Fortschritte der geographischen Wissenschaften in den letzten Jahren
den letzten Jahren.
Oft und wiederholt hat sich der Scharfsinn abgemüht, ein Geheimniß zu enthüllen, in dem das Wesen jeder Existenz verborgen liegt, die Fragen zu lösen, nach dem Woher und Wohin, nach dem Leben, seinen Sinnen, seinen Zwecken, – die Fragen nach der Bestimmung des Menschen. Eine Antwort hierauf wird nie gefunden werden, wenn in künstlichen Verknüpfungen gesucht, wenn die auf der Oberfläche des Denkens kräuselnden Wellen den Nachen momentaner Willensempfindungen umhertreiben und den durchsichtigen Einblick trüben in das Meer des Geistigen hinab, in dem Denken und Sein verschwimmt. Kein Grübeln wird es ergründen, kein Taucher kehrte noch aus jenen Tiefen zurück, und das Auge des in sich selbst Versenkten erstirbt in mystischer Nacht. Doch außer ihm strahlt hell die Tagessonne, sie redet die Sprache des Lichtes, für die das Auge geschaffen war. Was der Mensch vergebens in eigener Brust zu entziffern sich müht, es steht deutlich verzeichnet in der großen Natur, die allen ihren Geschöpfen die Aufgabe gestellt hat, der Vervollkommnung entgegenzustreben, die Gesammtheit der eingepflanzten Kräfte und Fähigkeiten zu allseitigster Entfaltung zu bringen. Wenn es die Bestimmung der Pflanze ist, zu wachsen und Früchte zu tragen, ist es die des Menschen zu forschen und den Gesichtskreis seines Wissens durch neue Errungenschaften auszudehnen. Es ergeht daher beständig
[482] an ihn das Gebot, weiter zu denken, zu suchen, zu streben, die unverstandenen Wunder, die ihn rings umgeben, im Lichte der Erkenntniß zu durchleuchten, und das Mysterium jedes Räthsels zur Harmonie seiner Naturgesetze zu klären. Der ununterbrochene Fortschritt im Wirken, der das Ziel des Menschengeschlechts bildet, kennzeichnet vor Allem diejenige Wissenschaft, der unsere Gesellschaft gewidmet ist, die Wissenschaft der Erdkunde, sie, die Mutter so vieler anderen, da nur auf ihrer breiten Unterlage die Stützen der erforderlichen Vergleichungen zu gewinnen, aus ihren Sammlungen erst die benöthigten Thatsachen zu entnehmen sind. Die Geographie ist deshalb verpflichtet, das Rad der Forschung in steter Bewegung zu halten und ihre Vertreter zu rastloser Thätigkeit anzuspornen, damit das Tagewerk vollbracht und den ringsum gestellten Ansprüchen genügt werde. So hat das Schaffen fortzudauern, bis jede aus dem Unbekannten hervortretende Schöpfung uns bekannt und vertraut, unser Eigenthum geworden. Freilich wird das Wissen nie sich selbst genügen, aus der Beantwortung bisheriger Probleme müssen weitere Fragen emporsteigen, durch neue Fragen neu zur Lösung führen, und den Dienern der geographischen Wissenschaft bleibt noch ein unübersehbares Arbeitsfeld; die Zahl der Länder auf der Erde vermehrt sich nicht, wohl aber die Nothwendigkeit genauerer Detailkenntniss von denselben und die Geographie wird immer wieder Mängel in ihrer Erkenntniss entdecken, ein Bedürfniß nach schärferen Einzelnheiten, das sie zu fernerer Aussendung von meteorologischen, geologischen, botanischen, zoologischen, anthropologischen Reisenden veranlassen muß.
Vor Allem aber und Allem zuvor hat die Geographie die Grenzen des eigenen Hauses, in seinen allgemeinen Umrissen wenigstens, kennen zu lernen, seine sämmtlichen Abtheilungen zu durchwandern und durch Beobachtungen zu fixiren. Nirgends darf sie länger den weißen Flecken einer terra incognita auf ihren Karten dulden, jene Zeugnisse der Unwissenheit, des Nichtwissens. Es ist ein böses Ding um jedes Nichtwissen und war es stets, es ist um so bedenklicher und gefährlicher, wenn die ganze Wissenschaft sich inductiv aus Vergleichungen aufbaut, wie heute die unsrige. Für das logische Rechnen bildet jeder Punkt eines absoluten Nichtwissens ein Zero, das unter Umständen auch alle übrigen scheinbar gesicherten Größen zu annulliren droht, und keines der soweit gewonnenen Werthresultate kann für unbestritten gelten, wenn solch’ dunkle Nullpunkte noch daneben übrig bleiben. Die Geographie darf deshalb nicht lässig werden, ihren Mahnruf zu wiederholen, so lange es noch unbekannte Gegenden zu entdecken giebt, so lange noch so weite Regionen auf unserem Globus unberührt und geographisch wüste daliegen. Noch [483] harrt das Innere Central-Afrika’s seines Mungo Park, noch lagert Dunkel auf Borneo, Neu-Guinea und so manchen anderen Inseln, Asien schweigt noch in einigen der wichtigsten Gebieten, Amerika nicht minder, selbst Europa bedarf der Ergänzung, noch starren die Polar-Regionen in jener eisigen Oede, die bisher jeden menschlichen Zeugen ausschloß. Unsere Gesellschaft kann sich mit Befriedigung sagen, wie früher so auch in den letzten Jahren Hand an’s Werk gelegt und, wieviel an ihr lag, mitgewirkt zu haben, daß die geographischen Probleme unserer Zeit ihrer Lösung näher geführt worden. Jeder nach seinen Kräften!
In Australien erblüht auf südlicher Hemisphäre eine Gegenerde Europa’s und die gesellschaftlichen Institutionen spiegeln das Vorbild ihrer großbrittanischen Heimath. Die aus derselben dort acclimatisirten Anglosachsen zeigen sich unermüdlich thätig, ihre neue Heimath nach allen Richtungen hin durchstreifend, den zwar nur passiven, aber desto zäheren Widerstand zu überwinden, welchen eine in todter Oede auf die ärmsten Formen pflanzlichen und thierischen Lebens beschränkte Natur entgegensetzt. Warburton’s Versuche, den Nordwesten aufzuschliessen, scheiterten an diesen Hindernissen, obwohl es ihm dagegen möglich war, die östlichen Zuflüsse des Eyre-See’s zu constatiren und den Lauf des Barku von seiner Quelle in Queensland bis zur dortigen Einströmung zu verfolgen, und schon lagen Neumayer’s umfassende Pläne vor, um auf eine von Port Denison zum Swan-River gezogene Linie vier Jahre gründlicher Erforschung den noch unbekanntesten Theilen dieses Continents zu widmen. Die Nordküste, die früher oder später nach dem neuen Schwerpunkt gravitiren muß, der sich aus den Handelsbeziehungen des Pacific zwischen seinen Küstenbänken und Inseln herstellt, wird nicht mehr aus den Augen gelassen werden und Capitain Cadell’s Aufnahmen ließen die Mündung des Roper-Flusses auffinden, sowie die passenden Plätze künftiger Ansiedlungen in Arnheim’s-Land andeuten. Die ausgedehnte Benutzung der Länder am Carpentaria-Golf durch die Viehzüchter des Flinders haben bereits zu mehreren Städtegründungen geführt, und ihr Aufblühen verspricht desto rascheren Fortschritt, seit Clarke den Metallreichthum in den Quellenländern des Cloncurry und der übrigen Flüsse feststellte. Auch hier wird sich Australien unternehmende Kräfte mit Gold erkaufen und der Vorzüglichkeit seines Kupfers. Die Colonie bewahrt ein treues Gefühl der Dankbarkeit für die Pioniere, die am Aufbau ihrer Grösse gearbeitet. Nie, so oft nur irgendwie ein Hoffnungsschimmer blinkt, den Spuren Leichhardt’s zu folgen, ergeht vergeblich der Ruf, aufs Neue den Fährlichkeiten jener Wildniß zu trotzen, die ihn und so viele Andere verschlungen. Ueber die unter [484] Forrest’s Leitung in nordöstlicher Richtung am Perth vorgedrungene Expedition, hinsichtlich welcher uns durch die Gefälligkeit des hohen Bundeskanzleramtes Mittheilung zugekommen, wurde in der Zeitschrift etc. berichtet. Die Hülfsmittel des electrischen Telegraphen sind von Charles Todd benutzt, die Grenze zwischen den Colonien Süd-Australiens und Neu-Süd-Wales festzustellen, und haben zugleich zu anderen Berichtigungen gedient. Goyder vermaß (1869) das neue Colonistenland bei Port Darwin. Ueber den Gregory-See berichtet Walder, über die Umgebung des Norman-River-Settlement am Golf von Carpentaria Landsborough und Hay. In Westaustralien gelang es Hooley, einen Ueberlandweg zwischen Geraldines Mine am Murchison-River und der neuen Ansiedlung an der Nickol-Bay aufzufinden. Smyth besprach die Goldfelder von Victoria, Clarke die von Queensland (worüber auch Allen und Kennedey schrieben), Rattray die klimatischen Verhältnisse der Kap-York-Halbinsel, Sholl identificirte den Ashburton mit dem Curlew-Fluß.
Tasmanien hat mit seiner Vergangenheit abgeschlossen. Der letzte der Eingeborenen, deren Nekrolog Bonwick geschrieben, ist von der Insel verschwunden, und sie wird jetzt mit neuem Leben durchströmt von den Schlägen des electrischen Telegraphen, der Low-Head (an der Mündung des Tamar) mit Flinders in Australien verbindet. Buck bespricht die Auswanderung dahin.
Neu-Seeland hat zwar die Wunden, die ein in seinen Eingeweiden wüthender Krieg geschlagen, noch nicht ausheilen können, da das Uebel vorläufig nicht zu heben ist, aber in der Zwischenzeit sind auch über jene Länder die goldenen Schätze ausgeschüttet, die dort, wie in Australien und Californien, den Weg der Einwanderung pflastern werden. Für die Wissenschaft haben sie die von Haast beschriebenen Pässe geöffnet, und zu den Goldlagern im westlichen Canterbury sind jetzt die Themsefelder in der Provinz Aukland getreten. Ferdinand v. Hochstetter, der den Verhandlungen der Wiener geographischen Gesellschaft präsidirt, fährt fort, unsere Kenntniß über diese Insel, die seinen Arbeiten so viel verdankt, durch die Ergebnisse der weitergehenden Entdeckungen zu vervollständigen.
In Neuseeland selbst hat sich eine wissenschaftliche Gesellschaft gebildet, und von dem zu ihrem Organ gewählten Journal ist bereits das erste Heft erschienen. Neben Boudau und Hector’s Buch über Neuseeland, behandelt das Journal seine Fauna. Raynal erzählt Erlebnisse der Schiffbrüchigen auf den Aukland-Inseln. Die bisherige Abneigung Englands gegen eine Niederlassung auf Neu-Guinea scheint seit der freundlichen Aufnahme, die Capt. Delargy bei den Papuas auf den südöstlichen Küsten fand, im Schwinden begriffen.
[485] Die Lord Howe-Insel wurde von Ch. Moere und Carson zuerst besucht und naturwissenschaftlich durchforscht.
Eine äußerst merkwürdige Zusendung, die Anlaß zu mancherlei Betrachtungen giebt, erhielten wir durch die Güte unseres auswärtigen Mitgliedes, Herrn Prof. Philippi in Santiago de Chile, bestehend aus vier Stanniolabdrücken zweier mit hieroglyphenartigen Zeichen bedeckten Holzstücke, welche in unseren Sitzungen vorgelegt, und in dem letzten Bande unserer Zeitschrift nebst dem Briefe des Dr. Philippi über die Auffindung derselben veröffentlicht worden sind. Waihu, oder Rapanui, die Osterinsel, bildet schon lange einen räthselhaften Punkt in der polynesischen Inselwelt, sie hat in mannigfaltigster Weise dem gelehrten Scharfsinn Beschäftigung gegeben, bis sie schließlich im laufenden Jahre durch einen phantasiereichen Franzosen mit den frühesten Mysterien vorsündfluthlicher Urgeschichte verknüpft ist. Schon der Bericht des Entdeckers, oder doch (wenn man wie Burney auf die Flibustier Wafers und Davis zurückgehen will) des ersten Beschreibers lautet sonderbar genug. Die Holländer sahen Paasche Eyland (6. April 1722) von lauter Riesen (12 Fuß hoch, die Frauen 10–11 Fuß) bevölkert und die Matrosen konnten „tuschen de beende van deze Goliats kinderen doorgan“. Roggeveen (oder der Herausgeber seiner Reise) bemerkt ausdrücklich, dass wirklich Riesen gemeint seien, und in einer langen Erörterung über andere von Giganten bevölkerte Länder wird man schließlich zu den Phöniziern oder Kanaanitern geführt und ihren Cultus des Fischgottes Dagon. Eines jener ungeheuren Steinbilder (durch sieben Matrosen mit ausgespreizten Armen nicht zu umfassen) wurde nämlich von den Insulanern Dago genannt, das andere Taurico. Nachdem Gonzala (1770) die Osterinsel (als San Carlos terzero) für Spanien in Besitz genommen, landete dort Cook in Begleitung von Forster und wenige Jahre nach ihm La Pérouse, der das Innere der Insel durch Langle bereisen ließ. Die englischen und französischen Berichte stimmen in der Hauptsache sehr gut überein und zogen bald die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, denn obwohl die Riesen (von denen übrigens auch Behrens, der Roggeveen’s Reise mitmachte, nichts weiß) verschwunden sind, waren die Steinkolosse geblieben und jetzt genauer untersucht worden. Die Eingeborenen bezeichneten sie im Allgemeinen mit dem ihren Fürsten und Heroen gegebenen Worte Ariki und als Specialbezeichnungen der einzelnen Figuren auf der Hanga-Tebou genannten Steinterasse hörte Forster die Namen Ko-Tomoai (Ko, als Artikel vorgesetzt), Ko-Tomoeeree, Ko-Hoooo, Moraheena, Oomareeva, Weenaboo, Weenape, weiterhin Mangototo, (die jetzt in London befindliche Figur heißt Hoa-baka-nana). Einer der Pfeiler in der Hango-roa [486] genannten Reihe hieß Obeena. In der cylinderförmigen oder (nach Roggeveen) kranzartigen Kopfbedeckung findet Förster eine Aehnlichkeit „with the headdress of some Egyptian divinity“. Nach Roggeveen war der Kopfschmuck musivisch mit kleinen Steinen ausgelegt (wie oft bei mexicanischen Figuren). Langle fand einen Zusammenhang der unterirdischen Steinbauten mit der Bestattung, nehmlich Oeffnungen, wie sie die Bonny-Neger an ihren Gräbern anbringen, um den Todten Speise zukommen zu lassen, und für das Andenken derselben errichtete Pyramiden aus losen Steinen. Die Quadern des Morais waren aus Lagerblöcken gefertigt „and laid after the most excellent best rules of art, fitting in such a manner, as to make a durable piece of architecture“. Man fand auch Felszeichnungen, allerlei Figuren in menschlicher Form und „une espèce de mannequin de jonc, qui figurait une statue humaine recouvert d’une étoffe blanche“. Seitdem sind noch zu verschiedenen Malen gelegentlich Nachrichten über die Oster-Insel nach Europa gekommen, durch Chamisso, der von dem nahegelegenen Salas y Gomez angeregt, unsere Dichtkunst mit einer ihrer kostbarsten Perlen bereicherte, ferner durch Lisiansky u. A. m.; die genaueste Kenntniß verdanken wir aber neuerdings F. L. Palmer, der einige der Figuren an das British Museum mitnahm und von den auf der Insel als Missionäre ansässigen Jesuiten hörte, daß alte Traditionen von der Einwanderung des Königs Too-koo-i-oo aus Oparo (Rapa-iti) redeten, der die Idole herbeigeführt habe und dann in ein Insekt verwandelt sei, ein Gegenstand der Verehrung unter den Insulanern (ähnlich wie es Kolbe von den Hottentotten erzählt). Die Indianer, von denen Palmer einige Schädel an das Museum of Royal College of Surgeons ablieferte, gleichen unter den Polynesiern am Meisten den Marquesas-Indianern, und zeigen oft europäische Züge, mitunter auch weiße Farbe, die (neben rothem Haar) schon von Mendaña bemerkt wurden. Hinsichtlich der Figuren ist zunächst zu beachten, daß Palmer ein von den Eingeborenen Tingi-tingi genanntes Steininstrument fand, das für ihre Herstellung gebraucht wurde und das von Bedeutung sein würde für die kürzlich aufgeworfene Frage, ob sich die alten Egypter (und, wie Andere wollen, die Mexicaner) zur Herstellung ihrer Statuen der Steinwerkzeuge bedient hätten. Cook beschreibt die Speere, als „pointed with a sharp triangular piece of a black glassy lava (pumex vitreus)“. Die Colossalbilder sind verfertigt „of a grey compact lava (Trachyte), found in the crater of Otuiti, and there is a distinct slide for them to be taken out“ (wie man bei den Pyramidenbauten im Nilthale bemerkte). Ihre gewöhnliche Größe ist 15–18 Fuß, doch maaß Palmer eines von 34 Fuß, ein anderes dagegen (Hoa-hava) von 4½–5 Fuß. Den flachen Köpfen sind Kronen (Hau) aufgesetzt und diese „are made of [487] red tuff, found in the Terano-Hau Crater“. Die größte ergab bei der Messung 10½ Fuß im Durchmesser. „The peculiar feature (of these images) is the excessive shortness of the upper lip or the upthrusting of the lower on“. Außerdem werden allgemein die verlängerten Ohren erwähnt, die auch den von Roggeveen gesehenen Indianern bis auf die Schultern hingen (afgrijsselijk lang), und durch hineingesteckte Pflöcke (wie bei den Birmanen) erweitert wurden, um den Namen des Orejones zu rechtfertigen, den die Spanier den Ringrim (s. Zarate) oder Incas gaben. Die Steine des Begräbnißplatzes (Papakoo) waren fitted together without cement (wie es für die peruanischen Bauten charakteristisch ist), und in den alten Steinbauten kehrt die durch Ueberkragung gebildete Bedachung wieder, die sich von den altgriechischen Schatzhäusern an durch so manche Vorstufen des Gewölbebaues verfolgen läßt. Die Hausgötzen, die (wenn menschlicher Form) einem abgehäuteten Körper gleichen, sind gearbeitet of a dark compact wood (Toromiro, an Edwarsia), und somit aus demselben Material, wie es zur Niederschreibung der in Chili befindlichen Hieroglyphen gedient hat. Schon Cook und La Pérouse sahen allerlei Figuren (z. B. eine Tänzerinn mit ihren nach tahitischer Sitte zurückgebeugten Fingern und langen Nägeln) aus Holzarten gefertigt, die sich auf der baumarmen Insel nicht finden, und selbst die Canoe waren aus kleinen Stücken zusammengesetzt, wie sie sich aus dem angeschwemmten Flößholz gewinnen ließen (s. Hassel.) Außer Obsidian-Augen, Kinn-Bärten u. s. w. sind die Holzfiguren (nach Palmer) mit verlängerten Ohren ausgestattet und im archaistischen Styl mit nicht vom Körper gelösten Gliedern. Der Kopfputz (besonders der männlichen Figuren) ist mit mythischen Symbolen geschmückt, die sich zuweilen der Aehnlichkeit eines doppelköpfigen Vogels, eines Fisches, Affen, Eidechse u. s. w. annähern. Außer menschlichen Gestalten waren auch die Figuren von Haien, Eidechsen, Geflügel u. s. w. ausgeschnitzt. Zugleich sah Palmer mancherlei Darstellungen mit rothen, schwarzen, weißen Farben gemalt (wie in den von Grey besuchten Höhlen am Glenelg river); some were like geometric figures as Rapas, M’hanus, Eronié, faces, birds, Hik’s-Naii and other figures. Neben diesen Mauermalereien finden sich die rohen Umrisse von Schiffen, Pferden, Schaafen u. s. w. (wie in den Buschmannhöhlen Süd-Afrikas). Manche dieser verschiedenen Figuren wiederholen sich auf den von Gana aufgefundenen Hieroglyphen[WS 1], oder vielmehr die dort zur Verzierung dienenden Bilder werden hier durch reihenartige Anordnung zu Schriftsubstituten.
An Palmer’s Vortrag über die Osterinsel vor der Royal Geographical Society (am 24. Jan. 1870) schloß sich eine längere Discussion über dieses Thema, und es hätte nirgends geeigneter erörtert werden können, als im Kreise dieser Gesellschaft, wo sich stets eine in allen [488] Theilen des Globus erprobte Garde von Reisenden und Seefahrern zusammenfindet. C. Markham, der Weitgewanderte, verknüpft die Monumente der Osterinsel mit den in Tiahuanaca am Titicaca-See in Trümmern liegenden Zeugen der Aymara-Cultur und meint, daß für die Inseln, die die peruanischen Böte (nach Acosta) zu besuchen pflegten, auch Malden-Island im Auge zu behalten sein würde, wo unter dem Guano Baulichkeiten aufgefunden wurden. Für die Ansammlung einer Guano-Decke von 120 Fuß (wie auf den Chincha-Inseln) würden (nach Capt. Peacock) in ungefähr hypothetischer Muthmaßung 4000 Jahre erforderlich sein. Auch am Titicaca-See findet sich (wie auf der Osterinsel) eine Sage von dem früheren Umherwandeln der Figuren (denen sich indeß aus Ostasien und anderswoher eine Menge gleicher Belege an die Seite stellen liessen). Da die jetzigen Bewohner der Osterinsel (auch der Sprache nach) Polynesier zu sein scheinen, ist Markham geneigt, die Monumente einer ihnen vorangegangenen Raçe zuzuschreiben. Die in Santa Elena zu Grunde gegangenen Riesen läßt Cieza de Leon auf Rohrflößen anlangen. Admiral Belcher, der die Osterinsel 1825 besucht hatte, beschrieb ähnliche Steinterrassen auf Tahiti und anderen Inseln des Pacific. P. P. Blyth bestätigte die Hellfarbigkeit der Oster-Insulaner; A. W. Frank glaubte eine Veränderung des Stiles beobachten zu können, da die hervortretenden Nasen (wie sie auch bei den Werken des Chibchas und Mayas sich finden) zu Cooks Zeit weniger prägnant gewesen wären und ebenso die damals plumpere Form jetzt einer ausgemergelten Platz gemacht habe. Doch sah schon de Langle Skelette unter den Sculpturen. Sir George Grey erwähnt einer neuseeländischen Sage, der zufolge die jetzt in Holz schnitzenden Eingeborenen von einer Insel eingewandert seien, wo man in Stein gehauen habe, und obwohl er keine Beziehung zwischen Peru und der Osterinsel zulassen will, hebt er doch Titicaca als polynesisches Wort hervor. Palmer macht schließlich auf das rasche Verschwinden der Oster-Insulaner aufmerksam, die auf die geringe Zahl von 900 reducirt und durch die Peruaner nach Cooks Bay getrieben seien. Auch Chile macht Ansprüche auf eine Oberherrlichkeit über diese Insel. Trotz ihrer ärmlichen Diät, die kaum genügt, das Leben zu fristen, fand Palmer die Eingeborenen fröhlich und zufrieden, und entwirft ein sehr vortheilhaftes Bild von ihrem Charakter. Einen ähnlichen Eindruck macht die Mehrzahl der übrigen Reiseberichte. Ein harmloses Völkchen, auf einem trockenen Vulcanfels im öden Ocean, ohne Vegetation, ohne Schatten gegen die brennende Sonne, ohne Thiere auf seiner wasserleeren Insel, die mitunter zum Trinken von Seewasser zwingt (nach Art der Albatroß, wie ein Besucher meinte), aber dennoch friedlich in geordnetem Gemeinwesen zusammenlebend, ohne Kriege, wie sie die anderen Inseln [489] Polynesien’s zu verheeren pflegten, und auf einer verhältnißmäßig höheren Stufe der Kunstfertigkeit. Mahine, der Tahitier auf Cook’s Schiffen, bewunderte die auf der Oster-Insel geschnitzten Ti (Götzen) und kaufte davon auf, um sie in seine Heimath mitzunehmen. Er beklagte häufig die unglückliche Lage dieser liebenswürdigen Insulaner, die schon damals ihrem Untergange entgegen zu gehen schienen. The people were good, but the island very bad. Die Diebstähle, die ihnen mitunter vorgeworfen werden, scheinen in der Hauptsache gegen die Hüte der Matrosen gerichtet gewesen zu sein, da es ihnen besonders schwierig sein mochte, ihr Haupt gegen die versengenden Sonnenstrahlen zu schützen, trotz der verschiedenen Erfindungen, die sie zu solchem Zwecke gemacht hatten. Es liegt dann auch nahe, weshalb sie ihre Götter mit einer so substantiellen Kopfbedeckung versahen. Kleider gehörten zu den Geschenken, die sie am liebsten nahmen, wogegen sie die nutzlosen Glasperlen, die sonst die Lockspeise der Naturvölker bilden, durchgängig verschmähten. Alle Berichte stimmen darin überein, daß man bei den Osterinsulanern einen höheren Grad geistiger Regsamkeit bemerkte, als bei den übrigen Polynesiern. Sie kamen zu Cook’s Schiff, um dasselbe auszumessen, und Gleiches geschah mit dem Schiffe La Pérouse’s. Taue, Anker, Compaß, Steuer wurden auf das Genaueste von ihnen untersucht, et ils sont venus le lendemain avec une ficelle pour reprendre la mesure. Die Felder wurden durch die Asche der verbrannten Unkräuter, die man sorgsam ausgerissen hatte, gedüngt, und die sonst überall ihren natürlichen Trieben überlassenen Bananen waren vorsichtig in kleinen Vertiefungen gepflanzt, damit sich dort das Regenwasser ansammeln möchte. Trotz all solcher Vorsicht indeß war die Vegetation der Insel im Aussterben begriffen. Die aus dem Bast des Papiermaulbeerbaumes gefertigten Stoffe waren sehr selten, parceque la sécheresse a detruit ces arbres. Die Kleider sind van verscheyde verwen, aardig uit zyde en katoen te zamen genayt of geweven, erzählt Roggleveen. Das Flechtwerk der Körbe (made of hardgrass) wird gerühmt (bei Lisiansky) und ebenso die Matten, (of suggarcane, platted over with rushes), scarcely inferior in point of workmanship to any thing of the kind, made in Europe. Die Aexte waren mit feinen Schnitzereien versehen, die Körper tattowirt und bemalt. Behrens (der von kahlgeschorenen Priestern neben den Bildsäulen spricht) bemerkt: „Auf ihrem Leibe waren sie gemahlet mit allerhand Vögel und wunderlichen Thieren, doch immer einer schöner, als der andere.“ Man übte also schon damals ähnliche Zeichnungen, wie auf den Holzstücken, deren Abdrücke vorliegen. Die nächsten Analoga dazu sind in den Bilderschriften der nordamerikanischen Indianer zu suchen, wie sie sich auf den Schriftfelsen in New-Mexico, Utah (s. Gunnison), am Alleghany-Fluß u. s. w. finden. Die Dacotah benutzen [490] zu gleichem Zweck besonders ihre zu Kleidern dienenden Büffelhäute, die Comanches Schulterblätter von Büffeln u. s. w. Die Zeichnungen sind auf diesen großen und zugleich unregelmäßigen Oberflächen gewöhnlich ordnungslos angebracht, so daß sie den Eindruck von zusammenhanglosen Kritzeleien machen; verwendet man aber Papier (wie in General Hall’s Schriftstück 1809 oder in dem Fletcher’s 1849) oder Streifen von Birkenrinde (wie die Chippewäh-Indianer am Lake Superior für ihre Amulette), so tritt leicht von selbst eine reihenweise Zusammenordnung und Verknüpfung ein. Dasselbe ist bei den mexicanischen Hieroglyphen eingehalten, die indeß bereits auf einer weitern Stufe der Entwickelung stehen und deshalb hier außer Acht bleiben. Die Makkahs (am Cap Flattery) nennen ihre Malereien (on boards of Cedar) Cha-tai-uks und Schrift Cha-tatl (Swan.) Der Brief des Häuptlings auf den Karolinen (bei Freycinet) war in Bilderschrift auf Papier geschrieben. In der Schrift der Bleitafeln von Corbière unterscheidet Latour d’Auvergne eingeritzte Zeichen von Menschen und Thieren. Südamerika ist bekanntlich gerade in seinem westlichen Theile besonders schriftarm und sein höchster Culturstaat, der Peruanische, war bei der Knotenschrift stehen geblieben. Was von der Zerstörung alter Schriftdocumente durch jenen Inca zu halten sei, der die Rolle des chinesischen Tschihoangti in Peru wiederholen würde, oder von den Büchern, die Viedma aufgefunden haben will, ist noch nicht genugsam aufgeklärt, indeß ist nicht immer beachtet worden, daß die Chibchas wie in anderen Kunstprodukten, so in ihren Calenderzeichen (s. Duquesne) den Uebergang nach Central-Amerika vermitteln, und als sich besonders wiederholende Darstellungen führt Jomard die von Fröschen, Fischen, Köpfen, Pfeilen, Instrumenten u. s. w. auf.
