Geisterbesuch auf dem Feldberg

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Siehe auch: Geisterbesuch auf dem Feldberg (Werkausgabe 1834)
Textdaten
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Autor: Johann Peter Hebel
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Titel: Geisterbesuch auf dem Feldberg
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 428–434
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[428]
Geisterbesuch auf dem Feldberg.[1]

Hani gmeint, der Denglegeist, ihr Chnabe vo Todtnau,
Seig e böse Geist, – jez wüßti andre B’richt z’ge.
Us der Stadt, das bini und will’s au redli bikenne,
Mengem Chauf-Her verwandt, vo siebe Suppe ne Tünkli,

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Aber e Sunntig-Chind. Wo näume luftige Geister

Uffem Chrüzweg stöhn, in alte G’wölbere huse,
Und verborge Geld mit füürige Auge hüete,
Oder vergosse Bluet mit bittere Thräne wäsche,

[429]

Und mit Grund verschare, mit rothe Nägle verchratze,

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Sieht’s mi Aug’, wenn’s wetterleicht; sie wimmsle gar sölli.

Und wo heiligi Engel mit schöne blauen Auge
In der tiefe Nacht in stille Dörfere wandle,
An de Fenstere lose und, höre sie liebligi Rede,
Gegen enander lächlen und an der Huusthüre sitze,

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Und die frumme Lüt im Schlof vor Schade biwahre,

Oder wenn sie, selbander und dritt, uf Gräbere wandle,
Und enander sage: „Do schloft e treui Muetter,
Do en arme Ma, doch hett er Niemes betroge.
Schlofet sanft und wohl, mer wennich wecke, wenn’s Zit isch!“

20
Sieht’s mi Aug’ im Sterneliecht und höri sie rede.

Menge chenni mit Name und wemmer enander bigegne,
Biete mer is d’Zit und wechsle Reden und Antwort:
„Grüeß di Gott! Hesch gueti Wacht?“ – „Gott dank der! so ziemli.“ –
Glaubet’s oder nit! Ne mol, se schickt mi der Vetter

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Todtnau zue, mit allerhand verdrießliche G’schäfte. –

Wo mer’s Kaffi trinken und Ankeweckli drin tunke:
„Halt’ Er si nienen uf und schwetz’ Er nit, was em in’s Muul chunnt,“ –
Rueft mer der Vetter no – „und loß Er sie Tabatiere
Nit im Wirthshuus liege, wie’s sust bim Here der Bruuch isch.“ –

30
Uf und furt, i gang, und was mi der Vetter ermahnt het,

Hani richtig versorgt. Jez sitzi z’Todtnau im Adler –
Und jez gang i spaziere und mein’, i chönn nit verirre,
Mein, i seig am Dorf; z’letzt chresmi hinten am Feldberg;
D’Vögel henn mit g’lockt und an de Bächlene d’Blüemli.

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Selle Fehler hani, i cha mi an Allem verthörle. –

Drüber wird es chüel und d’Vögel sitze und schwige.
’s streckt scho dört und do e Stern am düstere Himmel
’s Chöpfli usen und luegt, öb d’Sunn echt aben in’s Bett seig,
Oeb er echt dörf cho, und rüeft den Andere: „Chömmet!“

40
Und i ha kei Hoffnig meh. Druf legi mi nieder.

’s isch e Hütte dört und isch en Aerpfeli Strau drinn.
„O du liebe Zit,“ – so denki, – „wenn i deheim wär’!
Oder es wär’ scho Mitternacht! Es wird doch e G’spenstli
Näume dohinte si und z’Nacht um Zwölfi verwache,

[430]
45
Und mer d’Zit vertribe, bis früeih die himmlische Liechter

D’Morgeluft verlöscht, und wird mer zeige, wo’s Dorf isch.“
Und jez, woni’s sag, und mittem vordere Finger
’s Zitli frog, wo’s Zeigerli stand, – ’s isch z’finster für’s Aug gsi. –
Und wo’s Zitli seit, ’s gang ab den Oelfen, und woni

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’s Pfifli use leng und denk: jez trinki no Tuback,

Aß i nit verschlof – bim Bluest! so fangen uf eimol,
Ihrer Zwe ne G’spröchli a. I mein, i ha g’loset! –
„Gell, i chumm hüt spot? Drum isch e Meideli g’storbe
Z’Mambach; ’s het e Fieberli g’ha und leidige Gichter.

