Geschichte des Illuminaten-Ordens/Weishaupts geistige Ausbildung und Charakterentwicklung bis zur Ordensgründung
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Weishaupts Vater, Johann Georg Weishaupt, ist geboren 1717 zu Brilon im preussischen Regierungsbezirk Arnsberg in Westfalen. Er wurde durch Dekret vom 14. Oktober 1746 als Professor der kaiserlichen Institutionen und des Kriminalrechtes durch Ickstatt nach Ingolstadt berufen, und ebendaselbst wurde Adam Weishaupt am 6. Februar 1748 geboren und von Adam Ickstatt über dem Taufbecken gehalten. Der Knabe verlor seinen Vater sehr bald, bereits 1753 im September starb derselbe während eines Ferienaufenthaltes in Heiligenthal bei Würzburg im Alter von 36 Jahren.
Wie bereits gesagt, war das gesamte Gymnasialwesen in Bayern seit zwei Jahrhunderten in den Händen der Jesuiten, welche die Jugenderziehung völlig nach ihren Grundsätzen leiteten. Diese konnten jedoch dem aufgeweckten Knaben, dem es selbstredend nicht möglich war, sich diesem Einflüsse zu entziehen, wenig zusagen. — Widerstrebend muss der Knabe ihrem Lehrgange gefolgt sein und sicherlich ist die Abneigung gegen diese Art der Belehrung, der später der heftige Drang nach Beseitigung solcher Uebelstände folgte, schon sehr früh dem Gemüte desselben eingepflanzt worden.
Weishaupt schreibt über diese Jugendzeit im Nachtrag zur »Rechtfertigung meiner Absichten«:
[23] »Ich kam als ein Knab von achthalb Jahren das erstemal in die Schule. Es ist wahr, wir mussten unaufhörlich beichten und dem äusserlichen Gottesdienste beiwohnen und vorzüglich die Andachten zu ihren (der Jesuiten) Heiligen verrichten. Aber dies war auch alles: Sie wollten sich auf diese Art, nicht durch Gründe, sondern durch den äusserlichen Glanz, durch Gewohnheit und Fertigkeiten des jungen Kopfes so sehr bemeistern, dass er dereinst bei reiferen Jahren gar kein Bedürfnis nach höheren Gründen haben sollte. Unser einziger Unterricht war jeden Freitag, wo wir ein Stück aus unserm Canisius auswendig daherplappern mussten.[1] Wenn gegen Ende des Jahres die Prämien verteilt wurden, so ward eine dergleichen Belohnung auch demjenigen zugedacht, welcher bei der vorgenommenen Prüfung die besten Beweise seines Unterrichtes im Christentum gegeben hatte. Und nun höre die Welt diese Beweise und sie sage, ob ich unrecht habe? — Wir mussten der Reihe nach, meistens nach alphabetischer Ordnung, an der Tür des Zimmers, in welchem sich drei von unseren Glaubens-Richtern versammelt hatten, warten, der erste nach gegebenem Zeichen eintreten und nicht eine Glaubensfrage, sondern ein Rätsel aus dem Canisius auflösen, z. B. wir sollten das Vaterunser rückwärts ohne Anstand auswendig hersagen. Wir sollten sagen, wie oft et, in oder cum in dem ersten Hauptstück stehen, oder es wurden uns zwei oder drei Worte aufgegeben, wo wir sogleich fortfahren mussten und dies so oft, als diese Worte in diesem Hauptstücke enthalten waren. Wenn einer nach dem andern diese Fragen vor diesem geheimen Religionsgericht beantwortet hatte, so kam der Präfekt an die Türe und verlas die [24] Namen derjenigen, welche die Frage erraten hatten. Diese blieben sodann und fingen unter sich ihren Wettstreit aus der Religion auf das neue an, bis ein einziger Sieger blieb, und dieser allein wurde gekrönt. — Nun sage alle Welt, was sie von diesem Religionsunterricht hält? Diesen und keinen andern Unterricht (denn ihre Predigten waren nicht viel besser) erhielt ich bis in das 15. Jahr meines Lebens, wo ich das Gymnasium verliess und mit dem akademischen Kursus den Anfang machte. Ich bin auf diese Art, ich darf sagen, 20 Jahre alt geworden, ohne dass ich für die Wahrheit meiner Religion einen andern Beweis anführen konnte, als: so bin ich gelehrt worden; so sagt die Kirche; dieses Recht der Kirche ist in der heiligen Schrift gegründet, und die Kirche hat das Recht, den zweifelhaften Sinn der Schrift zu bestimmen.
Was soll aus einem solchen Menschen werden, wenn er hinter andere Bücher gerät, wenn er mit Vernünftigen einen Umgang pflegt, wenn er aus der Schule mit einer so schwachen Gegenwehr und Vorbereitung in die Welt tritt?« —
Ickstatt soll nach der bisherigen Auffassung sich der Sorge für den verwaisten Knaben ganz besonders angenommen haben. Ist es auch zweifellos, dass in späteren Jahren Ickstatt Weishaupt protegierte, so dürfte jedoch seine Unterstützung zu Weishaupts letzten Studienjahren sehr überschätzt worden sein, andernfalls ist ein Brief von Weishaupts Mutter vom 12. Dezember 1766 nicht erklärbar. Diese schreibt unter angegebenem Datum an den Geheimrat Lippert:[2]
Euer wohlgeboren nemen mier nicht für ungnad, dass ich inen schreiwe und meine not Klage, es ist mier von der Hofkammer, dass stibendium das mein sohn von der Universitet gehabt genomen worden, nun weiss ich mier nicht zu helfen was ich anfangen sohl damit er doch seine studien absolvieren und Jura docentihren Könnte, wir seint von der gansen wehlt (ganzen Welt) verlassen, Kein Mensch will sich unser annemen, so bitte Euer wohlgeboren sie mögten ihm doch mit einen rath oder recommantation an die Hant gehen, er wirdt gewislich gutt belonen, ich bin ja schon 14 Jahre wüttib (Witwe) [25] und muss mit 300 fl. lewen, ich Kan im weder bücher noch anderes schaffen und er hat doch ein Talent, dass man ihn gewieslich brauchen Könte, es dut mir das Herz wehe das ich im nicht helfen kann — — usw.
Dieser Hilferuf aus mütterlichem Herzen ist jedenfalls von Erfolg gewesen, denn der Weishaupt wurde in den Stand gesetzt, seine Studien zu vollenden und zwei Jahre später sein
Doktorexamen abzulegen. Es geht aber auch aus diesem Briefe hervor, dass Mutter und Sohn, die von der ganzen Welt verlassen waren, und deren sich kein Mensch annehmen wollte, also auch nicht Ickstatt, gegen diesen keine besonders tiefe Ursache der Dankbarkeit haben konnten, wie bisher behauptet wurde.
Dass Weishaupt entschieden ein sehr befähigter Kopf gewesen ist und sich bemühte, das damalige Wissen für seinen späteren Beruf gründlichst in sich aufzunehmen, bezeugt der Wortlaut seines Doktordiploms vom Jahre 1768. Dasselbe [26] wurde auf Veranlassung des Neffen Adam von Ickstatts, Peter von Ickstatt, ausgefertigt, welcher, nachdem er in Mainz und Jena die Rechtswissenschaft studiert hatte und in Ingolstadt mit ausserordentlichem Beifall promoviert worden war, im Jahre 1764 auf Ickstatts Wunsch zuerst zum Extraordinarius ernannt wurde, um an Stelle des Direktors die Vorträge über deutsches Staatsrecht zu übernehmen. 1765, als Adam von Ickstatt sich ganz zurückzog, wurde der Neffe zum ordentlichen Professor und später zum Hofrat befördert, kränkelte jedoch früh und starb schon im Jahre 1771.
Das in lateinischer Sprache abgefasste umfangreiche, höchst interessante Dokument auf Pergament geschrieben, welches im Archiv des Illuminatenordens zu Dresden jetzt bewahrt wird, lautet in der Übersetzung:
Wir Peter von Ickstatt, Doctor der Rechte, des gnädigsten und mächtigsten Churfürsten, Herzogs von Ober- und Niederbayern etc. etc. wirklicher Hofrath, an der ehrwürdigen, catholischen und churfürstlichen Universität Ingolstadt, Professor ordinarius des Naturrechts und des öffentlichen gemeinen Rechtes, auch der kaiserlichen Institutionen, auch zur Zeit der berühmten juristischen Facultät Decanus: auch die übrigen Doctoren derselben Facultät, die actuellen churfürstlichen Hofräthe und Professoren entbieten allen, welche diese Urkunde anschauen werden, ihren Gruss und Frieden in dem Herrn.