Die polynesische Vorgeschichte ist von jeher ein beliebter Tummelplatz von Hypothesen gewesen; bald sind die zerstreuten Inseln die allein noch hervorragenden Spitzen eines untergegangenen, bald die bereits trocken gelegten eines aufsteigenden Continentes, bald sind die Eingeborenen mit der Aequatorialströmung und den Passaten von Osten gekommen, bald mit den Gegenströmungen und den wechselnden Winden von Westen; bald war Samoa der einheitliche (s. Hales) Ausstrahlungspunkt für weitere Züge, bald das mythische Bolotu, als Bure localisirt (oder etwa Amboyna’s Amoan) für ihren Beginn, bald das centrale Tahiti; bald sind die Japanesen über die Sandwich-Gruppe herab aus der Unterwelt Havaiki hervorgestiegen, bald haben buddhistische Missionäre die über die Moluken und Lord North’s Island weiter führende Brücke benutzt, bald sind asiatische und amerikanische Entdecker auf halbem Wege zusammengetroffen. Es ist schwer begreiflich, weshalb die Ethnologie, die sich doch schon lange nicht mehr weder zur Localisirung eines Eden’s noch eines Parmakh [491] Daghi oder Ardh-Nouh verpflichtet glaubt, mit hypothetischen Völkerzügen Zeit und Mühe vergeudet, da (ob nun Amerika von Asien bevölkert sei, oder von Europa, und dieses von Asien, oder wieder von Afrika) wir auf unserer runden Erde doch nie zu einem Anfang gelangen werden, und besser von vornherein, bei den gegebenen Thatsachen der geographischen Provinzen stehen bleiben würden. Wenn in der polynesischen Bevölkerung physisch und linguistisch zwei Racen zu unterscheiden wären, von denen die eine malayische Verwandtschaft einschließt, so bliebe das ein wichtiger Fingerzeig, um stattgehabte Veränderungen aus früheren zu erklären, nicht aber eine erste Entstehung, die jedes Denken zum Stillstand bringen muß. Indeß scheint es gerade für Manche einen besonderen Reiz zu haben, sich in solcher Weise die Welt (wie in den Reisen mittelalterlicher Mönche) und die Stirn mit Brettern zu vernageln und dann in den wüsten Trümmern der Gedankenschäume bis zum langnasigen Affen oder zum Protoplasma hinabzusinken. Da hier Alles zu Ende kommt und der weitere Weg bis ins Urchaos etwas unbehaglich scheint, wird Kehrt gemacht, und von diesem bequemen Anfang aus gemächlich emporgestiegen bis zum Homo Sapiens, der sich jetzt freilich mühsam die Weisheit zu erkämpfen hat, die er früher nur zu vergessen brauchte, nachdem sie ihm von Oben her eingetrichtert war. Man spottet über alte Mythen, die in den Menschen gefallene Engel sahen und arbeitet dagegen an der Veredelung des Affen zum Menschen, als ob die eine Hypothese nicht ebenso thöricht wäre, wie die andere, oder wie alle Hypothesen, die gleich luftigen Seifenblasen dazu dienen mögen, Farbennüancirungen zu erklären, die indeß kein Vernünftiger zur Farbenpräparirung brauchbar halten wird. Der schematische Entwicklungsgang, der das Menschengeschlecht zu immer höheren Stufen der Vollkommenheit führt, ist ein sehr brauchbarer für die Induction, so lange sie ihn als Riß ihres Bauplans benutzt, aber doch wahrlich nicht als Baustein, der, gleich den übrigen aus realen Thatsachen innerhalb von Raum und Zeit gewonnenen, sich in ihre Reihe mit hineinzufügen hätte, und daneben eingemauert würde. Wenn wir hinaustreten in die Wogen des Völkerlebens, in die bunte Welt der Wirklichkeit, so sehen wir nur die Veränderungen des Werden’s, aber nirgends einen Anfang oder Ende, die über den irdischen Horizont hinausliegen. Bald hören wir die Mythen der Völker von einer goldenen Vorzeit erzählen, bei den vom Himmel herabgestiegenen Vorfahren der Inder, bei den, den Göttern durch ihre Heroen verschwägerten, Hellenen, bald sehen wir sie mühsam durch Arbeit emporklimmen, wie die Colonisten im Mittelreich oder die von Oannes belehrten Sumpfgeborenen. Für die Muyscas beginnt ihre Geschichte, als Nemterequetaba unter ihnen erschien, für die Ashantis, als sie vom Inta-See aufbrachen, und es wäre eine [492] übereilte Superklugheit, ihnen diesen Geschichtsanfang bestreiten zu wollen, weil die paar Jahrhunderte ihres historischen Umlaufs zu kurz erscheinen, mit den Jahrtausenden des unsrigen gemessen. Wo würden denn unsere paar Jahrtausende bleiben, wenn die jetzt so laut auf Millionen und Myriaden von Jahren erhobenen Ansprüchen beglaubigt werden sollten? Kein Volk tritt als deus ex machina in der Geschichte auf, es wurzelt stets auf früheren Stämmen, aber der neue Glanz einer bedeutungsvollen Epoche stellt leicht die dunkle Vorgeschichte in den Schatten, so daß sie gänzlich vergessen wird. Die Geschichte Dahomey’s stellt den Gründer Abomey’s voran und weiß nichts von den früheren Völkern im Lande, obwohl sich diese zu der in Afrika parallellosen Culturstufe der Knotenschrift erhoben hatten; die birmanische Geschichte setzt mit der Einwanderung der Sakya ein und negirt zwar nicht die Eingeborenen, kümmert sich aber nur um die Genealogien des Fürstengeschlechts, die als auf fremd und immer fremder werdende Ferne zurückgreifend sich bald in die mythischen Nebel himmlischer Herkunft verloren. Die für uns zweite Epoche der Griechen öffnet ein halbes Jahrtausend nach Troja’s Zerstörung sowohl, wie der damaligen Cultur, und dankt in einer neuen Emporarbeitung aus dem stattgehabten Sinken ihre Verknüpfung mit der vorangegangenen einigen Versen, deren historischer Gehalt eine vielfache Deutung zuließ, wie die an, der Champagne oder Flandern entsprungene, Fürstengeschlechter anknüpfenden Sagen der Morea unseren Roland nach Bursa oder in den Caucasus versetzen, Hector und Andromache in Ἀρτοῦρος und Ντζενέβρα aufleben lassen, oder Diomedes und Glaucus im Πρεςβυς Ἱππότης und Γαούλβανος, Friedrich (Berderichos als ägyptischen König) und Belthandros, Sohn des römischen Kaisers Rudolf, mit Chrysantza, Tochter des Antiochus M. zusammenbringen. Als damals auf’s Neue neue Staaten aus dem einst klassischen, aber fast jedes klassischen Zeichens beraubten Boden von Hellas hervorgingen, hätte hier ein neuer Geschichtsanfang gegeben sein können, wenn nicht die schriftlich niedergelegten Denkmale Europas die Gelehrten der alle Länder dieses Erdtheils verbindenden Kirche befähigt haben würden, die Specialgeschichten gegenseitig zu rectificiren und jede gehörigen Ortes einzuordnen. Wo solche Doppelprobe wechselsweiser Controlle fehlt, schwebt deshalb auch Alles in der Luft, wie bei den scandinavischen Geschichtssagen, und bei schriftlosen Völkern überhaupt, die trotz des geübtesten Gedächtnisses über eine beschränkte Zahl von Generationen nicht hinauszuzählen vermögen. Die Chinesen haben durch frühe Erfindung ihrer Buchstabenschrift ihre Dynastien auf’s Beste geordnet, bei den Indern, die erst spät zu schreiben begannen, stürzt in den Puranas Alles auf das wildeste durcheinander, und während die Mexicaner aus ihren Hieroglyphen manche Periode zu markiren vermögen, wird [493] sich die peruanische Vorgeschichte, die Montesinos auf so viele Revolutionen zurückführt, kaum aufhellen lassen. Die Wasserbauten, die Mesopotamien einst in einen Garten verwandelten, liegen zerfallen, und die jetzigen Bewohner dort würden uns ebensowenig von den Chaldäern viel erzählen können, wie die aegyptischen Fellahs von den Pharaonen. Schon manches Cultur-Reich ist in Wüsteneien verschwunden, und manche „deserta Bojorum“ sind wieder mit hoffnungsvoller Saat bepflanzt. Die Böhmen sehen ihren Repräsentanten in Czech, der seine Kinder tragend ins Land kam, in’s Passauer-Land dagegen (obwohl derartig verwüstet ut absque habitatione terra episcopi solitudine silvescat) traten die Colonisten zu einer Zeit, wo sie im Zusammenhang mit größeren Volksganzen blieben und deshalb nicht daran dachten, sich durch Partialhistorien abzuscheiden. Auf der andern Seite liebten es die im hohen Norden isolirten Republicaner, ihr Island als jungfräulichen Boden zu betrachten, auf dem man die Spuren eines Thule sowohl wie irischer Papas vertilgte, und ebenso gehen die Wandersagen der Maori mit Stillschweigen über den eingeborenen Stamm Ngatipowa’s hinweg, obwohl sie ihn nicht ganz verdecken können. Die Beziehungen zwischen Fidji und Tonga sind uns in den Phasen ihrer letzten Wandlungen genau bekannt geworden, und die weiteren (nicht nur unfreiwilligen) Fahrten der Polynesier sind seit Cook’s Zeit Jedem geläufig. Die Möglichkeit dessen, was vor ihm geschehen sein könnte, wird Niemand auszählen wollen, und kein Vernünftiger kann ernstlich daran denken, aus den Genealogien schriftloser Völker auf mehrere Jahrtausende zurückrechnen zu wollen oder aus sprachlichen Veränderungen, so lange uns noch das erste A-B-C zum Lesen der darin waltenden Gesetze fehlt. Oft sehen wir Völker für Jahrhunderte auf gleichem Niveau verharren, oft erfüllen sich innerhalb eines Jahres Umwälzungen, die Alles neu gestalten, und in der langen Reihe von Jahren, die wir von Ninus und Menes bis auf unsere Zeit als Weltgeschichte betrachten, mag auch Polynesien von einer gleich wechselvollen Fülle der Ereignisse betroffen sein. Die Besiedlungen unbewohnter Inseln, von denen die Traditionen reden, waren ebenso häufig Wiederbesiedelungen, und Katastrophen, von denen kein Lied die Kunde meldet (caret quia vate sacro), bezeugen jene alten Baudenkmale, die die europäischen Seefahrer auf völlig menschenleeren Inseln angetroffen haben, wie auf Pitcairn, (ähnlich denen auf Rapa, Tahiti u. s. w.). Von des Sänger’s Fluch betroffen, sind sie „vergessen und versunken“ in unerreichbare Tiefen hinab, denn der begünstigten Völker sind wenige, denen ein Homer ihre Vorgeschichte rettete. Die vielfachen Motive, die aus asiatischer sowohl, wie aus amerikanischer Cultur in Polynesien zerstreut liegen, [494] werden sich nach genügender Ansammlung und Sichtung der Thatsachen, sowie nach einem eingehenden Detailstudium unzweifelhaft auf das einfachste erklären, ohne alle jene verzweifelten Gewaltmaßregeln und Machtsprüche, mit denen man sie bis jetzt bald nach der einen, bald nach der anderen Seite zurecht zu rücken sucht, und dadurch vielmehr ganz aus den Fugen bringt. Für die Monumente der Osterinsel brauchen wir zunächst noch nicht auf so entlegene Ausläufer zurückzugehen, sondern können wir vorderhand bei ihrem polynesischen Charakter bleiben. Daß gerade auf dieser isolirten Insel der Schöpfungstrieb des polynesischen Geistes so mächtig geweckt ist, bestätigt auf’s Neue die überall im Buche der Geschichte aufgeschlagene Lehre, daß der Mensch im Kampfe mit der Natur seine Fähigkeiten zur Entwickelung bringt und (wenn die Ueberwindung der Hindernisse im Bereich der Möglichkeit liegt), sich im siegreichen Ringen zur Freiheit emporschwingen wird. Die genauere Kenntniß der Osterinsel verspricht unerwartete Aufklärungen für das psychologische Studium der Völkergeschichte, und dieses strahlt zurück auf den Kern jedes Wissens, das dem Menschen sein eigenes Wissen spiegelt. Hierfür sind kostbare Schätze dort zu heben, aber man verschwende sie nicht in den Constructionen nutzloser und unmöglicher Völkerzüge, an deren Stelle unsere Ballon-Zeit besser gleich die Luftwege substituirt, auf denen Ferreras die Stämme des Sennār in ihre respectiven Localitäten vertheilte.
Auf der französischen Colonie Neu-Caledonien scheint der Anbau in der Zunahme, das Klima wird gesunder geschildert, als man erwartet hatte, und die Ausfuhr einer Zucker-Ladung nach Sydney wurde (Ende 1866) als der erste Schritt begrüßt, die Handelsbahnen zu betreten. Einen richtigen Blick für die künftigen Züge derselben bewies die französische Besitznahme der 1791 von Vancouver entdeckten, aber seitdem kaum beachteten Insel Oparo oder Rapa (1867), indem schon jetzt die Panama-N.-Zealand-Australian R. M. Company und, nach Auflösung dieser, die Gesellschaft der australisch-californischen Linie den Hafen auf Rapa zur Kohlenstation auserwählt hat. Für die Dampfer zwischen Californien und China hat man Brook’s-Island ins Auge gefaßt, und auf den Fidji-Inseln hat die Polynesian-Company Besitzthum erworben. Die Langsamkeit des Fortschrittes in Neucaledonien mag zum Theil der Verwendung dieser Insel als Verbrechercolonie zuzuschreiben sein, an welchem Uebel auch Australien früher zu leiden hatte. Die ethnologischen Verhältnisse sind von Bourgey und Garnier behandelt, die Ostküste bei De la Hautiére. Gerland bespricht die Bevölkerung der australischen Inselwelt, und ebenso Dulaurier, Meinicke den [495] Archipel Paumotu oder (nach Beschluß des Parlaments) Tuamotu, Forestier die Inseln Tanna und Vaté in den Neu-Hebriden, Stanley den Vulcan auf Honolulu, Turner die auf Samoa verspürte Erdbebenwelle, Montmayeur Viti, ebenso Graeffe in seinen Berichten, Davis die antarctischen Entdeckungen und die Vorbereitungen zu den Beobachtungen des bevorstehenden Venusdurchganges im J. 1882.
Vor der frischen Bewegung der Handelswelt haben auch die Schranken fallen müssen, mit denen Spanien bisher seine Colonien abzuschließen suchte, und die Aufhebung der Differentialzölle in den Philippinen wird nicht verfehlen, die Production des von Natur schon so reichen Boden’s auf diesen Inseln durch ausländische Capitalien noch zu steigern. Semper hat in einer Reihe von Vorträgen manche Punkte angedeutet, deren Behandlung in der Ausgabe seiner Reise unsere Kenntniß von den Philippinen erweitern wird, und ein gleiches ist von dem Werke zu erwarten, das unser Mitglied F. Jagor auf Grund eigener Erfahrung und umfassender Studien zur Herausgabe vorbereitet. In jeder Weise anziehend und belehrend ist Wallace’s letztes Buch, die Frucht mehrjähriger Reisen im indischen Archipel, und die von ihm mit gewohnter Meisterschaft dort unternommenen Arbeiten auf dem Gebiete der Zoologie werden voraussichtlich von dem Uebersetzer seiner Schriften, Dr. B. A. Meyer, der mit Empfehlungen unserer Gesellschaft versehen, gegenwärtig im indischen Archipel weilt, weitergeführt werden. Ueber die portugiesische Besitzung auf Timor giebt de Castro Nachricht, die Ethnologie von Niederländisch-Indien hat in van Leent einen umsichtigen Bearbeiter gefunden; Riedel und Andere bereicherten die Kenntniß von Celebes, Beccari die Borneo’s, Sanchez y Zachas hat auf seiner Expedition die Küsten der Mariannen berichtigt, sowie die Lage umliegender Inseln, Planchut besuchte die Solo-Inseln. Alfred Grandidier hat im Auftrage der französischen Regierung seine Untersuchungen auf Madagascar fortgesetzt, und die früheren Ansichten von einer centralen Bergkette, die die Insel ihrer Länge nach durchschneiden sollte, zerstört. Capitän Morell nahm 7. März 1869 Besitz von den Nikobaren.
Auch unsere Kenntniß von Afrika, dem Brennpunkt geographischer Entdeckungsreisen während der letzten Decennien, ist in den vergangenen Jahren, wie es der Redacteur unserer Zeitschrift in einem Vortrage zusammengestellt hat, wesentlich gefördert worden. Südost-Afrika zunächst hat in Eduard Mohr, der sich schon vielfach in der Welt bewegt und mit dem praktischen Auge eines Kaufmanns zu beobachten gewöhnt ist, einen thätigen Freund gefunden. Er ist diesmal durch einen längeren Cursus von Vorbereitungen auf das beste ausgerüstet und hat sich [496] außerdem von Herrn Hübner[2] begleiten lassen, einem geologischen Fachmann, und also die geeignete Persönlichkeit in jenen Gegenden, wo alte Goldsagen verschwinden und neue auftauchen. Auch die seit de Barros spukenden Ruinenstädte treten wieder bei Walmsley hervor und werden sich jetzt bald so eng umdrängt sehen, daß ihnen keine weitere Ausflucht bleibt, wenn sie sich nicht dazu bequemen wollen, eine faßliche Form anzunehmen. Mauch’s neuere durch Genauigkeit in den Ortsbestimmungen sich auszeichnenden und von Petermann veröffentlichten Arbeiten, sind für den Südosten Afrika’s bis jetzt ein reellerer Gewinn, als die Entdeckungen von Goldfeldern, von denen wenigstens das am Tatin, nach Hübner’s Urtheil, sich als sehr wenig lohnend herausstellt. Der Glanz des Goldes blendet stets so rasch, daß man bei jedem Vorhandensein desselben, wo es von der Wissenschaft nachzuweisen ist, auch an die Möglichkeit praktischer Ausbeute glaubt, obwohl das Beispiel Peru’s und das völlige Mißlingen der dort von californischen und australischen Goldgräbern versuchten Unternehmungen beweist, daß ein Land allerdings genügend reich an Gold sein mag, um bei der langsamen, aber massenweisen und fortdauernden Gewinnung durch Eingeborene große Schätze (wie einst in den Pallästen der Inca’s) aufzuhäufen, daß es indeß dennoch nicht die Arbeit eines Europäers bezahlen würde, der sich in diese ungesunden Länder nur dann hineinwagen wird, wenn er die Aussicht hat, in Kurzem ein Crösus zu werden. Erskine hat unter vielfachen Beschwerden die Mündung des Limpopo, dem er von den Einläufen des Olifant-Flusses gefolgt war, verificirt (als Inhampura). Mann liefert meteorologische und statistische Notizen über Natal, Griesbach und Gröger forschten dort geologisch, Baines im Matabele-Lande, Tennant berichtete von der Diamanten-Entdeckung bei Hope-Town in der Cap-Colonie. Für die Anthropologie jener Gegenden wird bald eine feste und sichere Stütze (wie sie bis jetzt die meisten Areale Afrika’s leider noch entbehren) gewonnen sein in den Arbeiten Gustav Fritsch’s, der dem geographischen Publikum bereits seine „drei Jahre in Süd-Afrika“ geschenkt hat. Fritsch war für seine Reisen wissenschaftlich in jeder Hinsicht vorbereitet, er hatte seine Zwecke deutlich vor Augen, und die ruhige Sicherheit, mit der alle Arbeiten ausgeführt sind, giebt denselben einen besonders hohen Werth der Zuverlässigkeit. Seine Geübtheit im Photographiren befähigte ihn, eine Sammlung von ethnographischen Typen zurückzubringen, die, wenn (wie in diesem Falle) mit der erforderlichen Umsicht ausgeführt, für die Ethnologie werthvolle Erwerbungen bilden, die [497] sie mit der Verbesserung der photographischen Methoden künftighin wohl häufiger als bisher aus den gewonnenen Resultaten der Reisenden erhoffen darf. Ueber die von Busk in der Capcolonie gefundenen Steinwerkzeuge berichtet Lubbock. Aus ihren eigenen Jugenderinnerungen und Aufzeichnungen der Missionäre erzählen Josaphat Hahn über die Ovahereró, Theophilus Hahn, der einen neuen Besuch des Heimathlandes beabsichtigt, über einen Rassenkampf im nordwestlichen Theil der Cap-Region; die Aufstellung der portugiesischen Padrone hat Magno de Castilho neuen Betrachtungen unterworfen. Im südlichen Benguela lehrt Duparquet die Modombes kennen, sowie die Flora der Sierra de Chella. Ueber die Portugiesische Herrschaft in Angola (wo Loanda von Allain besprochen wird) ist uns (aus älteren Daten) eine detaillirte Karte von Sa da Bandeira zugegangen. Vielleicht erhalten wir von dort die Freudenbotschaft über Livingstones Ankunft, wenn er den als Quellwasser des Congo vermutheten Flüssen westlich von Tanganyika gefolgt sein sollte, vielleicht kehrt er von Ujiji nach Zanzibar zurück, nach der Ostküste, von wo unter Young’s Leitung eine Expedition zu seiner Aufsuchung ausgeschickt war, vielleicht wird er, vom Tanganyika-See das Südende des Albert-Nyanza oder nach seiner Vermuthung des Chowambe-See’s (in dem sich der Lufira nach Verbindung mit dem Cambeze, als Luapula oder Lualaba ergießt) erreichend, mit Samuel Baker zusammentreffen. An der Spitze einer bewaffneten Macht, mit Vollmacht des Khediv, führt dieser durch die Bari-Länder, über die Kettenbrücken des Asua-Flusses, seine Dampfflösse in günstiges Fahrwasser, dringt er ein in jene so lange verschleierten Länder des oberen Nils, die auch die unermüdliche Arbeitskraft unseres Mitgliedes Schweinfurth, der jetzt bereits wieder seit zwei Jahren am Bachr-el-Ghasāl weilt, uns näher gebracht und vertrauter gemacht hat. Die zum Theil in den Sitzungen der Gesellschaft mitgetheilten Briefe finden sich in der Zeitschrift abgedruckt. Die letzten Nachrichten bei seiner Rückkehr von den Njām-Njām-Ländern lassen ein überraschend reiches Sammlungsmaterial erwarten und stellen für Botanik und Zoologie sowohl, wie für die Völkerkunde jener noch ganz im Zustande rohester Wildheit verbliebenen Gegenden die wichtigsten Mittheilungen in Aussicht. Ueber die geographische Verbreitung der im nordöstlichen Afrika wild lebenden Säugethiere, sowie die Stellung der Funje in der afrikanischen Ethnologie stellte Hartmann sein reiches Material, durch umfassende Studien erläutert, zusammen; Schimper’s geognostische Skizze der Umgegend von Axum und Adoa in Tigre wurde von Sadebeck bearbeitet. Die Gebrüder Poncet haben für die Kartenkenntniß westlich vom weißen Nil einheimische Wegeangaben zu erkunden gesucht, [498] Piaggia erzählt seine Erlebnisse unter den Njām-Njām, Petherick seine letzten Fahrten am oberen Nil.
v. Heuglin hat (1869) seine Reise in das Gebiet des weißen Nils und dessen westliche Zuflüsse (1862–4) veröffentlicht. Die geographische Gesellschaft in Florenz, unter Negri’s thätiger Leitung, hat eine Expedition organisirt nach der Ostküste Afrika’s unter Führung des Ornithologen Antinori, dem Beccari als Botaniker und Issel als Geologe zur Seite stehen. Die von K. Johnston und A. Petermann in verschiedenem Sinne besprochene Frage über die Zuflüsse des Congo und die auch von Findlay erörterten Nilquellen, die Beke den Kassabi speisen läßt, erwartet für ihre schließliche Aufklärung die Heimkehr Livingstone’s, der Sir R. Murchison mit ungebeugtem und bis jetzt noch stets gerechtfertigtem Vertrauen entgegensieht. Möge ihm bald solche Freude vergönnt sein, möge dieser hochverdiente Nestor der Geographie aber auch dann noch fortfahren, die Bestrebungen derselben zu leiten, an der Spitze der geographischen Gesellschaft England’s nicht nur, sondern aller derer, denen aus Englands weiter Weltherrschaft das reichste Material zufließt.
Ueber Abessinien ist die Literatur seit dem Kriege sehr angewachsen; directen Bezug darauf nehmen außer Markham im Auftrage der geographischen Gesellschaft England’s, von Mitgliedern unserer Gesellschaft G. Rohlfs und Stumm, dann v. Seckendorff, Blanck, Rassam. Sonst ist als bedeutendstes Werk zu erwähnen d’Abbadie: Douze ans dans la haute Ethiopie. Léon des Avanchers giebt Ergänzungen zur Kenntniß Kaffa’s, Halévy der Falascha, Cook des Klima; Reil durchzog das Land von Suakim nach Massaua und Munzinger die Salzwüste der durch die gemeinsame Afar-Sprache verbundenen Danakil. Baron von der Decken’s Reisewerk ist unter Kerstens Redaction erschienen, und Brenner, der frühere Theilnehmer an jener Reise, ist gegenwärtig mit einer Handelsexpedition nach Zanzibar abgegangen.