55
’s isch em wohl. Der Todesbecher hani em g’heldet,

Aß es ringer gang; und d’Auge hani em zuedruckt.
Und ha g’seit: Schlof wohl! Mer wenn die wecke, wenn’s Zit isch. –
Gang und biß so gut und hol mer e wengeli Wasser
In der silberne Schaale, i will jez mi Sägese dengle.“

60
Dengle? hani denkt, e Geist! und düsele’n use.

Woni lueg, so sitzt e Chnab mit goldene Fegge
Und mit wißem G’wand und rosefarbigem Gürtel
Schön und lieblig do, und nebenem brenne zwei Liechtli.
„Alli guete Geister…“ sagi, – „Her Engel, Gott grüeß di!“

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„Loben ihre Meister!“ – seit druf der Engel – „Gott dank der!“ –

„Nüt für übel, Her Geist, und wenn e Frögli erlaubt isch,
Sag mer, was hesch du denn z’dengle?“ – „D’Sägese“ – seit er.
„Jo, sel siehni,“ – sagi – „und ebe das möchti gern wisse,
Wozue du ne Sägese bruuchsch?“ – „Zuem Meihe, was hesch g’meint?“

70
Seit er zue mer. Druf sagi: „Und ebe das möchti gern wisse;“

Sagi zuenem, – „Isch’s verlaubt? Was hesch du denn z’meihe?“
„Gras; und was hesch du so spot do hinte z’verrichte?“
„Nit gar viel,“ – hani gseit – „i trink e wengeli Tuback;
Wäri nit verirrt, wohl wär’s mer z’Todtnau im Adler.

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Aber mi Red nit z’vergesse, se sag mer, wenn d’witt so guet sy,

Was du mittem Gras witt mache?“ – „Fuetere“ – seit er. –

[431]

„Eben und das nimmt mi Wunder, do wirsch doch, Gott will, ke Chue ha?“ –
„Nei, ne Chue just nit, doch Chalbele,“ – seit er – „und Esel;
Siehsch dört selli Stern?“ – Druf het er mer obe ne Stern zeigt.

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„’s Wienecht-Chindli’s Esel, und’s heilige Friedeli’s Chalble[2]

Othme d’Sterne-Luft dört oben und warten ufs Fueter.
Und dört wachst kei Gras! Dört wachse numme Rosinli“ –
Het er g’seit – „und Milch und Hunig rieslen im Bäche,
Aber ’s Vieh isch semper, ’s will alli Morge si Gras ha,

85
Und e Löckli Heu! und Wasser us irdische Quelle.

Dordurwille dengli jez und willi gho meihe.
Wärsch nit der Ehre werth, und seisch, de wellsch mer au helfe?“ –
So het der Engel g’seit. Druf sagi wieder zuem Engel:
„Lueg, ’s isch so ne Sach: Es sott mer e herzligi Freud sy;

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D’Stadtlüt wisse nüt vo dem; mer rechnen und schribe;

Zähle Geld, sell chönne mer, und messen und wäge,
Laden uf und laden ab, und esse und trinke.
Was me bruucht in’s Muul, in Cuchi, Cheller und Chammer,
Strömt zu alle Thoren i, in Zeinen und Chretze;

95
’s lauft in alle Gassen, es rüeft an allen Ecke:

Chromet Chirsi, chromet Anke, chromet Andivi!
Chromet Ziebele, geli Ruebe, Peterliwurze!
Schwebelhölzli, Schwebelhölzli, Bodekolrabe!
Paraplü’, wer koof? Reckholderberi und Chümmi?

100
Alles für baar Geld und Alles für Zucker und Kaffi, …

– Hesch du au scho Kaffi trunke, Herr Engel, wie schmeck’s der?“ –
„Schwetz mer nit so närsch!“ – seit druf der Engel und lächlet –
„Nei, mer trinke Himmelsluft, und esse Rosinli,
Vieri alle Tag, und an de Sunntige fünfi.

105
Chumm jez, wenn de mit mer witt, jez gangi go meihe,

Hinter Todtnau abe, am Weg, an grasige Halde.“ –

[432]

„Jo, Herr Engel, frili willi, wenn de mi mit niemsch,
’s wird afange chüel. J will der d’Sägese trage.
Magsch e Pfifli Taback rauche, stohts der zue Dienste!“ –

110
Sieder rüeft der Engel: „Puhuh!“ – Ne füürige Ma stoht,

Wie im Wetter do. – „Chumm, zündis abe go Todtnau!“
Seits und voris her marschiert der Puhu in Flamme,
Ueber Stock und Stei und Dorn, e ledigi Fackle.
„Gelt, ’s isch chummli so?“ – seit jez der Engel – „was machsch echt?

115
Worum schlagsch denn Füür? Und worum zündisch dei Pfifli

Nit am Puhu a? De wirsch en doch öbbe nit förchte,
So ne Fraufaste-Chind, wie du bisch, – het er di g’fresse?“ –
„Nei, Her Engel, g’fresse nit; doch mueßi bikenne,
Halber hani’m numme traut. Guet brennt mer der Tuback.

