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Autor: Herman Semmig
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Titel: Gustav Adolf
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aus: Die Gartenlaube, Heft 37, S. 611-615
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1882
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Gustav Adolf.

(1632–1832–1882.)
Gedenkworte von Herman Semmig.

In den Tagen vom 12. bis 14. September dieses Jahres begeht der evangelische Verein der Gustav-Adolf-Stiftung zu Leipzig die fünfzigjährige Jubelfeier seiner Stiftung und als Nachfeier auf dem Schlachtfeld von Lützen am 15. September[1] die zweihundertfünfzigjährige Gedächtnißfeier des Todes Gustav Adolf’s, des Heldenkönigs von Schweden, der zur Rettung des protestantischen Glaubens nach Deutschland geeilt war und für denselben auf jenen Ebenen sein Leben ließ. Ein Fest der Liebe, ein Werk frommen Friedens mitten in den kampferregten Tagen der Gegenwart! Verweilen wir heute mit ernstem Sinn bei der Betrachtung dieses ernsten Augenblicks, erwägen wir den geistigen Gehalt, den unser öffentliches Leben und die fortschreitende Entwickelung der Menschheit daraus zu ziehen hat!

Schiller sagt in seiner „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“: „Alle Weltbegebenheiten, welche sich in jenem Zeitraum ereignen, schließen sich an die Glaubensverbesserung an, wo sie nicht ursprünglich daraus herflossen.“ Diese Glaubensverbesserung aber ging von Luther aus.

„O Luther! Held des Wortes, ja zerrissen
Hast Du das Band, womit uns Rom unschlang;
Dem eignen folgend, machtest die Gewissen
Du Aller frei von schnödem Glaubenszwang.
Mag, wie der Neuzeit Eiferer gesprochen,
Auch sein, daß er noch selbst befangen war,
Sein Werk allein hat freie Bahn gebrochen
Dem deutschen Geist, dem sonnendurst’gen Aar.

Und heute, wo von Neuem uns die Raben
Umkrächzen, heis’re Prediger der Nacht,
Drein uns die Pfaffen möchten neu begraben,
Weil nur im Schatten sicher ihre Macht;
Heut’, wo sie an den Erbfeind uns verrathen,
Woll’n wir um Luther’s großen Namen her
Uns einig schaaren, wie’s die Väter thaten,
Der Freiheit und des Lichtes heil’ges Heer.“

So schrieb der Verfasser dieses Artikels vor dreißig Jahren – und in der That: Luther’s Wort hat dem deutschen Geiste freie Bahn gebrochen. Ist nicht die deutsche Literatur, Bildung und Wissenschaft zum größten Theil auf protestantischem Boden entsprossen und erwachsen? Haben sich nicht auch die Schriftsteller der katholischen Länder an diese Literatur vielfach angeschlossen? Hat letztere nicht anregend und befruchtend auf die katholischen habsburgischen Länder eingewirkt? Aus einem protestantischen Pfarrhause ging Lessing hervor, der unsere Poesie vom ausländischen Einfluß befreit hat; an Luther’s Bibelübersetzung bildete sich der Genius Klopstock’s; Kant’s „Kritik der reinen Vernunft“ ist in gewissem Sinne die philosophische Fortsetzung der befreienden Geistesthat Luther’s, und ein hochgestellter protestantischer Geistlicher, J. G. Herder, predigte in dem Lande des ernestinisch-sächsischen Hauses, das für seine Vertheidigung Luther’s zum Märtyrer geworden ist, das Evangelium der Humanität.

Und die Keime, aus denen später diese ganze Literatur und Bildung, der Stolz der deutschen Nation, erwuchs, standen zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges auf dem Punkte völlig erstickt zu werden. Unsere Voreltern haben sich der damals drohenden Feinde kräftig erwehrt, aber traurige Verhältnisse fügten es, daß die Entscheidung des Kampfes bei Fremden lag; dem edlen Schwedenkönige Gustav Adolf hauptsächlich verdanken wir die Rettung, und deshalb ist er uns kein Fremder mehr, hat er deutsches Bürgerrecht in unserer Geschichte.