Der Ogoway oder (wie er nach seiner Verbindung mit dem Rhumboë-Engouyé heißt) der Okanda war lange durch seine unscheinbare Mündung verdeckt, wie einst der Niger, aber seitdem ihn im Jahre 1861 Serval befahren, hat sich in den weiteren Expeditionen mehr und mehr die Mächtigkeit dieses äquatorialen Flusses enthüllt. Bis jenseits seiner Confluenz erschloß ihn Aymes, von Barbedor für botanische Beobachtungen begleitet und de Kertagny. Durch ein mit den Häuptlingen von Camma und Rembo abgeschlossenen Vertrag (1868) haben die Franzosen ihre Besitzungen am Gabun bis zum Fernan Vaz erweitert, der bereits zum Aestuarium des Ogoway gehört. Ueber das Vordringen der Pahuin und Fan hat Roullet Mittheilungen gemacht und über die dadurch hervortretenden Handelsbeziehungen [499] Fleuriot de Langle, der auch über den Tem-See berichtet hat. Walker hörte von Vulcanen im Lande der Okanda und Opinzi. Benedetti beschrieb die spanischen Besitzungen im Golf von Guinea. Die letzte Niger-Expedition wurde von East geleitet. Girard unternahm die Erforschung des Neu-Kalabar’s und seines Zusammenhanges mit dem Niger im Hinblick auf die Gründung von französischen Comptoiren unter Beistimmung der Handelskammern und des Ministeriums. Nach Borghero dehnen die zu den Nagos gehörenden Egbas von Abbeokuta aus ihre Handelsbeziehungen bis zum Tschad-See und bis nach Timbuctu aus, das Rabbi Mordokhai besuchte; Jeekel beschreibt die Holländischen Besitzungen Guinea’s. Braouézec hat von Sierra Leone aus das kriegerische Volk der Susus bereist, die ihr Entdecker mit den Römern verglich und die jetzt einen lebhaften Handel unterhalten. Schon im Jahre 1865 befrachteten sie 53 französische Schiffe an ihren Flußmündungen. Ebenso ist der Handel Gorée’s im Wachsen, besonders seit Maba gegen den König von Sine gefallen (1867) und so die Ruhe im Senegal hergestellt ist. Der Reisebericht Mage’s und Quintin’s ist (1869) veröffentlicht (Voyage dans le Soudan occidental, 1863–66) und die Pläne dieser beiden Reisenden (von denen der Erste bereits aus dem Leben geschieden ist), werden vielleicht durch geographisch geschulte Eingeborene ausgeführt werden. Winwood Reade, der vergeblich versuchte, den Assinie-Fluß als Eingangsthor zu benutzen, hat dann Sierra-Leone als Ausgangspunkt genommen, schickte (August 1869) eine Mittheilung aus Farabana am oberen Niger und ist seitdem zurückgekehrt. Aus Accra brachte er dort am Flusse ausgegrabene Steinäxte zurück und auch in diesem nur sparsam durch Steingeräthe vertretenem Lande knüpfte sich an jene Funde der Name der Donnerkeile, wie so vielfach in Europa und Asien. Anderson besuchte Masardu, die Hauptstadt der westlichen Mandingos, und in Boporo wurde bei Blyden’s Anwesenheit eine Mission begründet.
Ueber die Strömungen des atlantischen Meeres arbeitete Souzy, über die Seychellen Wright, über die kanarischen Inseln liegen Berichte von v. Fritsch und Greef vor, über Madeira, wo der Anbau des Weines wieder begonnen wird, im preußischen Handelsarchiv (1868); aus Marocco theilt Beaumier seine Touren mit, von Mogador nach Marocco und von dort nach Saffy, ebenso Balansa, und Lambert schildert die Hauptstadt Marocco nach mehrjährigem Aufenthalt, Gatell das Küstenland von Wad-Noun und Tekna, ebenso Craig u. A. m.
Die localen Zeitschriften Algeriens (Revue africaine, Recueil de Notices et Mémoires de la Société de Constantine, Bulletin de l’Academie d’Hippone u. s. w.) schließen einen Schatz lehrreicher Abhandlungen [500] ein. Ueber megalithische Ausgrabungen sprachen Faidherbe und Berthrand, über anthropologische Verhältnisse Algiers d’Hercourt, über ethnologische Seriziat (Etudes sur l’oasis de Biskra) und Duhausset (les races algériennes), über das Leben der Araber Daumas, über Oran Bourdan, über die medicinische Topographie der Sahara Armieux, über das afrikanische Arabisch Cherbonneau, der die Archäologie durch eine große Zahl lateinischer Inschriften und die Geographie durch die Fixirung der Quelle des Amsaga südlich von Cirta bereichert hat. Dewulf bespricht die Inschriften von Ain-Beida, Lacroix das alte Afrika, dann Letourneaux, Bourguignat, Vignerol u. s. w., About den Fellah Egyptens. Sr. Kais. Hoh. dem Erzherzog Ludwig Salvator von Toscana verdanken wir außer seinem auch der Bibliothek geschenkten Prachtwerk über die Balearen seine photographische Ansichten von Tunis. Von dort auch theilt von Maltzan Erfahrungen mit, und de Gubernatis die seinigen, Daux giebt die Resultate der auf Kaiserliche Kosten in Utica und Carthago angestellten Untersuchungen, aus Cyrene bespricht Beulé die Ausgrabungen Smith’s und Porcher’s, Le Brêne die Völkerstämme, Rohlfs Reise in die Cyrenaica und von dort ostwärts über die Oase Siuah hat durch directe Messungen die früher bereits vermuthete Depression, als beim Bir Ressame beginnend, bestätigt.
Die traurige Katastrophe, die die Reise des Fräulein Tinné unter den Tuareg betroffen, war nach Allem, was im Voraus darüber verlautet hatte, mit Sicherheit vorauszusehen und selbst eine gewaltsame Verhinderung dürfte fast entschuldigt gewesen sein.
Der Beschluß Sr. Majestät des Königs, dem Scheich von Bornu in Anerkennung der deutschen Reisenden bewiesenen Gastfreundschaft Geschenke zu übersenden, hat Dr. Nachtigal nach Murzuk geführt, von wo er unter großen persönlichen Gefahren eine Reise in das Land der Tibbu Reschāde unternahm, ein durch den Kampf mit der Noth des Lebens geistig verkrüppeltes Geschlecht heimtückischer Schurken. Der von ihm darüber an die Gesellschaft gerichtete Brief ist in der Zeitschrift veröffentlicht und ebenso ein Kärtchen, dem die Originalkarte bei Petermann folgt. Auch nach der Rückkehr war seine Lage keine ganz unbedenkliche, so daß schon Berathungen darüber gepflogen wurden, in welcher Weise ihm grössere Sicherheit zu verschaffen sein möchte. In der Zwischenzeit waren Verhältnisse eingetreten, die einen günstigen Umschwung herbeiführten, und obwohl er in seinem letzten an die Gesellschaft gerichteten Briefe den Tag der Abreise noch nicht bestimmen konnte, erhielten wir doch bald darauf sichere Nachrichten, daß sein Aufbruch erfolgt sei. Vor Kurzem ist nun die Kunde von seiner glücklichen Ankunft in Kuka [501] am 7. Juli eingelaufen, und dürfen wir bald ausführlicheren Mittheilungen entgegensehen. Die geographischen Kreise, besonders in unserm engeren Vaterlande, werden mit dem lebhaftesten Interesse eine Expedition verfolgen, die ohne sonstige Nebenzwecke, einzig zum Besten der Wissenschaft bewilligt und ausgerüstet ist. Gerade die Kenntniß des centralen Afrika ist von deutschen Reisenden in bedeutsamster Weise gefördert worden, und vielleicht dürfen wir die Hoffnung hegen[3], daß die günstige Gelegenheit, die sich bei Nachtigal’s Ankunft in Bornu für weiteres Vordringen nach Süden bietet, für solchen Zweck wird benutzt werden können.
Eine hohe Theilnahme ist durch persönliche Gegenwart auch einem andern Ereigniß bewiesen worden, das im November vorigen Jahres die Aufmerksamkeit der gesammten Erde fesselte, und das in unseren Sitzungen mehrfach zur Sprache gekommen ist.
Afrika, der schwarze Continent, und das semitische Asien sind an dem Punkte, wo sie sich seit altersgrauer Vorzeit hamitisch durchschlangen, auseinander gerissen, Europa und arisches Indien reichen sich befreundet die Hände, und der anglosächsische Strom zieht weiter nach japanisch-chinesischen Küsten, wo von jenseitigen Landen der amerikanische Bruderstamm entgegenkommt, während auf den Wassern des Stillen Ocean’s sich amerikanische, australische und indische Dampferlinien schneiden. Was schon in alter Pharaonenzeit die Staatsmänner beschäftigte, was Rhamses und Necho begannen, was Darius und Ptolemaeus Philadelphus weiterführten, Trajan und Hadrian wieder aufnahmen, Amru vollendete und Almansor (767) zerstörte, was die Projecte der Pforte im XVI. Jahrhundert und (nach Volney) noch 1768 nicht herzustellen vermochten, was Napoleon I. zu unternehmen zögerte, es hat sich vor unsern Augen vollendet. Als Mitglied der von Enfantin mit dem Enthusiasmus eines Apostels (neuer Unternehmungen sowohl wie einer neuen Religion) im Jahre 1846 gebildeten Gesellschaft nahm Linant 1853 die nöthigen Nivellirungen vor und Lesseps’ energischer Beharrlichkeit gelang es, das Begonnene glücklich zu Ende zu führen. Am 26. April 1859 geschah der erste Spatenstich, am 18. März 1869 strömten die Wasser des Mittelmeeres in die Bitterseen, wo sie sich mit denen des Rothen Meeres treffen sollten, und am 16. Nov. 1869 fand die Eröffnung Statt in einer internationalen Festlichkeit, zu welcher auch an unsere Gesellschaft eine Einladung des Khediv gerichtet war, der es leider nicht möglich gewesen, nachzukommen. Die Handelsstraßen sind so auf ihre alten Bahnen zurückgelenkt, aber [502] nicht durch schwerfällige Karavanen, wie sie einst nach Myos Hormos oder Berenice zogen, sondern durch rasche Dampfer, die frei das rothe Meer durchschneiden, befreit von der Tyrannei der Monsune und ihre Limitirung auf eine Jahresreise.
Der Welthandel im weitesten Sinne des Wortes muß stets um Indien und dessen Archipel, als den Schwerpunkt der Anziehung, gravitiren, um das Indien des Ostens, das für den kostbaren Reichthum seiner Produkte selbst nicht im westlichen Indien einen Rivalen zu fürchten braucht und dieses weit durch seine dichtgedrängte Bevölkerung übertrifft. Nach Indien ist jetzt wieder der kürzeste der dorthin führenden Wege geöffnet, und zwar mit größeren Erleichterungen, als je zuvor, und wäre derselbe wahrscheinlich auch niemals verlassen worden, hätte nicht in den damaligen Constellationen des politischen Himmels der Halbmond Mekka’s in gefährlicher Opposition zum christlichen Kreuze gestanden. Ein Blüthenkranz abendländischer Ritter war an den Mauern der heiligen Städte, war in egyptischer Wüste gefallen, der unaufhaltsam nach Westen dringende Islam warf alle Angriffe siegreich zurück, und nur dem nachgiebigen Kaufmann italienischer Häfen gelang es, sich hie und da hindurch zu winden, die Märkte Malabar’s oder Khitai’s zu erreichen. Als aber einer der Wege nach dem andern verlassen werden mußte, als immer unerträglicher wurde der Hohn, mit dem übermüthige Mamluken die Comptoire von Alexandrien bedrückten, als jetzt auch der rohe Osmane das goldene Thor des Pontus schloß, da wurden die Nationen Europas zu erhöhten Kraftanstrengungen getrieben, und da begannen, vollendeten sie jene Seefahrten, die mit ihren gebrechlichen Schiffen nie gewagt sein würden, wenn nicht durch die Noth erzwungen. In Mischung ebenbürtiger Elemente, in ihrer tausendjährigen Gährung seit den Völkerwanderungen war Alles zur Reife vorbereitet, und mit einem Zauberschlage brach der Glanz der germanisch-romanischen Rasse hervor, der jetzt den Globus überstrahlte, wie einst die hellenisch-römische das Becken des Mittelmeeres. Im Einzelnen verlor damals der Süden, was der Westen und Norden gewonnen. Die Häfen Genua’s und Venedigs verödeten, als sich Lissabon und Cadiz, dann Antwerpen, London und Hamburg mit Masten füllten, aber jetzt, wo es sich auf allen Küsten gleichmäßig regt, kann ein ähnlicher Rückschlag, wie ihn Einige durch Eröffnung des Suez-Canals hoffen oder fürchten, nach der andern Seite nicht wieder eintreten. Der Welthandel rechnet gegenwärtig mit so gewaltigen Größen, daß ganz Europa nur als Einheit zählt, und der Raumunterschied zwischen Nordsee und adriatischem Meere verschwindet. Nur die höhere Energie, der sichere Blick, die raschere That wird jetzt den Sieg davon tragen in dem die Völker beglückenden Wettstreit des Handels.
[503] Die Opposition, die sich in England eine Zeitlang gegen den Suez-Canal zeigte, war mehr politischer Natur, theils in Folge der Abneigung Lord Palmerston’s, der französischen Gesellschaft die ihr anfangs zugesagte Provinz auf dem Isthmus zu überlassen, theils aus seinem Protest gegen erzwungene Arbeit und also gegen die mit so großen Geldopfern anderswo bekämpfte Sklaverei. Die ungünstige Meinung, die der berühmte Ingenieur Robert Stephenson äußerte, richtete sich gegen die Schwierigkeit des Unternehmens, und diese liegt nicht in der Unmöglichkeit der Vollendung (da die jetzige Technik für derartige Werke keine Unmöglichkeiten mehr kennt), sondern in den hohen Kosten der Instandhaltung. Von diesen wird das fernere Schicksal des Suezkanals abhängen, und also von seiner Rentabilität, da er, wenn die Einnahmen die Ausgaben decken, bestehen mag, sonst aber verfallen muß. Der Suezkanal ist ein Product der Menschenkunst gegen den Willen der Natur, denn diese, wie sie in den Bitterseen als mehr und mehr verschwindenden Resten des früheren Meerzusammenhanges, sowie in den Alluvialanschwemmungen des Nils längs der Küste bis zur Bai von Pelusium zeigt, hat eine Landenge beabsichtigt, keinen Wasserkanal, wie er jetzt geschaffen ist. Daß der Mensch in solchen Streitfragen mit der Natur seine Pläne gegen die deutlichste Abneigung dieser letztern durchzusetzen vermag, beweist er in seinen Eisenbahnbauten tagtäglich, er wird indessen immer auf desto größere Anstrengungen seinerseits gefaßt sein müssen, je mehr die Richtung derselben dem Naturgange widerstrebt. Für die Unterhaltungskosten des Suezkanals ist deshalb von vornherein die höchste Ziffer anzusetzen, und die Frage stellt sich nun einfach so, ob unter diesen hohen Unterhaltungskosten und den dadurch bedingten Tonnengeldern der Großhandel es vortheilhafter finden wird, seine Waaren zu Schiff durch den Canal oder durch die Bahn über denselben zu schicken, oder sie lieber um das Cap zu transportiren. Der Kleinhandel kann ziemlich außer Frage bleiben, da er (obwohl zweifelsohne durch den Canal vermehrt) nie lebhaft genug werden kann, um ein bedeutendes Quotum der Ausgaben zu decken; denn weder die öden Küsten Aegyptens, noch die Arabiens, das seine Handelsbeziehungen ohnedem mit dem persischen[WS 2] Golfe theilt, können kräftigere Anziehungspunkte bieten, und eine Wiedererweckung sabäischer Verkehrsmärkte in Yemen ist undenkbar, da ihre Blüthe nur durch die Nothwendigkeit von Stapelplätzen hervorgerufen war, ehe die Monsune gekannt, oder doch benutzt waren. Für den möglichen Einfluß des Suezkanals auf den Großhandel kommt zunächst in Betracht, daß seine Befahrung die Beihülfe der Dampfkraft erfordern wird, um sich vortheilhaft zu beweisen, denn mit der vervollkommneten [504] Kenntniß der Passate wird ein Segelschiff auf dem großen Ocean ebenso rasch, wenn nicht rascher nach Indien und China gelangen, als ein gleichzeitig ausgelaufenes, das Wochen im Kreuzen vor der Straße von Gibraltar, Wochen in den veränderlichen Winden des Mediterraneum, Wochen oder Monate in denen des Rothen Meeres verlieren mag. So ergiebt sich ein zweites Plus auf der Kostenliste gegen den Canal, indem nur diejenigen Güter in profitabler Weise durch denselben werden bezogen werden können, die außer den Tonnengeldern auch noch den Kohlenverbrauch eigener oder fremder Dampfkraft zu tragen vermögen. Billige und raumerfordernde Waaren werden dadurch wahrscheinlich ausgeschlossen bleiben, für kostbarere wird sich dagegen der Weg durch den Canal empfehlen, also für dieselben, die schon jetzt durch die Suez-Eisenbahn befördert werden, und für eine noch größere Zahl, wenn die genügenden Vertiefungen des Canals nirgends mehr ein Umladen oder Erleichtern des Schiffes erfordern. Der Kaufmann wird bald einen Ueberschlag zur Vergleichung der ihm auf dem einen oder anderen Wege erwachsenden Ausgaben machen können, und erst die Praxis kann die endgiltige Entscheidung über den reellen Nutzen des Suez-Canals abgeben. Es ist hervorgehoben worden, daß die Durchstechung der Suezlandenge gerade geschehen sei, als die Zeit dafür reif gewesen, daß sie als ein durch die Bedürfnisse der Gegenwart hervorgerufenes und deshalb in derselben ausgetragenes Ereigniß zu betrachten sei. Obwohl indeß jedes Geschehende seinen vernünftigen Grund in sich trägt, bleibt der subjectiven Deutung stets ein weiter Spielraum. Ebensogut ließe sich sagen, daß der weltgeschichtlich richtige Zeitpunkt für eine Durchstechung des Suez-Canals damals gewesen sein würde, als der Schwerpunkt des politischen und commerciellen Lebens für Europa im Mittelmeere lag. In ägyptischer Vorzeit konnte an einen solchen Communicationsweg kaum ernstlich gedacht werden, da er nur nach barbarischen Nordländern geführt haben würde, denn die Straße nach Indien war durch das rothe Meer für den meerscheuen Aegypter bereits genugsam geöffnet, so daß er sie nur ungern durch den Süßwassercanal dann und wann weiter bahnte. Für diejenige Periode indeß, wo der damalige Welthandel seinen Mittelpunkt in Athen, in Syracus und Carthago fand, würde die Tragweite eines Suezdurchstichs, einer directen Verbindung mit Indien unberechenbar gewesen sein. Für uns ist die endliche Ausführung dieses Projectes verhältnißmäßig weit gleichgültiger, da der gerade Verkehrsweg nach dem südlichen Asien bereits durch die Eisenbahn hergestellt war, und vor Allem weil die Centralbörsen des heutigen Welthandels in der Nordsee und am Canal liegen. Eine Revolution würde die Eröffnung des Suezcanals dann [505] bewirken, wenn die Folgen derselben stark genug wären, um auf’s Neue den Schwerpunkt (wenigstens für den indisch-chinesischen Handel) nach dem Mittelmeere zu verlegen. Ob dieses Statt finden wird oder nicht, muß sich gleichfalls aus den nach mehrjähriger Erfahrung aufzustellenden Rechnungen bald genug ergeben. Von der Bevölkerung Europas findet weit über die Hälfte ihre natürlichen Ab- und Bezugscanäle für Production und Consumtion in den Häfen der Nord- und Ostsee, während die am Mittelmeer auf das Suezthor am nächsten hingewiesenen Länder in ihrer Bevölkerung größtentheils nicht nur schwächer an Zahl sind, sondern auch an Erzeugungsthätigkeit und Verbrauch. Aus dem Herzen Deutschlands führen die natürlichen Straßen längs Elbe, Weser, Oder, Rhein und Weichsel zum Meere, während die Häfen des Mittelmeeres durch das Bollwerk der Alpen abgeschnitten sind, und obwohl die Eisenbahnen Alles nivelliren, muß ihre Erhaltung in Gebirgsgegenden doch stets eine theure, ihr Frachtensatz demnach ein höherer sein. Der Kaufmann bat also einen dritten Ausgabeposten zu notiren und zu berechnen, ob die Waaren trotz der Tonnengelder im Canal, trotz der Dampfmiethe, trotz der Mehrfracht der Alpenbahnen vortheilhafter über Suez, als um das Cap bezogen werden. Frankreich vertheilt allerdings seine Häfen zwischen südliche und nördliche Küsten, aber die an den letztern als der Hauptstadt am nächsten liegend, werden auch am directesten von diesem Mikrokosmos des ganzen Landes und umliegenden Bezirken belebt. Für den ganzen Norden Europas, für das insulare England wird das Mittelmeer ein wenig beachteter Binnensee bleiben, und auch Rußland neigt seit Petersburg’s Gründung nach der Ostsee und dortigen Häfen, da der freien Entwickelung an den Ufern des Pontus noch immer ein Riegel vorgeschoben bleibt. Befindet sich einst Byzanz in den Händen des Zaren, dessen Gebote schon jetzt an den Wogen des Pacific, am Fuße des Himalaya ertönen, dann schlägt die große Stunde des Panslavismus, und wie sich unter der dann nothwendigen Umgestaltung aller politischen Constellationen die commerciellen Chancen des Suez-Canals stellen würden, darüber wäre es frühreif, schon jetzt Speculationen anzustellen.
Die enge Verbindung Europas mit Amerika durch den atlantischen Handel, wie sie durch die am Ausgange des Mittelalters betretenen Seewege eingeleitet wurde, mag durch diese Rückkehr zu älteren Aspecten in einigen Punkten wiederum gelockert werden, aber um so näher wird sich der für uns westliche Continent den von ihm jüngst im Westen geöffneten Reichen anschließen, die das frühe Morgenland unserer Weltstellung bilden.
Von den Pacific-Bahnen ist die vom Endpunkt der Kansas-Bahn [506] ausgehende Vermessung (in späterer Verzweigung) von Palmer vollendet, die directe Linie von New-York nach San Francisco aber bereits dem Verkehr übergeben. Schon seit länger versah eine Wagenpost die Beförderung auf diesem Wege, aber unter steten Gefahren von Seiten der Indianer, die die Stationen verbrannten, die Zugthiere raubten, die Hirten scalpirten, die Waaren plünderten, was Mc. Clure anschaulich beschreibt (Three thousand miles through the rocky Mountains). Jetzt legt man den Weg von Newyork über den Evans-Paß nach San Francisco innerhalb sieben Tage (3257 Meilen) zurück, für dessen rasche Vollendung die Anwendung chinesischer Arbeiter nicht ohne Einfluß war und bereits denkt man an die Verwirklichung der Projecte einer nördlichen und südlichen Pacific-Bahn. Es waren zuerst die Mormonen, die, von ihrem Glaubenseifer geleitet, die steinige Wüste betraten, die auf der Flucht vor den „Heiden“ deren Schrecknissen trotzten und immer weiter dem Pfade nach Westen folgend, zum Salzsee gelangten, dessen todte Umgebung sie durch ihr Bewässerungssystem in ein gartenreiches Mesopotamien verwandelten. Fremont hatte die Wege nach Californien geöffnet, das bald durch seine Metallausbeute einen nach Osten drängenden Strom von Auswanderern herbeizog, und im Jahre 1857 war durch die Veröffentlichung der von dem Congresse angeregten Explorationen die geographische Kenntniß des Zwischenlandes erschlossen.
In der nordamerikanischen Union schwillt der Keim einer neuen Weltentwickelung, einer Geschichtsgestaltung, die Europa in die Stellung des Orients zurückzudrängen droht. Die spielende Leichtigkeit, mit der man dort die in dem verflossenen Riesenkampfe aufgehäufte Schuldenlast abzuschütteln beginnt, zeigt die Unerschöpflichkeit der aus der Blüthe nationalen Wohlstandes gespeisten Quellen, wo sich dieselbe in voller Ueppigkeit auf einem noch ungebrochenen Boden entfalten kann, und der Deutsche wird das Wachsthum des transatlantischen Nachbarstaates um so aufrichtiger begrüßen, da ihre in frischer Jugend erstarkende Nationalität auf der germanischen, als sicherstem Stützpfeiler ruht.
Die geographische Literatur der Vereinigten Staaten ist reich, denn dort bleibt auf allen Seiten zu thun, bald die neuen Staaten zu beschreiben, bald die Beschreibung der älteren zu vervollständigen, bald neu zu beschreibende zu projectiren. Besonders wichtig zeigen sich dort die ethnologischen Verhältnisse und sind in Bezug auf deutsche Einwanderung von F. Kapp besprochen, in Bezug auf Acclimatisation von Carlier und Mc. Gregor Allan, auf Neger und Weiße von Latham, auf die Indianer von Catlin und Boller, auf die in Idaho eingewanderten Chinesen von Kirchhoff. Kohl giebt, auf einer langen [507] Reihe älterer Karten basirend, eine meisterhafte Darstellung von der Entdeckungsgeschichte des Staates Maine. Ueber die Fortschritte der Theecultur in Tenessee sowie den Weinbau erhalten wir durch das Smithsonische Institut interessante Aufschlüsse.
Auf dem Isthmus hat Panama in seinen von Dampfflotillen belebten Hafen die alten Zeiten spanischer Herrlichkeit zurückkehren sehen, als sich dort die Galeonen aus Peru und Acapulco drängten, die mit den Schätzen der Conquista und des Handels beladen waren. Die Eisenbahngesellschaft hat einen neuen Pachtvertrag mit Panama abgeschlossen, doch scheint die Befahrung der Pacific-Bahn einen Theil des früher über Panama geleiteten Stromes abzulenken, und nach dem in Suez gegebenen Beispiel, das Lavigne auch beim Isthmus von Gabes (und Nero’s Projecte Aufnehmende bei Korinth) nachzuahmen gedenkt, wird eine Durchstechung auf Darien immer ernstlicher Gegenstand der Besprechung. Ueber die verschiedenen Projecte, die vorgeschlagen sind, berichten Davis und M. Wagner. Schon Cortez hatte daran gedacht, durch eine Vereinigung der Flüsse Chimalapa und Guasacoalco den Isthmus von Tehuantepec schiffbar zu machen. Nach De Puydt’s Untersuchung ergab sich die bedeutendste Einsenkung an den Quellen des Rio Tanela. Auch Collinson fand bei seinen Explorationen und Höhenaufnahmen vom See Nicaragua bis zum Atlantic günstige Verhältnisse. Die Honduras-Bahn nach der Fonseca-Bai bespricht Suckau, Levy bereiste Veragua, v. Frantzius, der nach längerem Aufenthalte in Costarica nach Europa zurückgekehrt ist, erörtert den geographisch-kartographischen Standpunkt Costarica’s, sowie die Goldminen von Tisingal und Estrella. Die goldreiche Gegend bei den Tschontal in Nicaragua hat manche Einwanderer herbeigezogen. Wagner liefert in seinen „Naturwissenschaftlichen Reisen im tropischen Amerika“ weitere Beiträge zu Darwin’s Lehre. Selfridge leitet die Arbeiten der Darien-Canal-Company. Die Geologie Guatemala’s und San Salvador’s wird von Dolfuß und de Mont-Serrat behandelt, Guatemala von Bernouilli, Belize von Cockburn. Die Monumente von British Honduras und Yucatan wurden von Carmichael beschrieben, der Pinto von Chassin. Chiriqui, wo die Schmucksachen der Guacos die Goldgräber angezogen hatten, wird als Auswanderungsziel für die befreiten Neger empfohlen.