120
Selle Fehler hani, die füürige Manne förchi;

Lieber sieben Engel, as so ne brennige Satan!“ –
„’s isch doch au ne Gruus,“ – seit jez der Engel – „aß d’Mensche
So ne Furcht vor G’spenstere hen, und hätte’s nit nöthig.
’s sin zwee einzigi Geister de Mensche g’fährli und furchtbar:

125
Irrgeist heißt der eint’, und Ploggeist heißt der ander;

Und der Irrgeist wohnt im Wi. Us Channe und Chruse
Stigt er eim in Chopf und macht zerrütteti Sinne.
Selle Geist führt irr im Wald uf Wegen und Stege,
’s goht mit eim z’unterst und z’öberst, der Bode will unter eim breche;

130
D’Brucke schwanke, d’Berg bewege si, Alles isch doppelt.

Nimm di vorem in Acht!“ – Druf sagi wieder zuem Engel:
„’s isch e Stich, er bluetet nit! Herr Gleitsma, i merk di.
Nüechter bini g’wis. I ha en einzig Schöppli
Trunke g’ha im Adler, und frog der Adlerwirth selber.

135
Aber biß so guet und sag mer, wer isch der Ander?“ –

„Wer der Ander isch?“ – seit jez der Engel – „das frogsch mi!
Es isch e böse Geist, Gott well di vorem biwahre!
Wemme früeih verwacht, um Vieri oder um Fünfi,
Stoht er vorem Bett mit große, füürige Auge,

140
Seit eim guete Tag mit glüehige Ruethen und Zange.
[433]

’s hilft kei das walt Gott, und hilft kei Ave Maria!
Wemme bete will, enanderno hebt er eim ’s Muul zu.
Wemmen an Himmel luegt, se streut er Aeschen in d’Auge; –
Het me Hunger, – und ißt, – er wirft eim Wermuth in d’Suppe;

145
Möcht mer z’Obe trinke, er schüttet Gallen in Becher.

Lauft me wie ne Hirz, er au, und blibt nit dehinte.
Schlicht me wie ne Schatte, se seit er: Jo, nur wenn g’mach thue.
Stoht er nit in der Chilchen und sitzt er nit zue der in’s Wirthshuus?
Wo de gohsch und wo de stohsch, sin G’spenster und G’spenster.

150
Gohsch in’s Bett, thuesch d’Auge zue, se seit er: ’s pressirt nit

Mitten Schlofe. Los, i will der näumis verzehle:
Weisch no, wie de g’stohle hesch, und d’Waisli bitroge,
So und so, und das und deis; und wenn er am End isch,
Fangt er vo vornen a, und viel will’s Schlofe nit sage.“ –

155
So het der Engel g’seit, und wie ne füürige Luppe

Het der Puhu g’sprützt. Druf sagi wieder: „I bi doch
Au ne Sunntig-Chind, mit mengem Geistli bifründet,
Aber b’hüet mi Gott der Her!“ – Druf lächlet der Engel:
„B’halt di G’wisse rein, ’s goht über b’siebmen und b’segne,

160
Und gang jez das Wegli ab, dort nieden isch Todtnau.

Nimm der Puhu mit, und lösch en ab in der Wiese,
Aß er nit in d’Dörfer rennt und d’Schüüre nit azündt.
B’huet di Gott, und halt di wohl!“ – Druf sagi: „Her Engel!
B’huet di Gott der Her, und zürne nüt! Wenn de in d’Stadt chumsch,

165
In der heilige Zit, se b’suech mi, ’s soll mer en Ehr sy.

’s stöhn der Rosinli z’Dienst und Hypokras, wenn er di animmt.
D’Sterneluft isch rau, absonderli nebe der Birsig.[3]
Drüber graut der Tag, und richtig chummi go Todtnau,
Und gang wieder Basel zue im lieblige Schatte.

170
Woni an Mambach chumm, se trage sie ’s Meideli use,

Mittem heilige Chrüz und mit der verblichene Fahne,

[434]
Mittem Chranz am Todtebaum, und briegen und schluchze. Hent ders denn nit g’hört? Er will’s jo wecke, wenn’s Zit isch. Und am Zistig druf, se chummi wieder zuem Vetter;
175
D’Tubak-Dose hani richtig näume lo liege.
J. Peter Hebel.

  1. Der höchste Berg des Schwarzwaldes; 4600 Fuß über der Meeresfläche.
  2. Nach der alten Sage hätte der heilige Fridolin mit zwei jungen Kühen eine Tanne bei Säckingen in den Rhein geführt und dadurch diesen Fluß von der einen Seite der Stadt auf die andere geleitet
  3. Birsig; ein Flüßchen, welches durch Basel fließt.