Acht Jahre nach Beginn des Dreißigjährigen Krieges bekämpften den Protestantismus zwei Heere zugleich: das der Liga unter Tilly und das des Kaisers unter Waldstein (Wallenstein ist die von den Franzosen und Italienern im siebenzehnten Jahrhundert gebrauchte Form). Bei der Unthätigkeit der lutherischen deutschen Hauptmächte (Kursachsen und Brandenburg) drohte dem ganzen Protestantismus die Vernichtung. Da erschien der deutschen Freiheit, der Freiheit der Gewissen, ein Retter in dem Schwedenkönige Gustav Adolf. Wir wissen es wohl, und auch Schiller hat es in seinem oben angezogenen Werke nicht verleugnet, daß den König nicht blos religiöse, sondern auch politische Motive zum Kampfe trieben. Der neueste Geschichtschreiber dieser ganzen wichtigen Epoche, der stets nüchtern abwägende Gindely, sagt in seiner „Geschichte des Dreißigjährigen Krieges“ (Leipzig, 1882): „Er war ein aufrichtiger Protestant und für seine Ueberzeugung zu großen Anstrengungen und Opfern bereit, aber man darf nicht übersehen, daß seine eigene Sicherheit mit der des Protestantismus innig verknüpft war; denn nur so konnte er sich sichern vor den berechtigten Erbansprüchen der Könige von Polen auf die Krone von Schweden, und daß dieser Umstand seine Opferwilligkeit und Thatkraft erhöhte, unterliegt keinem Zweifel.“

Ja, sein eigenes Interesse gebot ihm, in den Kampf einzutreten, als Waldstein mit dem kaiserlichen Heere an der Ostsee erschien. Es war offenbar: die Habsburger wollten über das Meer herrschen und, ihrer spanisch-jesuitischen Politik gemäß, die Macht des protestantischen Schwedens brechen. Zu seiner Wehr suchte daher Gustav Adolf sich einige Häfen an der deutschen Ostsee zu sichern, und später waren es seine Erfolge, die ihn verleiteten, seine Macht zu erweitern. Ist dies mehr seine Schuld, die des Bedrohten, der nur sich und seinen religiösen Glauben zu vertheidigen suchte, oder des fanatisch ehrgeizigen Kaisers, der seiner Herrschaft eine unermessene Ausdehnung geben und seinen Glauben allen Widerstrebenden aufzwingen wollte?

Aber auch die katholischen Mächte wurden nicht blos vom Glaubenseifer getrieben; von politischen Beweggründen gedrängt, zerfielen sie gerade im Augenblick, wo der Protestantismus verloren schien. Die katholischen Fürsten Deutschlands gewahrten, daß der Kaiser nach unumschränkter Macht strebte, und verlangten, behufs der Ordnung des kaiserlichen Heeres nach den Grundgesetzen des Reiches, die Absetzung Waldstein’s; sie erhielten sie auf dem Reichstage zu Regensburg am 13. August 1630; an seine Stelle trat Tilly als Obergeneral des kaiserlichen und ligistischen Heeres. Selbst der Papst Urban der Achte verweigerte dem Kaiser seine Unterstützung; gewissermaßen als italienischer Patriot betrachtete er die Siege der Habsburger mit mißgünstigen Augen, als der

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Gustav Adolf’s Tod.
Originalzeichnung von P. René Reinicke.

[613]

Ueberführung des sterbenden Pappenheim vom Schlachtfelde.
Originalzeichnung von P. René Reinicke.

[614] Kaiser bei dem Besitzwechsel von Mantua in spanischem Interesse verfügen wollte. Endlich wurde auch in Frankreich, das seit einem Jahrhundert der österreichisch-spanischen Weltmonarchie entgegengekämpft hatte, der leitende Staatsmann Richelieu besorgt über Habsburgs Pläne. Letzterer hatte den Frieden zwischen Polen und Schweden vermittelt, was Gustav Adolf möglich machte, im Juli 1630 in Pommern zu landen.