Recht und pflichtgemäss glauben wir zu handeln, wenn wir nicht unwürdige, sondern durch Gelehrsamkeit ausgezeichnete und erprobte Männer zu den höchsten Ehren und Würden zulassen. Denn wie wir es für ungerecht, inhuman und jeder Gleichheit der verteilenden Gerechtigkeit fremd halten, jene zuzulassen, diese aber abzuweisen und um die schuldigen Ehrentitel und Prämien zu bringen, so ist der auserlesenen und berühmtesten Zahl, wegen der empfehlendsten und ausgezeichnetsten Verdienste, einzureihen, der sehr berühmte Herr Adam Weishaubt von Ingolstadt (Bayern), bis jetzt öffentlicher Repetitor der Rechte an unsrer Hochschule, welcher unserem Athenaeum drei Jahre hindurch nicht allein unermüdlichen Fleiss durch vortreffliche Proben bekundet, sondern auch zwei Jahre hindurch die Collegia über die Institutionen Julians, das Natur- und öffentliche gemeine Recht sowie das Privatrecht ein Jahr lang mit dem Lobe ausdauernden Fleisses gehört hat und sich durch die hier erworbenen Früchte auszeichnend, hat er sich alle diese Jahre hindurch durch eminente und männliche Bescheidenheit bei vielen Gelegenheiten, vornemlich bei privaten Anreden als einen in der ganzen Literatur und den humanioren Studien, besonders auch verschiedener Sprachen höchst bewanderter Mann bewährt. Und wie er an dieser unsrer Universität ausser dem Feudal-, Natur-, allgemeinen und Völkerrecht, desgleichen das öffentliche deutsche Recht in Privatcollegien in ununterbrochener Reihenfolge wiederholt gehört hat und mit ganzer Seele dabei (ganz Ohr) war, so zeigte er sich, nachdem er Früchte hieraus geschöpft und eminente Fortschritte gemacht, als einen [27] durch viele Beweise der besten Censur und Hoffnung würdigen und gelehrtesten Candidaten der Rechte höchst lobenswerth; ebenso hörte er öffentliche und private Collegia, welche den Maximilianischen Codex zu erklären pflegen zwei Jahre mit eifrigstem Fleisse und gab von den Fortschritten, welche er dadurch erlangt wiederholt öffentliche Beweise, zugleich aber auch von dem Urteil seiner absonderlichen Auffassungsgabe. Hierüber besuchte er häufig in denselben zwei Jahren die Collegia, öffentliche wie private, über den Bayrischen Rechts- und Criminal-Codex mit dem lobenswertesten Fleisse und unermüdlichem Eifer besonderer Anwendung, welcher sich öffentlich herrlich bewährt hat. Da er ferner mit dieser ausserordentlichen Gelehrsamkeit, die in jeder Hinsicht rühmlichsten Sitten verbindet, so ist kein Zweifel, dass er zu seiner Zeit zu seiner und seines vornehmen Standes Ehren und Ruhme ein erwünschtes Rüstzeug unsres Vaterlandes werden wird. Da er es nun für nützlich, ehrenvoll und seiner Absicht entsprechend hielt, so richtete er das Gesuch an uns, wir möchten ihm durch unsre Autorität und Censur bestätigen, was für Kenntnisse er durch die verkosteten Studien beider Rechte erlangt habe, und ihm den Doctorgrad beider Rechte verleihen: so wollten wir diesem gerechtesten Gesuche gern willfahrend ihn seines wohlverdienten Wunsches teilhaftig machen. Deshalb haben wir früher nach dem Brauche und der alten Gewohnheit unsrer Facultät über dessen Fortschritt in dem oft erwähnten doppelten Recht in unserm Collegium am 1. Juli dieses 1768sten Jahres ein privates Tentamen abgehalten und da er in diesem die glänzendsten und ausserordentlichsten[WS 1] Beweise seiner Gelehrsamkeit gegeben hat, haben wir ihn bald zum öffentlichen oder strengen (rigorosen) Examen zulassen müssen, in welchem, da er am 4ten Tage des benannten Monates und Jahres alles was er sich eingeprägt hat, an bezeichnetem Orte und Stunde auf das geschickteste und geistvollste wiedergegeben, auch auf die schwierigsten Fragen auf das trefflichste und gediegenste geantwortet und somit unsre Meinung, die wir vorher schon von ihm uns gebildet, völlig entsprochen hat, ist er mit allgemeiner Einstimmigkeit würdig erklärt worden, dass ihm der höchste Lorbeerkranz oder das Doctorat beider Rechte zuerkannt und übertragen werden könne und müsse. Nachdem er also am 5ten Tage des genannten Juli den Grad als Licentiat beider Rechte unter den üblichen Förmlichkeiten erhalten hat, ist am heutigen unten verzeichneten Tage nach vorhergeleisteten üblichen Eidschwüren in Gegenwart vornehmlich des Rector Magnificus dieser ehrwürdigen Universität, desgleichen aller Professoren unsrer Facultät und aber den hochzuverehrenden, vornehmen, berühmten und ausgezeichneten Herren Doctoren und Professoren der meisten andern Fakultäten, genannter edler und berühmter Herr Adam Weishaubt, Licentiat beider Rechte, zuletzt (schliesslich) in demselben doppelten Rechte oder Doctorgrade durch den sehr berühmten Magnificus und erfahrensten Mann, Herrn Johann Paul Sutor Doctor der Rechte, wirklichen Hofrath des gnädigsten und mächtigsten Churfürsten beider Bayern, Herzogs etc. etc. und Professor p. o. (öffentlicher ordentlicher) der Pandecten an unsrer werten Universität, unsern hochgeehrten Collegen legitime und öffentlich erklärt und geschaffen, auch in die Zahl unsrer Doctoralen öffentlich cooptirt, nicht minder mit allen und einzelnen Rechten zu lehren, zu erklären, zu schreiben und wo in aller Welt über diese Rechtswissenschaft öffentlich und privatim zu correspondiren und anderen Privilegien, Freiheiten und Vorrechten, welche den wahren und legitim ernannten oder nach Recht und Sitte unsrer werten Hochschule [28] und den besonderen Vergünstigungen unsres juridischen Collegii zukommen, oder auf welche Art solche zu erlangen sind, mit Vergnügen beschenkt worden. Zur Bestätigung, Beglaubigung und zum ewigen Andenken und für Alle als geeignetes Zeugnis haben wir demselben vornehmen, berühmten und excellenten Herrn Adam Weishaubt, dem legitim ernannten Doctor der Rechte diese Urkunde ausfertigen und von dem Kaiserlichen und Universitäts-Notar unterschreiben; auch mit dem grossen Insiegel unsres juridischen Collegii versehen lassen.
- Ingolstadt, d. 9. August 1768.
Diese Urkunde ist unterzeichnet von Ferdinandus Maria, Mendel, Universitäts-Notar; das in einer Buchsbaumkapsel gefasste angehängte rote Wachssiegel der Universität ist unverletzt.
Die Schreibweise des Namens Weishaupt ist hier noch Weishaubt, entsprechend der Orthographie jener Zeit, es wurde auch z. B. das Wort überhaupt: überhaubt geschrieben, einige Jahre später schreibt Weishaupt seinen Namen in Briefen, wie noch jetzt üblich mit p.
Aus dieser Urkunde leuchtet deutlich hervor, dass Weishaupt sich bereits in jungen Jahren, er war 20 Jahre, eines Wissens rühmen konnte, das, unabhängig von aller Protektion, ihn ganz sicher zu der Stellung berechtigte, die er bald an der Universität einnahm.
Es ist bereits gesagt worden, dass die Universität von Ingolstadt gänzlich in den Händen der Jesuiten seit ca. 200 Jahren stand, welche die Lehrstühle mit ihren Ordensangehörigen besetzten, es wäre demnach zu erwarten gewesen, dass das Werk Ickstatts, welcher sich bemühte, die Universität aus diesen Fesseln zu befreien, durch die Aufhebung des Jesuitenordens am 21. Juli im Jahre 1773 bedeutende Fortschritte erzielte. Das war jedoch nicht der Fall. Bezüglich der Aufhebung des Jesuitenordens weisen wir hier nur darauf hin, dass Papst Clemens XIV., dem Drange der Umstände nachgebend, die das Treiben der Jesuiten verursacht hatte, das Verbot des Ordens, durch die Regierungen von Portugal, Spanien und Frankreich, über die ganze katholische Christenheit ausdehnte. Die Bulle Dominus ac Redemptor noster enthält folgenden charakteristischen Satz: »In Erwägung, dass die genannte Gesellschaft die Frucht, wozu sie gestiftet war, nicht mehr bringen kann,...... ja, dass es kaum mehr möglich ist, dass so lange sie besteht, der wahre und dauerhafte Friede in der Kirche wiederhergestellt werden kann, ..... hebe ich mit [29] reifer Überlegung, aus gewisser Erkenntnis und aus der Fülle apostolischer Macht die erwähnte Gesellschaft auf, unterdrücke sie, lösche sie aus, schaffe sie ab.« —
Man mag nun über die Jesuiten denken wie man wolle, eines wird man ihnen nicht abstreiten können, nämlich, dass sie zu jeder Zeit über tüchtige Lehrkräfte verfügten, die imstande waren, wenn auch in ihrem Sinne, ihren Platz auszufüllen, weil sie das Wissen ihrer Zeit beherrschten. In einem Lande wie das damalige Bayern, in dem das Schulwesen unglaublich danieder lag, in dem es an Lehrkräften allenthalben fehlte, war man dadurch gezwungen, den jesuitischen Professoren die Lehrstühle wieder zu überlassen, falls man die Universität nicht aus Mangel an Lehrkräften schliessen wollte. Durch diese[WS 2] Toleranz, erzwungen von der Notwendigkeit, wurden selbstverständlich Zustände geschaffen, die den Boden gaben für allerhand Intriguen, Streitereien und Verleumdungen, deren Weishaupt nach seinen Angaben sich ganz besonders erfreuen durfte. Dass das richtig ist und keinesfalls der Begründung entbehrt, beweisen die Briefe desselben, sowie die seines Protektors Ickstatt, welche beide an den Geheimrat Lori (ein Schüler Ickstatts und neben ihm Mitdirektor der Universität) richteten und im Königl. Bayr. Geheimen Staatsarchiv aufbewahrt werden.
Bevor wir auf diese Briefe näher eingehen, veröffentlichen wir einen Brief aus den Lippertschen Akten, der geeignet ist, ein klares Licht auf die Universitätszustände zu werfen, auf das Verhalten Ickstatts, Weishaupt gegenüber, und der Gründe, weshalb Professorenstellen erbeten wurden.
No. 82 der Lippert-Akten.
- Hochedl gebohrener, hochgelehrt,
- Sonders Hochgeehrtester Herr!
