Gleichförmige Rotation starrer Körper und Relativitätstheorie

Textdaten
Autor: Paul Ehrenfest
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Titel: Gleichförmige Rotation starrer Körper und Relativitätstheorie
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aus: Physikalische Zeitschrift Bd. 10, S. 918
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Erscheinungsdatum: 1909
Verlag: S. Hirzel
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Erscheinungsort: Leipzig
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Gleichförmige Rotation starrer Körper und Relativitätstheorie.
Von P. Ehrenfest.

Bei dem Versuch, die Kinematik relativ-starrer Körper von der gleichförmigen, geradlinigen Translation auf beliebige Bewegungen zu verallgemeinern, gelangt man im Anschluß an Minkowskis Ideen zu folgendem Ansatz:

Ein Körper verhält sich relativ-starr, heißt: er deformiert sich bei einer beliebigen Bewegung fortlaufend so, daß jedes seiner infinitesimalen Elemente in jedem Moment für einen ruhenden Beobachter gerade diejenige Lorentz-Kontraktion (gegenüber dem Ruhezustand) aufweist, welche der Momentan-Geschwindigkeit des Element-Mittelpunktes entspricht.

Als ich mir vor einiger Zeit die Konsequenzen dieses Ansatzes veranschaulichen wollte, stieß ich auf Folgerungen, die zu zeigen scheinen, daß obiger Ansatz schon für einige sehr einfache Bewegungstypen zu Widersprüchen führt.

Nun hat Herr Born in einer kürzlich erschienenen Arbeit[1] eine Definition der Relativ-Starrheit gegeben, die alle überhaupt möglichen Bewegungen umfaßt. Herr Born hat diese Definition – dem Grundgedanken der Relativitätstheorie entsprechend – nicht auf das Maßsystem eines ruhenden Beobachters basiert, sonder auf die (Minkowskischen) Maßbestimmungen sozusagen eines Kontinuums von infinitesimalen Beobachtern, die mit den Punkten des ungleichförmig bewegten Körpers mitwandern: jedem von ihnen soll in seinem Maß seine infinitesimale Umgebung dauernd undeformiert erscheinen.

Beide Definitionen der Relativ-Starrheit sind aber – wenn ich richtig verstanden habe – äquivalent. – Es sei deshalb gestattet, kurz auf den einfachsten Typus einer Bewegung hinzuweisen, bei dem die erstangeführte Definition schon zu Widersprüchen führt: die gleichförmige Rotation um eine feste Achse.

In der Tat: Es sei gegeben ein relativ-starrer Zylinder vom Radius und der Höhe . Es werde ihm allmählich eine schließlich konstant bleibende Drehbewegung um seine Achse erteilt. Sei der Radius, den er bei dieser Bewegung für einen ruhenden Beobachter aufweist. Dann müßte zwei einander widersprechende Forderungen erfüllen:

a) Die Peripherie des Zylinders muß gegenüber dem Ruhezustand eine Kontraktion zeigen:

denn jedes Element der Peripherie bewegt sich in seiner eigenen Richtung mit der Momentangeschwindigkeit .

b) Betrachtet man irgendein Element eines Radius, so steht seine Momentangeschwindigkeit normal zu seiner Erstreckung; also können die Elemente eines Radius gegenüber dem Ruhezustand keinerlei Kontraktion aufweisen. Es müßte sein:

Bemerkung: Will man die Deformation jedes Elementes nicht nur von der Momentangeschwindigkeit des Elementmittelpunktes abhängen lassen, sondern auch noch von der momentanen Rotationsgeschwindigkeit des Elementes, so muß die Deformationsfunktion außer der Lichtgeschwindigkeit noch eine universelle, dimensionslose Konstante enthalten oder es müssen in sie auch noch Beschleunigungen des Elementmittelpunktes eingehen.

St. Petersburg, Sept. 1909.

(Eingegangen 29. September 1909.)     

  1. M. Born, Die Theorie des starren Elektrons in der Kinematik des Relativitäts-Prinzipes. Ann. d. Phys. 30, 1, 1909. Vergl. auch diese Zeitschr. 10, 814, 1909.