In Mexico sind jetzt die Früchte aus den Arbeiten der wissenschaftlichen Commission gereift und in den Publicationen derselben dargebracht. Sie sind reich und lohnend, aber leider die letzten, da der Stamm, aus dem sie hervorwuchsen, durch den Gang der Ereignisse unzeitig abgeschnitten wurde. Die diplomatischen Beziehungen mit Mexico sind seitens des Norddeutschen Bundes wieder hergestellt, um den [508] ausgedehnten Interessen des deutschen Handels Schutz zu gewähren und die Beziehungen der Fremden zur einheimischen Regierung vertragsmäßig zu regeln. Solche Verhandlungen zwischen einer geordneten Regierung und einer revolutionären sind nicht ohne Schwierigkeiten, da jene sich leicht die Hände bindet durch Verträge, die für diese nur ein Spielball sind, um sie nach Belieben zu halten oder zu verwerfen.
De la Pezuela beschreibt die Geschichte der Insel Cuba, Sawkins die Geologie Jamaica’s und Major unterwirft die noch offene Frage über Columbus Landfall einer neuen Untersuchung. Schon früher war Watling’s Insel (statt der Katzeninsel) für Guanahani oder San Salvador erklärt.
Südamerika betritt jetzt ein Stadium üppiger Entfaltung, wie es die anglosächsischen Staaten auf der nördlichen Hälfte dieses Continents ein Jahrhundert früher durchlaufen haben. Schon länger zwar sind die Fesseln eines isolirenden Monopoles gefallen, wodurch Spanien und Portugal ihre Colonien an sich ketteten, aber bei der langen Abgeschlossenheit von der übrigen Welt dauerte die Entfremdung auch nach erkämpfter Unabhängigkeit noch fort, bis die Dampfer dort gleichfalls Leben zuführend, Leben erweckten und jetzt allwöchentlich an der Silberküste, in der Bay von Rio Janeiro Posten und Frachten landen und laden. Offen liegt jetzt das Binnen-Areal des mächtigen Erdtheils, ein ergiebiges Arbeitsfeld für den europäischen und angloamerikanischen Untersuchungsgeist, seit im September 1867 die Flußschiffahrt Brasiliens freigegeben ist.
Dieser Kaiserstaat beginnt bereits seine gigantischen Glieder zu rühren, und sicher, er würde sich als Riese erheben, wenn es gelingen sollte, sie mit genügender Lebenskraft zu durchgießen. Pulsirender Adern giebt es genug. Dort wälzt der mächtige Marañon seine Fluthen, der Patriarch der Ströme, im Gefolge zahlloser Quellen, begleitet von einer Doppelreihe imposanter Vasallen, die ihn von Norden, die ihn von Süden ernähren. Frei wandelt der Handel auf allen diesen Armen, frei vom Atlantic bis dort, wo der Himmelswall der Andes emporsteigt. Nach Süden ziehen der Paraná, der Uruguay und alle jene andern Flüsse, die das Aestuarium des Rio Plata bilden, von Süden her ist jetzt der Eintritt gebahnt in das Herz des Continentes, in die mit kostbarem Metallgeäder durchsäumten Provinzen Brasiliens, die zugleich auf entsprechenden Erhebungen gewinnreiche Culturen und einen günstigen Boden für Einwanderer bieten. Auch die Fluren von Buenos Ayres werden sie einladen, die Thäler Uruguay’s und Paraguay’s, wenn die Kämpfe ein Ende gefunden, die Gesittung in ihre Rechte [509] eintritt und die südamerikanischen Republiken ihrer ziel- und resultatlosen Präsidenten-Revolutionen endlich müde werden sollten.
Viel beklagt ist der Krieg, den der militärische Ehrgeiz eines in jesuitischen Tendenzen großgezogenen Dictators über seine Nebenländer brachte. Aber auch hier, wie so häufig in der Geschichte, scheint das mit Blut Gesäete reich lohnende Früchte tragen zu wollen. Die Transporte der Truppen, ihre Verproviantirung, der Schutz der Grenzen hat die früher stillen Flüsse mit Schiffen belebt, und jetzt, wo die Dampfer in das Innere gezogen sind, wo die scharfen Augen der Engländer und Amerikaner die Fülle des Landes erschaut haben, jetzt werden bald im eifrigen Wettstreit um ergiebigste Ausbeute im Frieden die Wunden geheilt sein, die die Schlachten geschlagen.
Während die argentinische Republik an ihrer nördlichen Grenze die Länder der Chaco-Indianer durch Dampfschifffahrt auf dem Vermejo für eine künftige Ansiedlung zu gewinnen sucht, ist es im Süden seit Mitre’s Vertrag (1865) gelungen, einige Stämme der Pampas-Indianer zum seßhaften Leben überzuführen. Doch bleibt es schwer, die Wildheit jener freien Steppenbewohner zu zähmen, und auch in Chile findet sich immer neuer Anlaß zu Zwistigkeiten mit den Araucanern.
Aus seiner Gefangenschaft bei Lopez erzählt Masterman, Hutchinson aus Paraguay über den Krieg. Auf vieljährigen Erfahrungen und früheren Arbeiten beruht Hadfield’s Buch, das besonders die bevorstehende Handelsentwickelung des Rio Plata ins Auge faßt, ein auch von Poncet, Lobo y Rindevats, ebenso von Kennedey besprochener Fluß, wie die Pampas von Seymour. Mouchez vereinigt in seinem Manual der Schifffahrt auf dem Rio Plata die französischen und englischen Documente. Burmeister liefert Beiträge zur Kenntniß der Provinzen Tucuman und Catamarca.
Die ohne jedes Hinderniß einherströmenden Wasseradern des La Plata entspringen einem mit edlem Gestein reich durchsetzten Boden und harren der freien Arbeit, die diese Schätze heben soll, und in Buenos Ayres[4] bald Brasilien überflügeln mag, wo der Flecken der Sklaverei noch zu verwischen bleibt.
Agassiz’ Werk über die Erforschungsreise am Amazonas ist erschienen, Burton theilt seine Beobachtungen aus den brasilischen [510] Minendistrikten mit, Duran den Besuch der Serra von Caraça. Ueber die Colonisationsfrage spricht Tschudi und ebenso Schultz (in seinen nachgelassenen Notizen), über die Coroados Hensel. Die von der brasilianischen Regierung herausgegebene Karte des Amazonas wurde von Kiepert für unsere Zeitschrift reducirt.
Ein weites Binnenmeer, rollt der Marañon seine Fluthen durch seine noch unberührte Welt, durch ein von steten Ostwinden temperirtes Tropenland, strotzend an Kostbarkeiten jeder Art, an Luxushölzern, an Balsamen, an Farbestoffen, und die aus seinen Quellen den Hauptarm speisenden Bäche verschlingen sich in den Thalwindungen der Andes mit den von Osten durchbrechenden Strömen, so daß auf dieser größten Breite der amerikanischen Südhälfte Atlantic und Pacific aus Ost und West für den Handelsweg nahe zusammengerückt sind.
In Peru mehren sich die Dampfer auf den Binnenflüssen, schon ist einer derselben den Ucayali und Santa Aña hinaufgestiegen, bis in die nächste Nähe der hochthronenden Inca-Stadt, so daß „El brillante Porvenir de Cuzco“, dessen Prophezeiungen vor 20 Jahren noch patriotische Träumereien schienen, Faßlichkeit zu erhalten beginnt. Nystrom erforschte die Montaña von Paucartambo und, wie Pereira, den Chanchamayo, Mancini (1868–69) den Madre de Dios bis zum Beni, Raymondi die Campos-Indianer, der unermüdliche Chandless den Jurua. Die Absicht von Manaos am Rio Negro aus den Madeira zu erforschen, stieß auf vielfache Hindernisse, doch belohnt sich jeder seiner Schritte durch eine Vermehrung genauer und ausführlicher Aufnahmen. Für Schiffbarmachung des Madeira sind an den Stromschnellen desselben die Ingenieure Keller von der brasilianischen Regierung mit Arbeiten beauftragt. In der von der Smithsonian-Institution ausgesandten Expedition liefert Orton barometrische Höhenmessungen aus der Kette der Andes und das Amazonenthal hinab, bis zur atlantischen Küste, sowie Mittheilungen über die Indianer an den Ufern des Napo. Marcoys’ unterhaltende Erzählungen über die Indianerstämme vom Ucayali bis Amazonas sind gesammelt erschienen (1869). Raimondi fixirt die Confluenz des Apurimac und Mantaro. Bollaert berichtet über die peruvianische Provinz Tarapaca und über das sonst gesunde Iquique, wo sich seit einigen Jahren biliöse Fieber zeigen, die durch die Panama-Dampfer eingeschleppt sein sollen. Gerstaecker besuchte Venezuela und v. Tschudi’s Reisen leiten aus Brasilien nach der Westküste hinüber. Die Peruvianer am Amazonas werden von Searle und Paz Soldan besprochen, Chile von Aube. Philippi beschreibt die heißen Quellen am Puyehue- und Lanquihue-See, sowie die Indianer Valdivia’s. Die furchtbare Erschütterung, von der die Westküste Südamerika’s vom 13–16. Aug. 1868 betroffen [511] war, hat besonders in Peru und Ecuador ihre Spuren der Zerstörung zurückgelassen.
Die allgemeine Weltausstellung zu Paris hat im Anschluß an Mannequin’s Bericht zu geographischen Abrissen der südamerikanischen Staaten Veranlassung gegeben, wie von Venezuela, Ecuador, Bolivia, Brasilien. d’Aveyzac hat die normandische Entdeckung Brasiliens einer Untersuchung unterzogen.
Die indianischen Stämme Guyana’s werden von Brett und die des französischen Guyana von Bouyer, die Wälder des letztern von Sagot beschrieben. Ernst bespricht die Goldlager des venezuelischen Guyana und die Guajiro-Indianer. Die Goldfelder von Caratal wurden durch Le Neve Foster und Wilson untersucht, in Columbia und Ecuador sammeln die Reisenden Stübel und Reiß einen reichen Schatz von Beobachtungen (über die Vulcane im Globus berichtend), während Appun seine vieljährigen Reisen veröffentlicht.
Für anthropologische Zwecke in Chile hofft unser Mitglied, Dr. Martin, der sich in Puerto-Mont niedergelassen hat, neben seinen Berufsgeschäften Zeit erübrigen zu können. Ueber das erst jüngst eingegangene Steinalter Amerikas, worüber Strobel’s Sammlungen manche Aufschlüsse geben, hat die hiesige anthropologische Gesellschaft interessante Bestätigungen für Chile erhalten durch unser Mitglied Herrn Fonck und durch Herrn Kupfer aus Brasilien. Von der chilenischen Regierung wird eine ausführliche Kartenaufnahme vorbereitet. Die italienische Fregatte Magenta brachte peruvianische Mumien von Cobija zurück.
Eine regelmäßige Dampferlinie durchschneidet jetzt die Magellanstraße, (worüber Mayne, der 1866 die Erforschung der vom Westende nach Norden leitenden Passagen begann, Dewatre, Cunningham berichten, Sulivan über die Falksland-Inseln, wie Musters über die Patagonier), doch liegen die Feuerländer außerhalb des Cirkels der gewöhnlichen Reisen, ebenso wie im Norden die Eskimo, über die sich indeß bei Whymper einige Notizen finden.
Auf seiner Sendung, um neue Fischgründe zu suchen, berichtigt Chimmo die allzuweit östlich niedergelegte Küste Labrador’s. Heatherington beschreibt die Goldfelder von Nova Scotia und die Geschichte ihrer Entdeckung.
Gegen R. Brown’s Erklärung, daß die Fjorde in der amerikanischen Nordwestküste durch niedersteigende Gletscher, die Cañons der in dem Kalkgebirge strömenden Flüsse durch die Action des Wassers entstanden seien, erhebt Sir Roderik Murchison seine Einwendungen als Geolog und Taylor die aus seinen Erfahrungen in Grönland geschöpften. Peschel behandelt diese Frage in seinen Problemen.
In dem von Rußland cedirten Landstrich haben die Amerikaner in der kurzen Zeit ihrer Besitzergreifung bereits mancherlei wissenschaftliche [512] Erwerbungen gemacht, wie Allan’s Ethnologische Sammlung. Sumner setzte die Vortheile der Erwerbung auseinander; Whymper beschrieb seine Fahrt auf dem Jukon, dessen Quellland Dall verändert und Raymond berichtigt; Perrey ordnet die Nachrichten über die Erdbeben und vulcanischen Phänomene auf den aleutischen Inseln, der Halbinsel Aljaska und der Nordwestküste Amerika’s; Sproat hat während seines längeren Aufenthaltes unter dem Aht-Stamm auf der Westküste Vancouver’s Vocabularien gesammelt und giebt in seinen Gesprächen mit den Eingeborenen die Materialien zur völkerrechtlichen Entscheidung über die zwischen ihnen und den Weißen schwebenden Fragen. Swan behandelt in einer ausgezeichneten Monographie die Mackah-Indianer, Brown die Hydah. Hall hat von seiner Reise in King Williams Land (1869) weitere Nachrichten über das Schicksal von Franklin’s Expedition zurückgebracht. In Oregon hat Brown für botanische Zwecke die Cascade Mountains bereist, öde und trocken an dem östlichen Abhange, während der westliche von den feuchten Dünsten des Pacific gebadet wird. Die Pässe von British Columbia zur Herstellung eines Verbindungsweges sind von Waddington erforscht. Bell beschreibt die regenreichen Höhen des centralen Arizona zwischen den letzten Ausläufern der Rocky-Mountains und den ersten Erhebungen der Sierra Madre Mexico’s, Gilpin den Goldreichthum Colorado’s und die mit der Eisenbahn zum Pacific eröffnete Zukunft, Adam den untern Colorado; die auf White’s Beschiffung beiläufig über den Colorado gesammelten Notizen sind von Powell, der auch dem Laufe des Green River folgte, vervollständigt in seiner Befahrung der Cañons (1869); eine Beschreibung der Stufen-Plateaux, die das Colorado-Becken in großartiger Monotonie charakterisiren, wird von Bell geliefert, der auch Sonora bereiste.
Hardy bespricht Acadien, Brown Cape Breton, Waddington British Columbia, Blackmore Colorado, Kleinschmidt den Nordwesten (das Wassergebiet des oberen Missouri und Columbia), Cone die Petroleum-Gegend in Pennsylvania, Whitney die Sierra Nevada, Clever Neu-Mexico, Lacombe die Schwarzfüße und andere Indianer, Boller, Hayden, Cremory, Foster das Missisippi-Thal, Carron de Fleury liefert geologische und statistische Notizen von Sonora und Tarayre mineralogische aus Mexico. Whitney durchforschte die Gesteinkunde Californiens. Raymonds giebt die astronomische Ortsbestimmung von Fort Jukon.
Ueber die Koloschen und ihre Nachbarstämme hat Prof. Erman aus dem leider noch immer theilweis unveröffentlichten Manuscript des Schlußbandes seiner epochemachenden Reisen der hiesigen Gesellschaft für Anthropologie und Ethnologie werthvolle Mittheilungen gemacht, die ihn auch auf die gegenüberliegende Küste Asiens hinüberführen.
[513] Aus Formosa haben Guérin und Bernard ein Vocabularium des Tayalischen Dialectes geliefert, mit einer Einleitung durch Vivien St. Martin, Kopsch ein Beschreibung der nördlichen Flüsse. Der Bericht von Schetelig’s Reisen in Formosa findet sich in der Zeitschrift. Auch in Collingwood’s Rambles of a Naturalist ist Formosa eingeschlossen, das außerdem von Brookes besprochen wird.
Japan ist von der ostasiatischen Expedition besucht, die Oestreich aussandte. Beschreibungen des dortigen Lebens liefern Humbert, Pompe van Meerdervoort, sowie Jephson und Elmhorst, Arminjon, Jouan, Du Pin und Roussin Mittheilungen über die Geschichte, und über den politischen Zustand Dickson. Willis unternahm eine Reise von Jeddo über Land nach Niegata und Du Petit-Thouars vervollständigte die Aufnahme des Flusses von Osaka bis Kioto.
Die jüngsten Ereignisse in Japan sind besonders lehrreich, da in ihnen vor unseren Augen ein in der Geschichte mehrfach wiederholter Proceß abläuft, der uns sonst nur durch mehr oder weniger unvollkommene Nachrichten aus der Vergangenheit bekannt ist. Der Mikado, der directe Nachkomme (wie die ägyptischen Könige und die von Seth, mab Adaf mab Duw, stammenden Könige von Wales) seiner Götter und Halbgötter, die in sieben himmlischen und fünf irdischen Geschlechtern die Urzeiten der aus dem Chaos entsprungenen Welt beherrschten, vertritt jene Theokratie des Rex sacrorum, des opfernden Basileus, des patriarchalischen Goden im Gegensatz des Königs aus Rigr’s Nachkommenschaft, des Truhtin und Druiden, des Coccomen in Mayapan, des Tay-Sacaa in Tilantongo, des von Wixipecocha in Zapotecapan eingesetzten Wiyatao – jenes alte Priesterkönigthum, dessen Spuren überall hervortauchen, aber in geschichtlich bewegten Epochen rasch verschwinden. Bald wird die hierarchische Macht gebrochen, wie vom Perimaul Cochin’s, von Ergamenes in Meroë, von Finnow die des Tuitonga auf Tongatabu, bald wird es unbequem, für die Sünden des Volkes die Buße zu thun, die dem Kaiser von China obliegt, oder für schlechte Ernte abgesetzt zu werden, wie bei den Burgundern, wenn nicht verbrannt, gleich dem Könige der alten Schweden. In Japan wurden nach der Reform die weltlichen Geschäfte vorwiegend von den Fandjiwara oder Ministern (in der Rolle eines bhutanischen Debha-Raja) versehen, aber bei den in Folge der Eroberungen mächtiger werdenden Theilfürsten, wählte sich der Mikado bald unter diesen seinen Avocatus, und am natürlichsten in der Person des Markgrafen an der nördlichen Grenze (gegen die Ainos), oder dem Shiogun (dem Schirmer gegen die Barbaren), als dem Primus inter Pares, denn unter den rechtlich gleichstehenden Fürsten eines Staatsverbandes sehen wir überall die Markgrafen, die ihrer Lagerung nach [514] auf stete Unterhaltung einer starken Heeresmacht von limitanei milites hingewiesen sind, über ihre Standesgenossen emporsteigen. Der ursprüngliche Adel der Koongay, obwohl nominell noch einer der höchsten und geehrtesten (als den unmittelbaren Begleitern Zinmu’s entsprossen), mußte dann vor den Repräsentanten der Beukhe oder Kriegshäuser zurücktreten, und diese führten in ihren jedesmaligen Landestheilen feudale Zustände ein, indem sie ihre Gefolgeschaften, als treue Vasallen, mit Ländereien belehnten. Als dann nach Einführung des Buddhismus die (auch in Leh und auf Tahiti geübte) Sitte Platz griff, daß die Mikado mit der Geburt eines Sohnes (oder doch immer frühzeitig, um im Kloster den besten Theil des Lebens zu verbringen) abdankten, wurde die Macht des Shiogun bald eine unumschränkte, besonders nachdem die glanzvollen Heldenthaten Joritomo’s diese Würde mit einem souveränen Schimmer umgaben. Der Mikado trat völlig in den Schatten, die Shiogun allein herrschten im Lande und waren rasch in so völlige Sicherheit gewiegt, daß entartete Nachfolger des großen Dynastien-Stifters sich thatenlosem Wohlleben ergaben und dadurch ein Spielball in den Händen ihrer Major-domus wurden aus dem Hause Sikke. Während zweier Jahrhunderte wurde nun Japan durch den Stellvertreter des Stellvertreters regiert, d. h. an der Stelle des eigentlichen Souveräns, des Mikado, stand sein Advocatus, und für diesen herrschte sein Major-domus, oder wenn der Erbe zu diesem Range ein Unmündiger war, dessen Minister, der Stellvertreter des stellvertretenden Stellvertreters. In jedem anderen Lande würde eine solch künstlich complicirte Maschinerie unter den ersten Stürmen politischer Revolutionen zusammengebrochen sein; nur auf den abgeschlossenen Inseln Japans konnte sie einen längeren Bestand bewahren, und eine Analogie findet sich in dem ebenso isolirten Hochlande der Chiapas, wo in der Theokratie des Idacanza in Sagamozo oder Iraca der Kriegsfürst Zaque gebot, und sich neben ihm (kurz vor der Zeit der Conquista) der Zippa zur Bedeutung eines Rivalen aufschwang. Doch führte auch in Japan diese Vermehrung der Gewalten einen Zustand ununterbrochener Fehden herbei, die endlich selbst die heilige Familie am Dairi zerrissen und die Kriege zwischen nördlichen und südlichen Mikado veranlaßten. Das Land wurde vom Untergange gerettet durch Ashikanga, der als Kubosama die Macht des Shiogun in voller Ausdehnung wieder herstellte. Ihm folgte Nobunanga, der als Feind der Buddhisten die Niederlassung der christlichen Missionäre begünstigte, darauf Toikasama, der sich zur Vertreibung der Letzteren, unter Absperrung des Landes gezwungen sah, und dann bestieg, als Gründer der letzten Shiogun-Dynastie, Iyeyas den Thron in Jeddo, unter dessen Nachfolgern das Land im Jahre [515] 1810 ein Friedensfest feiern konnte, ein Dankfest für einen zweihundertjährigen Wohlstand, den keine kriegerische Störung, keine Oeffnung des Janustempels unterbrochen. Auf’s Neue aber mußten die Leidenschaften entfesselt werden, als im Jahre 1856 die trennenden Schranken fielen und Japan jetzt plötzlich von allen Seiten mit den fremdartigen Eindrücken der westlichen (und local-östlichen) Cultur überfluthet wurden. Als erstes Resultat haben wir den Sturz des Shiogun erfolgen sehen, die weitere Entwicklung wird nun der Zeitgeschichte angehören, und in ihren Details von uns zu beobachten sein.
Die im Anschluß an die alte Würde der Shiogun nach der Schlacht bei Sequigaarah vergrößerte Macht des Taikun wurde besonders Gegenstand der Erörterung, als die lang hinausgeschobene Eröffnung der Häfen Hiogo und Osaka (1. Jan. 1868) die Zulassung der Fremden für weiterhin außer Frage stellte, und nun der Privatvortheil jeden Theilfürsten begierig machte, bei den abzuschließenden Verträgen freie Hand zu haben. Gestützt auf seine Vasallen und die mächtigen Fürsten des Nordens schien der Taikun im Stande, der Opposition noch länger die Spitze zu bieten und seine Hegemonie zu wahren, aber bei der Gegenerklärung des Mikado legte er freiwillig seine Herrscherwürde nieder, um nicht gegen die geheiligte Person dessen zu kämpfen, der sein Schützling gewesen. Nach Montblanc hatte schon auf der Weltausstellung zu Paris der Fürst von Satzuma Protest dagegen eingelegt, sein Wappen unter das des Taikun zu stellen, so daß beide neben einander gereiht waren.
Bei dem raschen und täglich gesteigerten Verkehr Japans mit Californien werden Eisenbahnen und Telegraphen, sowie die übrigen Erleichterungen der Civilisation dem asiatischen Inselreich nicht mehr lange fremd bleiben, zumal die jungen Japaner beginnen, europäische Studiensitze zu besuchen.
Das alte China, worüber Plath und Pauthier ihre Studien fortsetzen, schien zusammenbrechen zu müssen unter den inneren Wirren, die die westlichen Provinzen in die Hände der Dunganen oder Pansi gaben und durch die gesetzlosen Soldatenbanden der Nienfei die als langhaarige Tschan-mo weiter kämpfenden Reste der besiegten Taiping verstärkten. Ein neues China scheint erstehen zu wollen, und der seit Jahrtausenden in stolze Selbstgenügsamkeit gehüllte Staatsorganismus hat seinen Mantel lüften, hat der veränderten Umgebung Zugeständnisse machen müssen. Fremde Ideen dringen ein, Keime sind ausgestreut, die in Triebkraft schwellen, die eine Regeneration auf allen Punkten einleiten werden.
Bei der Verschiedenheit der Rechtsanschauungen, die sich bei den ostasiatischen Staaten, nicht nur auf dem religiösen, sondern auch auf [516] dem politischen Gebiete documentiren, zeigen sich Schwierigkeiten, die Ausdehnung der dem Gesandten und seinem Hause überall zukommenden Exterritorialität über jeden seiner Schutzangehörigen aufzuheben, so daß hinsichtlich ihrer aller die einheimische Regierung schon den Consuln Majestätsrechte zu cediren hat. Doch wird sich immer ein neues Völkerrecht auf breiterer Basis anbahnen müssen, durch organische Erweiterung der bis dahin regelnden Principien.