Wären die beiden lutherischen Kurfürsten von wahrhafter religiöser Begeisterung beseelt gewesen, rasch hätte die Sache der Gewissensfreiheit den Sieg errungen. Die ligistischen Fürsten waren damals (vor der Absetzung Waldstein’s) eher geneigt gegen das kaiserliche Heer als gegen Gustav Adolf Front zu machen, dieses Heer selbst aber war vielfach gelähmt, und Maximilian von Baiern schloß ein Bündniß mit Frankreich „gegen alle Feinde“ (worunter der Kaiser zu verstehen war) und verhandelte sogar über eine Neutralität mit Schweden. Aber die lutherischen Kurfürsten, weit entfernt, sich mit Gustav Adolf zu vereinigen, kamen ihm mißtrauisch entgegen. Nun schlossen sie zwar im Februar 1631 den Leipziger Convent, einen Versuch, durch nationale Mittel sich des Kaisers zu erwehren und den Protestantismus zu retten, aber bei ihrer Verzagtheit und Halbheit kam es nicht zur That. Inzwischen hatte die zweideutige Gesinnung der beiden Kurfürsten Gustav Adolf, der nur mit Vorsicht und Mühe hatte vordringen können, gehindert, Magdeburg zu retten. Die Stadt fiel am 20. Mai 1631. Entschlossen, den Untergang der Heimath nicht zu überleben und dem Feinde nur einen Trümmerhaufen zu hinterlassen, steckten die Bürger, wie Wittich nach gründlichen Forschungen dargethan hat, ihre Stadt selbst in Brand, die bis auf den Dom und etwa fünfzig Häuser in Schutt und Asche sank. Seit diesem Tage hat sich der Fluch der Geschichte an Tilly’s Namen geheftet.

Aber am 17. September 1631 wurde Tilly bei Breitenfeld von dem Schwedenkönige gründlich geschlagen, und seit diesem Tage sah in den protestantischen Landen der gemeine Mann zu Gustav Adolf wie zu einem Erlöser empor.

Aber mehr als alle Siege hob den Retter des Protestantismus der Tod in jene ideale Höhe, wo der im heiligen Kampf Gefallene, von allen Schlacken irdischer Interessen und Triebfedern befreit, in der Glorie des Märtyrers schwebt. Die gewonnene Schlacht bei Breitenfeld hatte jenen protestantischen Siegeszug nach Westdeutschland, Böhmen und Baiern zur Folge gehabt, auf welchem Gustav Adolf auf der Höhe seines Ruhmes stand, aber auch von politischen ehrgeizigen Gedanken ergriffen ward, durch welche sein erhabenes Streben mit selbstsüchtigen Zwecken verquickt wurde.

Unterwegs, nach der Schlacht am Lech, 5. April 1632, sah er Tilly fallen – da trat Waldstein wieder auf den Plan. Bei Lützen kam es am 16. November 1632 zur Entscheidungsschlacht; Gustav Adolf fiel, aber sein Tod entschied den Sieg; denn er entflammte sein nun von Bernhard von Weimar geführtes Heer zu erbittertem Rachekampf. Auf der feindlichen Seite fiel, zum Tode verwundet, Pappenheim mit dem Ausrufe: „Ich scheide fröhlich dahin, da ich weiß, daß dieser unversöhnliche Feind meines Glaubens an einem Tage mit mir gefallen ist“; er erlag am folgenden Tage in Leipzig seinen Wunden.

Wenn man sich lange Zeit gefragt hat, ob Gustav Adolf nicht mitten in der Schlacht von Mörderhand getroffen worden sei, so wird dies jetzt allgemein verneint. Interessant ist übrigens, was Gindely hierüber mittheilt: er behauptet nämlich, daß wirklich Jemand, dessen Name nicht genannt worden ist, nach der Schlacht bei Breitenfeld damit umging, den König zu ermorden.

Der Beichtvater der spanischen Infantin, Gemahlin Ferdinand’s des Dritten, der Kapuzinermönch Diego de Quiroga, dem das Anerbieten gegen 30,000 nach vollbrachter That zu zahlende Ducaten gemacht wurde, nahm dasselbe unter Zustimmung der beiden spanischen Gesandten am Wiener Hofe an und berichtete darüber nach Madrid. Dort wurde darüber berathen, aber dem Mönche der Befehl ertheilt, nicht darauf einzugehen; die königliche Antwort lautete: „wiewohl man dem Morde ohne jeden Skrupel beistimmen könnte, so scheint doch eine solche Handlung eines mächtigen und gerechten Königs nicht würdig zu sein, und deshalb dürften sich die königlichen Diener weder wissentlich noch mit ihrem Rathe daran betheiligen.“

„Aber durch welche Hand Gustav Adolf auch mag gefallen sein,“ sagt Schiller, „so muß uns dieses außerordentliche Schicksal als eine That der großen Natur erscheinen. Die Geschichte, so oft nur auf das freudenlose Geschäft eingeschränkt, das einförmige Spiel der Leidenschaft aus einander zu legen, sieht sich zuweilen durch Erscheinungen belohnt, die gleich einem kühnen Griff aus den Wolken in das berechnete Uhrwerk der menschlichen Unternehmungen fallen und den nachdenkenden Geist auf eine höhere Ordnung der Dinge verweisen. Es war nicht mehr der Wohlthäter Deutschlands, der bei Lützen sank – die wohlthätige Hälfte seiner Laufbahn hatte Gustav Adolf beendet; sein schneller Abschied von der Welt sicherte dem deutschen Reiche die Freiheit und ihm selbst seinen schönsten Ruhm.“