Nach dem mich von Einer kleinen Unbässlichkeit Erhollet, so komme ich meine Danksagung vor alle mir in München Erwissenen Höflichkeiten zu machen, und mich umb dero beiderseitigen wohlstand zu Erkundigen, die ich dann hoffe solche zum bessten seyn, betaure auch sehr, dass Herr von Abendorfer mit seynem Gesuch nit reussirt hat, welches ihm und mir vertreglich währe.
in München geht Es arthig zu, mir sagte man Es würd keine Professur nit aufgestellt, weillen ohne das umb Einer zu vill, und da ich nachher nach Hause komme, Vernimm ich das [30] wehrend Zeit da ich umb die Rathsstelle anhalte, der Herr weisshaubt alss extra ordinari Professor durch Patrocinanz des Herrn B. v. Ickstatt ist angestellt worden mit der Erlaubung auch allen privata zu geben, und die Attestata zu Ertheillen, welches den Juristen gar recht seyn würd und ihnen das übriche Geld zur regreation daugen. Dann der Herr weisshaubt würd ihnen gar gern Vor Einem Bayrischen thaller aus allen die attestatta geben, weillen Er ansonsten nichts hat, und wie man sagt solte Er eine Euchstatterin (Eichstatt) heurathen so auch keinen Bazen hat, ander wellen auch behaupten das Er in denen Pfingstferien schon copolirt worden seyn in Euchstatt über welches der Herr Baron von Ickstatt heftig Erzürnet ist, mit Vermelden das wann disses ist so solte der weisshaupt nit mehr in seyn Hauss komen. die Ursach wahre, weillen sie ihm Ein Junge weinbachin zur Ehe geben wolten, mithin siehet sich der Ickstatt betrogen, indessen hat sich disser junge und nethe (nette) mensch bey allen Professoribus Verfeindet gemacht, und solche Vertrisslichkeiten auf anhötzung angestellet, das Es zugegangen wie in dem bolnischen Krieg, dann diesser weishaubt lasse sich zu allen gebrauchen. Er hat alle juridische Herrn Professores bis auf den von weinbach Verachtet, und gedrohet wie Er und weinbach zusammenhelfen und denen übrigen Vertruss genug machen wollen, wo sodann ein consilium gehalten und ihme seyn Unrechtduhn auf das scherfeste Verwissen worden, ohnerachtet dessen duhet er ihnen vast deglich Neue Grobheiten an, ob wollen vast keiner hier, so ihm nit zeit seynes studierens mit geld zur kost, oder mit Kleidung an hand gegangen, wie ich höre, so sollen sich die Herren Professores wider diesen Jungen Menschen so sich von dem Ickstatt haus zu allen gebrauchen lasset, bey Höchster stelle Verklaget haben, mithin allen bevorstehenden übel vor zu kommen, kann wohl geschehen, das dieser nethe mensch nit zum ordinari Professor gelanget, wohalben dann hier von verschiedenen gutten Freunden bin animiret worden, bey dieser beschaffenheit Vor meinen Sohn um die Professur anzuhalten damit doch Einer früher zu Einem Einkommen gelanget und doch das Hauss welches unser meistes Vermögen ist nit umb einer Noth Verkaufen, oder durch hiesig schlechte zinsleith (Zinsleute) müssen ruiniren lassen, denn wann ich dissmahl nichts Erhalte oder doch wenigstens Eine expectoranz Erhalte, so habe ich villen jahren keine Hoffnung mehr indem schon wiederumben ein [31] Junger Ickstatt und ein Junger weinbach auf der anwarth, welche beede die Jura hören und Professores werden wollen. Desshalben dann Eure Hochedelgebohren höfflichst Ersuche dieselben wollen doch die gnad haben, und bey Ein und andern Herrn Minister sich Erkundigen was die hiesigen Herrn Professores auf ihre beschwerde Vor eine gutte resolution bekommen, oder ob ihnen der weisshaupt zu zweiten last aufgetrungen würd, dann sie sagen, sie können die Erste Last des Bar. von Ickstatt nit mehr Ertragen, bitte demnach Höflichst gehen sye mir, wie alle Zeit mit dero güttigen Rath an die Hand, wie und was ich duhn solte, in dero gnad mich dann sambt denen meinigen bestens recommandire und mit meiner gehorsamsten Empfehlung geharre ich jeder Zeit zu seyn
Ingolstadt den 15. Juni 1772. | gehorsamster Diener M. J. schiltenberg. |
Dieser Brief zeigt, dass Ickstatt sein Patenkind zu einer Heirat zwingen wollte, die ihm zuwider war. Weishaupt heiratete jedoch am 11. Juli 1773 die hier angegebene Eichstätterin, namens Afra Sausenhofer, ohne dass Ickstatt ihm das Haus verbot. Letzterer brauchte den jungen Professor gar zu nötig, dessen Kenntnisse und Befähigungen, bei dem ausgesprochenen Mangel an tüchtigen Lehrkräften, nicht zu entbehren waren.
Bezüglich der Verhetzungen und Verfeindungen, die Weishaupt von Schiltenberg vorgeworfen werden, ersieht man die Gründe bei Prantl[3] sehr genau.
Derselbe schreibt folgendes Seite 572:
Im Jahre 1772 aber erhob sich, namentlich seit der Ernennung Weishaupts des Jüngeren, wieder eine scharfe Opposition gegen Ickstatt, welche ihren hauptsächlichen Sitz in der juristischen Fakultät hatte, aber auch vom Theologen Leitner unterstützt wurde.[4] Während Ickstatt sich beschwerdend an den Kurfürsten wandte, – – schlugen auch Siardi, Schmidt und Prugger ihrerseits den gleichen Weg ein, um in schärfster Form ihre Klagen gegen Ickstatt und Weishaupt zur Geltung zu bringen; sie heben hervor, dass Weishaupt überhaupt nur als »Godl« (d. h. Patenkind) Ickstatts Professor geworden sei, [32] sowie dass Weishaupt mit Ickstatts Neffen Weinbach eine »Ickstättische Faction« bilde. – –
Seite 597 heisst es:
Derselbe (Weishaupt) wurde im Jahre 1772 zunächst nur zur Ergänzung der schwachen Lehrkraft Sutors ernannt und sollte weder an den Emolumenten noch an den Sitzungen teilnehmen; nach ein paar Monaten aber erlangte er nicht nur die Befugnis, überhaupt ordentliche Vorlesungen zu halten, sondern auch Sitz und Stimme in der Fakultät und beratendes Votum im Senate. Hierüber aber erhob sich seitens der Fakultät jener schon oben erwähnte Sturm, welcher eigentlich persönlich gegen Ickstatt gerichtet war, denn was man gegen Weishaupt aus der Vorrede einer Druckschrift desselben vorbrachte, konnte wahrlich nicht zu einer Anklage hinreichen, sondern allenfalls nur zum Beweise, dass Weishaupt in warmer und schöner Sprache seine Begeisterung für die naturrechtlichen Grundsätze des Hugo Grotius, Leibniz und Wolf aussprach und die übermässige Betonung des jus patrium als einen Fehlgriff bezeichnete.
Ickstatt schreibt nun über Weishaupts Einführung an Lori folgendes:
- Wohlgeborener, Sonders geehrtester Herr Geheimer Rath.
Eure Excellenz erstatte meine Danksagung für den dem Professor Weishaupt geleisteten Sorgfältigen Beystand. Vorgestern am Freytag ist er ad Consilium Academicum introduciret worden, sein principio Solenne so er in geschwindigkeit Verfasst, lege hier bey. Es hat gewaltigen Lärmen erregt bey Jenen, so sich getroffen Zu seyn geglaubt haben, inssondere dem Professor Siarchi, welcher ihnen auch auf das gröbste begegnet; künftigen Dienstag wird er ad facultatum admittiret. Die Rede ist freylich etwas bissig; allein da er das Jus commune zu dociren, decretirt ist, wird Jeder nothwendig dessen (deren?) Nutzen gegen jene, so als Nestor ihren denen Auditoribus beständig Vorschwazen, behaupten müssen. Empfehle mich zu alt, gut Freundschaft in Secula Seculorum.
Ingolstadt, d. 26. July 1772. Unser Jubiläum ist so ziemlich feyerlich begangen worden. 2tens soll Weishaupt die Rede drucken lassen. |
Euer Excellenz gehorsamster Diener Freyherr v. Ikstatt. |
[33] Ickstatt erfüllte durch seine Protektion nur die ihm gestellte Aufgabe, die Universität zu heben.
Bereits gegen Ende des Jahres 1773, also sehr bald nach Aufhebung des Jesuiten-Ordens, wurde infolgedessen Weishaupt die Professur des Kirchenrechtes, die bis dahin nur Jesuiten inne hatten, übertragen, dadurch diesen eine Zielscheibe werdend für Angriffe aller Art, um den jungen 25jährigen Professor möglichst zu stürzen oder ihn seines Amtes überdrüssig zu machen. – Auf letztere Absicht z. B. ist es jedenfalls zurückzuführen, wenn Weishaupt seinen Gehalt nicht erhalten konnte, so dass er genötigt war, folgenden dem heutigen Verständnis recht verworren klingenden Brief an den Geheimrat Lori nach München zu senden:
Nachdem so Villes schreiben, Memorialerei und Inständiges bitten um erhaltung wegen meiner Von drey Viertel Jahren rückständigen Besoldung so Vill Vermogt haben, das ich nicht allein keine anweisung an allhisige Hohe schul erhalten, sondern sogar, da alle übrigen Professores dieser Tage Ihre Besoldungen bekommen. Ich alleinig nicht nur bey der Hohen schul sondern auch bey dem albertino Proteriat Orden, so kann ich nichts anderes schliessen, als dass man meiner Dienste überdrüssig und dadurch all rechtslage um Betreibung des meinigen angegangen und doch nichts beytreiben können, so sehe ich nur dieses einzige Mittel Übrig, mit meinen Vorlesungen so lange ein zu halten, bis ich entweder gänzlich amorirt oder die meinige erhalten werde, ich kann Euer Excellenz Versichern, dass mir dieser Schritt keine Verachtung gnädigster Befehle, sondern die äusserste nothwendigkeit abnötigt.
- Ich bin übrigens mit aller Hochachtung
- Euer Excellenz
- Gehorsamst Ergebenster
- Weishaupt.
- Gehorsamst Ergebenster
- Euer Excellenz
- Ingolstadt d. 2. Jän. 1774.
Dieser Brief erhält eine weitere Beleuchtung durch einen Brief Ickstatts vom folgenden Tage, dem 3. Januar 1774, in dem derselbe an Lori schreibt:
[34] Der geschickte und Vor andern fleissige Herr Professor Weishaupt muss doch allerley Fatalitäten erfahren. Vorgestern habe Herr Procurator und interims Verwalter im Albertinischen Collegio heimgesucht und unter andern befragt. Ob, da nunmehr die Besoldungen hier angewiesen wären, Herr Professor Weishaupt sein Quartal schon erhalten…
(Ickstatt erhält die Auskunft: nein, denn es sei zweifelhaft, welche Kasse auszuzahlen habe, ob die Universitätskasse oder das Albertinum, ein jesuitisches Seminar, dessen Einkünfte nach Aufhebung des Jesuitenordens für Universitätsausgaben benutzt wurden. Aus diesen Einnahmen wurden die Exjesuitischen Professoren möglichst zuerst befriedigt.)… Ebenso kombt Hr. Professor theolog. Moraly. Schmitt Zu mir und referrirt mir dass dem Vernehmen nach die Pensionisten und Exjesuiter Professores ihre Gebür sämmtlich erhalten, aber Schollinger und andere Professores noch nichts empfangen. So ist des Complotirens kein Ende. Jene suchen auf alle Art die Einkünfte des Albertini Vorzüglich auf ihre Rente zu verwenden, Sie stecken sich alle hinter die Grafen Praysing, diese müssen die halbe Stadt mit Verunglimpfung der Weldlich und einige geistlichen Professores ausposaunen, den Titl. Professor Weishaupt streuen sie als einen Freygeist aus, weil er über den Rautenstrauch liesst, wider Professor Schmitt streuen sie allerlei Historikas ins publicum. Mich getrauen sie öffentlich nicht anzutasten, heimlich aber wünschen Sie mich gewiss zum Teufel. – – –
Dieser Brief enthält in der Nachschrift:
Stolz und die Viele Umtriebe, die man dem Hr. Professor Weishaupt erweiset, haben ihn bewogen Selbst auf einige Tage nachher München zu reissen. Euer Excellenz haben die gute und Protegiren den bessten Von allen unsern Professoren und befördern ihn Vergnügt wieder herunter.
