1. Gestern saß ich still beim Wein voller Mißvergnügen; war
wohl mit dem falschen Bein aus dem Bett gestiegen. Da erklangen
vor dem Thor Jugendstimmen leise, und in mein geschärftes Ohr
drang die Burschenweise: Gaudeamus igitur, iuvenes dum sumus; post
iucundam iuventutem, post molestam senectutem nos habebit humus.
2. Zog herein ein lustger Schwarm Sachsen und Westfalen, mit
Borussen Arm in Arm Schwaben und Vandalen; junges Blut mit
flaumgem Bart, Burschen, schlank wie Kerzen, auf der Wang die tiefe
Quart, auf der Stirne Terzen. Vivat academia, vivant professores,
vivat membrum quodlibet, vivant membra quaelibet, semper sint in flore!
3. Näher kommt’s mit Hall und Schall. Hinter Blumentöpfen
wird’s lebendig überall von bezöpften Köpfen. Ob der Kaffee auch
verbrennt und die teure Sahne, von dem Herd zum Fenster rennt
Tochter, Mutter, Ahne. Vivant omnes virgines graciles, formosae,
vivant et mulieres, tenerae, amabiles, bonae, laboriosae!
4. Als die alte Stadt entlang zog der helle Haufen, fühlt ich
über meine Wang heiß ein Thränlein laufen. Als ich’s mit dem
Finger schnell aus dem Bart gerieben, ist ein Haar mir silberhell in
der Hand geblieben. Vita nostra brevis est, brevi finietur. Venit
mors velociter, rapit nos atrociter, nemini parcetur.
5. Alte Burschenherrlichkeit! bist du gleich entschwunden, schlug mir
auch im Lauf der Zeit Frau Fortuna Wunden, Burschenmut ich nicht
verlor mit der Burschenmütze, und dem Schicksal nach wie vor biet ich
keck die Spitze. Pereat tristitia, pereant osores, pereat diabolus, qui-
vis antiburschius, atque irrisores!
Rud. Baumbach.