Ja, der frühe Tod des Königs hat sein Gedächtniß geheiligt, und keinem Führer der Gegenpartei ist ein so glänzender Nachruhm geworden. Charakteristisch ist, was Matthisson hierüber mittheilt. Als dieser 1792 auf dem Postschiffe von Lyon nach Avignon die Rhone hinabfuhr, traf er unter den Reisenden einen Grafen Tilly, welcher lange zu Bastia in Garnison gestanden hatte.

„Dieser,“ sagt Matthisson, „zeigte vielseitige Kenntnisse und feinen Geschmack. Wir lasen mit einander im Horaz und in Hume’s ‚Geschichte Englands‘, wovon er den ersten Theil bei sich hatte. Ich freute mich seines warmen und richtigen Gefühle und ward oft angenehm durch das Neue und Scharfsinnige seiner Bemerkungen überrascht. Er gestand freimüthig, daß er sich seines berüchtigten Ahnherrn, des Eroberers von Magdeburg, tief in der Seele schäme und daher unmöglich einen Geschlechtsnamen lieben könne, welchen dieser Unhold mit unvertilgbarer Schande gebrandmarkt habe.“

Wallenstein ist die Ehre widerfahren, von Schiller selbst zum Helden eines Dramas erhoben zu werden; das psychologische Räthsel reizte den Dichter, aber von ihm als dem Gegner Gustav Adolf’s bei Lützen sagt Schiller, der Historiker: „auf dem Bette, wo Gustav erblaßte, sollte Wallenstein den schuldbewußten Geist nicht verhauchen.“

Nach dem Tode Gustav Adolf’s konnte es nicht länger verborgen bleiben, daß es nur noch die Eroberung deutscher Grenzländer war, was die Fremden in Deutschland erstrebten. Das ganze Elend endete am 24. October 1648 der westfälische Friede, der den Augsburger Religionsfrieden auch auf die Calvinisten ausdehnte.

„Nun danket Alle Gott,“ sang damals nach Jesus Sirach 50, 24 - 26. Martin Ringhardt, Archidiakonus zu Eilenburg in Kursachsen, der den Friedensschluß nur ein Jahr überlebte. Leider währte es im letzteren Lande noch hundertfünfzig Jahre, ehe die Reformirten staats- und kirchenrechtlich der lutherischen Landeskirche gleichgestellt wurden. „Nun danket Alle Gott“ – daß auch diese Zeit vorüber ist!

Man weiß, daß, nachdem der westfälische Friede den deutschen Protestanten die Religionsfreiheit gegeben hatte, die Protestantenverfolgungen unter Ludwig dem Vierzehnten in Frankreich wütheten. Trotzdem ist man verblendet genug gewesen, das Zeitalter der Aufklärung, wie man das achtzehnte Jahrhundert genannt hat, aus Frankreich herzuleiten. Nein, aus dem im Despotismus versumpften, vom Fanatismus entnervten Frankreich konnte das Licht nicht kommen; in der protestantischen Welt, in Holland, England, Genf und Deutschland, ging die Sonne der neuen Zeit auf; dem protestantischen England haben Montesquieu und Voltaire, der Vertheidiger der verfolgten Protestanten, ihr Bestes entlehnt. Einzig die glaubensvolle protestantische Welt, die auch das Kleinod des freien Gedankens in sich barg, rettete die europäische Gesittung. Unter den Vertheidigern und Märtyrern derselben aber steht Gustav Adolf oben an; er rettete das Herz Europas, Deutschland.

Wie sich nun bei uns die starre Wortgläubigkeit in werkthätige Nächstenliebe auflöste, wie dann der von Rom befreite Geist in der Philosophie die Tiefen des Geistes erforschte, das zu entwickeln, fehlt uns hier der Raum. Aber das Eine müssen wir doch betonen: daß nun die befreiende That des Fremden von einer deutschen protestantischen Macht fortgesetzt wurde. Der große Kurfürst von Brandenburg (1640 bis 1688), die Politik seines Vorgängers wieder gut machend, schützte Holland gegen das fanatische Frankreich, das diesen protestantischen Staat zu vernichten trachtete, und suchte auch das von Schweden eingenommene deutsche Gebiet wieder zu gewinnen.