Diese angedeutete Reise nach München hat Weishaupt unternommen und zwar muss der Erfolg derselben ihn mit Lori auf bedeutend intimeren Fuss gestellt haben, weil seine weiteren Briefe an diesen einen vertraulicheren Charakter nunmehr aufweisen und rückhaltlos die Schäden der Universität aufdecken. – Weiterhin ist diese Reise nach München für
[35] Weishaupt von Bedeutung gewesen, weil infolge derselben der Gedanke der Ordensbegründung festere Gestalt annahm. Er schreibt im dritten Abschnitt des Pythagoras, den wir später gänzlich anführen müssen, dass während dieser Anwesenheit auf Anstiften seines Vorfahrers, also eines Jesuitenprofessors, er eine bei Hofe gegen ihn angezettelte Verleumdung glücklich vernichten konnte. Dieser Umstand zeigte ihm die Notwendigkeit eines Rückhaltes und Unterstützung, welcher er entbehrte, denn auch Ickstatt entzog ihm alsbald noch im Frühjahr des Jahres 1775 seine Freundschaft, die schliesslich in Feindschaft ausartete.
Zur weiteren Charakteristik der Zustände der Ingolstädter Universität mögen noch zwei Auszüge aus Briefen des Professor Schollinger dienen, der ebenfalls, wie aus dem Briefe Ickstatts ersichtlich, unter den jesuitischen Umtrieben zu leiden hatte. Derselbe schreibt am 4. August 1774 an Lori:
Was haben die Exjesuiten nicht für Unruhen durch ausgestreute Lästerungen und Verläumdungen aller Orten verursacht? Ist nur ein einziger fremder Professor unangefochten geblieben? Und so wird es immer sein, so lange man ihnen noch Lehr und Beichtstühle lässt und sie beisammen in Städten, ja wohl gar am Hofe wohnen dürfen. –
Am 19. September 1774 klagt er gegen Lori:
Soll denn kein Mittel mehr übrig sein, diese Leute zu demütigen und zur Erkenntnis ihrer selbst zu bringen? Ich glaube die Erbsünde des jesuitischen Instituts kann durch keine Taufe abgewaschen und vertilgt werden. Nehme man ihnen die Stühle: Lehr, Predigt und Beichtstühle, so werden sie gewiss weniger schaden können.
Es muss unter solchen Umständen nicht leicht gewesen sein, an der Ingolstädter Universität eine Professur zu bekleiden, denn es ist augenscheinlich, dass Parteispaltungen unter den Professoren eintreten mussten. Aber auch diejenigen, die der Jesuitischen Partei nicht angehörten, spalteten sich wiederum in Parteien, hervorgerufen durch das Protektionswesen Ickstatts.
Weishaupt, der selbst seine Stellung der Protektion Ickstatts, Loris und der Fürsprache des Professors von Leitner [36] verdankte (letzterer empfiehlt ihn an Lori in einem Briefe vom 19. Oktober 1771 wärmstens), war jedoch keinesfalls einverstanden, ihm unfähig scheinende Leute durch den Protektionsweg mit weiteren Professuren bedacht zu sehen, zumal nach seinem Urteile schon genügend träge und minderwertige Professoren, deren Arbeit er schliesslich übernehmen musste, vorhanden waren. – Wir kommen hier zu einem Kapitel, das näher beleuchtet werden muss, weil von neueren Schriftstellern ganz besonders die Undankbarkeit Weishaupts gegen Ickstatt als Kennzeichen seines minderwertigen Charakters hervorgehoben wird, sowie seine Sucht, Ämter an sich zu reissen. An der Hand der Originalbriefe wird nun vieles recht anders erscheinen.
Weishaupt schreibt an Lori am 7. Januar 1775 von Ingolstadt aus:
– – – Im Übrigen aber finde ich Vor gut Euer Excellenz in secreto einige Mängel so wohl bey dem Wesen Universitatis, als auch bey unserer Facultät anzuzeigen damit Euer Excellenz seiner Zeit einmahl davon gebrauch machen könnten, ich schreibe nichts, was ich mir nicht zu erproben getraue, und wo Von nicht das ganze hisige Publicum hin länglich berichtet ist.
1. Besteht unsere Facultät in Professoribus am elendsten. Professor Brugger, Sutor und Weinbach sind gänzlich unactif und Domini Commodi und können nicht, kurz sie sind gar nicht Modern; unterdessen ist es aber doch noch ein Glück, dass wir sie haben, sonst Musten alle responsa liegen bleiben. Professor Schmid et Siardi sind emsige Leute, wollten gern und können nicht, im Dociren sind sie aber doch nicht glücklich und finden gar keinen Beifall. Sutor und Weinbach beschweren die Facultät am meisten, der eine durch sein nun wachsendes alter, Ersterer aber durch seine ausserordentliche Comodität und wird auch Von den Academicern besonders ausländer erstaunlich durchgelassen, welche sich alle beschweren, dass sie sich in deren Plan durch die Pandecten als Ihren Haubtstudio hintergangen finden, ich habe auch auf ungestüm und Verhalten der Studenten mich bey ihm erbotten, statt seiner die Pandecten zu lesen, er wollte sich aber noch nicht dazu Verstehen Vermuthlich weill ihn das Geld reuen wird und anderst wird es wohl nicht thunlich seyn, denn die Ausländer wollten mich durchaus haben, weill sie auf alle übrigen geringes Vertrauen sezen. [37] sollte es denn nicht möglich seyn, das künftiges Jahr unsere Facultät durch einen activ Redner geholffen würde wozu ich keinen besseren kenne als Herrn Kanzler Thomasini. sollte dieses nicht sein können, so will ich nächstes Jahr die Kirchen Historia fahren lassen und ein drittes Vor die ausländer notwendiges Collegium Pandecten oder Jus Publicum über mich aushören, denn in diesen beyden glaube ich sollten die bessten Leut angestellt werden, weill sie die ausländer Am meisten anziehn. Kurz unsere Facultät ist in Docenda die schlechteste. – –
Zu diesem Brief ist die Erklärung zu geben, dass Professor Weinbach ein Verwandter Adam v. Ickstatts war. Noch vor dem Tode des kränklichen Peters v. Ickstatt – letzterer fungierte, wie wir schon angaben, als Vertreter des Direktors – wurde Weinbach zur Unterstützung desselben mit den Vorlesungen über Institutionen, Natur- und Völkerrecht betraut, um als Ordinarius später die Erbschaft des Verstorbenen anzutreten. Weinbach hatte als Verwandter einen starken Rückhalt an Adam v. Ickstatt und suchte ihm ergebene Leute als Professoren anzustellen. Namentlich war es ein gewisser Rhormüller, der von ihm protegiert wurde, jedoch Weishaupt und anderen Professoren gar nicht genehm war. Hierüber entbrannte ein heftiger Kampf, der, wie aus den im Münchener Archiv bewahrten Brief ersichtlich, schliesslich eine solche Schärfe erhielt, dass ein Bruch zwischen Weishaupt und Ickstatt die Folge war.
Dieser Briefwechsel wird von Gegnern Weishaupts ganz besonders gern als ein Beweis seiner Verleumdungssucht und Herrschsucht angezogen, wer jedoch vorurteilslos deren Inhalt liest, die sämtlichen Umstände, namentlich das unerquickliche Verhältnis unter den Professoren berücksichtigt, wird aus dem Ton der Briefe bald anderer Meinung werden. Auch ist ganz besonders scharf zu betonen, dass Weishaupt im März 1775 zum Dekan seiner Fakultät gewählt worden war und als solcher verpflichtet war, dem Mitdirektor Lori die Schäden der Universität aufzudecken. Der Dekan wird noch heute von den ordentlichen Professoren jeder einzelnen Fakultät als deren Vertreter erwählt; die so erwählten Dekane bilden mit dem Rector Magnificus zusammen den kleinen Senat. Selbstverständlich bildet der Zustand der Universität den Gegenstand ihrer Sorge.
[38] Es kann daher nicht besonders verwundern, wenn Weishaupt, der sich als Professor bereits gegen die Anstellung des schon genannten Rhormüller, den er für gänzlich unfähig hält eine Zierde der Universität zu sein, aussprach, in seiner Eigenschaft als Dekan sich noch schärfer ausspricht, nicht nur über diesen, sondern auch über den ihn protegierenden Weinbach, durch dessen Kommodität er sich gezwungen sah, immer mehr Arbeit auf seine Schultern zu nehmen.
Nachdem Weishaupt am 19. März 1775 in einem Brief namens der Fakultät zuerst Lori bittet, sich nicht zur Anstellung des Rhormüller überreden zu lassen, welcher Vorschlag des Professor Weinbach gegen den Wunsch des gesamten Kollegiums geschehen sei, weswegen auch die Fakultät und die übrigen weltlichen Professoren auf das Höchste gegen ihn aufgebracht seien, sagt er dann wörtlich weiter:
– wir hätten nicht geglaubt, dass unsere Nachsicht den Streich verdient hätte, den er uns heimlicher weis spielen will. Wir wollen alle Quellen entdecken, aus welcher bey dieser Sach gehandelt wird. ich will Ihre Excellenz zum Vorherein avertiren, dass Interesse und weitere Intriguen mit unterlauffen. ich trug Bedenken unsern bericht gegenwärtig schon hinaufzuschicken, so lange der alte Herr von Ickstatt noch in München ist, ich bitte nur inständig Eure Excellenz wollen Verhindern, dass der von ihm vorgeschlagene Rhormüller nicht angenehmigt werde.
