Geduld (Tucholsky)
Geduld
Die großen, sanften Augen der Bauernpferde, die
still trottend ziehn; auf den Augenrändern
und in den Augenwinkeln sitzt es schwarz vor Fliegen …
Geduld –
Curare eingespritzt hat, nun kann er sich nicht bewegen, nur noch fühlen;
sie haben ihm die Harnleiter durchgeschnitten, da liegt er.
Studenten umgeben das prächtige Bild …
Geduld –
zitternd, die Kündigung an den Kopf geworfen zu bekommen;
der Mann hinter dem Schreibtisch fühlt sich: er hat auf einmal
zwei Leben: das eigne und das des andern …
Geduld –
dreisten Ermahnungen des Richters kalt-spöttisch auf ihn
heruntersausen …
Geduld –
Das Fürsorgekind, das einer verwitweten Megäre in die Anstaltsfinger
sie hat die Kinder …
Geduld –
Läutert Leiden? Welchen Sinn hat es?
Was haben sie getan, mein Gott: das Pferd, der Hund,
Sind sie schuld?
Woran sind sie schuld?
Nimm ihnen die Geduld!
Nimm ihnen die Geduld!