Die schwedischen Heerführer und Truppen hatten sich nach ihres Heldenkönigs Tode derselben Zügellosigkeiten schuldig gemacht, die von den Kaiserlichen begangen worden waren; dann hatte Schweden sich für seine Kriegskosten durch deutsche Länder bezahlt [615] gemacht; es waren dies einfach Eroberungen. Dagegen erhob sich nun der große Kurfürst als deutscher Patriot, aber der Sieger von Fehrbellin wurde von Kaiser und Reich verlassen. Er war der wahre Gründer Preußens, dessen großer König Friedrich der Zweite später das von den Habsburgern möglichst wieder katholisirte Schlesien zurückeroberte.

„In Preußen, dem Vororte des Protestantismus,“ sagt der Kirchenhistoriker Karl Hase, „fiel auch, als zum Jubelfeste der Reformation Friedrich Wilhelm der Dritte 1817 einen Aufruf zur freien Einigung erließ, diesem Könige die Union zu einer evangelischen Kirche als eine reife Frucht des Zeitalters zu; diese Union geschah nach des Königs Absicht selbst mit Auflösung des lutherischen wie reformirten Namens in der unirten evangelischen Kirche.“

Fünfzehn Jahre später (1832) führte die Säcularfeier des Heldentodes Gustav Adolf’s zu einer andern, rein geistigen und werkthätigen Union, der Gustav-Adolf-Stiftung, die allen verstreuten protestantischen Gemeinden, gleichviel ob lutherisch oder calvinistisch, Hülfe und Unterstützung gewähren und ein neutrales Gebiet für alle Parteien in der evangelischen Kirche sein will. Es war ein geistiges Denkmal für den Heldenkönig, dem der König von Preußen 1837 über dem Schwedensteine, einem zur Zeit der Gletscherperiode aus Schweden herabgekommenen erratischen Blocke, bei welchem Gustav Adolf gefallen war, ein künstlerisches Denkmal errichtete. Ein Sohn des ernestinischen Sachsens, der 1783 in Prießnitz bei Altenburg geborene und auf der Universität zu Jena gebildete Professor und Superintendent Großmann zu Leipzig, faßte den Gedanken zur Gustav Adolf-Stiftung.

Es war bedeutsam, daß dies im albertinischen Sachsen geschah, als ein Symbol der Versöhnung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen Stämmen, Völkern und Kirchen. Schwedens König Karl der Vierzehnte Johann trat dem Verein sofort bei; in Deutschland aber, wo das Werk nur langsam Verbreitung fand, wurde es durch den Aufruf an die protestantische Welt gefördert, welchen Hofprediger Zimmermann in Darmstadt am 31. October 1841 erließ. Verfasser dieses verkehrte damals im Auftrage seines Vaters, der eifrig im Innern des Landes dafür wirkte, selbst mit Professor Großmann, dessen Andenken ihm theuer geblieben ist. Zu Baiern bedurfte es des Sturmjahres 1848, um dem Vereine die Erlaubniß zu erringen.

Seine allgemeinen Betrachtungen über den Ausgang des Dreißigjährigen Krieges schließt Schiller mit dem letzten Schmerzensschrei: „Zur Kaiserkrone hat noch kein protestantisches Haupt sich erhoben.“ Diese seine Sehnsucht ist am 18. Januar 1871 nach dem glorreichen Kriege gegen Frankreich erfüllt worden. Da richtete zuerst der jugendliche, vaterländisch gesinnte König Ludwig der Zweite von Baiern an den König von Preußen das Wort: er möge die deutsche Kaiserkrone annehmen und so das Werk der Einigkeit Deutschlands vollenden. Aus Baiern kam dieser erste Ruf, aus demselben Lande, dessen Fürst im Dreißigjährigen Kriege gegen den Protestantismus die katholische Liga gegründet hatte. „Welche Wendung durch Gottes Fügung!“ Unwillkürlich bricht man in diese Worte aus, die König Wilhelm nach der Schlacht bei Sedan an seine Gemahlin richtete. Und im eigenen Lande des Königs von Preußen verkennt man noch den tiefen Sinn dieser Wendung; noch immer lässt man sich dort durch den „Zauberer von Rom“ blenden.

  1. Unter Berücksichtigung der besseren Jahreszeit wählte man den Septembermonat zur Feier, während der Gedenktag der Schlacht bekanntlich in den November fällt. D. Red.