bist! H. P.