1. Glaubt die Fakultät Verdient zu haben, dass er[5] es zum wenigsten Vorher einem der Fakultät angebotten hätte.
2. Hätte er diesen Menschen nicht in consulta facultatis[6] Vorschlagen sollen, wobei uns dadurch Tort geschehen kann.
3. Will dieser Rhormüller, der ein sehr Mittelmässiger Mensch und ehemaliger Famulus der Professor Schmied ist hierdurch uns zur Professur seyn.
4. folglich Übernihmt er die Instituten gratis, wo er einen andern bezahlen müsste.
5. Hat selber sich angebotten eine Schwester Von dem Herrn Weinbach zu heurathen.
[39] 6. ist der alte Herr von Ickstatt durch die Frau Heppenstein[7] dazu beredet worden.
7. erfordert der Zustand unserer Facultät dass auf Abgang eines Professoris ein sehr excellentes Individuum hergesetzt werde, sonst ist es mit uns geschehen. – – – –
Am 26. März 1775 schreibt Weishaupt:
Ich habe in meinem letzten Brief die gnad gehabt Eure Excellenz die Verlegenheit anzuzeigen, in welche unsere Facultät durch das Betragen des Herrn Professor Weinbach gesetzt worden, da wir nun aber durch sicheren beweis Vernehmen, dass es an sich schon so weit gekommen sey, dass Herr Rhormüller durch Titl. Herrn Baron Ickstatt[8] nach München abgerufen worden, so bleibt uns kein anderer Trost in unserer Verlassenheit Übrig, als uns dessentwegen noch einmahl an Eure Excellenz zu wenden als Von dero bekanntem Patriotismus Lieb zu dero Wissenschaften und abgeneigtheit gegen alle Interessierten absichten, wir noch allein hoffen können, dass unsere billigst Bedenken erwogen und der circulus Juris consultorum Von welchem Hochdieselben selbst ehmahlen ein Mitglied waren, nicht auf eine so erbärmliche art herunter gesezt werden möge. Wir können uns also:
1. Mit sichern Grund darauf berufen, dass Herr von Weinbach dieses Jahr sein officium sehr nachlässig vertretten; dass er dessentwegen mehreremahlen die empfindlichste Ahndungen von Serenissimo erhalten und sollte ich als Deputatus facultatis Juridico in München erscheinen, so werde ich zur Rechtfertigung unserere Ehre die Intriguen aufdecken, welche er, solche gnädigste Befehle zu Eludiren[9] mehrmalen getrachtet.
2. Kann ich würklich behaubten, dass in dieser ganzen sach, ubi de Jure tertii agitur, alles ohne Vorwissen der Facultät geschehen und wo noch Professures Vorhanden wären die facultas publici legendi ad extrarum dociret werden.
3. Müssen Sie dabey auf den Gedanken Verfallen, dass es folglich dem Herrn von Weinbach darum zu thun sey, wie er tausend Gulden besoldung erhalten und doch nichts zu thun haben möge. in dieser Absicht
[40] 4. Konnte er auf Niemanden andern als Herrn Rhormüller verfallen, Von welchem er Vermuthen konnte, dass er seine Instituten gratis übernehmen würde, indem derselbe Ehrgeizig all Weg und Mittel ergreift sich den Weg zur Professur zu bahnen, welches umso sichtbarer ist, als er sich schon durch Verschiedene Heuraths Vorschlage dazu empor schwingen wollte. Wie wir denn nicht untersuchen wollen, ob nicht auch gegenwärtig eine solche absicht mit unterlauffe. ob durch solche Wege der gesunkene Credit und ansehen unserer Facultät kann hergestellt werden und ob Wir nicht Vielmehr nicht nur singuli sondern de toto auf das ärgste herunter gesetzt werden, können Eure Excellenz daraus entnehmen, als
5. Herr Professor Weinbach auch facta cessione in den Pandecten doch noch remissive gehen will.
6. dieser zu substituirende Rhormüller, bey dem Herrn Professor Schmid wirklich als famulus zu Tisch dient den heurigen Kostgängern alldort die Teller wechselt auch mit 30 oder 40 studenten Tuzbruder ist.
anbei 7. mehreremale erhört worden, dass ein simplex Licentiatus Juris bey uns facultatem de superiore Cathedra in auditoria publica legendi erhalten habe. so überdies
8. zu beforchten steht, dass unter den academicis besonders ausländern eine gährung entstehe, als welche Vorschüzen schon einen Repetitorem zu haben.
Bey so bewandten Umständen erlasse ich für Eure Excellenz tiefster Einsicht, ob nicht hiesige Universität eine sehr Üble nachrede zu erwarten haben, wenn die allhier studierenden ausländer solche anstalten und nachrichten ausser lands Verbreiten.
Wir können dabey Eure Excellenz aufs Theuerste Versichern, dass von unserer Seite weder Privathass noch Vortheil mit unterlauffen, Wir wünschen Vielmehr, dass unsere Facultät noch mit einem berühmten arbeitsamen, erfahrenen und Philosophen Lector vermehrt werde, welche gaben dem Herrn Rhormüller ganz gewis Mangeln und da Ihro Churfürstl. Durchlaucht in dero Weitem lande nur 6 Juristen Professores zählen und diese zum Unterricht Junger leut sehr wichtige Professoren sind, so sind wir allerdings der Meinung dass hierzu nicht der nächst beste genohmen, sondern eine strenge auswahl getroffen werde. Die gnade mit welcher Eure Excellenz die Briefe anderer Professoren beehren lassen uns Verhoffen, dass unsere [41] Facultät einer baldigen gnädigen erklärung gewürdiget werde in der Hoffnung dass unserm gewiss billigen gesuch willfahren werde verharre ich
- Eure Excellenz
- Unterthänig gehorsamster
- Weishaupt Decanus.
- Unterthänig gehorsamster
- Eure Excellenz
Wir gaben hier den ganzen Brief wieder, damit aus dem Tone desselben jeder klar erkennen kann, dass aus diesem gewiss nicht irgend welche Absicht, Ämter an sich zu reissen, gelesen werden kann, sondern klar hervorgeht, dass sich Weishaupt verdienter Männer nicht entgegenzustellen beabsichtigt. Die Gründe seiner Abneigung gegen Rhormüller sind klar angegeben, sie müssen auch Lori einleuchtende gewesen sein, so dass er zu Schritten im Sinne Weishaupts geneigt war, sonst würde Weinbach am 15. April 1775 nicht an Lori schreiben:
– – – Eure Excellenz recommandiren Einigkeit, ich für meinen part hüte mich gewiss ein Ruhestörer zu seyn, mögten nur Andere ebenso denken, dass in unserm Decanus Pr. W–pt unser bisheriges System Verwirrt und auf einmal á depit den Mönchen den prf. Stadler das proncancellariat zuschanzen mögte, auch mit der Stadlerischen Cohorte calludiret und gross confussion und Chicane macht wird Euer Excellenz bekannt seyn. ich hielte mich dagegen auf, musste aber bald eine Chicane erfahren, indem er den Rhormüller Verschwärzt und ich aktenmässig zeigen kann, dass er wieder Rhormüller nichts einzuwenden habe, sondern nur mir eine Chicane spielen wolle.
Diese Ansicht des Schikanespielens allein wird man nicht gut teilen können nach dem Briefe Weishaupts, der vielmehr derartig klingt, als wolle er wirklich das Ansehen der Universität wahren. Charakteristisch jedoch ist die Hartnäckigkeit Weinbachs, mit der er in demselben Brief Lori vorschlägt:
wie wäre es denn, wenn Rhormüller auf seine Kosten nach Göttingen ginge und alsdann bey nächster Vacantur als Professor aufgestellt würde?
Es ist klar, dass zwei Männer, die mit gleicher Hartnäckigkeit ihre entgegengesetzten Ziele verfolgen, sich unversöhnlich
[42] befeinden mussten, gleichviel zunächst, aus welchen Gründen sie es taten.
Dass Lori auf seiten Weishaupts stand geht weiterhin aus einem Brief Ickstatts hervor, den letzterer am 25. April 1775 an Lori richtete. Aus diesem Schreiben ist auch mehr als klar ersichtlich, dass die Freundschaft zwischen ihm und Weishaupt gänzlich in die Brüche ging. Ickstatt schreibt:
Aus Eurer Excellenz Werthe Zuschrift nehme fast ab, dass dieselbe dem Boshaften und Undankbaren Professor Weishaupt allzu geneigtes gehör gegeben; nur dessenthalben hatte er so dieses nicht Verdient, weil er sich offenbahr Zu der Sten Parthey hält. Wenn diesem Menschen kein Gebiss angelegt wird, und nicht anbefohlen wird mehr Bescheidenheit gegen mich zu gebrauchen; so Thue keinen Schritt mehr in Universitäts Sachen und mag gleichwohl das Universitäts Directoriat Hiermit Vacant werden, was ich Sr. Churfürstl. Durchlaucht einberichtet, ist die Wahrheit und er Verdient einen Verweis; dieser Mensch, den ich aus Schlamm und Koth herausgezogen, lässt überall so gar bey den Studenten seine böse Zunge gegen mich zu weit heraus.
Da ich in meiner Zuschrift an Eure Excellenz letzthin des Rhormüller gedacht, habe ausdrücklich hinzugesetzt, dass man demselben wegen dem Suppliren keine Hoffnung zu einer Professor Stelle, ja nicht einmal zu dem Titl eine Hoffnung machen solle. Weil man Bedacht muss seyn die Facultät mit berühmten Professores zu besetzen. Weishaupt ist so wenig als Rhormüller jemahl aus Bayern gekommen, ersterer kann ein geschickter Professor werden, allein ein so abscheulicher Charakter eines undankbaren hochmüthigen und unruhigen Menschen muss er nicht so Strafe bluden lassen?
Der Professor Juris Civilis auf welchen ich meinen Gedanken gerichtet docirt zu Maynz, ist eine Göttingsche Zucht und sehr berühmt.
Die übrigen Punkten beantworte ich Morgen; sezen Sie mich indess gegen die Impertinenzen des Weishaupt in Ruhe, sonst lasse ich alles liegen.
- Verbleibe indessen einmahl allezeit
- Ihro Excellenz
- Gehorsamster Diener
- J. A. Frhr. v. Ickstatt.