Durch die in eigenthümlicher, aber höchst bedeutungsvoller Weise vom jungen Amerika angeregte Mission unter Leitung des Herrn Burlingham sollte auf die Einführung China’s, des ältesten Staates auf der Erde, in den völkerrechtlichen Verband der Nationen hingearbeitet werden, obwohl die im Lande selbst redigirten Zeitungen solche Schritte für vorzeitig zu halten schienen, und auch meistens die Handelskammern Hongkong’s und Shanghai’s in ihren Protesten gegen allzu nachgiebige Paragraphen in dem jüngst von Sir R. Alcock abgeschlossenen Supplementair-Vertrag unterstützten. Jene Lehre, daß Alles, was dem Staat nützlich, auch gerecht sei, (οὐδὲν ἄλογον ὅτι σύμφερον) mußte in Europa schweigen, als auf allgemeinen Consensus das Völkerrecht zur Anerkennung kam, aber dieses jus non scriptum, quod consensus fecit, setzt ein solch wechselweises Entgegenkommen als erste Grundbedingung voraus und kann nur in gegenseitiger Achtung eine feste Begründung finden. Die Comitas gentium ist für die Chinesen lange schwer verständlich gewesen. Allerdings sind die Zeiten vorüber, wo officielle Schreiben „Mitleid mit der unwissenden Rohheit der Barbaren“ ausdrückten (1834), wo den englischen Bevollmächtigten ihre „verwirrten Eingaben“ uneröffnet zurückgeschickt wurden (1839), wo die für „vogelfrei erklärten“ Westländler „wie wildes Gethier gejagt werden sollten“, aber dennnoch haben die Chinesen von sich dieselbe Ansicht bewahrt, wie sie der größte Denker der Hellenen bei diesen aussprach, daß alle übrigen Völker auf der Erde ihnen untergeordnet seien, in ihren Augen nur als Barbaren gelten können. Ein Durchblättern der chinesischen Geschichte zeigt leicht, warum sich eine solche Ansicht bei ihnen bildete, ja bilden mußte, und ihr bisheriger Verkehr mit den überseeischen Fremden, mit brüsken Capitänen, mit scharf calculirenden Kaufleuten, mit Missionären, die ihre Catechisations-Fragen und Buchstabirbücher in die Sprache des Confucius übersetzten, konnten nicht Viel dazu beitragen, diese Abschätzung zu ändern, so brave und rechtschaffene Leute alle diese Repräsentanten europäischer Nationalität auch sein mochten (leider aber noch außerdem nicht immer waren). Obwohl die chinesische Diplomatie sich jetzt bequemt hat, in abgezwungenen Höflichkeitsphrasen zu reden, so wird der Stolz auf [517] eigene Superiorität doch leicht bei jeder Gelegenheit wieder hervorbrechen, und bei der kürzlich projectirten Besetzung einer Universität in Peking durch fremde Professoren kam es zur Sprache, daß die Mitglieder der Han-Lin-Akademie von ihren europäischen Collegen nur zu erfahren wünschten, in welcher Weise diese letzteren die wissenschaftlichen Principien, die sie früher aus dem chinesischen Ursitz der Gelehrsamkeit erhalten hatten, in ihrer Weise verändert (oder entstellt) haben dürften. Das jetzige Völkerrecht ist seiner natürlichen Entstehung nach auf staatliche Verschiedenheit berechnet, die innerhalb desselben Culturkreises durch gleiche Anschauungen geeinigt wird. Schon die wünschenswerthe Assimilation des Orients als gleichberechtigtes Mitglied der Civitas maxima, dem man im Anfang des Jahrhunderts nur eine Co-Existenz zugestehen wollte, machte (1856) einige Schwierigkeit. Die Türken tragen indeß noch das einfache Gepräge kaum seßhaft gewordener Nomaden, die zwar die ungläubigen Christen verachteten, so lange sie dieselbe durch Waffenmacht zu bezwingen vermochten, die aber jetzt, wo das Kriegsglück sich gewendet hat, staunend und verwundert zu der höheren Civilisation Europa’s emporschauen, während China dieselbe kaum eines Blickes würdigt.
Skatschkof berichtet über die geographischen Kenntnisse der Chinesen, Knowlton über die Bevölkerung China’s, Beccari über den Handel, Champion über chinesische Industrie[WS 3] und Künste, Bickmore über seine Reise von Canton nach Hankheu, Lamprey über Ausflüge in der Umgegend von Peking, und weitere Beiträge liefern Loch, Jaillard, Nevius, dann David, Wylie und John, Lepissier u. s. w. Pumpelly’s Beschreibung seines mehrjährigen Aufenthaltes mit Nachrichten über die chinesischen Kohlenminen ist erschienen, und eine belehrende Arbeit über China ist von Girard zusammengestellt. Williamson erforschte die Mandschurei von Mukden aus, und Markham unternahm von Tschifu aufbrechend, seine Reisen in Schantung; Comte de Rochechouart besuchte Schansi, Meadows befuhr den Sungari, Alabaster den Kaiserkanal nach Tsching-kiang, Michie den Yangtsekiang zur Untersuchung der Stromschnellen bei I-tschang, Oxenham begab sich durch Petschili und Honan nach Siang-jang am Han-kiang in Hupe, Whyte berichtet über seine Reise von Thientsin nach Kiachta, Martin bestätigt den veränderten Lauf des Hoangho. Elias beschreibt die Verwüstungen in Folge des Dammbruches, und von Lungmenkau bis Nanschan schien der Gelbe Fluß das Bild jener ungezähmten Fluthen zu bieten, die den Kaiser Yao zur Annahme seines in der altchinesischen Geschichte so hoch gefeierten Gehülfen Shun veranlaßte. Jetzt wird man einen solchen wohl bei den Fan-Kwai suchen.
[518] Arnaud beschreibt das alte und neue Palästina, Guérin dasselbe geographisch, historisch und archäologisch; seine biblische Geographie sucht Noack kritisch zu revidiren, die des Talmud behandelt Neubauer. Die Untersuchungen des englischen Palestine Exploration-Fund haben den Weg in das unterirdische Jerusalem geöffnet, und Fraas berichtigt die Geologie des heiligen Landes. Die Existenz des moabitischen Stein’s, der schon auf der Schwelle des rettenden Asyl’s zur Abfahrt in ein europäisches Museum bereit stand, als ihn noch die zerstörende Hand der Wüstenkinder traf, ist durch Prof. Petermann, damaligen preußischen Consul in Jerusalem, zuerst der gelehrten Welt bekannt geworden. Im Anschluß an die Expedition des Herzogs de Luynes unternahmen Mauß und Sauvaire ihre Reise von Karak nach Schaubak; Porter beschreibt die Riesenstädte Bashan’s, de Rialle den Anti-Libanon, Basterot den Libanon, de Vogüé Mittelsyrien’s Baudenkmäler, Eynaud die Armenier und Türken, Polak Itinerarien der Pilger. Der leider schon dahingeschiedene Godard gewährte in seinen Reisen durch Aegypten und Palästina der Anthropologie die Früchte seiner medicinischen Beobachtungen. Die neuerdings angeregte Frage über die Existenz von Krokodilen in Palästina wird nach älteren und jüngsten Daten von Friedel besprochen, neue Beiträge zur antiquarischen Geographie des Jordanlandes giebt Schick und de Saulcy und eine eingehende Beschreibung Jerusalems Graf Wartensleben.
Mit besonderer Genugthuung blickt die Geographie auf eine Reise, zu deren Beschwerden und Fährlichkeiten sich aus Liebe zu seiner Wissenschaft ein Mann bereit gefunden hatte, der ihre höchste Zierde bildet. Mit einem Zuschuß seitens der Regierung, der auch der Jahresertrag unserer Carl-Ritterstiftung beigefügt war, hat sich Prof. Kiepert nach Palästina begeben, um zuerst dieses Land und dann Karien in Kleinasien zu bereisen. Einige in den Sitzungen vorgelegte Briefe lieferten uns interessante Einzelheiten, und jetzt nach der Rückkehr dürfen wir einem ausführlichen Berichte bald entgegensehen. In Arabien drohen neue Kämpfe, die das Reisen erschweren werden, Holland bespricht die Sinai-Halbinsel, Brugsch die Türkis-Minen derselben (auf welcher durch Wilson und Palmer der Musa als Djebel Sinai proklamirt wird), Merewether die Plätze zwischen Aden und Suez, Germain das Sultanat Maskat und Oman. Die Wohnsitze und Wanderungen der arabischen Stämme sind Gegenstand einer Abhandlung Wüstenfeld’s, die Wanderungen der sabäischen einer von Blau veröffentlichten; v. Wrede’s lang zurückgehaltene Tagebücher haben in v. Maltzan einen Herausgeber gefunden, der sich nach denselben Gegenden zu begeben beabsichtigt, wie er in einem in der Julisitzung 1870 der Gesellschaft gehaltenen Vortrage bemerkte. Die veröffentlichten [519] Reisen in Hhadramaut sind durch eine ausführliche Vorrede eingeleitet, worin Vieles die mitwirkende Hand unseres großen Geographen erkennen läßt, dessen Karte über Arabien auch von d’Avril bei seinem Werke benutzt wurde. Die Wüste des mythischen Königs Saffi wurde von Munzinger berührt, als er Capt. Miles auf einer Tour durch die himyaritischen Striche Arabiens begleitete.
Im Caucasus setzt Bergé seine Erforschungen fort, Abich hat seinen früheren Arbeiten geologische Beobachtungen zwischen Kur und Araxes zugefügt, Favre bespricht die Gletscher, Seidlitz Baku, Bjoeklund giebt Skizzen aus Transcaucasien, Freshfield vindicirt die von ihm bestiegenen Berge Kasbek und Elburz für Europa, als nördlich von der Wasserscheide.
Radde zeigt uns in dem schwer zugänglichen Bergvolk der Swaneten nicht etwa einen ursprünglichen Stamm, sondern vielmehr, trotz des seit dem Alterthum unveränderten Namens, ein aus fremden Elementen zusammengewürfeltes Mischvolk, dessen höchst gelegenes Dorf fast eben soviel Vertreter verschiedener Nationalitäten, wie Häuser aufzuweisen hatte. Aehnliches würde für die meisten Völkerschaften des Caucasus gelten, nicht minder für kurdische und ilijatische, für altaische, für die Berge der Xong, der Adnan, der Walachen, Schkipetaren u. s. w. Wo immer Bergfesten auf einem geschichtlich häufig erschütterten Boden aufsteigen, werden sie den natürlichen Zufluchtsort der in den Kämpfen Unterliegenden bilden und die nacheinander aufgenommenen Trümmer verschiedenartiger Stämme auf dem engen Raume des allein bewohnbaren Terrains nach einem neuen, für die Umgebung charakteristischen Typus modelliren. In Bergländern kann deshalb ebenso wenig die unberührte Wiege der Urvölker gesucht werden, wie die Quellen der Cultur, die man früher ihren Gipfeln entsprungen wähnte, die sich aber erst in den Ebenen aus vielfachen Zuströmungen gebildet haben, um dann in jenem mächtigen Flusse fortzurauschen, deren Wasser, wie die Geschichte lehrt, die Paläste und Tempel frühester Sitze der Bildung und Gesittung gespiegelt haben. So theilen auch diese Axiome das Loos so vieler anderen in den ethnologischen Hülfswissenschaften der Craniologie und Linguistik, daß sie sich als täuschende Truggebilde erweisen, und wer nun einen der Hauptpfeiler der Ethnologie nach dem anderen dahinsinken, gerade diejenigen fallen sieht, denen man am sichersten vertrauen zu können meinte, der wird kaum für gerathen finden, durch hie und da angebrachte Reparaturen ein Gebäude zu stützen, das in seinen Grundfesten schwankt. Eher scheint es angezeigt, den Sturz eines Baues zu beschleunigen, der auf andere Verhältnisse berechnet war, der aber jetzt unter der Wucht des plötzlich und massenhaft [520] angesammelten Materiales erliegt. Ist eine reine Operationsbasis hergestellt, so wird sich, nachdem die Zufuhr der Werkstoffe als abgeschlossen betrachtet werden kann, ein neuer Riß in weiterem Umfange entwerfen lassen, um jedem thatsächlich festgestellten Factum seine Einfügung und zweckentsprechende Verwendung zu geben, die verbindende Einigung des Gesetzes zu erkennen.
In Europa haben sich die Untersuchungen vorzugsweise der südöstlichen Halbinsel zugewendet, wo in Anschluß an die Veröffentlichungen der zur Regulirung der Donaumündungen eingesetzten Commission eine Reihe von Arbeiten erschienen ist, unter denen die von Desjardins, Fötterle, Becker und Koner zu erwähnen sind. Für unsere Kenntniß von Serbien wären die Arbeiten von Kanitz und Fiber v. Wittinghausen hervorzuheben; über Bosnien und Montenegro lieferten Blau, Roskiewicz, Maurer und Boulogne ein ergiebiges Material; für Bulgarien und Rumänien erwähnen wir die Untersuchungen Visquenel’s, Tozer’s, Boué’s und v. Hochstetter’s, letztere namentlich in Rücksicht auf die türkischen Eisenbahnanlagen. Für die Kenntniß der Gebirgszüge Centraleuropa’s haben die Alpenvereine in Oesterreich und in der Schweiz, denen sich als jüngster der deutsche Alpenverein angeschlossen hat, in reichhaltigen Publicationen Wichtiges geleistet; in Frankreich wurden durch mannigfache Ausgrabungen ein reicher Gewinn für die Geographie und Ethnographie Galliens erzielt, ebenso wie die Entdeckung von Ursitzen menschlicher Niederlassungen in verschiedenen Theilen Italiens auch diese Halbinsel in den Bereich der vorgeschichtlichen Untersuchungen hineingezogen hat. Ein Gleiches gilt von Dänemark und Skandinavien mit seinen reichhaltigsten Fundgruben für die Urgeschichte des skandinavischen Nordens, für die aus den großen geologischen Aufnahmen Schwedens, welche in ihren gediegenen Publicationen rüstig fortschreiten, überdies wohl noch mancher Gewinn zu erwarten steht. Auch in unserem Vaterlande hat sich ein reger Sinn für die Erforschung der Urzeit durch Gründung eines deutschen Gesammtvereins sowie mehrerer Specialvereine verbreitet, durch welche die bisher stiefmütterlich behandelten Reste längst dahin geschiedener Perioden einer besseren Würdigung unterzogen werden. Außerdem sind für die Geographie Europa’s zur Römerzeit durch die Veröffentlichung der römischen Inschriften Spaniens durch Hübner, durch die Bearbeitung der Peutingerschen Tafel von Desjardin, reiche Beiträge gewonnen, Müllenhoff bespricht Deutschland im Alterthum, Wislicenus sucht sich an der Elbe für die Lage der deutschen Stämme zu orientiren.
Aus der asiatischen Türkei giebt Palgrave Mittheilung über die Grenzstämme gegen das russische Georgien, Chesney die Beschreibung [521] der 1835–37 unternommenen Euphrates-Expedition, Charmoy eine Uebersetzung der kurdischen Fasten, Svoboda Untersuchungen über die Sieben Kirchen Asiens. Von Perrot’s archäologischer Exploration in Galatien und Bithynien sind fernere Lieferungen erschienen. Schliemann und Nikolaïdes geben ihre Untersuchungen über die Lage des alten Troja, Hausknecht’s Ergebniß seiner botanischen Reisen in Kurdistan und Persien harren der Veröffentlichung; Strekker’s Beiträge zur Geographie von Hoch-Armenien und zum Rückzug der Zehntausend geben ein werthvolles Material für diesen Theil der asiatischen Türkei, dessen älteste Geschichte außerdem in Kiepert einen Bearbeiter gefunden hat. Tchihatscheff’s letzte Veröffentlichung seines über Kleinasien erscheinenden Werkes begreift die Geologie.
Ueber Persien liegen außer einer Reihe geographischer und ethnographischer Untersuchungen von de Rochechouart, Spiegel, Vambéry und Spaesky die Positionsbestimmungen und magnetischen Beobachtungen von Lenz, von Häntzsche eine Specialstatistik, von Chanikoff die Instructionen für Deyrolle’s Reise in Lazistan und Adjara vor. Pelly beschreibt die Perlfischereien im persischen Golf, St. John die Erbebung des Landes zwischen Buschir und Teheran. Zur alten Geographie bringt Justi’s Ausgabe des Bundehesch verschiedene Vermuthungen.
Der von Berlin geleitete Bau der Telegraphenlinie bis Teheran ist vollendet. Die Aufnahmen für die telegraphischen Arbeiten zwischen der Türkei und Indien haben die geographischen Kenntnisse von Belutschistan bereichert. Indien ist durch die electrischen Drähte nicht nur mit Europa verknüpft, sondern bereits von denselben nach allen Richtungen hin durchzogen, Dampfer schwärmen an seinen Küsten, Feuerwagen brausen längs den Ufern der heiligen Ströme, Fabriken rauchen in jenen stillen Thälern, die in den Augen unserer Indiologen mehr noch, als in denen der Eingeborenen selbst von phantastischen Göttergestalten bevölkert schienen. Das poetische Indien der Dichtung beginnt zu verwelken, aber wir gewinnen ein neues Indien für die Wissenschaft. Mit der ganzen Energie seiner edlen Nationalität sucht der Engländer die bunte Masse der Völker und Stämme kennen zu lernen, die seiner Herrschaft unterworfen, also von seinem richtigen Verständniß ihrer Eigenthümlichkeiten abhängig sind. Von Watson und Kaye’s photographischen Illustrationen der indischen Volksstämme ist der vierte Band, von Elliots Memoiren mit Beames Bearbeitung eine neue Auflage erschienen, Campbell behandelt eingehend die Hügelstämme um Dardjiling, Freyer die Hügelstämme Cotschins, Minas die Stämme der Bhutia und Horriana, Ball Kheriah, Williamson die Garo-Hügel, Beames die Magar-Sprache, Roubaud in einer Preisschrift die Rassen, Sprache und Kasten Indiens, [522] Chesney die indische Verwaltung. Hunter ist bestrebt, die nichtarischen Sprachen Indiens in ihre Rechte einzusetzen. Elliot erzählt Indiens Geschichte nach ihren eigenen Historikern, Marshman bis in die neueste Zeit, Nassau Lees aus der mohamedanischen Periode.
Die indische Archäologie hat einen werthvollen Beitrag erhalten durch Fergusson’s Beschreibung der Monumente der Sanchi- und Amravati-Tope, die von Babou Gourdaß Bysack beschriebenen Alterthümer von Bagerhat, sowie den Fortgang der Commissions-Arbeiten. Aber neben jenen glänzenden Denkmalen der Kultur beginnt man schon die unscheinbar in der Erde verborgenen Spuren einer paläontologischen Vorzeit zu beachten. Mulheran gräbt in den Cromlechs des centralen Indiens, ebenso Taylor in den Kodey Kull Malabar’s, Elliot in den südlichen Pandu-Kolis. Biddie bespricht die Folgen der Wälder-Ausrottung in Kodugu Coorg (im westlichen Ghat), Sherring die heilige Stadt Benares, Dalton die Kols.
Von unserem Mitgliede, Herrn Tietjens, hatten wir Gelegenheit, einen Bericht über die für Beobachtung der Sonnenfinsterniß in Indien bestimmte Expedition zu hören.
Ransonnet hat seinen Skizzen aus Ceylon Beschreibungen der Nilaghiry-Hügel zugefügt; Grandidier Schilderungen aus Ostindien, Lejean eine Reise nach dem Pendschab und Kaschmir geliefert. Von H. v. Schlagintweit wurde im Anschluß an die bereits früher erschienenen wissenschaftlichen Ergebnisse der Reisen der drei Brüder von Schlaginweit der beschreibende Theil dieser Reise in Indien und Hochasien in deutscher Sprache veröffentlicht.
Zu der von der Regierung beabsichtigten Ausarbeitung eines geographischen Lexicon’s für Indien, das auf die Herbeiführung einer gleichmäßigen Orthographie hinwirken soll, hat die geographische Gesellschaft in Bombay eine Commission niedergesetzt. Aehnliches ist auf Boué’s Antrag von dem in Wien als Section der dortigen geographischen Gesellschaft unter Freiherr von Helfert gebildeten Orientalischen Comité zur Regulirung der türkischen Nomenclatur geschehen.
Die China-Kultur in Java hat an Hasskarl, van den Gorkom, Soubeiran und Delondre ihre Bearbeitung gefunden, über die dortigen Standesunterschiede handelt Pistorius, über sprachliche Verhältnisse de Jongl, über agricole Veth. Ein werthvolles Material für die Statistik von Java und Madura bieten die amtlichen Publicationen.
Die so lange in Dunkel gehüllten Grenzländer Indiens und Chinas beginnen rasch an das Tageslicht zu treten, seitdem dort zwei europäische Mächte auf dem Felde der Entdeckungen um den Vorrang streiten. Die französische Expedition auf dem Mekhong hat einen der [523] glänzendsten Triumphe erlangt, die in der Geographie verzeichnet stehen, freilich leider auf Kosten ihres Führers, Herrn de Lagrée, der den Strapazen zum Opfer fiel. Die aus Luang-Phrabang eingelaufenen Nachrichten waren lange Zeit die letzten, und bald nachher begannen die Schwierigkeiten des Transportes, da der Mekhong schon vor dem Eintritt in Yünnan unschiffbar wird. Vor der Rückreise auf dem Yangtsekiang nach Shanghay wurde von Tong-tschuan, der Hauptstadt Yünnan’s noch ein Versuch gemacht, über den oberen Lauf des Mekhong Nachrichten einzuziehen, aber die feindselige Haltung der Rebellen in Tali zwang die Reisenden zur schleunigen Entfernung. Von der dort durch die Mohamedaner constituirten Regierung hofft dagegen gerade Dr. Williams den wirksamsten Schutz für den von ihm über Bhamo projectirten Handelsweg, und die von der Colonialregierung in Birma ausgerüstete Expedition unter Sladen schlug auch dem entsprechend ihre Richtung ein. Die Häuptlinge der Kakhyen verpflichteten sich zum Schutz der Caravanen und von Momien aus wurde mit dem in Tali-fu residirenden König Soliman verhandelt. Bowers bespricht diese Handelswege zwischen Birma und westlichem China, Jenkins die birmanische Straße von Assam nach dem Hookong-Thal, die alten Richtungen der Verkehrszüge erörtert Yule (Cathay and the way thither). Cooper drang von Tsching-tu (Hauptstadt Sze-tschuen’s) bis zu dem tibetischen Grenzposten Batang vor, mußte sich aber von dort südlich zu dem Lanthsang wenden und schließlich an den Yangtsekiang zurückkehren. Eine Vergleichung des Fortschrittes zwischen Birma proper und den im englischen Besitz befindlichen Landtheilen liefert Oberst Fytche, Hesselmeyer beschreibt die Gebirgsvölker an der Nordgrenze Assam’s, Goodenough die Wege aus dem obern Assam nach dem westlichen China, Gimelle behandelt Cochinchina vom geographisch-medicinischen Gesichtspunkt, Lemire Cochinchina, de Carré Cambodia. Mason hat seine vielfachen Arbeiten über die Karen, in deren Mitte er zu wirken fortfährt, durch neue vermehrt.
Mit Rußland’s Ausdehnung längs der Küste des japanischen Meeres beginnen sich die Wäldermassen des mächtigen Amurgebietes zu beleben. Der Ussuri an der Grenze, der Sungari (der Rivale des aus Schilka und Argun gebildeten Hauptstroms) aus dem Herzen der Manschurei, der aus der Mongolei zuströmende und in Transbaikalien schiffbare Onon bilden die Wasserwege, die die russischen Forscher seit den letzten Jahren beschäftigt haben, sowie der Witim unter den Zuflüssen der Lena. Für Erforschung des Tschuktschenlandes ist Maydell’s Expedition bestimmt. Fürst Krapotkin setzt seine Reisen fort, in Sachalin forschte Lopatin (1868), und (1869) Skolkow, in Uliassutai Schischmaref. Poliakow bereicherte durch Ausgrabungen bei Tunka die [524] sibirische Gräberkunde. Astronomische und magnetische Beobachtungen von Irkutzk bis Iakutzk lieferte Heimann, magnetische Beobachtungen in der Mongolei Frytsche. Babkow beendete die Arbeiten der russisch-chinesischen Grenzcommission 1869. Przewalski verfolgte ornithologische Studien zwischen Ussuri und dem Japanischen Meere, Puzillo entomologische im Gouvernement Irkutzk, Palladius ethnologische im Amurlande. In den Militärstationen am Tumen-Flusse bereitet sich die Eröffnung Korea’s vor, der in ihrer eigenen Abschließung immer enger umschlossenen Halbinsel, deren künstliche Schranken bald von den Fluthen des Weltverkehrs niedergerissen sein werden. Interessante Mittheilungen über den Verkehr der Russen und Koreaner verdanken wir Briefen des Herrn v. Richthofen, der seine die geologische Kenntniß von Californien vielfach bereichernden Forschungsreisen jetzt in großartiger Ausdehnung auf chinesischem Boden fortsetzt und in einem der Gesellschaft mitgetheilten Briefe die Messe von Kaoli-mön an der koreanischen Grenze beschreibt.
Nach den Beobachtungen der französischen Expedition (1868) meint H. Jouan den mongolischen Rassencharakter der Koreaner bestätigen zu können, über deren alte Geschichte Pfizmayer Uebersetzungen liefert und weitere Aufklärungen aus der in Kang-hoa eingetroffenen Bibliothek zu erwarten stehen, die nach Paris geschickt wurde. In Betreff der Ainos nimmt Bickmore frühere Untersuchungen auf, die sie von den Mongolen abtrennen. Nach Pruner-Bey’s craniologischer Beschreibung sollten sich die Ghiliaken den Tungusen anreihen. Nicht unerwähnt bleibe ein Geschenk des Herrn Handelsministers, Grafen von Itzenplitz, an die Bibliothek unserer Gesellschaft: ein photographisches Prachtwerk ethnographischer Porträts aus dem Amurlande, welches durch Herrn Lühdorf in Nikolajewsk mit begleitendem Text zusammengestellt ist.
In der Seezone des Balchasch schien früher die Grenze gezogen für die chinesische Suprematie in Asien, die im mongolischen Element nach Westen vordrang. Jetzt ist sie im Zurückweichen begriffen, und aus den öden Steppen der Kirghisen treten Rußlands Vorposten hervor, die die Grenzlinien auf allen Seiten überschreiten, bald durch siegreiche Kämpfe den Weg für geographische Forscher ebnend, bald durch geographische Erforschung die Wege für siegesgewisse Kämpfe erkundend. Der 1868 mit dem Emir von Buchara abgeschlossene Friede setzte den politischen Eroberungen ein vorläufiges Ziel, aber den ununterbrochenen Fortgang der Wissenschaft beweisen im russischen Türkistan die Arbeiten Fawizki’s, die Mittheilungen v. Struve’s, Scobelew’s, Makschijew’s, Tatarinow’s, dann Ssäwerzow’s, Butakow’s, Poltarazki’s, Galkin’s, Kasentzew’s, Bunakowski’s, Reinthal’s, Kaulbars [525] u. a. m. Der Sekretär unserer Gesellschaft, Herr Marthe, hat die Arbeiten des russischen Naturforschers Ssäwerzof über Türkistan in der Zeitschrift zusammengestellt und einen Vortrag über die neuesten Forschungen der Russen in Türkistan durch eine für diesen Zweck entworfene Karte erläutert. Der Balchasch-See hat auf der Karte eine neue Gestalt gewonnen, die innere Gliederung des Thianschan tritt hervor, sowie seine geologische Zusammensetzung; das Volk der ächten Kirgisen oder Burut (Dikokamenyje) scheidet sich bestimmter von den Kaisaken ab. Freundliche Mittheilungen verdanken wir Herrn Baron v. Osten-Sacken, v. Hellwald giebt eine übersichtliche Zusammenstellung der Eroberungen der Russen in Centralasien.
Nach dem Altai war v. Cotta’s Reise gerichtet, und das Völkerleben des Altai tritt uns in der ganzen Fülle seiner mythologischen und traditionellen Anschauungen aus den verdienstvollen Arbeiten unseres Landsmannes und auswärtigen Mitgliedes Herrn Radloff entgegen. Vambéry giebt die Nachlese seiner allgemein bekannten Reise in ergänzenden Skizzen, aber auch sorgsam gezeitigte Früchte, wie die Djagataischen Sprachstudien, die erste systematische Bearbeitung des osttürkischen Dialectes. Am caspischen Meere besetzten die Russen Krasnowodsk, als Basis späterer Operationen, dessen südliches Ufer von Melgunow beschrieben wird, im Anschluß an die Kenntniß mohamedanischer Geographen vom Chazaren-Meer. Bjoerklund beobachtete einen Schlammvulkan-Ausbruch auf der Halbinsel Baku. Munphool Meer Moonshee berichtet über Gilgit und Tschitral, Fedtschenko behandelt (seitens der naturwissenschaftlichen Gesellschaft in Moskau) Türkistan und Bucharei, Paschino das russische Türkistan. Herr Adamoli, ein durch das Handlungshaus Stucken & Spieß in Petersburg nach Türkistan gesandter Kenner der Seidenzüchtung, hat über die dort einheimische Seidenzucht Mittheilungen in unserer Zeitschrift gemacht.
