Textdaten
<<< >>>
Autor: unbekannt
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Geheime Negerverbindungen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 50, S. 687
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite

[687] Geheime Negerverbindungen. Der Trieb nach dem Geheimnißvollen scheint allen Menschen angeboren, und wo er nicht mächtig genug entwickelt ist, den Geist zur Erforschung der Geheimnisse seinen eigenen Innern und der ihn umgebenden Außenwelt anzuspornen, da befriedigen die Menschen ihr Bedürfniß durch Geheimnisse von ihrer eigenen Facon, deren Bedeutung und Werth nicht sowohl in dem Geheimgehaltenen selbst liegt, als vielmehr einfach nur in dem bloßen Geheimhalten. Dieser Neigung gemäß findet man denn auch bei allen Völkern der Erde geheime Verbindungen mannigfacher Art, die sich mit der steigenden Bildung und der Hinwendung des Geistes auf die wahren, seiner ernsten Theilnahme würdigen Geheimnisse allmälig verlieren, während sie aus niederen Entwickelungsstufen eine um so wichtigere Rolle zu spielen pflegen, als sie zugleich der Eitelkeit und dem so lebhaften Verlangen nach Auszeichnung vor Anderen Befriedigung gewähren.

Auch die Neger in Süd-Guinea haben ihre geheimen Verbindungen mit strengen Vorschriften, Beiträgen und unverletzlichen Geheimnissen, von welchen letzteren man – eben in Folge ihrer Unverletzlichkeit – nur so viel mit Sicherheit weiß, daß sie, gleich denen aller anderen Gesellschaften dieser Art, ohne den geringsten Verlust für die Welt in alle Ewigkeit verborgen bleiben können. Einer der hervorragendsten dieser Negerorden heißt Nda, und beschränkt sich auf die erwachsene männliche Bevölkerung. An seiner Spitze steht niemand Geringeres als ein leibhaftiger Geist dieses Namens, der seinen Wohnsitz in den Wäldern hat und nur dann seine werthe Person anstaunen läßt, wenn ihn irgend ein hochwichtiges Ereigniß, wie der Tod eines Mitgliedes der Verbindung, die Geburt von Zwillingen oder die Einsetzung eines Beamten, aus seiner verborgenen Einsamkeit ruft, wo es ihm auch dann gar nicht darauf ankommt, sich in mehren Ortschaften sehen zu lassen. Seine Stimme jedoch gibt er schlechterdings nur des Nachts zum Besten, wenn sich Groß und Klein zur Ruhe gelegt hat. Er naht sich dem Dorfe immer von der Seite des Waldes und ist dermaßen in dürre Pisangblätter eingewickelt, daß Niemand ihn in den Verdacht haben könnte, der menschlichen Race anzugehören, was sich ja auch von selbst versteht, da er ein Geist ist. Er wird jedesmal von einer Schaar jungen Leute begleitet, die bei ihren Umzügen durch die Gassen zum Tone eines flötenartigen, melancholischen Blasinstrumentes tanzen. Sobald es bekannt wird, daß er sich einem Dorfe naht, laufen Weiber und Kinder mit größter Angst, um sich in den verborgensten Winkel ihrer Hütten zu verstecken. Sollte Eins von ihnen das Mißgeschick haben, dem Nda zu begegnen oder sich ertappen lassen, wie es durch die Risse der dünnen Wand nach ihm späht, so würde es in Gefahr kommen, beinahe todtgeprügelt zu werden. Vielleicht hat noch nie ein Weib die Kühnheit so weit getrieben, ihr Auge auf dies geheimnißvolle, entsetzliche Wesen zu werfen – wenigstens schmeicheln sich ihre gestrengen schwarzen Herren mit diesem Wahne.

Dagegen aber haben dort die Frauen auch ihre besondere geheime Gesellschaft, von der die Männer nicht weniger streng ausgeschlossen sind. Wenn sie damit vor ihren weißen Schwestern Europas etwas vorauszuhaben scheinen, so ist anzunehmen, daß diese es nur verschmähen, den Männern derlei Mummenschanz nachzumachen. Wie sich von selbst versteht, ist bei dem Frauenverein von keiner Geisterspielerei die Rede, – dergleichen Albernheiten werden immer nur von den Männern ausgeheckt – doch umgeben auch sie alle ihre Verhandlungen mit dem tiefsten Geheimniß. Es gilt bei ihnen für eine Ehrensache, dem Orden anzugehören, zum Theil vielleicht, weil die Aufnahme nur gegen Erlegung eines sehr bedeutenden Eintrittsgeldes erfolgt. Die Ceremonien der Einweihung dauern mehrere Wochen, und selbst Mädchen von zehn bis zwölf Jahren werden schon zugelassen, wenn ihre Eltern die Kosten nicht scheuen. Während der ganzen Dauer einer Einweihung bemalen sich sämmtliche Ordensschwestern mit den phantastischsten Farben. Gesicht, Arme, Brust und Beine sind über und über mit rothen und weißen Flecken bedeckt, die abwechselnd Kreise und verschlungene Linien bilden. In diesen, geschmackvollen Feststaate marschiren sie zugweise aus dem Dorfe in den Wald, wo ohne die geringste Scheu vor dem dort hausenden furchtbaren Nda die gesammten Feierlichkeiten, von dem melodischen Klänge einer großen halbmondförmigen Trommel begleitet, vor sich gehen. Ganze Nächte verbringen sie dabei im Walde und scheuen im Dienste der guten Sache auch das schlimmste Unwetter und die heftigsten Regengüsse nicht, ja selbst nicht einmal für ihren schönen gemalten Putz! Beachtenswerth ist, daß sich auch bei ihnen das allbekannte Vestalenfeuer Asiens, Europa’s und Amerika’s wiederfindet, das vom Beginn bis zu Ende der geheimnißvollen Feier brennen muß und um keinen Preis ausgehen darf.