Goethe’s Sterbe- und Arbeitszimmer

Textdaten
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Titel: Goethe’s Sterbe- und Arbeitszimmer
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aus: Die Gartenlaube, Heft 31, S. 553–554
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1886
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Goethe’s Sterbe- und Arbeitszimmer.

Wohl wanderten gar Viele jahraus und jahrein von nah und fern der alten Musenstadt Weimar zu, um die geweihten Stätten zu betreten, wo unsere größten Dichter einst gewirkt und geschafft haben. Sie verließen aber die Stadt unbefriedigt, denn das Haus, in welchem Goethe ein Menschenalter lang wohnte, blieb ihnen verschlossen. Dies ist nun anders geworden.

Goethe’s Sterbezimmer.
Nach einer Photographie des Hofphotographen Louis Held in Weimar.

Am 15. April 1885 verstarb der letzte Nachkomme Goethe’s, sein Enkel, der großherzogliche Kammerherr Walther Freiherr von Goethe, dem es vorbehalten war, das theure Vermächtniß seines Großvaters zu hüten und zu bewahren. – Der Eröffnung des Testaments sah man begreiflicherweise mit großer Spannung entgegen und war überall freudig erregt, als man die Kunde vernommen, daß dem großherzogl. Staatsfiskus das Goethe-Haus zu Weimar nebst Garten und Nebenhäusern, die Goethe’schen Sammlungen und alle diejenigen Gegenstände eigenthümlich zugewendet seien, welche in der Studirstube, der Schlafstube und dem Vorzimmer Goethe’s sich befänden, daß ferner dem großherzoglichen Staatsfiskus ein Kapital von 30.000 Mark zur Instandhaltung der ererbten Gegenstände zufalle, daß die hinterlassenen Manuskripte des Dichters in den Besitz der Großherzogin von Weimar übergingen, und endlich, daß man beabsichtige, die geweihte Stätte der Nation und allen Goethe-Freunden für immer zu erschließen und ein Goethe-National-Museum zu begründen. Der Plan, alle aus dem Besitze Goethe’s herrührenden oder zu dem Dichter in Beziehung stehenden Gegenstände zu einem in sich abgeschlossenen Ganzen zu vereinigen, fand den allgemeinsten Anklang, und nach landesherrlicher Bestätigung des Stiftungsbriefs – und nachdem der Weimarische Landtag in seiner denkwürdigen Sitzung vom 22. Januar dieses Jahres einstimmig die etwa noch nothwendigen Mittel bewilligt hatte, ging man unverdrossen an die Verwirklichung desselben. Das Goethe-National-Museum in Weimar bildet eine staatliche, der öffentlichen Benutzung gewidmete Anstalt, welche den Zweck verfolgt, das Goethe-Haus nebst dessen Zubehör in einer Weise zu erhalten, die der Erinnerung an Goethe würdig sei, die Goethe’schen Sammlungen, sowie andere von Goethe herrührende oder zu ihm und seinem Wirken in Beziehung stehende Gegenstände zu bewahren und der Goethe-Forschung wie der Verehrung für den Dichter eine weihevolle Stätte darzubieten. –

Goethe’s Arbeitszimmer.
Nach einer Photographie des Hofphotographen Louis Held in Weimar.

Um jedoch das Goethe-Haus [554] vor baulichem Verfalle zu sichern, machte sich eine durchgreifende Reparatur der Gebäude unbedingt nothwendig, und erst am 4. Juli d. J. konnte das Goethe-National-Museum eröffnet werden; aber noch heute sind einige Räume bis auf Weiteres für das große Publikum verschlossen; darunter auch das eigentliche Heiligthum des Goethe-Hauses, das Arbeitszimmer und das Sterbezimmer des Olympiers. Die Enkel hatten es niemals gestattet, diese Gemächer photographisch zu vervielfältigen; erst jetzt ist es dem Hofphotographen Held in Weimar erlaubt worden, die Räume, welche Deutschlands Dichter-Heros während der Dauer von 39 Jahren bewohnte, bildlich zu fixiren. Sie sind bescheiden und entsprechen keineswegs der hohen gesellschaftlichen Stellung, welche Goethe einnahm. Beide Zimmer sind in dem sonst sehr geräumigen Wohnhause die einzigen nach Süden gelegenen. Das Arbeitszimmer ist ein großes, etwas dunkles Gemach mit zwei Fenstern, die nach dem Garten hinausgehen. Die Ausstattung ist höchst einfach. In der Mitte ein länglich runder eichener Tisch, neben demselben ein Korb, in welchen der Dichter sein Taschentuch zu legen pflegte, einige Stühle, an der Wand rechts ein langer Schreibtisch, darauf ein Bücherregal, an welchem ein zerbrochenes Gipsmedaillon Napoleon’s hängt. An der Wand gegenüber ebenfalls ein Pult, auf welchem neben kleineren Gegenständen eine Statuette Napoleon’s aus Milchglas steht, an deren opalisirenden Farben sich Goethe oft erfreute und die er auch für seine Farbenlehre praktisch verwendbar fand. Neben dem zwischen den Fenstern befindlichen Spiegeltisch mit Uhr und Weinglas steht ein einfaches, verstellbares Stehpult, an welchem der Dichter arbeitete, wenn er nicht, die Hände auf dem Rücken, diktirend im Zimmer auf- und abging. Ganz so, wie sie Goethe verlassen, ist diese geweihte Stätte. Ebenso unverändert zeigt sich das kleine anstoßende Schlafzimmer, eigentlich nur ein Alkoven, mit einem Fenster nach dem Garten. Ein niedriges hölzernes Bett mit verblichener rosafarbener Bettdecke, ein Tischchen, auf welchem noch die letzte Medicinflasche steht, und der bequeme grün gepolsterte Lederstuhl, mit dem davorliegenden Fußkissen, welches Ottilie von Goethe einst ihrem Schwiegervater stickte, bilden das einfache Mobiliar des Zimmers, in welchem Goethe am 22. März 1832 mit den Worten „Mehr Licht“ aus diesem Dasein schied.