- Gehorsamster Diener
- Ihro Excellenz
[43] Bedauerlich ist es, dass dieser nächsttägige Brief, auf den hingewiesen ist, sich im Archiv nicht vorfindet. Von Gegnern Weishaupts wird obiger Brief Ickstatts namentlich angezogen als ein Beweis für dessen minderwertigen Charakter, ohne dass aber diesen der Gedanke kommt zu untersuchen, weswegen Weishaupt seinen Gönner angegriffen hat. Es wird von ihnen a priori angenommen, dass Ickstatt keinerlei Grund gegeben habe, folglich ist Weishaupt zu verurteilen.
Wir sind genötigt, in der Darstellung dieser Dinge sehr gründlich vorzugehen, um den Leser in den Stand zu setzen, durch unverkürzten Abdruck der Briefe sich selbst ein Urteil über den Charakter Weishaupts zu bilden, der unparteiisch sowohl in seinen Schwächen als Vorzügen bisher noch nicht unverschleiert dargestellt worden ist, sondern immer durch die gefärbte Brille besonderer Vorurteile betrachtet wurde. Erscheinen daher dem Leser die bisherigen sowie folgenden Auseinandersetzungen etwas weitläufig, so wolle er bedenken, dass es sich hier um eine beweiskräftige, endgültige und dadurch gründliche Darlegung aller Umstände handelt, die nicht in gedrängter Kürze klargestellt werden können.
Bevor wir die Gründe, welche die Handlungsweise Weishaupts leiteten, weiterhin genau untersuchen, wobei wir uns der Schwierigkeit, diese nach Verlauf von über 125 Jahren noch feststellen zu wollen, klar bewusst sind, ist es notwendig, zur weiteren Charakteristik der Sachlage einen Brief Weishaupts an Lori vom 14. April 1775 auch bekannt zu geben.
Derselbe lautet:
Hochwohlgeborener geheimer Rath Hochgebietender Herr Geheimrath. |
Eure Excelenz soll ich im Namen Meiner Facultät den schuldigen gehorsamsten Dank erstatten, wir haben es hochdemselben zu Verdanken, dass wir von unserm grossen Übel befreit werden und dafür stehen aber auch Eure Excellenz in unserm Facultäts Buch Verewigt eingeschrieben. Herr von Ickstatt ist höchstens gegen mich aufgebracht; er hat mich Versichern lassen, dass ich sein Haus nicht mehr betretten solle. ich tröste mich dabey, dass ich mir keine Vorwürfe zu machen habe und dass ich in dieser Sache wie ein ehrlicher Decanus für meine Facultät gehandelt habe. Überhaupt wünschte ich mit [44] Euer Excellenz nur einige Zeit sprechen zu können, aber das gegenwärtige Kindbett meiner Frau hindert mich nach München diese Ferien zu kommen, so Viel kann ich Eure Excellenz Versichern, dass sehr Ville schön bemäntelte Intriguen gespielt werden, wo von ich alle Triebfedern kenne. Jesuiten eigennuz, Mönch eigennuz und Nepoten eigennuz sind wirklich die von unserer Universität. Wenn es keine frechheit wäre, so wollte ich Eure Excellenz unterthänigst rathen, gegen alle begehren die Von hier in München gestellt werden, Mistrauisch zu sein, und abzuwarten, ob nicht eine von diesen dreyen dahinter stecke. Man weiss, dass ich alle drey beobachte und darum habe ich sehr Ville Freunde. – – – – (Zum Schluss heisst es): Mit Euer Excellenz schreiben an mich Muss mir ein Tort gespielt worden seyn, Man versichert mich Herr v. Ickstatt habe solches abschriftlich und ausser den Professoren Brugger, Sutor, Siardi und Steigenberger hat es doch Keiner zu gesicht bekommen, ich denke noch hinter die Wahrheit zu kommen. Ich bin Übrigens
Es muss für Weishaupt sehr wichtig gewesen sein, trotz der zu erwartenden Niederkunft seiner Frau, mit Lori persönlich in München zu sprechen, sonst hätte er sich sicherlich nicht wiederum auf den Weg gemacht und zwar in einer Weise, die unter seinen Gegnern Verblüffung hervorrief. Er schloss einfach seine Vorlesungen früher, als die eintretenden Osterferien gestatteten, und schlug an die Universitätstafel einen Zettel mit der Bemerkung, dass er die Kollegien am 24. April wieder aufnehmen werde. Da der letzte Brief an Lori vom 14. April datiert ist, ein Brief Weinbachs und Ickstatts an Lori, in denen der angegebene Vorfall bemerkt wird, beide vom 22. April 1775, so dürfte die Reise kurz nach Absendung seines Schreibens von ihm angetreten worden sein.
Der Brief Weinbachs vom 22. April 1775 lautet in den uns hier interessierenden Stellen:
Dass Professor Weishaupt nachhero München abgereist ist, inconsulto[10] rectore et Directore geschehen, wenn er Vorgiebt,
[45] dass er nomine Facultatis gekommen, so ist dieses grundfalsch, indem ich, prof. Schmid, Brugger und Vielleicht andere gar nichts davon wissen: die ruhe der facultät und Universität wird hergestellt, wenn Eure Excellenz, dann andere höhere Ministores diesen berüchtigen Chicaneur kein Gehör mehr geben werden: er Verdient einen Verweis, indem er während Collegienzeit fortgereisst inconsulto Facultate et universitate und noch überdiess ursach ist, dass kein Professor der Juristen Facultät mehr im Collegio fortfahren könne, indem sich die Auditorii auf Prof. Weishaupt und sein Zettel |: welchen er an das Auditorio angeschlagen mit bedeuten des 24. Apr. erst fortfahren zu wollen :| ausreden und deswegen auch in keine andere Collegii erscheinen wollen. Doch bitte, weil ich als Collega mit diesem Ruhestörer leben muss, bey etwaig Vorwerfung meines Nahmens zu Verschweigen.
Fasst man die wiedergegebenen Briefe zusammen und vergleicht sie mit den weiteren Briefen Weishaupts an Lori, so ergibt sich, dass jetzt in allen ihren Einzelheiten zwar nicht mehr ergründbare wichtige Ursachen Weishaupt veranlassten, einen kräftigen Schlag in der Zeit vom 15.—24. April auszuführen, der die bisherige feindliche Stimmung gegen ihn ganz besonders gesteigert haben muss. Ickstatt, welcher am 22. April (Weishaupt war noch nicht zurückgekehrt aus München) an Lori dessen Zettel-Anschlag mitteilt, sagt von ihm in noch nicht allzu gereiztem Tone in demselben Brief: „Dieser Mensch wird undankbar, unverträglich, schlägt sich völlig auf die Stattlersche Parthey“, – versteigt sich jedoch drei Tage später zu dem bekannt gegebenen kräftigen Brief vom 25. April (s. S. 42). Sicher hatte der zurückgekehrte Weishaupt inzwischen von seinen Reise-Ergebnissen nach München, die für ihn günstig verlaufen sein müssen, nicht geschwiegen und den Zorn Ickstatts mächtig heraufbeschworen, dass es sich um Rhormüller dabei handelte, geht deutlich aus den Verwahrungen im genannten Brief an Lori hervor. Es wird von dessen Anstellung weiterhin auch nicht mehr gesprochen. Ebenfalls werden Weishaupts Klagen über die Trägheit Weinbachs von Erfolg gewesen sein, die er wahrscheinlich dem Kurfürsten persönlich vorgetragen hat, wie aus einer Stelle seiner späteren Briefe geschlossen
[46] werden kann. Allerdings war die Wirkung dieser Klage eine ihm unvermutete, wie wir sehen werden.
Bevor weitere Briefe veröffentlicht werden, erinnern wir nochmals daran, dass der hierbei leitende Zweck der ist, den Leser durch dieses Material selbst in den Stand zu setzen, sich ein Urteil zu bilden, ob Weishaupt mit Recht beschuldigt werden kann, infolge seines Ehrgeizes bemüht gewesen zu sein, alle erreichbaren Ämter an sich zu reissen. Es ist die Frage zu beantworten: Ist Weishaupt herrschsüchtig, nur allein für sich interessiert, ein Intriguant für seine Zwecke, kurz ein missratener Charakter, als der er oft hingestellt wird? Muss der Leser eine solche Ansicht unbedingt gewinnen, so lässt selbstverständlich diese für die Zwecke der Ordensbegründung recht ungünstige Schlüsse zu. Die näheren Umstände bis zum 1. Mai 1776 daher genau kennen zu lernen, soweit das heutzutage noch möglich ist, dürfte für ein gerechtes Urteil unerlässlich sein, mag auch unserer heutigen Zeit, diese Professorenstreiterei selbst kleinlich vorkommen. Den damals Lebenden erschien sie nicht so und vielen jetzt Lebenden auch nicht, sonst würden diese Umstände nicht noch heute dazu dienen müssen, durch Schrift und Wort als Beweise der Charakterunlauterkeit des Ordensstifters herangezogen zu werden.
Am 12. Mai 1775 schreibt Weishaupt an Lori folgenden Brief:
Gestern den 11ten Currentis ist mir ein, in der aufschrift an Decan und facultät gerichteter, erbrochener Churfürstlicher gnädigster Befehl zu Händen gekommen, in welchem mir ad interim die letzten Institutionen mit beybehaltung der Vorgeschriebenen tage und stunden aufgetragen wird, ich habe mich so wie ich es gestehen Mus aus blossem Patriotismus Sr. Churfürstlichen Durchl. selbst erbotten in dessen die Institutionen statt des Herrn von Weinbach zu suppliciren und Höchstdieselben haben sich dahin geäussert, dass ich ohnehin schon mit Collegien Überladen wäre und das sie mich davon entübrigen wollten.[11] da ich nun Von der gnädigsten Gesinnung schon Versichert bin, so Mus ich mich höchstens Verwundern, das ich [47] nebst meinen schon 3 aufhebenden Collegiis noch soll Verbunden werden, in der heissesten Jahreszeit, nachdem ich auch Vormittags schon 2 stunden heiser geschrieen über 2 Verschiedene Fächer 2 nach einander folgende stunden hindurch aller Kräfte zu berauben. Ich Mus eure Excellenz offenherzig gestehen, dass dieses mir einmahl unmöglich ist, und dass ich bey meiner nicht starken Leibes Complexion meinen Tod und untergang finden Müsse. Wenn ich Patriotisch bin warum soll mich dann solches wo keine Schuldigkeit Vorhanden ist zu frühzeitig in die Grube liffern.
