Friedrich Rückert’s Hainbund-Feier
[612] Friedrich Rückert’s Hainbund-Feier. Unter Glas und Rahmen hängt auf der Kneipe der Burschenschaft „Germania“ in Göttingen ein noch ungedrucktes Gedicht Rückert’s. Der Inhalt läßt uns vermuthen, daß es zu jenen Dankesäußerungen gehörte, mit welchen der Dichter so Manche erfreute, die, der Anregung der Gartenlaube folgend, ihm Glückwünsche und Ehrengaben zu seinem fünfundsiebenzigsten Geburtstage (am 16. Mai 1863) dargebracht hatten. Da der Inhalt des Gedichts zugleich den „Hainbund“ feiert, dessen hundertjähriges Stiftungsfest am zwölften September in Göttingen begangen worden ist, so erkennen wir es um so mehr als unsere Pflicht, dasselbe als eine nachträgliche Beisteuer zu dieser Feier hier mitzutheilen.
Dort, wo einst Hölty’s Jugend vorgekündet
Den leisen Ton zu Goethe’s vollem Chore,
Und Bürger mit der Todtenbraut Lenore
Weimars Balladenwettkampf hat entzündet;
Ihr dort, zu höherm Hainbund nun verbündet,
Habt herrlich meines Alters jüngste Hore
Begrüßt mit Worten, schmeichelhaft dem Ohre,
Und deren Sinn mir fest in’s Herz sich gründet.
Heil euch, ihr Musenzöglinge der Leine,
Heil ruf’ ich euch in allen Facultäten,
Wo euch des Wissens Quelle tränkt, die reine,
Auf daß ihr, mit des Geistes Kampfgeräthen
Gerüstet, mögt als rüstige Gemeine
Der Zukunft in den Kampf des Lebens treten!
Fr. Rückert.