Aus dem Süden tauchen bereits die ersten Pioniere auf, die Englands mit der Wissenschaft stets verschwisterte Handelsinteressen nach Centralasien entsendet. Die schon von Johnson durch den Karakorum angedeutete Karavanenstraße hat sich mit Reisenden belebt, und wie Capt. Montgomery im Gewande der Pandits Instrumente zu geographischen Fixirungen nach Tibet hat einschmuggeln und den Singi-tschu auffinden lassen, rüstet Oberst Walker indische Geodäten für die Hochebenen Pamir’s aus, dieses die Dichtung vom Meru mit der geographischen Mythe des Paropamisus oder indischen Kaukasus verbindende Dach der Welt, nach dem auch Hayward seine Schritte lenkte.
Im Fortgang der Entdeckungen schlingt sich Ring an Ring, wenn der mit neu gewonnenen Kenntnissen schwellende Strom der [526] Forschung in ein bisher verschlossenes Terrain hineinzufluthen beginnt. Fortune’s Besuch der chinesischen Theedistrikte hatte die Theeanpflanzungen in Assam hervorgerufen, Rußland’s Vordringen zum Thianschan beschleunigte in den Ländern jenseits desselben die Auflösung der schon gelockerten Macht China’s, und die durch ihren Abfall vom chinesischen Reich von der Theezufuhr aus demselben abgeschnittenen Staaten empfingen das ihnen nothwendige Lebensbedürfniß gerne auf den bisher unbetretenen Wegen aus dem Süden, als durch die von Douglas Forsyth’s in Kaschmir gemachten Versuche ermuntert, der Theepflanzer Shaw aus Kangra sich im Lager von Kaschgar bei Jakub Kuschbegi (Ataligh Ghazi) einstellte. In Schadula auf der Reise nach Yarkand traf Hayward mit ihm zusammen, der sich dorthin gewandt hatte, als ihn die Unruhen in den nordwestlich vom Punjab gelegenen Strichen gezwungen hatten, einen anderen Weg nach dem Pamir-Plateau einzuschlagen. Es war ein kühner Plan, den er dann zur Erreichung seines Zweckes entwarf, und es waren bereits mit der russischen Regierung alle Vereinbarungen getroffen, um ihm die Ankunft in Türkestan zu erleichtern, als die Trauerbotschaft seiner Ermordung eintraf. Schon aber hat der Earl of Mayo, der Vicekönig Indiens, in Erwiderung eines von ihm an Ataligh Ghazi geschickten Botschafters eine von Douglas Forsyth geleitete Sendung beschlossen, an der auch Shaw Theil nehmen wird und durch welche die Herstellung einer geordneten Handelsstraße in das Herz Asiens hinein beabsichtigt ist.
In dem russischen Erdtheil öffnen sich nach allen Seiten hin neue Perspectiven unerwarteter Entdeckungen, und die geographische Gesellschaft in Petersburg, die an den wichtigsten Knotenpunkten ihre Filialen gepflanzt hat, speichert in ihren Mittheilungen die kostbarsten Sammlungen an, die leider von der gelehrten Welt des übrigen Europa nicht genügend ausgenützt werden können, da bisher die Dreisprachen-Kenntniß für ihre Bedürfnisse genügte. Die geographischen Correspondenzen umfassen ein ungeheures Terrain, bis an den Golf von Corea, bis nach Samarcand und darüber hinaus, bis an das sibirische Eismeer, nach dem in diesem Sommer verschiedene Versuchsfahrten gerichtet waren.
Von den gleichzeitig durch Osborn, Lambert und Petermann projectirten Erforschungsreisen des nördlichen Polarmeeres ist nur die letzte derselben durch die ungebeugte Ausdauer unseres Gothaer Geographen ins Werk gesetzt, eine Fortsetzung der Sommerfahrt der „Grönland“ 1868, deren Resultate vorläufig durch v. Freeden zusammengefaßt sind, und seit die Expedition im Juni vorigen Jahres unter den allerhöchsten Auspicien in See stach, fanden sich unsere Seefahrer [527] im hohen Norden, ohne Nachrichten für uns während 18 Monaten. Das Bremer Comité hat in der Zwischenzeit eine anerkennenswerthe Thätigkeit entwickelt, die noch fehlende Summe für Bestreitung der Kosten durch Sammlungen zu ergänzen und auf Anregung des hiesigen Comités ist auch in Berlin zu Gunsten der Nordpolar-Expedition ein Cyclus von Vorlesungen gehalten, bei dem sich vorwiegend Mitglieder unserer Gesellschaft betheiligt und ein dankbares Publikum gefunden haben. Nach langem Harren trafen die ersten Nachrichten ein, die grausige Kunde von dem Untergang der „Hansa“ in den Stürmen der Polarnächte, von einer Ueberwinterung der Mannschaft auf gebrechlicher Eisscholle, von ihrer Rettung durch beschwerliche Bootfahrt; dann lief auch die „Germania“ ein, wohlbeladen mit den Schätzen ihrer Entdeckungen. Die ausführlichen Berichte werden von Dr. Petermann, dem ersten Urheber der deutschen Nordpolar-Expeditionen, vorbereitet, und in einer unserer Sitzungen hatten wir Gelegenheit kürzere Mittheilungen entgegenzunehmen, in Anwesenheit der beiden Führer der Expedition, Capt. Koldewey und Hegemann, sowie der Gelehrten, der Herren Dr. Copeland und Börgens, nebst Hildebrandt und Bade, der Steuerleute der „Hansa“, und des Matrosen Gierke. Gleichzeitige Untersuchungen wurden auf den zum Walfischfang ausgerüsteten Dampfern des Herrn Rosenberg in Bremerhafen gemacht von den begleitenden Gelehrten Bessel auf dem „Albert“ und Dorst, den wir die Freude hatten in einer Sitzung unter uns zu sehen, auf dem „Bienenkorb“.
Die Arbeiten der schwedischen Polar-Expedition sind in einer Reihe höchst werthvoller Publicationen veröffentlicht worden. Das Meer zwischen Spitzbergen und Nowaja-Semla befuhr Lamont, die Küsten letzter Insel Johannesen, die jener Graf Zeil und Heuglin, die Eugen von Waigatz Sideroff. Jarshinski forschte geologisch an der Murman’schen Küste des Polarmeeres und Middendorf bestätigte Petermann’s Vermuthungen über die Ausdehnung des Golfstroms. Grad stellte Untersuchungen an über die verschiedene Structur des Gletschereises, Soret über die Himmelsbläue, als Folge der Polarisation des Lichts, Mühry und Valles über Meeresströmungen, Toynbee über die abnehmende Dichte des Meerwassers, Carpenter und Thomson, Sars, Frank, de Pourtales über das Thierleben in tieferen Schichten des Meeres. Die Wärmetemperaturen des nordischen Polarmeeres in ihrem Zusammenhang mit dem Golfstrome oder der atlantischen Driftströmung sind für Findlay, Chimmo, Irminger, Whitley u. s. w. Gegenstand der Untersuchung geworden. Das Feld der Meteorologie ist unnöthig zu berühren, da wir verschiedentlich in unseren Sitzungen Gelegenheit hatten aus dem Munde der ersten Autorität auf diesem Gebiete Mittheilungen entgegenzunehmen, [528] die in unseren Sitzungsberichten niedergelegt sind. Die Verbesserungen des Compaß durch Flavio Gioja wurde von Breusing besprochen, der den berühmten Namen Mercator (Kremer) dem deutschen Volke vindicirt. Das diesem neben Ortelius zu errichtende Denkmal sollte im August dieses Jahres die Mitglieder eines internationalen Congresses für Geographie in Antwerpen vereinigen, wenn nicht die unerwartete Umdüsterung des politischen Horizontes uns andere Schauspiele gebracht hätte.
Als wir im vorigen Jahre das Säcularfest Alexander v. Humboldt’s begingen, als sich in allen Städten Deutschlands (hier in Berlin besonders auf Anregung unserer Gesellschaft) die Verehrer dieses Geistesheroen versammelten, da glaubten wir den Sieg der Bildung, den Triumph der Wissenschaft über die Barbarei, für immer gesichert, wir priesen in dem von allen Zungen Gefeierten den Morgenstern des ewigen Friedens, ein lang ersehntes Symbol, das jetzt endlich am Horizonte unseres Planeten emporgestiegen sei. Auch dieser schöne Traum ist rasch verflogen, wie so mancher andere, auch dieser liebliche Schein verblich in schwarzem Gewölk, aus dem in blutigem Glanz des Krieges Blitze zucken und wild der Donner rollt. Doch oftmals schon hat die Geschichte solche Bahnen der Zerstörung wandeln müssen, um ihre Aecker vorzubereiten für den Sommer einer neuen Zeit. Auch diesmal wird unter den Gräueln des Kriegselends, die uns heute umgeben, eine Hoffnungssaat entsprießen, eine reiche und ergiebige für unser herrliches Volk, das sich einmüthig und stark im gerechten Kampfe erhob, das die Frucht untheilbarer Einheit als Siegeslohn erringen wird.
Die Zahl der geographischen Gesellschaften hat sich in Deutschland durch Stiftung einer neuen in München vermehrt, die rüstig fortzuschreiten scheint. Außerdem sind uns neue Gründungen aus Brüssel und Turin mitgetheilt. Eine Zusammenstellung der geographischen Gesellschaften, wie sie jetzt bestehen, ist in Behm’s weit umfassendem Jahrbuche gegeben. Unter den geographischen Publicationen seien Peschel’s Probleme zur vergleichenden Geographie, und von Klöden’s neue Auflage seiner Geographie erwähnt.
Die Mitgliederzahl unserer Gesellschaft ist in Folge der neuen Aufnahmen in stetem Wachsen begriffen, obwohl zugleich uns mancher schwere Verlust betroffen hat. Von den Dahingeschiedenen möge derjenigen, die in der Geographie und verwandten Wissenszweigen activ thätig waren, in Kurzem Erwähnung geschehen.
Karl Friedrich Neumann gehörte zu den Naturen, die sich ganz aus eigener Kraft zu dem aufarbeiteten, was sie geworden sind. Er hat sich fast ohne jede Hülfe zu einer hohen Stellung in der Wissenschaft [529] durchgekämpft, zu einer um so einflußreicheren, weil sie nach allen Richtungen hin eine unabhängige Selbstständigkeit zu bewahren wußte. Unter beschränkten Verhältnissen geboren, verschaffte er sich die Mittel, im Jahre 1817 die Universität zu beziehen, er ermöglichte trotz ärmlichsten Unterhalts einen Aufenthalt in Venedig, wo er im Mechitaristen-Kloster mit überraschender Schnelligkeit die Schwierigkeiten der armenischen Sprache bemeisterte und eine armenische Bibliothek sammelte, die bei seiner Rückkehr nach Deutschland 1828 zuerst der gelehrten Welt ausgedehntere Materialien bot, um die Literatur dieses in philologischer sowohl, wie historischer Hinsicht beachtenswerthen Volkes zu studiren. Nicht weniger erfolgreich war seine Reise nach China (1830), von der er 1831 eine reiche Ausbeute chinesicher Bücher für die Bibliotheken in Berlin und München zurückbrachte. Neumann gehört seinem Leben und seinen Werken nach der Generation an, die den Uebergang zu einer neuen Weltgestaltung vermittelt. In seiner Jugend hatte er noch selbst die eng beschränkten Verhältnisse des chinesichen Abschließungssystems aus eigener Erfahrung kennen gelernt, in seinem Alter sog er mit vollen Zügen die frischen Lüfte ein, die im Osten die Barrièren niederwarfen, und die jetzt auch in unserem politischen Leben der Heimath einen wunderbar neuen Frühling anfachen. Nach längerem Leiden verschied er am 17. März 1867 in Berlin und wurde seinem Wunsche gemäß in München beigesetzt. – Unvergeßlich wird Allen, die mit ihm als Schüler oder gesellschaftlich in Berührung kamen, Prof. Gustav Magnus sein, der uns verstarb, aber sich in der langen Reihe seiner physkalischen Abhandlungen, wie sie besonders in den Schriften der K. Akademie der Wissenschaften und in Poggendorff’s Annalen niedergelegt sind, das unvergängliche Denkmal eines ächten Jüngers Berzelius’ gesetzt hat. – Ernst Ferd. August, Direktor des hiesigen Kölnischen Gymnasiums, der sich als Pädagog und gleichzeitig als Schriftsteller allgemeine Anerkennung erworben hat, starb kurz nach der Feier seines Jubiläums im März 1870, und im December desselben Jahres wurde Anton v. Etzel, durch seine verdienstlichen literarischen Arbeiten über Grönland und Skandinavien bekannt, unserem Kreise entrissen. Endlich gedenken wir noch des durch seine Verdienste um die Landesculturgesetzgebung und die socialen Verhältnisse rühmlichst bekannten Präsidenten Lette.
Drei in weiten Kreisen bekannte Mitglieder feierten ein funfzigjähriges Jubiläum und wurden seitens der Gesellschaft beglückwünscht, die Herren Geh. Rath Ehrenberg, Prof. Rose und Präsident von Strampff.
[530] In ihren Sitzungen begrüßte die Gesellschaft bei verschiedenen Gelegenheiten die Reisenden Rohlfs, Brenner, Mohr, Schetelig, Müller, von Maltzan, Wallis, Dorst, Koldewey. Aus den in den Sitzungsberichten verzeichneten Vorträgen seien erwähnt die der Herren Dove (mit vielfachen Vorlagen verbunden), Baeyer, Kiepert, Förster, Brehm, Roth, Kaweran, Fritsch, Kunth, Hartmann, Gentz, Jagor, Dümichen, Marthe, Zenker, v. Richthofen, v. Barchewitz, Vogel, Stamm u. a. m.
Der Bericht über die von der Gesellschaft begangene Humboldtfeier steht in der Zeitschrift (IV, 5) verzeichnet. Das dadurch veranlaßte Zusammenwirken verschiedener anderer wissenschaftlichen Gesellschaften Berlins regte wieder den Bau eines gemeinsamen Versammlungshauses an und wurden in mehreren Sitzungen Berathungen darüber gepflogen.
Für Erörterung der mehrfach besprochenen Flottenstation-Frage wurde von der Gesellschaft eine Commission niedergesetzt, bei der der Vorsitzende eine von ihm niedergesetzte Denkschrift vorlegte, die nach wiederholter Durchsprechung derselben unter dem Titel: „Deutschlands Interessen in Ostasien“ gedruckt wurde und zur Vertheilung kam.
Für die Ritterstiftung gingen vielfache Bewerbungen ein, die meistens abschläglich beschieden werden mußten. Die Zinsen des Jahres 1869 wurden für Dr. Schweinfurth, die des Jahres 1870 für Prof. Kiepert verwendet. Der jetzige Betrag wird, wenn eine für Dr. Nachtigal übernommene Bürgschaft abgelaufen ist, für Dr. Schweinfurth zur Verwendung kommen.
In nachfolgenden Blättern will ich eine kurze Uebersicht über solche während des Jahres 1869 veröffentlichte zoologische Arbeiten zu geben versuchen, denen auch ein geographisches Interesse innewohnt. Erst bei vorgerückter Zeit mit der Bearbeitung einer derartigen Uebersicht betraut, war es dem Verfasser diesmal nicht möglich, eine überall gleichmäßige Vertheilung des Stoffes zu erwirken. Mit der Absicht, diesen Mangel bei nächster Gelegenheit wieder ausgleichen zu wollen, glaubt Schreiber dieses dennoch die Erörterung
[531] mancher wichtigeren und interessanteren Frage auf dem betretenen Gebiete angeregt zu haben. Beiläufig werde bemerkt, daß der Abrundung des Gegenstandes zu Liebe, auch einzelner vor und nach 1869 erschienener zoologischer Arbeiten gedacht worden ist.
Für die Erkenntniß der europäischen Thierwelt ist in dem für uns hier zunächst in Betracht kommenden Zeitraum manches Gute geschehen. Lobenswerth sind namentlich die Bestrebungen zur Aufklärung der vorgeschichtlichen Fauna unseres Kontinentes. Abgesehen von vielen rühmlichen Einzelarbeiten machen wir auf die nachstehend erwähnten vorzüglich auch ein geographisches Interesse beanspruchenden Werke von Boyd Dawkins, Ayshford Sandfort und von E. Belgrand aufmerksam. Erstere haben über die britischen pleistocenen Säugethiere eine Reihe sehr gründlicher zootomischer Untersuchungen eröffnet[5]. In den ersten durch zahlreiche, treffliche Abbildungen erläuterten Heften dieser wichtigen Arbeit wird die Ueberzeugung der Autoren dargelegt, daß die von vielen Aelteren als erloschen betrachtete große Katze der Höhlen (Felis spelaea) nichts anderes als der aus Europa allmählich nach Süden (Afrika) und nach Osten (Asien) gedrängte gemeine Löwe, Linné’s Felis Leo sei. Wie dürftig nimmt sich doch einem solchen so fleißig und so scharfsinnig behandelten Material gegenüber jene kaum für ehrsame Kürschner passende Spielerei mit der Zoologie aus, die aus jedem etwas abweichend gefärbten Exemplar unseres Löwen eine besondere unwandelbare Art herstellen möchte. Es ziemt sich bei dieser Gelegenheit wohl, der neuen, auch die geographische Verbreitung prätendirter Arten berücksichtigenden Arbeiten Fitzingers über Borstenthiere, Flatterthiere, Hunde, Katzen u. s. w. zu gedenken, wie sie in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie so manche, manche Seite füllen. Voll Bewunderung einerseits für den ausdauernden Fleiß des eben erwähnten Forschers müssen wir es andererseits wieder auf das Tiefste bedauern, daß derselbe so viel Starrsinn im Festhalten an verrottete Methoden der naturgeschichtlichen Untersuchung bewährt, so wenig Geneigtheit bekundet, auch der anatomischen und paläontologischen Methode der Untersuchung volle aufrichtige Genüge zu thun, endlich auch der vielfach und mit solchem Recht scharf über ihn ergangenen Kritik nur einigermaßen Gehör zu leihen. Wie Schade um die keinen irgend nachhaltigen Erfolg versprechende Aufbietung in gewisser Hinsicht tüchtiger Kräfte!!
Die andere (ebenfalls umfangreiche) der vorhin erwähnten Arbeiten [532] betrifft das französische Nationalwerk: Histoire générale de Paris, collections de documents. La Seine. I. Le bassin Parisien aux âges antéhistoriques par E. Belgrand, Paris 1869. Der angezogene Band behandelt die interessantesten der im Seinebecken aufgefundenen Thierreste, ferner Menschenknochen, Kieseläxte u. s. w. der „Époque de la pierre taillée[6].“ Beschrieben und abgebildet sind Knochen des Ur (Bos primigenius), Wisent (Bison europaeus), Moschusochsen (Ovibos moschatus), des Mammuth (Elephas primigenius) und eines anderen Urelephanten (Elephas antiquus Falc.), eines von Lartet für neu gehaltenen Hirsches (Cervus Belgrandi), ferner von sonstigen noch nicht genau bekannten Cerviden, von Rennthieren, von einem Nashorne (Rhinoceros Merckii?), von Flußpferden (Hippopotamus amphibius Linn., H. major Cuv.), dem Wildschweine (Sus scrofa), dem Höhlenbären und dem Höhlenlöwen. Die Abbildungen, von welchen der durch genaue Fundbeschreibungen und Maaßangaben bereicherte Text begleitet wird, sind mit Hülfe der Photo-lithographie höchst sauber dargestellt worden. Abgesehen nun von mancherlei Nachlässigkeiten in Aufstellung der abgebildeten Reste (u. A. des Hyänenschädel-Fragmentes auf Taf. 57) zeigen diese (für Dilettanten äußerst bestechlichen) Blätter vielfach so tonlose Flächen, daneben aber so grelle Lichter und so dunkle Schatten, daß dadurch ihre Deutlichkeit nur zu häufig auf das Schlimmste beeinträchtigt wird. Berichterstatter erkennt in der Photographie gern ein herrliches Hülfsmittel zur bildlichen Wiedergabe von Naturgegenständen an, hält aber dermalen noch eine sorgfältige Wiedergebung des aufgenommenen Objectes nach der Photographie und womöglich unter Kontrole des Präparates selbst, durch einen guten Kupferstich, durch Holzschnitt, oder eine exacte Lithographie für besser, als durch Kopie der Photographie oder durch photo-lithographischen Druck[7]. Die Tafeln der englischen Arbeit über Felis spelaea verdienen in dieser Hinsicht den Preis.
Ein fleißiger Arbeiter auf ethnologischem Gebiete, E. T. Hamy, hat in seinem Précis de paléontologie humaine besonders die europäische vorhistorische Fauna zu berücksichtigen gesucht, auch die Beziehungen mancher von uns gewöhnlich als erloschen betrachteter Formen mit übereinstimmenden oder doch ähnlichen Formen unserer Jetztwelt erörtert. Dieses Werkchen verschafft allen Denen, welche [533] sich über die geographische Vertheilung der alteuropäischen Thierwelt unterrichten möchten und dennoch nicht Muße finden, die vielen zerstreuten, den Gegenstand behandelnden Specialartikel durchzusehen, einen recht guten Einblick.
Ueber die geographische Verbreitung und die Lebensweise jetzt seltenerer Säugethiere Europa’s, z. B. des Nörzes (Mustela lutreola), des Bibers u. s. w. geben die letzten Jahrgänge des z. Z. von Noll in Frankfurt a. M. redigirten Journales „Der zoologische Garten“ höchst lesenswerthe Aufschlüsse. Die Ornithologie Europa’s, sowie interessante Vorkommnisse bei uns nur seltener Vögel, behandeln in zum Theil recht anziehender Lesart verschiedene Artikel in Cabanis „Journal für Ornithologie“ und in Slater’s „The Ibis“. Letztere Zeitschrift bietet uns unvergleichliche farbige Abbildungen von mancherlei Vögeln, meist in passender, auch zugleich geographische Charakterbilder darstellender Umgebung. Unser A. E. Brehm wirkte in verschiedenen Blättern für die Kunde auch unserer heimischen Vogelwelt. Seine unermüdlich thätige und anerkannt gewandte Feder wird von sehr geschickten Illustrateuren ikonographisch unterstützt. Solche lebensvolle Hinstellungen in Wort und Bild nützen auch dem Fachmanne oft weit mehr, wie langweilige und einseitige Gefiederbeschreibungen.
Die europäische Fischfauna wurde innerhalb der letzten Jahre vorherrschend im Anschlusse an die industrielle Seite der künstlichen Fischzucht und der Besiedlung von fischarmen Gewässern mit für die betreffenden Ortsverhältnisse passenden von anderswoherstammenden Formen behandelt. Aus solchen Arbeiten hat übrigens auch die Wissenschaft bedeutenden Nutzen gezogen, namentlich bezüglich der genaueren Feststellung und Abgrenzung der Gattungen und Arten, der Geschlechtsverschiedenheiten, Fortpflanzung und der geographischen Verbreitung. Ueber erwähnte Bestrebungen geben Zeugniß u. A. C. Th. v. Siebold’s Werk über die Süßwasserfische Bayerns, R. Molin’s über diejenigen Oesterreichs, Selys-Longchamps über diejenigen Belgiens.
Mehr nur die geographische Verbreitung europäischer Fische in einzelnen Wassergebieten wird behandelt in Aufsätzen von Malmgren über Fische Finmarkens, van Bemmelens über diejenigen Hollands, Steindachner’s über die Ichthyologie der Süßwasser und Meere von Spanien und Portugal u. s. w.
An Förderung einer specielleren Kunde der Wirbellosen Europas und beiläufig auch noch anderer Erdtheile betheiligen sich fast unzählige fachwissenschaftliche Zeitschriften, neben denen dann noch umfangreiche monographische Arbeiten über einzelne Gruppen [534] jener in die Oeffentlichkeit gelangen. Wiewohl die große Mehrzahl dieser Arbeiten auch in rein geographischer Hinsicht unser Inseresse erregen muß, so verbietet sich eine Aufzählung einzelner derselben beim Mangel an Raum von selbst. Erfreulich ist, daß man jetzt dem Leben aller dieser Geschöpfe so viel mehr Aufmerksamkeit zuwendet, nachdem einmal die bisherige unerträgliche und gänzlich unberechtigte Marotte der Zoologen, immer nur trockene Beschreibungen der äußeren Form und kaum minder trockene Darstellungen der inneren Organisation geben zu wollen, neuerdings durch die Bestrebungen einiger muthigen und selbstständigen Männer in’s Wanken gebracht worden.
Gegenwärtig wird nun auch die wissenschaftliche Hausthier-Kunde in eine lebhafte Bewegung versetzt. Diese erstreckt sich natürlicherweise meist nur auf europäische Verhältnisse. Ueber außereuropäische Hausthiere finden sich höchstens zerstreute Berichte im „Zoologischen Garten“, in den Bulletins der pariser und berliner Acclimatisationsgesellschaft, im Journal d’agriculture pratique, in den Verhandlungen der Smithsonian-Institution, in den Proceedings der londoner zoologischen Gesellschaft, in der Zeitschrift für Ethnologie u. s. w. Die fremde Welttheile betreffenden Reisebeschreibungen sind aber gewöhnlich sehr arm an Nachrichten über die erwähnten, doch so höchst wichtigen Geschöpfe. Verbreitung, Zucht und Pflege unserer deutschen, der englischen, französischen u. s. w. Hausthiere werden denn auch in den vielen, sich täglich mehrenden landwirthschaftlichen Zeitschriften der Jetztzeit im Allgemeinen und Besonderen besprochen, leider größtentheils von Leuten, die weit besser bei der Forke und Wurfschaufel bleiben, als sich dem verhängnißvollen, in ungeübten Händen nur zu gefährlichen Spiele mit der Feder überlassen sollten. Es giebt ferner in vielen Städten und Landschaften des gebildeten Europa Vereine (die auch wohl Zeitschriften als Organe herausgeben), von welchen die Zucht gewisser Hausthiere, Pferde, Hunde, Kaninchen, Hühner, Tauben u. s. w. aus Liebhaberei oder aus Speculationssucht ausgeübt wird. Wenn nun zwar bei diesen Bestrebungen hier und da einzelne für die geographische Verbreitung der Rassen u. s. w. ganz interessante Einzelnheiten an den Tag kommen, so ist doch der wirklich wissenschaftliche Gewinn im Großen gar geringfügig. Es geht hier wie anderen Ortes, wo nur die rohe Empirie sich breit zu machen sucht und wo sich die Halbbildung mit leichtem Aufwande von Denkkraft über strengere Methoden brüsk hinwegzusetzen strebt. Gewisse hervorragende Geister verfolgen die Kunde unserer Hausthiere voll Eifer nach wirklich wissenschaftlichen Prinzipien. Es leuchten uns da die Namen eines H. v. Nathusius, Ruetimeyer, Settegast. Das Werk des letzteren über die Thierzucht [535] erlebte im vergangenen Jahre bereits die zweite Auflage. Gestützt auf die von Darwin neu in Fluß gebrachten Lehren bricht dasselbe gänzlich mit den alten Theorien von unverwüstlicher Constanz der Rassen und sucht für die Fortpflanzung derselben andere dem heutigen Standpunkte unseres Wissens, der heutigen Richtung unseres Denkens mehr entsprechende Gründe. In Settegast’s Werk ist denn auch dem geographischen[WS 4] Standpunkte der Rassenkunde häufig Genüge geschehen.