Dass es Weishaupt mit seiner Ablehnung dieser neuen Arbeitsbelastung ernst war, geht aus diesem Schreiben unzweifelhaft hervor, andernfalls hätte er kaum so derb schreiben können. Er muss sich auch gegen seine Kollegen darüber geäussert haben, denn am 15. Mai 1775, drei Tage nach Abfassung seines Protestes, schreibt Professor Sutor an Lori:
Ich nehme mir die Freiheit Eure Excellenz um Ihre gnädigste Patronanz gehorsamst zu ersuchen. Herr Prof. Weishaupt hat Vermöge eines gnädigsten Rescriptes den Auftrag erhalten statt des Prof. Weinbach die Institutionen ganz auszulesen, allein da derselbe die Auslesung dieses Collegiums als seiner Gesundheit nachteilig betrachtet und selbes bereits verbitten hat, so offeriere ich mich dieser Arbeit zu unterziehen. — — —
Die Entziehung dieses Teiles der Lehrtätigkeit Weinbachs, der damals Rektor war, dürfte Ickstatt als dessen Onkel jedenfalls stark gegen Weishaupt beeinflusst haben, dessen Tätigkeit in München dieses Ereignis doch jedenfalls zuzuschreiben ist, nicht aber kann behauptet werden, dass er nur an sich denkend in seinem Interesse gehandelt habe und nicht wirklich in dem des Universitätsrufes. —
Weishaupts Protest, die Institutionen zu übernehmen, nützte nichts, er erhielt einfach den Befehl, mit den Vorlesungen zu beginnen und fügte sich wohl oder übel, allerdings nur mit dem Ersuchen, ihm dann wenigstens eine Gehaltsaufbesserung zuzuwenden. Er erhielt bis zu dieser Zeit 900 fl. Gehalt. Dieses Verlangen ist ihm von neueren Forschern stark verübelt worden, [48] ob mit Recht, wird der Leser selbst entscheiden, je nach seinen praktischen oder ideelleren Grundsätzen.
Der Brief, welcher hierüber Aufschluss gibt, lautet!
Euer Excellenz Gnädige zuschrift vom 15. Currenti habe ich richtig erhalten und aus solcher so Weit Verstanden das ich mit Lesung der Institutionen den anfang machen soll. Von Meiner Seite kann ich Euer Excellenz melden, dass ich meinem Vaterland zu dienen die bereitwilligste Arth habe und dass ich also dieses amt, so schwer es mich auch ankommt ertragen Will. Wenn ich nur sehe dass der Staat für meinen Unterhalt und für meine Ehre auch besorgt ist und dass Mann mich nicht vor Allen andern blos allein zum Jochziehen ausersehen. ibi Patria est ubi bene est. Wenn ich 3 oder 6 Professoren Versehe, so glaube ich, dass ich mehr nachsicht und billigkeit Verdiene, als solche! weil sie für das Vaterland faullenzen. es ist wahr ich hab mich angebotten aber auf den Fall wenn gar nicht anders mehr zu hoffen, ich fordere nur Billigkeit und wo ich diese sehe, dann bin ich gewiss auch billig, ich wollte jemand, wer er immer ist, in meine stelle setzen und dann sehen ob ich nicht ursach mich zu beschweren habe. Wenn ich mich zu Vielen anerbiete, so zeige ich meinen Diensteifer und meine Liebe zum Vaterland aber dieses alles hat mir eben so wenig grund, als wenn ich weniger davon besässe. ich habe noch niemahlen gehört, dass man mich nur Von der Classe anderer, worin meine Mitarbeiter, unterschieden, noch Viel weniger Von 4facher last etwas mehr Vortheil zugestanden.(Folgt Nebensächliches, dann): unterdessen wenn es unter 100 fl. wäre glaube ich das nicht zu stark bezahlt. Wenn ich es weniger Verstehen und erfahrenere Kräfte hatte, so würde ich es umsonst thun. Wollte man mir die gratis Sporteln des Herrn von Weinbach vor dieses Schuljahr anweisen, so wäre ich woll zufrieden. Ich bin Übrigens mit aller tiefster Hochachtung
Ingolstadt d. 17. May 1775. |
gehorsamster ergebenster A. Weishaupt, Professor. |
[49] Ob nun seiner Bitte um Gehaltserhöhung nachgekommen worden, ist nicht bekannt; bis zu seiner Entlassung im Jahre 1785 ist er jedoch bis zu 1000 fl. Gehalt aufgestiegen. Wahrscheinlich ist, dass er ziemlich lange auf eine Gehaltszulage warten musste, vielleicht hat Ickstatt die inzwischen entstandene Abneigung gegen sein Patenkind durch die Hinziehung dieser Angelegenheit bekundet und dadurch Weishaupt veranlasst, immer schärfer sich über ihn zu äussern. Jedenfalls gab es für Weishaupt eine Menge Dinge, die ihn in grosse Erregung versetzten. Prantl sagt z. B. hierüber in seiner Geschichte der Ludwig Maximilian-Universität, Band I, S. 673 ff.: »Infolge seiner freisinnigen Richtung hatte er in Bälde durch verschiedene Angriffe zu leiden und so äusserte er sich im Jahre 1775 bei Gelegenheit der Frage über die Promotions-Gebühren des Vizekanzlers in einem Fakultätsberichte sehr scharf über die Verleumdungen, welchen man ausgesetzt sei, wenn in den Vorlesungen oder Disputationen die Rede auf das übermütige Vorgehen der Päpste gegen die Kaiser, auf Investitur, auf den westfälischen Frieden und dergleichen komme; er selbst habe gegen manche Missbräuche gesprochen, sei aber in den theoretischen Grundsätzen stets dem Rautenstrauch getreu geblieben, welcher in Österreich in hohem Ansehen stehe: allerdings werde man nicht ebenso wie dort auch in Ingolstadt geschützt, sondern sei dem Aufpasser und jeder Verketzerung preisgegeben; vor Verdruss und Ärger sei er bereits krank geworden und sonach wünsche er, entweder überhaupt von den Vorlesungen über Kirchen- und Natur-Recht enthoben zu werden, damit er nicht noch ferner die Jugend verführe, oder genaue Verhaltungs-Befehle zu bekommen.« — Nach Prantl ist anscheinend nichts hierauf erfolgt, sondern erst im Jahre 1777 wurde er beauftragt, Naturrecht nach Feder als Anhang zur praktischen Philosophie zu lesen.
Zur weiteren Klarstellung des Charakters Weishaupts ist es notwendig, auf die Angaben Weinbachs und Ickstatts einzugehen, welche den Vorwurf enthalten, dass Weishaupt sich zu der Stattler'schen Partei hingewandt haben soll. Aus diesen Bemerkungen ist geschlossen worden, dass er es mit seiner Gegnerschaft wider die Jesuiten nicht ernst gemeint haben könne, weil Stattler exjesuitischer Professor gewesen, demnach unmöglich aus diesem Grunde dessen Freund sein durfte. — Wir müssen hier etwas verweilen.
[50] Benedict Stattler[12], nicht zu verwechseln mit Daniel Stadler, dem einstigen Instruktor und Beichtvater des damaligen Kron- und Kurprinzen Max Joseph, ist geboren am 30. Januar 1728 zu Kötzing im bayrischen Walde, gestorben am 21. August 1797 zu München. Derselbe trat am 17. September 1745 in den Jesuitenorden, wurde 1759 zum Priester geweiht und legte am 2. Februar 1763 die feierlichen Ordensgelübde ab, wurde 1773 erster Professor der Dogmatik an der Universität zu Ingolstadt. Er behielt diese Professur bis 1781.
Stattler war ohne Zweifel einer der hervorragendsten Professoren, jedenfalls der bedeutendste der Theologen, die damals in Ingolstadt lehrten. Er war sich aber seiner Überlegenheit über die meisten seiner Kollegen wohl bewusst, dabei rechthaberisch, herrisch und geriet darum in viele Streitigkeiten auch mit anderen Mitgliedern der theologischen Fakultät, in der er nach 1773 der einzige Exjesuit war, während die übrigen aus anderen Orden oder Weltgeistliche waren.
Im Jahre 1775 ernannte ihn der Bischof von Eichstädt als Kanzler der Universität auch zum Prokanzler. Der Kurfürst bestritt anfangs zwar dem Bischof das Recht, einseitig den Prokanzler zu ernennen, erkannte aber schliesslich die Ernennung an. — —
Stattler hat zahlreiche wissenschaftliche, namentlich theologische Werke veröffentlicht, die ihm in Wien und München Preise eingetragen haben und aus denen hervorgeht, dass seine Ansichten sich weit von denen der herkömmlichen jesuitischen und kurialistischen entfernten: so z. B. lehrte er, dass die Fürsten bezüglich ihrer rein politischen Gewalt vom Papste nicht abhängig seien, die Immunität der Geistlichen nicht auf göttlichem Recht, sondern auf einer Konzession der Fürsten beruhe; der Fürst Bedingungen für die Gültigkeit der Eheabschliessungen und trennenden Ehehindernisse aufstellen könne und die Kirche eine nach staatlichem Recht ungültige Ehe nicht gültig erklären kann.
