Textdaten
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Autor: Albert Fränkel
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Titel: Fritz Reuters Charakterbild
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aus: Die Gartenlaube, Heft 30, S. 512
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[512] Fritz Reuter’s Charakterbild. Fritz Reuter hatte bekanntlich seine Erfolge nicht der Kritik und nicht der Mithülfe einer befreundeten Presse zu danken. Er war ein einsam stehender Mann, als er von obscurer Kleinstadt aus seine ersten Bücher in die Welt sandte, die schon von einem überaus zahlreichen Publicum mit Jubel begrüßt und mit bewunderungsvollem Entzücken gelesen wurden, ehe noch die Kritik sich um sie gekümmert hatte.

Nach langer Zeit hatten dichterische Schöpfungen einmal wieder einen durchgreifenden Sieg allein durch die Macht ihres eigenen Zaubers errungen, und es mußte wohl nun in Unzähligen der lebhafte Drang erwachen, Näheres über die Persönlichkeit des unbekannten Zeitgenossen zu erfahren, von dem ein solches Wunder bewirkt worden. Diesem Verlangen des Publicums ist damals Otto Glagau mit einem Lebens- und Charakterbilde Reuter’s entgegengekommen, das einer sehr dankbaren Aufnahme sich erfreute und jedenfalls auch zu besserem Verständnisse, zu rechter Würdigung und weiterer Verbreitung des Dichters unter den Hochdeutschen beigetragen hat. Seitdem aber hatte Reuter noch neun Jahre gelebt; es hat gerade in diesem Zeitraume seine große Bedeutung im allgemeinen Urtheile zweifellos sich festgestellt, es konnten inzwischen auch über seine Vergangenheit, seine Person und sein Schaffen neue Aufschlüsse gewonnen werden. Außerdem waren durch seinen Tod Rücksichten geschwunden, die früher Manches nicht zu sagen erlaubten, und es trat nach seinem Ableben auch die Pflicht und der Wunsch hinzu, dem Verklärten ein seinen Verdiensten entsprechendes literarisches Denkmal zu errichten. Nach allen diesen Seiten hin hat daher Glagau seine frühere Darstellung einer vollständigen Umarbeitung unterworfen, die bereits im Laufe des verflossenen Jahres unter dem Titel „Fritz Reuter und seine Dichtungen“ (Berlin, bei Grote) in eleganter, mit hübschen Illustrationen versehener Ausstattung erschienen ist.

Ohne Bedenken zählen wir dieses neue Buch zu den besten Dichter-Biographien, welche unserem Volke bisher geboten wurden. Die Schilderung ist gehaltreich und voll warmen Lebens, die Gestaltung ungekünstelt und lichtvoll, das Urtheil ein sicheres, der Styl fesselnd durch die Schlichtheit seines frischen und kernhaften Glanzes. Um sich Aufklärungen zu verschaffen, hat der Biograph Correspondenzen geführt und Reisen unternommen, sodaß er durch die eingezogenen persönlichen Erkundigungen sein Material mit interessanten Zügen und bisher noch ungedruckten werthvollen Mittheilungen bereichern konnte. Ob er recht gethan, die vielbesprochenen Schwächen im Privatleben seines Helden mit so viel Schärfe und Eifer zu betonen, und ob er mit den in dieser Hinsicht von ihm erzählten Thatsachen wirklich überzeugend die zartere und pietätsvollere, auf ärztlichen Aussprüchen beruhende Deutung Wilbrandt’s widerlegt hat, daß jene periodisch wiederkehrende Unmäßigkeit auf eine unter den Gefängnißleiden Reuter’s entstandene Krankheit der Magennerven zurückzuführen sei, das lassen wir hier dahingestellt, weil diese Frage einer weitläufigen Erörterung bedarf. „Mit Ausnahme dieses einen Punktes aber ist uns in dem schönen Ganzen des Glagau’schen Buches, in dem biographischen wie in dem gleichfalls neu bearbeiteten kritischen Theile desselben, ein Anlaß zum Widerspruche nirgends aufgestoßen. Indem es uns die liebenswerthe Gestalt und die denkwürdigen Schicksale eines großen und allseitig verehrten Todten lebendig vor die Seele stellt, bietet es zugleich ein vielseitig bewegendes und ergreifendes Zeitgemälde, ist es durch Inhalt, Sprache und Ton ein vortreffliches und eindrucksreiches Volksbuch im edlen Sinne des Wortes. Möchte es namentlich in den Familien des deutschen Volkes eine recht weite Verbreitung finden!A. Fr.