Ch. Darwin hat in seinem Werke, über „das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“ die Abstammung mancher unserer Hausthiere aufzuklären gesucht. Obwohl nun der berühmte Bahnbrecher von Down-Bromley seine Schlüsse auf ein Material baut, welches man keineswegs noch immer als ausreichend betrachten darf, so bieten uns seine geistreiche Auffassungsweise, seine manchmal fast prophetische Voraussicht doch gewaltige Anregung und ebnen die Wege zu einer die günstigsten Ergebnisse versprechenden Weiterverfolgung der wissenschaftlich wie wirthschaftlich so wichtigen, nur unter den Händen gründlicher Forscher einem gedeihlichen Fortschritte entgegengehenden Hausthierkunde.
Afrika hat innerhalb der letzten Jahre das alte Sprüchwort: „Semper aliquid novi“ auch wieder in zoologischer Beziehung vollkommen gerechtfertigt. Ich darf behufs weiterer Bekräftigung wohl nur noch einmal an den von Schweinfurth am Gebel-Mamãn in Taqa aufgefundenen Schädel des von Alphonse Milne-Edwards ausführlich beschriebenen im knöchernen Skelett so höchst merkwürdige Homologien darbietenden Nagers (Lophiomys Imhaussii) erinnern[8].
Im Gebiete des Maghreb, d. h. Nordwestens, gewinnen die neueren sehr fleißigen Arbeiten Bourguignat’s über die Knochen erloschener und noch lebender Säugethiere sowie diejenigen desselben Forschers über kopffüßige Weichthiere Algeriens und Tunesiens besondere Bedeutung. Bourguignat, ein vielseitig, namentlich aber zoologisch gebildeter Reisender, führt uns im 5. Bande der so inhaltreichen und wohl ausgestatteten: Souvenirs d’une exploration scientifique dans le Nord de l’Afrique unter dem Titel: Histoire des Djebel-Thaya et des ossements fossiles recueillis dans la grande caverne de la Mosquée (Paris 1870) die Reste folgender Säugethiere auf: Pithecus inuus, Lupulus (Canis) aureus, Vulpes atlanticus, Felis leo, Felis pardus, Ursus Lartetianus, U. Letourneuxianus, U. Rouvieri, U. Faidherbianus, Sus scrofa, Equus caballus, Hystrix cristata, Antilope Faidherbi, A. Rouvieri, Gazella atlantica, Musimon (Ovis) Tragelaphus, M. Lartetianus, [536] M. Faidherbi, M. Rouvieri, M. corsicus, (1200–1500 Knochen), sämmtliche aus der im Titel erwähnten, großartigen Höhle. Ohne die Artselbstständigkeit der auf einem noch zu mangelhaften Material begründeten vier angeblichen Bärenspecies dieser Gegenden hierorts eingehender prüfen zu wollen, bleibt für den Berichterstatter doch zunächst die Anerkennung der unbestreitbaren Thatsache auszusprechen, daß in Nordwestafrika vor nicht gar langer Zeit Bären gelebt haben, sowie die Wahrscheinlichkeit, daß solche Thiere daselbst noch heut existiren. Ferner ist das durch Bourguignat’s Fund erwiesene frühere Vorkommen des heutigen corsischen Muflon, übrigens eines Bewohners Corsica’s, Sardiniens und vielleicht sogar Spaniens (?)[9], in Algerien von großem zoo-geographischem Interesse. Bourguignat’s Material über die meist erloschenen Cephalophoren der Atlasplateaux zwischen Boghar und Tiharet (das. Band II) und der megalithischen Gräber von Roknia (das. Band IV.) ist ein sehr reichhaltiges. Dasselbe gewährt u. A. einen guten Einblick in die große Variabilität der Form bei diesen Thieren. Des Verfassers Arbeiten erhalten besonderen Werth durch die sorgfältige geognostische Lokalbeschreibung der Fundstätten, welche zugleich einen Anschluß an ähnliche Untersuchungen Desor’s über fossile Weichthierformen der Sahara und über die Bedingungen ihres Vorkommens daselbst gewährt.
Die Nilgebiete sind neuester Zeit in zoologischer Beziehung von Klunzinger, Heuglin, Schweinfurth und dem Referenten behandelt worden. Ein größeres ornithologisches Werk Heuglins über Nordostafrika harrt noch der Vollendung und wird daher von uns nach dieser besprochen werden. Einige an sich höchst unbedeutende, ohne jede Kritik zusammengeschriebene, an den lächerlichsten Irrthümern ziemlich reiche Aufsätze über ostafrikanische Thierwelt lieferte Ernst Marno im „zoologischen Garten“ (1869). In Petermann’s Mittheilungen (Jahrgang 1869) erschien eine sehr ausführliche und lehrreiche Arbeit Heuglin’s über die geographische Verbreitung der Vögel in Ost- und Centralafrika unter Zugrundelegung der bekannten pflanzengeographischen Karte G. Schweinfurth’s. Der muthige, hochgebildete Schweinfurth hat auf seiner jetzigen, zur Zeit noch nicht abgeschlossenen Reise nach Innerafrika der Zoologie bereits sehr wesentliche Dienste geleistet. War er es doch, welcher schon auf seinem früheren, die Pflanzenkunde Afrikas so außerordentlich bereichernden Streifzuge durch die westlichen Küstengebiete des rothen Meeres die erste Zeichnung vom [537] Balg eines im sogenannten Njām-Njāmgebiete vorkommenden anthropomorphen Affen nach Europa sandte, eines Thieres, dessen Existenz in der genannten Region von gewisser Seite noch immer mit skurrilem Eigensinne bezweifelt wird. Schweinfurth lieferte schon damals eine Suite Zeichnungen von Fischen des rothen Meeres, welche nach farbenfrischen Exemplaren mit der sogenannten Oelkreide (Creta polycolor) ausgeführt, für durchaus mustergültig erachtet werden müssen[10]. Rohskelette dieser Fische, gegenwärtig im anatomischen Museum zu Berlin aufgestellt, begleiteten die damaligen ikonographischen Sendungen des vortrefflichen Forschers. Auch in den Jahren 1868 und 1869 sammelte Letzterer in Nubien, am Bahr-el-Gebel und im Gebiete des Bahr-Ghazâl fleißig zoologische Gegenstände, namentlich Schädel von Haussäugethieren, von Affen, Antilopen und Vögeln. Briefe an den Referenten gewähren ein schönes Bild löblichen Strebens, auch über die von uns hier behandelte Seite der Naturbeschreibung Licht zu verbreiten.
Sehr werthvoll sind u. A. Schweinfurth’s Nachforschungen über das Hausschwein Sudâns (Sus sennariensis Fitz.), das sogenannte Mähnenschaf (Ovis jubata) der Śillûk u. s. w. Genaue Beschreibungen des Habitus, der Farbe u. s. w. begleiten jeden seiner einzelnen thierischen Funde. Auch wurden die colorirte Zeichnung und ein großer Schädel des von den Anwohnern des oberen Nil sogenannten Lûdfisches Protopterus aethiopicus Heck. (Protopterus annectens Ow.) geschickt, welches letztere etwas variirende Thier in den Katalogen des wiener Hofburgcabinetes als eine besondere Art aufgeführt wird.
Referent wird einen Theil der Schweinfurth’schen Schädel und Skelette in einem größeren mehrbändigen, vorläufig nur auf die Säugethiere Ostafrikas berechneten zoologisch-zootomischen Werke verarbeiten, wozu seit 11 Jahren die Materialien gesammelt wurden, in welchem die in dieser Zeitschrift und in anderen Journalen, sowie in selbstständigen Werken aufgeführten Darstellungen ihre weitere osteologische Begründung finden sollen.
Referent lieferte im vergangenen Jahre auch eine Arbeit über von den alten Aegyptern dargestellte Säugethiere und Vögel als Anhang für das von dem ausgezeichneten Aegyptologen Joh. Duemichen veröffentlichte große Werk.
Der allen unseren Lesern durch seine sehr interessante monographische Arbeit über Quçêr und die ᾿Abâbdeh wohl bekannt gewordene Arzt und Zoologe Dr. Klunzinger, welcher noch vor Kurzem so [538] manche lehrreiche zootomische Arbeit über das Gebiet des unteren Nils und des rothen Meeres verfaßt hat, ist gegenwärtig mit der Ordnung und Publication seiner sehr umfangreichen ichthyologischen Sammlungen beschäftigt, welche eine höchst werthvolle Ergänzung und Erweiterung der von den Gelehrten der französischen Expedition, von Ehrenberg, Hemprich und Rueppell angelegten in Aussicht stellen.
Aus dem naturgeschichtlichen Nachlasse des kühnen, von uns so tiefbetrauerten C. v. d. Decken ist eine die Ornithologie Ostafrika’s behandelnde reich ausgestattete Arbeit im vorigen Jahre fertig gemacht worden und bereits in den Händen der Fachgenossen. Die Autoren, Hartlaub und Finsch in Bremen, haben in dieser umfassenden Darstellung, unserem Urtheile nach, einer der vorzüglichsten ornithologischen aller Zeiten, den glänzendsten Beweis geliefert, wie eine streng systematische Behandlung eines öfter nur von mäßig gebildeten Dilettanten in Angriff genommenen Stoffes unter den Händen von Meistern, bei vorsichtiger Prüfung der Variabilität, den wissenschaftlichen Bewegungen innerhalb der neueren Zoologie gerecht zu werden vermag. Auch ist der rein biologische Theil dieses Vogelwerkes höchst belehrend, namentlich ist die Monographie über die geographische Verbreitung und Lebensweise des Straußes eine nicht genug zu lobende Leistung.
Der Mammaloge und der Ornithologe, wie jeder für thierische Geographie überhaupt sich Interessirende wird übrigens auch mit Genuß die ebenso eingehenden, wie anziehend geschriebenen Artikel lesen, welche Monteiro über Leben und Verbreitung der Thiere West-, Gurneys über die der Thiere Ostafrikas (Natal) im „Ibis“ und in den „Proceedings“ der londoner zoologischen Gesellschaft u. s. w. noch vor nicht langer Zeit veröffentlicht haben.
Dr. G. Fritsch hat in seinem Reisewerke „Drei Jahre in Südafrika, Breslau 1868“, mancherlei sehr interessante Nachrichten über die geographische Verbreitung der in den von ihm bereisten Ländern vorkommenden Thiere gegeben, auch seine Mittheilungen mit recht naturgetreuen und geschmackvoll angeordneten Holzschnitten (nach an Ort und Stelle aufgenommenen Photographien) illustrirt. Eine belehrende Studie über das Insektenleben Südafrikas gab derselbe Autor in der entomologischen Zeitschrift, Jahrgang 1868.
Zur Zeit liegen uns endlich Berichte und vollständige Werke über die während der englischen Expedition nach Abyssinien angestellten zoologischen Beobachtungen vor. Diese Arbeiten liefern im Allgemeinen ein gewiß ganz schätzbares Material. Ehrend wollen wir zunächst der in dem zweiten Bande des offiziellen Berichtes abgedruckten Aufsätze gedenken. Ein größeres Buch schrieb der [539] schon durch andere fachwissenschaftliche Darstellungen rühmlich bekannte Blanford über Geologie und Zoologie Abyssiniens, welchem Werke farbige ornithologische Abbildungen zur besonderen Zierde gereichen. Lebhaftes Bedauern erweckt es nun im Berichterstatter, daß Blanford in dem die Säugethiere behandelnden Theile die fremde, namentlich deutsche Literatur der letzten Jahre über die Fauna Ostafrikas so wenig benutzt, daß er gänzlich veraltete, schon längst widerlegte Dinge im Breiten abgehandelt und recht brennende Fragen der Wissenschaft, wie z. B. allein diejenigen über den noch immer räthselhaften Tokur-Zendjero, über die Stellung des Hasamaschweines, über die Natur des wilden Hundes von Simiên (Canis simensis Ruepp.) u. s. w. gänzlich unberücksichtigt gelassen. Eine selbst nur oberflächliche Einsicht in die Erzeugnisse der neueren deutschen Literatur über solche Gegenstände hätte ihm die Anregung zur Beantwortung einer großen Menge wichtiger Fragen gewähren müssen. Wann aber wird eine solche Gelegenheit ohne Gleichen, ein mit allen Feinheiten der neueren Kriegskunst zugerüsteter, höchst unblutiger Feldzug in ein wissenschaftlich schon ausgekundschaftetes Gebiet, einem Forscher je wiederkehren? Ein schlichter Tischler aus dem Posenschen, Namens Schiller hat, wie Schreiber dieses anderen Ortes baldigst darthun wird, völlig aus eigenem Antriebe in dieser Beziehung mehr zu leisten versucht, als der gelehrte britische Reisende. Der ornithologische Theil des Blanford’schen Werkes krankt zwar auch an einer ziemlich oberflächlichen Behandlung fremder Leistungen auf diesem Gebiete, ist aber doch, ebenso wie der herpetologische, ungleich gründlicher, als der mammologische abgefaßt.
Eine sehr wackere, auch ikonographisch recht schön ausgestattete Arbeit über die Vogelwelt Abyssiniens lieferte jüngst unser fleißiger Finsch.
W. Peters hat neuerdings eine umfangreiche, vielfach sehr kostbares Material darbietende monographische Arbeit über die Fische Zambezias vollendet, einen besonderen Theil seines großartig angelegten Werkes über die Fauna Ostafrika’s.
Unter allen neueren die Thierwelt Asiens behandelnden Reisebüchern verdient unserem Urtheile nach dasjenige des Engländers Alfred Russell Wallace die eingehendste Betrachtung. Wallace, schon vor Publication dieser seiner Reisebeschreibung der wissenschaftlichen Welt durch seine Arbeiten im Sinne Darwin’s bekannt geworden, hat in dem Zeitraume von acht Jahren auf Malacca, Singapore, Java, Borneo, Sumatra, Timor, Flores, Sumbawa, Lombok, Celebes im Sulu- und Molukkenarchipel, auf Neu-Guinea, Arru, Misol, Wadjeu u. s. w. 125,660 zoologische Gegenstände gesammelt. Sich keineswegs [540] der wohlfeilen und bequemen Art mancher Reisenden bedienend, die Specimina auf gutversorgten Hafen- und Binnenmärkten aufzukaufen oder, ohne sich persönlich um sie zu kümmern, von Jägern und Landstreichern zusammensuchen zu lassen, ist unser Forscher selbeigen durch Wald und Busch gekrochen, hat weder Mühen noch Gefahren gescheut, Büchse und Köscher, Skalpell und Käfernadel sehr fleißig gehandhabt. So ist er, ein würdiger Nebenbuhler seines trefflichen Landsmannes H. W. Bates, in den Besitz eines überreichen Materiales, eines großen Schatzes von eigenen Anschauungen und Erfahrungen gelangt. Wallace hat durch Bearbeitung desselben und durch Veröffentlichung der Hauptresultate in seinem Reisewerke den von Darwin verfochtenen Ideen mehr Vorschub geleistet[11], als die große Mehrzahl Jener, welche sich neuerdings in diesen schwierigen Dingen versucht haben. Unter den Schriftstellern letzterer Kategorie finden sich leider nur zuviel Schwärmer und dabei häufig nicht einmal naturwissenschaftlich gebildete, die in ihrem speculativen Eifer den beregten Ideen eher nur Feinde erwecken, als Freunde erwerben konnten. Und leider hat auch der blinde Fanatismus Solcher, denen wissenschaftliche Befähigung und Lebensstellung einige Vorsicht anempfehlen sollten, in dieser Hinsicht bereits großen Schaden verursacht.
Wallace zeichnet die Natur der von ihm durchreisten Länder in recht wohlgefälliger Redeweise, die sich (was doch im Allgemeinen nicht leicht) übrigens auch in der guten, von Dr. A. B. Meyer besorgten deutschen Uebersetzung geltend macht. Verfasser beginnt sein Reisewerk mit einem allgemeineren physikalisch-geographischen Ueberblick über sein Forschungsgebiet. Es bildet dieser Ueberblick einen hübschen Anhang zu den Aehnliches behandelnden Arbeiten eines Lesson und Garnot, Quoy und Gaimard, Temminck, Junghuhn u. A.
Wallace erkennt im malayischen Archipel die „Spuren eines ungeheuren Festlandes mit einer ihm eigenthümlichen Fauna und Flora, das nach und nach zerrissen wurde. Die Insel Celebes bildete wahrscheinlich seine äußerste westliche Grenze, jenseit welcher ein großer Ocean lag. Zu derselben Zeit schienen die Grenzen Asiens in einer südöstlichen Richtung ausgedehnt gewesen zu sein, zuerst in einer compacten Masse, dann in Inseln zerrissen, wie wir sie jetzt sehen und beinahe in unmittelbarer Berührung mit den zerstreueten Bruchstücken des großen südlichen Landes.“
[541] Für Wallace’s Annahme, daß die östlichen und westlichen Hälften des Archipels ursprünglich verschiedenen Erdtheilen angehört, scheinen allerdings manche, zum Theil schon vor ihm erkundete Vorkommnisse zu sprechen. Wer möchte z. B., ganz abgesehen von gewissen uns nun hier weiter nicht betreffenden Abweichungen der Vegetationsverhältnisse, verkennen, daß Celebes, Java, Borneo, Sumatra mit ihren schwarzen Pavianen, ihrer Anoa, dem malayischen Bären, dem Tiger, dem Elephanten, den Rhinoceronten, Axishirschen, dem Sundarind und der Kerbaurasse des Büffels und den Nashornvögeln der westlichen asiatisch-afrikanischen Hälfte angehörend sich zeigen. Wer aber möchte wiederum verkennen, daß Timor, Flores, Lombok, Arru u. s. w. mit ihren Kängururatten, Kakadus, Honigsaugern, Großfußhühnern und Paradiesvögeln sich mehr zur östlichen Welt Australiens hinneigen. Wallace behandelt dies Thema auch vom entomologischen Standpunkte aus eingehend, und sucht endlich jene Verschiedenheit noch durch die Gegensätze der im östlichen und im westlichen Archipele vorherrschenden Menschenrasse der Papuas und Malayen zu präcisiren.
Es darf mir hier nicht einfallen, Wallace auf allen seinen bedeutenderen und unbedeutenderen Streifzügen im Far-East zu verfolgen, alle seine zoologischen zum Theil recht ansprechenden Bemerkungen, so über den fliegenden Laubfrosch, die Borneokäfer, über die spaßigen Brenthiden, über den Zirkelschmetterling, den Blattschmetterling, den Racketteisvogel u. s. w. eingehender zu besprechen. Doch aber will ich hier zwei Glanzpunkte seiner zoologischen Erörterungen ins Auge fassen, nämlich über den Orang-Utan und die Paradiesvögel.
Bei dem großen und allgemeinen Interesse, welches die Naturgeschichte der anthropomorphen Affen gerade in unserer wissenschaftlich so ungemein bewegten Zeit erweckt, erscheinen die auf eigenste Anschauung begründeten, ruhigen und klaren, manches herrschende Vorurtheil zerstörenden Berichte unseres Verfassers über den Orang-Utan oder Mias ganz besonders dankenswerth. Das Thier lebt auf Sumatra seltener, auf Borneo häufiger, auf letztgenannter Insel in vielen Distrikten der Südwest-, Südost-, Nordost- und Nordwestküsten. Dasselbe hält sich nur in niedrig gelegenen, sumpfigen Wäldern auf. Etwas erhabeneren, trocknen Boden liebt dies Thier nicht. Eine große Fläche ununterbrochenen und gleichmäßig hohen Urwaldes ist für sein Wohlbefinden nöthig. „Solche Wälder sind für sie (die Mias) offenes Land, in dem sie nach jeder Richtung hin sich bewegen können, mit derselben Leichtigkeit wie der Indianer über die Prairie oder der Araber durch die Wüste; sie gehen von einem Baumwipfel zum anderen, ohne jemals auf die Erde hinabzusteigen.“ (I. S. 81). [542] Der Mias klettert überhaupt nur selten auf die Erde, „nur dann, wenn er vom Hunger getrieben, saftige Schößlinge am Ufer sucht; oder wenn er bei sehr trockenem Wetter nach Wasser geht, von dem er für gewöhnlich genug in den Höhlungen der Blätter findet.“ „Er geht nie aufrecht, außer wenn er sich mit den Händen an höheren Zweigen festhält oder wenn er angegriffen wird.“ Dasselbe gilt übrigens vom Chimpanse und vom Gorilla. Wenn aber ein Abenteurer wie P. Du Chaillu den Gorilla aufrecht gehend, sich wie einen angetrunkenen Rowdi vor die Brust schlagend und so den Gegner zum „Wrangen“ herausfordernd, oder wenn er ihn stehend das Gewehr des von ihm niedergeschlagenen Jägers zerbrechend beschreibt und ihn noch gar so abbilden läßt, dann lügen ebensowohl der Reisende wie auch sein Illustrateur um die Wette.
Wallace giebt ferner an, daß der Mias (gerade wie auch der Chimpanse und der Gorilla) nicht auf den Sohlen, sondern auf den Knöcheln (sollte besser heißen, auf der Rückseite der eingeschlagenen Finger) geht. Das asiatische Thier nährt sich von wilden und von Kulturfrüchten, namentlich unreifen, gelegentlich auch von Blättern, Knospen und jungen Schößlingen. Es benutzt fast jede Nacht zum Schlafen ein Nest auf einem kleinen Baume, 20–50 Fuß vom Boden, aus Blättern und Aesten bereitet. Aehnlich verfährt auch der Chimpanse und zwar sowohl der in Guinea, als auch der in Innerafrika, im Lande der Njām-Njām, lebende[12]. Wallace giebt Maße getödteter Exemplare, sowie die nach einer Photographie angefertigte saubere Holzschnittdarstellung eines weiblichen Orang.
Referent will hierbei noch bemerken, daß nach den umfassenden Untersuchungen von Th. L. Bischoff die Existenz nur einer einzigen Orang-Utanspecies, welche allerdings manche individuelle Verschiedenheit zeigen kann[13], zur Genüge dargethan worden.
Nur wenige Vertreter der gegenwärtigen Ornis haben Naturforscher und Laien so vielfach beschäftigt, wie die sogenannten Paradiesvögel. Zwar sind die alten sagenhaften Nachrichten über die früher zum nicht geringen Theile in ihrer Füße beraubten Bälgen zu uns gelangten Geschöpfe längst aus den Büchern verdrängt worden und wissen wir heute recht wohl, daß diese herrlichen Kinder der viel Absonderliches schaffenden australischen Welt nur simple [543] Passerinen mit verlängerten, sonderbar befahnten mittleren Steuerfedern und ziemlich großen Füßen sind. Manches auf ihre geographische Verbreitung, Lebensweise, Jagd u. s. w. Bezügliche ist bisher immer noch unbekannt oder unsicher geblieben. Wallace hat in dieser Hinsicht große Lücken ausgefüllt, manchen herrschenden Irrthum aufgeklärt. Trotzdem bleibt noch immer Dies und Jenes, z. B. über die Geschlechtsverschiedenheiten, die Ernährungsweise, den Nestbau, das Eierlegen u. s. w. jener Thiere unbekannt.
Zoogeographisch wichtige Gegenstände, wie z. B. die Bauthätigkeit der riffebildenden Korallenthiere, das Vorkommen und die Lebenserscheinungen von Holothurien, perlenerzeugenden Acephalen, Labyrinthfischen u. s. w. behandelt das in angenehmstem Style gehaltene Werkchen C. Semper’s: Die Philippinen und ihre Bewohner. Sechs Skizzen. Würzburg 1869, in welchem übrigens auch geologische, anthropologische, geschichtliche und handelspolitische Notizen in Fülle geboten werden. Semper ist gegenwärtig mit der Veröffentlichung seines zoologischen Materiales in streng wissenschaftlicher Form beschäftigt. Hinsichtlich der Holothurienkunde gilt unser Verfasser mit Recht als Autorität. Die Bearbeitung sonstiger Gebiete hat er zum Theil anderen Fachmännern überlassen, eine Theilung der Arbeit, welche in solchen Fällen stets empfehlenswert ist.
Nun muß ich die Bedeutung der in unseren Publicationsbereich fallenden Werke von A. S. Bickmore über den indischen Archipel und von C. Collingwood über die Küsten von China, Formosa, Borneo u. s. w., derjenigen der oben aufgeführten Bücher von Wallace und Semper als untergeordnet betrachten. Auch genannte englische literarische Erzeugnisse liefern uns manche schätzenswerthe Beiträge zur Kenntniß der geographischen Verbreitung und Lebensweise gewisser selbst niederer (Land- und See-) Thiere, sie sind ferner recht anregend geschrieben, indessen vermißt man an ihnen doch jene Schulung der ihrer Ziele sich klar bewußten Naturforscher, wie sie die von uns hier im Weiteren Behandelten so besonders auszeichnen.
Sehr reiche Materialien sind wir gewohnt in der: Natuurkund. Tijdskrift voor Nederlandsch Indie zu finden, in welcher auch namentlich der geographischen Verbreitung der Thiere Rechnung getragen wird.
Die Kenntniß der Thierwelt Amerika’s wird gegenwärtig namentlich von Seiten mannigfacher Akademien und wissenschaftlicher Vereine in den verschiedenen Staaten Nordamerikas gefördert, von deren rühmlicher Thätigkeit uns auch das Jahr 1869 wieder so schöne Zeugnisse ablegt. Das mit der großartigsten Liberalität ausgestattete Cambridge-Museum, über welches uns der ausgezeichnete Entomolog [544] H. Hagen von Zeit zu Zeit Bericht abstattete (Sitzungsberichte der Gesellschaft naturforschender Freunde[WS 5] zu Berlin) erweckt in uns die Hoffnung auf immer mehr sich steigernde Leistungen bereits für die nächste Zukunft. In den Miscellaneous Collections der Smithsonian Institution vom Jahre 1869 finden sich gediegene Arbeiten von Osten-Sacken über Tipuliden, von Binney und Bland über Land- und Süßwassermollusken, von Scudder über Orthopteren Nordamerikas, sowie von Binney eine Bibliographie der nordamerikanischen Conchyologie. Whitney bereicherte in der: Geological Survey of California unsere Kenntnisse der fossilen Thierformen des Gebietes mit vielen interessanten Funden.