Vergleichen wir mit diesen historisch unangreifbaren Tatsachen einige der bereits bekannt gegebenen Briefe (S. 41 und 42), so wird die Sachlage bald klar. — Stattler ist dem [51] nach Geistesfreiheit ringenden Weishaupt ein freier als alle anderen Theologen denkender Kopf, das musste ihm wenigstens anfänglich bis zum Jahre 1775 sympathisch sein, denn Stattler veröffentlichte diejenigen Schriften, die Weishaupt veranlassten, sein besonderer Gegner zu werden, erst später. — Weishaupt gibt nun in dem Briefe vom 7. Januar 1775, der bereits teilweise im Wortlaut (s. S. 36/37) wiedergegeben ist, folgendes im Anschlusse an dem dortigen Inhalte an:
2. was die übrigen Professoren betrifft, so bitte ich Eure Excellenz uns mit neuen Mönchen Professoribus zu verschonen, denn gegenwärtig schon amtlich angestellte sind so Ambitios und Intriguant als jemahlen ein Jesuit seyn kann. — — — —
Sollt ich einmahl die gnad haben Eure Excellenz zu sprechen, so will ich hochdenselben vorher Manchen Streich berichten. Niemahlen sollte man es glauben, das solche Kerls unter den Kutten eines Mönchs stecken könnten, besonders nehmt sich Prof. Steigenberger sehr stark um Titl und ämter an, thut aber doch sehr wenig, ich finde es wäre gut die Jesuiten nicht gänzlich auf der Universität abgehen zu lassen, denn sie sind die einzigen, die den Prälaten, Klöstern und Mönchen Dominirent entgegen stehen. — —
Da wir wissen, dass anno 1775 Stattler an der Universität der einzige[13] Exjesuit war und dass er als Theologe hochbedeutend, so ist, wie ein Abwägen des letzten Briefes und der Anschuldigungen Ickstatts und Weinbachs ergibt, Weishaupt seinen gegen Lori ausgesprochenen Ansichten nur getreu, wenn er den einzigen an der Universität noch angestellten Exjesuiten Stattler unterstützt. Ob er, bei aller Möglichkeit des diesbezüglichen Wunsches, in der Lage gewesen wäre, das Prokanzellariat zuzuschanzen, wie Weinbach behauptet, erscheint deshalb sehr fraglich, weil der Bischof von Eichstädt und der Kurfürst darüber zu entscheiden hatten, auf beide jedoch in dieser Hinsicht Weishaupt kaum irgend welchen Einfluss haben konnte. — Nur Gründe sachlicher Natur können Weishaupt im Interesse der Universität zur Annäherung an Stattler veranlasst haben, wenigstens lässt der Briefwechsel diese Schlussfolgerung recht wohl
[52] zu. Bedenkt man ferner, dass später eine allbekannte Gegnerschaft zwischen Weishaupt und Stattler entstand, begründet durch ihre verschiedenen theologischen Ansichten, so ist nicht recht einzusehen, wieso die im Jahre 1775 bewiesene freundschaftliche Gesinnung Weishaupts als Beweis der Unzuverlässigkeit seines Charakters heute noch angesehen werden kann. — Wir wollen hier einschalten, dass Stattler, gereizt durch die Gegnerschaft Weishaupts, nachdem die Verfolgung der Illuminaten in Bayern ausgebrochen war, als Entgelt eine bissige Broschüre anonym herausgab, betitelt: »Das Geheimnis der Bosheit des Stifters des Illuminatismus in Bayern, zur Warnung der Unvorsichtigen hell aufgedeckt von einem seiner alten Kenner und Freunde.«
Es ist bekannt, dass diese Schrift von Stattler herrührt. —
Einen besonderen Punkt haben wir nochmals zu berühren: nämlich die so oft hervorgehobene Undankbarkeit Weishaupts gegen Ickstatt, die seit einer Bemerkung Kluckhohns in seinem Werke »Der Freiherr von Ickstatt« wiederholt als Beweis angeführt wird. Weishaupt soll im Oktober 1774 Ickstatt einen eigennützigen und kindischen Menschen genannt und von seinem so berühmten Nepotismus in einem Briefe an Lori geschrieben haben. — Das Original dieses Briefes aufzufinden ist dem Schreiber dieses bisher noch nicht gelungen. Es ist nicht zu zweifeln, dass ein solcher Brief vorhanden ist, er wird jedoch nicht vom Archiv ausgeliefert; in dem Aktenfascikel der Reihe der Briefe an Lori befindet er sich nicht, wenigstens nicht mehr, es liegen daher unbekannte Gründe vor, diesen Brief nicht wie das übrige Material allgemein zugänglich zu machen. Auch scheint es, dass das Jahr 1774 nicht richtig ist, denn in diesem Jahre ist ein offenbarer Bruch zwischen beiden Männern nicht ersichtlich, wohl aber haben die Ereignisse des Jahres 1775 einen solchen bewirkt. Erstens der Fall Rohrmüller und weiter die nachfolgende Angelegenheit:
Im November 1775 war dem Kandidat beider Rechte, Ernst Christoph Henninger aus Württemberg das consilium abeundi von Ickstatt zugeteilt worden, infolgedessen schrieb dieser dem Universitäts-Justiz-Kollegium zu Ingolstadt, am 15. November 1775, dass dieses consilium abeundi ihn in den Augen der Leute zum Verbrecher mache und ihm die ganze Zeit seines Lebens schädlich sein müsse. Da er aber keines Verbrechens angeklagt, vielweniger darüber vernommen, am allerwenigsten aber [53] desselben überführt worden sei, so sehe er sich genötigt, das Universitäts-Kollegium anzugehen, seine Ankläger in specie den Herrn Geheimrat Baron v. Ickstatt zu provozieren und so sie nicht erscheinen oder Ihre Klage nicht rechtlich zu beweisen imstande sind, um einen Freispruch und attestat zu bitten.
Dieser Angelegenheit schlossen sich mit schriftlichen Gutachten die Professoren Pragger, Sutor, Schmidt, Siardi und Weishaupt an. Weishaupt schrieb in seinem Gutachten (s. No. 20 d. Lippertschen Akten), dass Henninger ein Recht habe auf Ablieferung der ihm gemachten Beschuldigungen, die sich auf Narreta gründen, so an Serenissimus berichtet worden. Wenn eine blosse Anklage, ohne Erhebung der Umstände hinlänglich sei, gleich ohne Grund das consilium abeundi zu sprechen, so ist der ehrlichste Mensch nicht vor Landes Verrufung sicher. Er sagt dann wörtlich:
»Vielleicht sind Ihro Excellenz Herr Baron v.Ickstatt auch falsch berichtet worden, und ich kann mich an die Stelle des Herrn Henningers um so mehr setzen, als ich selbsten auch von Sr. Excellenz in München als ein Religionsspötter, Verächter der Geistlichkeit und Verderben junger Leute angeklagt worden. Wenn nun gegen mich auch ein dergleichen Befehl gangen wäre sollte ich wohl dazu geschwiegen haben, es wäre gut wenn durch gesetzmässige erhebung eines facti Se. Excellenz einmal Informiert wurden, das man bey demselben ehrliche Leute zu Verläumden sucht, sollte man bey diesem Fall neue Gelegenheit nehmen gegen mich zu behaubten, das ich lüderliche unterstütze so kann ich doch nicht anders denken und sprechen, so bald ein (unleserlich) als lüderlich bekannt ist so unterstütze ich ihn gewiss nicht mehr, so lange aber solches nicht geschehen ist, kann ich nicht, es mag seyn wie es immer will.« — —
Es ist wohl jedem einleuchtend, dass einem Professor der Rechte ein ohne ersichtlichen Grund und Beweis verhängtes consilium abeundi, als mit der Würde der Universität unvereinbar erscheinen muss, gleichviel ob der, der es verhängt, der Pathe und teilweiser Wohltäter dieses Professors ist. — Es liegt anscheinend zu dem Urteile, das Kluckhohn gelesen haben will, nach ihm aber noch kein Forscher wieder in Händen gehabt hat, um auch die Begründung zu erkennen, die Weishaupt veranlassten, seinen Pathen Ickstatt eigennützig und kindisch [54] zu nennen, recht viel Berechtigung vor. Dass Ickstatt sich jedoch des Nepotismus schuldig machte, ist bereits längst erwiesen und wird auch durch Prantl Seite 573 in folgenden Worten bestätigt:
Soweit nun wir Epigonen uns aus dem Aktenstaube ein gerechtes Urteil zu bilden versuchen dürfen, können wir allerdings den Ickstatt von einem gewissen Nepotismus und von Geldsucht nicht freisprechen, sowie auch sein Benehmen häufig schroff und hochfahrend gewesen sein mag, aber dabei lag ihm doch das Wohl der Universität und des ganzen Landes tief am Herzen. – – –
Dass letzteres auch bei Weishaupt der Fall gewesen, dürfte das vorstehende Material ebenfalls hinlänglich beweisen.
- ↑ Die Studienordnung der Gesellschaft Jesu von 1599 schrieb den Professoren der niederen Klassen vor: »Die Jünglinge, die man der Gesellschaft Jesu zur Erziehung anvertraut hat, unterrichte der Lehrer so, dass sie zugleich mit den Wissenschaften besonders die eines Christen würdigen Sitten gewinnen. Er wache darüber, dass alle der Messe und Predigt beiwohnen; und zwar der Messe täglich, der Predigt aber an den Festtagen.... Der christliche Unterricht soll besonders in den Klassen der Grammatik und, wenn nötig, auch in andern Freitags und Sonnabends auswendig gelernt und hergesagt werden.... Er halte auch Freitags oder Sonnabends eine halbstündige fromme Exhorte oder Erklärung des Katechismus; er dringe vorzüglich auf tägliches Gebet, besonders auch zur täglichen Abbetung des Rosenkranzes oder der Tagzeiten Mariä. ... Er empfehle sehr die geistige Lesung, besonders aus dem Leben der Heiligen, er bemühe sich, dass niemand die monatliche Beichte unterlasse.« Pachtler I. c. II, 379—381.
- ↑ Original im Archiv des Historischen Vereins zu München, unter den Lippertschen Akten.
- ↑ Geschichte der Ludwig-Maximilians Universität in Ingolstadt, Landshut, München. Zur Festfeier ihres 400 jährigen Bestehens im Auftrage des Akademischen Senates verfasst von Dr. Carl Prantl, München 1872.
- ↑ Archiv der Universität C. I. 15. Mai 1772 findet sich ein wirklich giftgeschwollenes Zirkular des Rektors Leitner über Ickstatts Benehmen im Senate.
- ↑ Weinbach.
- ↑ Als durch Beschlüsse der Fakultät.
- ↑ Dieselbe war Ickstatts Nichte.
- ↑ Weishaupt war also überzeugt, dass dieser Rhormüller ebenfalls protegiert, weswegen sein Unwille auch gegen den Paten gereizt wurde.
- ↑ Auszuweichen.
- ↑ Ohne Besprechung mit dem Rektor und Direktor.
- ↑ Hieraus scheint hervorzugehen, dass er diese Äusserungen während seines zweiten Aufenthaltes in München in Audienz erhalten hat.
- ↑ Nachfolgende Angaben finden sich »Allgemeine Deutsche Biographie, auf Veranlassung S. M. des Königs von Bayern durch die historische Kommission der kgl. Akademie der Wissenschaften«, Leipzig, 1893, Bd. 35, Artikel Stattler.
- ↑ S. Prantl, Seite 661.
Anmerkungen (Wikisource)
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