Graf Montfort
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Graf Montfort.
Graf Montfort von der Rothenfahn zog über das weite Meer,
Bestand so manchen kühnen Strauß zu Sankt Marien Ehr’.
Vor eine Königsburg er kam, sie stand in Abendglut,
Die Wolken wallten um ihr Haupt, zu ihren Füßen die Flut.
Auf der Lind’ im Hof kein Vogel sang, in’s Horn kein Wächter stieß.
Der Graf, der trat in einen Saal, da saß eine Königinn stumm,
Viel schöne, trauervolle Fraun, die saßen rings herum.
Der Graf sich neigt’, ein Mütterlein, gar alt, sich zu ihm wandt’:
Sie nahm einen Becher von Krystall, bot ihn der Königinn dar,
Wie diese schaut’ in seinen Grund, da ward ihr Auge klar:
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„Um Marien und aller Frauen Ehr’, o rächet meine Schmach!
Ich bin verklaget also hart, daß ich die Ehe brach.“
„Gern kämpf’ ich um aller Frauen Ehr, zu erwerben Mariens Huld.“
Da trat der König in den Saal, das Haupt geneigt und stumm,
In schwarzen Mänteln stellten sich die Ritter still herum.
Da trat der Kläger in den Kreis, den Handschuh warf er mit Schall,
Aus tiefer Brust der König seufzt’, der Fremde zog sein Schwerdt,
Zu Marien und aller Frauen Ehr’ schlug er den Kläger zur Erd’.
Ein froher Schall erhub sich drauf, erscholl zum blauen Meer,
Die Vögel flogen von der Lind’ und sangen rings die Mähr’.
„Und würde die ganze Erde mein, deß hätt’ ich keinen Gewinn.“
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Ein Schleier barg die Königinn, der war ihr theuer so sehr,
Es war der Schleier von Sankt Marie, gesandt ihr über’s Meer.
Den Schleier sich der Graf erbat, er barg ihn auf der Brust,
Er trug ihn also Tag und Nacht, wohl über Land und Meer,
In Lieb’ und Weh er bald verschied, kam nach Montfort nicht mehr.
Kerner.