Selbst in den spanisch-amerikanischen Freistaaten regt es sich hier und da mehr oder minder lebhaft in der Behandlung auch zoogeographischer Forschungsobjecte. Die Deutschen Philippi und Burmeister sind in Chile und Buenos Ayres nach dieser Richtung hin unermüdlich thätig. Namentlich gewinnen Burmeister’s Arbeiten in den: Annales del Museo publico de Buenos Ayres einen wahrhaft klassischen Werth. Dieselben bieten uns ein unvergleichlich reichhaltiges, zu Forschungen über die Beziehungen jetzt lebender zu erloschenen Thierformen ganz besonders anregendes Material. Des genannten Verfassers neuerdings erschienene, durch zum Theil sehr instructive Abbildungen erläuterte Aufsätze über Machairodus, Mylodon, Megalonyx, Glyptodon, Macrauchenia, Equus, Mastodon u. s. w. verdienen die vollste Beachtung der wissenschaftlichen Welt. Wie schön ist es doch, in einer Stadt, deren Straßen noch vor kaum 22 Jahren nur von dem Wehegeheul der Schlachtopfer eines Manuel Ortiz Rosas und seiner Mashorqueros ertönten, nunmehr die lebhaften Regungen höchsten geistigen Strebens zu erkennen! Selbst in dem herrlichen, von den Metzeleien eines wilden, egoistischen Abenteurers fast à la Rosas heimgesuchten Venezuela hält die „Vargasia“, vielfach zoologischen Interessen huldigend, mit Muth und in unerschütterlicher Hoffnung auf dereinstige, geordnetere Zustände das Banner des Geistes, der Wissenschaft, aufrecht. Hier wieder ist es ein Deutscher, Ernst, der durch gediegene Arbeiten auch auf zoologischem Gebiete sich seines großen Mutterlandes würdig erzeigt.
In Brasilien ist es auf unserem Gebiete in letzter Zeit verhältnißmäßig recht still zugegangen. Möglich, daß der lange und schreckliche, die Interessen des Landes zerstreuende, seine materiellen Hülfsmittel aufs Höchste anspannende Krieg gegen das löwenmuthig sich wehrende Paraguay nichts von dem hat aufkommen lassen, was in den Ländern eines Diego Sarmiento und Martin Tobar noch neuerdings möglich geworden. Dennoch aber ist die Kenntniß der Thierwelt [545] Brasiliens im verflossenen Jahre sehr weit gefördert worden durch die Verdienste eines Deutschen. Dieser, Reinhold Hensel, von dessen die wichtigsten Ziele der neueren Wissenschaft berücksichtigendem Sammeleifer fast ein jeder Schrank der berliner Museen, namentlich aber des anatomischen, zeugt, gab uns zunächst im „zoologischen Garten“ höchst anziehende Schilderungen der brasilianischen Thierwelt nach eigenen Beobachtungen. Diese ergänzen die früheren eines Marcgrave und Piso, eines Prinzen von Neuwied, Spix und Martius, Natterer, Burmeister, Tschudi u. s. w. und zerstören manche auch bis jetzt noch herrschenden Vorurtheile. Wir erfahren u. A. endlich Näheres, Positiveres über die Naturgeschichte der früher noch vielfach mysteriösen blutsaugenden Fledermäuse, die unserem Forscher zufolge nur den Gattungen Desmodus und Diphyllia zugehören, wir lernen die genaue Beschaffenheit der von ihnen gebissenen Wunden, ihre sonstige Lebensweise kennen u. s. w. Streng systematische Darstellungen lieferte R. Hensel in Troschel’s Archiv über Fische und Amphibien, in den landwirthschaftlichen Annalen über Hausthiere Brasiliens. Verfasser setzt diese Arbeiten in seiner deutschen Heimath fort.
Für die Kunde der Thierwelt des polaren Amerika hat auch die deutsche Nordpolexpedition das ihrige zu leisten gesucht, und gewähren uns ihre vorläufigen Berichte schon gegenwärtig einen Einblick in jene merkwürdige Welt einer nicht armen meerischen Fauna, in jene Welt der Moschusochsen und Renthiere, welche letztere bei uns die Ideen an eine längst überwundene Epoche in der kosmischen Entwickelung unserer jetzt blühendsten Kulturgegenden wachruft. In nicht zu ferner Zeit werden wir hoffentlich die jedenfalls höchst interessanten zoologischen Ergebnisse jener Expedition eines Genaueren zu prüfen haben.
Ueber die Thierwelt Australiens liegen eine Reihe von Berichten in verschiedenen Zeitschriften vor, welche insofern auch ein geographisches Interesse erregen, als sie die lokale Verbreitung von Arten und Rassen berücksichtigen. Dahin gehören u. A. Hartlaub’s und Finsch’s Arbeit über die Ornithologie der Tonga-Inseln in Cabanis so reichhaltigem Journal, eine Arbeit von M’Coy on the species of Wombat und von F. de Castelnau über australische Coleoptera im dritten Bande der Verhandlungen der Victoria-Academy.
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Z. E. | Zeitschrift d. Ges. f. Erdk. |
P. M. | Mittheilungen von Petermann. |
B. Z. | Botanische Zeitung von v. Mohl und de Bary. |
Fl. | Flora von Herrich-Schäffer. |
Z. B. G. | Verhandlungen der k. k. zoologisch-botanischen Gesellschaft in Wien. |
O. B. Z. | Oesterreichische botanische Zeitschrift von Skofitz. |
G. B. I. | Nuovo Giornale botanico italiano von Beccari. |
S. B. F. | Bulletin de la Société Botanique de France. |
S. J. | Journal of Botany v. Seemann. |
J. L. S. | Journal of the Linnean Society (Botany). |
Es kann sich an diesem Orte nicht darum handeln, jeden botanischen Ausflug in Ländern zu registriren, deren Flora im Großen und Ganzen als bekannt anzunehmen ist, wenn auch im Einzelnen noch mancher schätzbare Beitrag geliefert wird; dagegen halten wir es für unsere Pflicht, von botanischen Forschungen in solchen Ländern Europa’s Kenntniß zu nehmen, welche eine zusammenfassende floristische Darstellung noch nicht gefunden haben. Hierher gehören die östliche und die westliche der drei südeuropäischen Halbinseln.
Die beiden Königreiche, in welche dieselbe politisch zerfällt, sind bisher noch nicht im Besitz einer vollständigen Flora, obwohl eine neuere Bearbeitung derselben für Spanien längst im Gange ist und für Portugal neuerdings begonnen hat. Von dem Prodromus florae hispanicae auctoribus Mauritio Willkomm et Joanni Lange ist durch das 1868 erschienene zweite und 1870 veröffentlichte dritte Heft der [547] II. Band vollständig geworden. Es fehlen daher nur noch die in dem III. Bande abzuhandelnden polypetalen Dikotylen. Der Name beider Verfasser, welche selbst, z. Theil wiederholt das bearbeitete Gebiet erforscht haben, bürgt für eine auf der Höhe der Wissenschaft stehende Bearbeitung.
Kleinere Beiträge zur spanischen Flora lieferten Juan Texidor y Cos (Apuntos para la flora de España in Rev. de los progresos de las ciencias. t. XVIII), (Standorte seltener Pflanzen aus Galicien, den Gegenden von Valladolid und Madrid), (S. B. F. 1869. Revue bibl. 221) und Juan Joaquim Rodriguez y Femenias (Catalogo razonado de las plantas vasculares de Menorca. Mahon, 1865–1868 (S. B. F. l. c. 121). Zwei neue Arten dieser Insel, Centaurea balearica und Daphne vellaeoides beschreibt derselbe in S. B. F. 1869. Compte rendu. 239.
Ein Verzeichniß der Cryptogamen Spaniens hat Miguel Colmeiro, Prof. in Madrid, gegenwärtig der erste Botaniker dieses Landes, im XVI. und XVII. Bande der Rev. de los progr. de las ciencias veröffentlicht (S. B. F. 1869. Rev. 210). Die neuen Flechten dieses Verzeichnisses hat v. Krempelhuber in Fl. 1869. 499 mitgetheilt.
Den Anfang einer portugiesischen Flora von C. M. Gomes Machado (den Beginn der thalamifloren Dikotylen enthaltend) ist in dem Jornal das sciencias math. etc. publicado sub os auspicios da academia real das sciencias de Lisboa. 1869. 5. 6 veröffentlicht worden (vergl. B. Z. 1869. 411. S. B. F. Revue bibl. 156).
Von der 1866 unternommenen Reise des Grafen H. zu Solms-Laubach nach Algarve sind die wichtigsten Resultate in dessen am 16. Mai 1868 zu Halle vertheidigter Habilitationsschrift: Tentamen bryo-geographiae Algarviae regni Lusitani provinciae niedergelegt. Die Phanerogamen-Sammlungen des Verfassers gingen leider größtentheils durch die Ungunst der Witterung zu Grunde. Die Moose wurden dagegen erhalten, so daß diese Abhandlung einen wichtigen Beitrag zur Pflanzengeographie der Provinz liefert. Verfasser schildert eingehend die Vegetation folgender von der Küste zonenartig landeinwärts sich folgenden Landstriche 1) der Küstenregion, 2) des Dolomithügellandes (Barrocal), 3) des Schiefergebirges (Serra). Dann 4) des in das letztere eingelagerten Granitgebirges (Serra de Monchique), in welchem der Verfasser die dort isolirt vorkommenden Gehölze, das orientalische Rhododendron ponticum L. (allerdings in einer eigenen Varietät baeticum Boiss. et Reut.) und die azorisch-canarische Myrica Faya Ait. für einheimisch hält, zumal letztere nicht wie auf den Canaren und Azoren mit dem Namen der Buche (faya, haya), sondern mit dem des Hollunders (samouco) bezeichnet wird; Rhododendron [548] wird ebenso wie der Oleander adelpheira genannt; endlich 5) schildert Verfasser die Vegetation des zwischen 2) und 3) eingeschobenen Sandsteinbeckens von S. Bartolomeo. Die von dem Reisenden gesammelten Flechten hat Arnold in Fl. 1868. 241 aufgezählt. Ein einheimischer Gelehrter, Estacio da Veiga, welcher unseren Reisenden begleitete, hat seine Beobachtungen über Farrn, Moose und Flechten im Jornal etc. Mai 1869 veröffentlicht.
Die südlich vom Haemus gelegenen Länder werden in der so lange erwarteten Flora Orientalis von E. Boissier, deren erster Band (die Thalamifloren enthaltend) endlich 1867 erschienen ist, mit abgehandelt. Verf. hat die Länder des Orients wiederholt selbst bereist und hat durch seine zahlreichen phytographischen Arbeiten über die Vegetation dieser Länder (wie auch Spaniens und Algeriens, Früchte anderer Reisen) seine Befähigung zur Lösung der riesenhaften Aufgabe, die er sich gestellt, glänzend dargethan. Zugleich war er durch seine günstige äußere Lage, wie kein Anderer, in den Stand gesetzt, das Material möglichst vollständig zu vereinigen. In der Vorrede ist eine pflanzengeographische Uebersicht des Gebiets gegeben; von den dort aufgestellten Regionen sind auf der griechischen Halbinsel nur die der mitteleuropäischen Flora (in den türkischen Berglandschaften) und die der Mittelmeerregion vertreten, obwohl die Hochgebirge Griechenlands und der Insel Kreta durch das Vorkommen stachliger Polstergewächse (z. B. Statice sect. Acantholimon, Astragalus sect. Tragacantha) eine Verwandtschaft mit der eigentlich orientalischen Flora verrathen.
Die zum Donaugebiete gehörigen, unter türkischer Herrschaft resp. Suzerainität stehenden Länder hat Boissier leider von seiner Darstellung ausgeschlossen. Von diesen besitzt Serbien in Prof. Jos. Pančić in Belgrad einen ebenso eifrigen als kenntnißreichen Erforscher, welcher seine Entdeckungen neuerdings (bereits 1856 veröffentlichte er in Z. B. G. 475 ff. ein Verzeichniß der serbischen Flora) in Verbindung mit Prof. R. de Visiani in Padua, dem gefeierten Verf. der Flora dalmatica [derselbe ist gegenwärtig mit einem Supplement derselben beschäftigt] bearbeitet. Dieselben erschienen unter dem Titel Plantarum serbicarum pemptas (von Visiani allein) und Pl. s. decades I–III in dem Mem. dell R. Istituto Veneto in Vol. IX (1860), X (1862), XII (1866), XV (1870); Berichte über größere Bereisungen im Jahre 1866 sind in O. B. Z. 1867. 166, 201 und im Jahre 1869 ebendas. 1870. 173, 205 veröffentlicht.
[549] Noch bedeutendere Fortschritte hat die Erforschung Bosniens und der Hercegovina in den letzten Jahren gemacht. Unser hochverehrtes Mitglied, der frühere preußische Consul, jetzt deutsche General-Consul Dr. O. Blau in Serajevo hat sich, einem vom Ref. ausgedrückten Wunsche mit dem regsten Eifer entsprechend, in den Jahren 1868 und 1869 die botanische Erforschung der näheren und entfernteren Umgegend der Hauptstadt, sowie auch derartige Sammlungen auf den in diesen Jahren unternommenen Reisen angelegen sein lassen. Letztere hatten in beiden Jahren die Hercegovina zum Ziele, und wurde 1869 das noch von keinem wissenschaftlichen Reisenden erforschte Dormitor-Gebirge, im südöstlichen Theile letzterer Provinz, von ihm besucht. Seine Sammlungen überschreiten die Zahl von 2000 Nummern, kommen daher mindestens denen des bayerischen Botanikers Prof. Sendtner, den einzigen, welche bisher aus diesem Lande existirten, gleich. Eine werthvolle Ergänzung der Blau’schen Forschungen bieten die Sammlungen des ungarischen Botanikers Jos. Armin Knapp, welcher im Jahre 1869 eine Reise über Serajevo ebenfalls in dem südöstlichen und mittleren Striche der Hercegovina, zum Theil auf anderem Wege als Dr. Blau unternahm. Beide Sammlungen sind durch die Hände des Ref. gegangen, und ist derselbe daher im Stande über den Florencharakter dieser Länder sich vorläufig auszusprechen. Die Flora der Hercegovina stimmt im Wesentlichen mit der von Dalmatien, die Bosniens mit der von Krain und Steiermark, mit manchen südeuropäischen und serbischen Anklängen, überein; doch fehlt es keineswegs an einzelnen dalmatischen Arten in Bosnien und an carniolisch-dacischen in der Hercegovina. Die Zahl der neuen Arten ist, da Visiani und Pančić von beiden Seiten so rüstig vorgearbeitet, verhältnißmäßig gering; doch fehlt es nicht an einzelnen sehr ausgezeichneten Typen, z. B. Dianthus Knappii Aschs. und Kanitz (gelbblühend!), Crepis Blavii Aschs., Omphalodes symphytoides Aschs. und Kanitz.
Ueber einige Pflanzen, welche Mann bei Tultscha in Bulgarien sammelte, berichtet Dr. Reichardt (Z. B. G. 1867. 767). Einen nicht unwichtigen Beitrag zur Flora Griechenlands lieferte der leider in einem Anfalle von Wahnsinn 1870 in Singapore durch Selbstmord gefallene österreichische Fregattenarzt Dr. Emanuel Weiß (Z. B. G. 1868. 433. 1869. 37. 741). Die Flechten der ionischen Inseln wurden nach den Sammlungen Mazziari’s von Prof. Körber (Z. B. G. 1868. 425), die Pilze von Baron Hohenbühel (ebend. 427) aufgezählt. Die Beschreibung der von Raulin 1845 auf der Insel Kreta ausgeführten Reise ist erst 1870 in den Actes de la soc. Linn. Bordeaux zum Abschluß gekommen. Dieselbe enthält einen Katalog der Flora, [550] Pflanzengeographisches und einheimische Namen von Th. v. Heldreich gesammelt (S. B. F. 1870. Revue bibl. 86).
Unter diesem Namen verstehen wir herkömmlich die vorderasiatischen Länder Klein-Asien, Syrien, die Euphrat-Tigris-Länder, Iran und Turan. Boissier’s oben genannte Flora umfaßt außerdem noch Aegypten, Nordarabien und die taurisch-kaukasischen Provinzen. In der pflanzengeographischen Einleitung Boissier’s werden außer der Mittelmeerregion, die in Asien nur den verhältnißmäßig schmalen Küstensaum Kleinasiens und Syriens umfaßt, und der der mitteleuropäischen Flora, welche an der Südküste des schwarzen und kaspischen Meeres vertreten ist, charakterisirt die der eigentlich orientalischen Flora, welche den bei weitem größten Theil dieser Länder umfaßt, ein waldloses, oft salzhaltiges Steppen- und Wüstengebiet, welches wieder a) in das Gebiet der Hochebenen (Kleinasien, Syrien, Iran, charakterisirt durch zahlreiche aber locale Erysimum-, Dianthus-, Silene-, Hypericum-, Centaurea-, Cousinia-, Echinopus-, Onosma- etc. Arten, in den Gebirgen durch die erwähnten Stachelpolster-Pflanzen), b) in das der aralo-kaspischen Flora (charakteristische Strauch-Gattungen: Sophora, Ammodendron, Atraphaxis, Lycium, Calligonum, Ephedra), c) in das der mesopotamischen Flora zerfällt, welche letztere den Uebergang zur folgenden Region, der der Dattelpalme bildet, welche mit der Wüstenflora des nordöstlichen Afrika die größte Uebereinstimmung zeigt (Südpersien, die unteren Euphrat-Tigrisländer von Bagdad abwärts).
Aus diesem Gebiete ist uns von ausgedehnteren Reisen nur die des Prof. Karl Haußknecht aus Weimar bekannt geworden, welcher, nachdem er 1865 mit großem Erfolge die Grenzländer Syriens und Kleinasiens und das nördliche Mesopotamien bis Diarbekir ausgebeutet, 1866, 1867 und 1868 die so schwierig und gefährlich zu bereisenden und deshalb so ungenügend bekannten türkisch-persischen Grenzländer, sowie einen großen Theil Persiens erforschte. Vgl. Z. E. 1868. 464. Für den Scharfblick und die Sorgfalt dieses Reisenden spricht es gewiß, daß er bereits auf der ersten Reise ein früher übersehenes Schmarotzergewächs aus der Familie der Rafflesiaceae, den Astragalus-Sträucher bewohnenden Pilostyles Haussknechtii Boiss. entdeckte, welches sich auf der zweiten Reise als verbreitet herausstellte, ferner die Aufmerksamkeit die er selbst unscheinbaren Wasserpflanzen widmete. So verdankt Ref. seiner Güte die erste [551] Nachricht vom Vorkommen einer Zostera (nana Rth.) im kaspischen Meere. Die Pilze, Flechten und Algen, welche auf beiden Reisen gesammelt wurden, sind von Prof. Rabenhorst in den Sitzungsberichten der Isis in Dresden 1870, 225, die Moose von Juratzka und Prof. Milde Z. B. G. 1870. 589 veröffentlicht.
Der berühmte Erforscher Palaestina’s, Rev. H. B. Tristram, hat in den Proc. of the Royal Society of London XVI. (1868) p. 316 eine kurze Abhandlung on the geographical and geological relations of the Fauna and Flora of Palestine veröffentlicht (B. Z. 1869, 670).
Die vom Geh. Rath Ehrenberg auf seiner Reise in Aegypten, der Sinaihalbinsel und Syrien 1820–1826 gesammelten Moose haben erst jetzt in Dr. P. G. Lorentz (gegenwärtig Professor der Botanik in Cordova, Argentina, auch dem geographischen Publicum durch seine 1868 ausgeführte Reise nach Norwegen [ein Ausflug nach dem Sulitelma, P. M. 1869. 330] bekannt), einen Bearbeiter gefunden (Abhandl. der Berl. Akad. aus dem J. 1867). Die große Mehrzahl ist, bei der außerordentlichen Moosarmuth der Nilländer, in Syrien und auf dem Sinai gesammelt; 12 wurden als neue Arten beschrieben, von denen freilich Milde und Juratzka mehrere nicht anerkannt haben.
Ein Verzeichniß der in Kleinasien von dem bekannten botanischen Reisenden Balansa 1866 gesammelten Farrn veröffentlichte der durch seine Arbeiten über diese Familie rühmlichst bekannte Prof. Milde B. Z. 1867, 292. Uebrigens hat derselbe sämmtliche Farrn Kleinasiens in seinem 1867 erschienenen Werke Filices Europae et Atlantidis, Asiae minoris et Sibiriae mit gewohnter Sorgfalt behandelt.
Ueber eine Drogue Turans von bisher zweifelhafter Abstammung, die Sumbul-Wurzel, ist in neuester Zeit durch die russischen Reise-Unternehmungen Aufschluß gegeben worden. Der kürzlich verstorbene Prof. Kaufmann in Moskau theilte auf der russischen Naturforscher-Versammlung in Moskau 1869 mit, daß die Stammpflanze (welche Reinsch, ohne mehr als die Wurzel zu kennen, Sumbulus moschatus getauft hatte) von Fedtschenko gefunden, ein Farrenkraut sei (B. Z. 1869. 887). (Vgl. auch Sitzungsber. d. Moskauer anthropol. Ges. 1869[15].) Diese Pflanze, welche in dem Moskauer botanischen Garten eingeführt wurde, kam indeß dort 1870 zur Blüthe und ergab sich als ein Doldengewächs (Sitzungsb. naturf. Freunde, Berlin 1870, Juni), dessen Beschreibung als opus posthumum des Prof. K. in Moskau erscheinen wird. (B. Z. 1871, 48.)
Eine andere vielbesprochene Pflanze der vorderasiatischen (und [552] nordafrikanischen) Flora dürfte in neuester Zeit endlich eine endgültige Aufklärung gefunden haben. Lichen esculentus Pall., eine Flechte, deren plötzliches und massenhaftes Auftreten in den Steppen und Wüsten des Orients und Nordafrikas (Chlorangium Jussufii Link) zu der Sage des Mannaregens mit Veranlassung gegeben hat. v. Krempelhuber erklärt dieselbe für specifisch identisch mit einer von Kotschy 1853 auf dem cilicischen Taurus-Gipfel Kisil-Tepe [d. i. rother Hügel; Kotschy schreibt Gysyl-Deppe] an Felsen gesammelten Flechte, welche er Lecanora desertorum nennt; bestätigt also die zuerst von dem französischen Kryptogamenforscher Léveillé aufgestellte Ansicht, daß diese Pflanze, eine ursprüngliche Stein-Flechte, die Fähigkeit besitzt, von ihrer Unterlage losgerissen, weiter zu vegetiren und sich zu vermehren. (Z. B. G. 1867. 599.)
Die hochwichtige, für die europäische Gebirgsflora so beziehungsreiche Flora des Kaukasus hatte in der Person des Akademikers F. Ruprecht in St. Petersburg einen dieser Aufgabe würdigen, auch durch Forschungen an Ort und Stelle besonders geeigneten Bearbeiter gefunden. Leider wurde derselbe bald nach dem Erscheinen des ersten Bandes (Thalamiflorae) der Flora Caucasi (Mém. de l’acad. de St. Pét. VII. Sér. t. XV. No. 2) im August 1870 durch den Tod abgerufen, und wird das Werk, bei den vielen Eigenthümlichkeiten des Verfassers, wohl leider unvollendet bleiben. Der durch seine Forschungen in Asien bekannte Reisende G. Radde, jetzt Direktor des kaukasischen Museums zu Tiflis, setzt auch dort seine Thätigkeit eifrigst fort. Die „Berichte über die biologisch-geographischen Untersuchungen in den Kaukasus-Ländern“ (1. Jahrg. Tiflis 1866) bringen den Bericht über seine Reisen in dem mingrelischen Hochgebirge und seinen 3 Längsthälern (Rion, Tskenis-Tsquali und Ingur). (B. Z. 1867. 300.)
Ueber die Reisen, welche derselbe Forscher 1867 unternahm, findet sich Fl. 1868 eine Notiz.
Beiträge zur kaukasischen Flora bietet die Bearbeitung der von Bruhns bei Baku gesammelten Pflanzen durch L. Gruner (Bull. de la soc. natur. Moscou. 1867. II. 380), sowie die Florula von Tiflis von F. v. Herder (nach den Sammlungen von Pomorzow (Fl. 1870. 269. 276).
In dem Bericht über die Reise von Struve und Potanin im östlichen Tarbagatai (Sapiski d. Petersb. Geogr. Ges. Sekt. für allg. Geogr. Bd. 1. 1867) werden etwa 80 kirgisische Pflanzennamen mit kurzen Notizen über Benutzung einiger Arten mitgetheilt. (Marthe.)
Milde’s oben erwähntes Werk behandelt auch die Farrn der unter russischer Herrschaft stehenden asiatischen Länder.
Ein besonders ergiebiges Feld botanischer Forschung und Bekanntmachung dort gewonnener Ergebnisse boten in den letzten Jahren die von den Russen neuerdings in Besitz genommenen Länder am Syr Daria, Ili und den übrigen Zuflüssen des Balchasch-See’s (Semiretschinskische Provinz, das Sieben-Flußland), sowie die südlich angrenzenden Bezirke der bisher unter chinesischer Herrschaft stehenden Länder, welche freilich jetzt, in einem Unabhängigkeitskampfe begriffen, den Reisenden besondere Schwierigkeiten bieten. Ueber die Reisen Ssäwerzow’s, welche von neuem Lande besonders die Gebirgs-Gegenden zwischen dem Tschui und Amu Daria, mithin den westlichsten Theil des Tian-schan-Systems erschlossen, hat Marthe in Z. E. III. 421 berichtet. Die zoogeographische Eintheilung der nordasiatischen Steppengebiete, welche derselbe a. a. O. 442 giebt, ist für uns von besonderem Interesse, weil der Reisende drei „Zonen“ des Steppengebietes ausschließlich botanisch charakterisirt, die des Pfriemengrases (Stupa), der Chenopodeen und Artemisien und der Ssaksaul (Ammodendron-) Wälder. Ein Vergleich dieser Zonen mit den 3 von Kerner (Pflanzenleben der Donauländer 66 ff. 90 ff.) geschilderten Formationen der ungarischen Steppe, von denen sogar eine Specialfacies ebenfalls durch das Vorkommen der Stupa charakterisirt wird, liegt nahe.
Auch der ausführliche, erst neuerdings veröffentlichte Bericht über Ssemenow’s schon 1856 und 1857 ausgeführte Reise nach dem transilischen Alatau ist von demselben verdienstvollen Vermittler unserer Kenntniß der russischen geographischen[WS 6] Literatur Z. E. IV. 116. 208 im Auszuge bearbeitet worden. A. a. O. 217 ff. sind die pflanzengeographischen Ergebnisse zusammengestellt. Ssemenow unterscheidet in dem von ihm bereisten Gebiet folgende Zonen: 1) Die Steppenzone, wegen Trockenheit kulturunfähig, mit nur 10 Prozent europäischen (meist auch dort nur südrussischen!) Arten. 2) Die Kultur- und Gartenzone, am Fuße des Gebirges und in den Thälern zwischen 2000 und 4500–5000′ mit 60 pCt. europäischen, meist mitteleuropäischen Arten, wilden Aprikosen, Apfel- und Wallnußbäumen. 3) Die Nadelholz-Zone bis 7600–8000′; Picea Schrenkiana vorherrschend, ebenfalls 60 pCt. europäische, meist alpine oder nordische Arten. 4) Alpen-Zone, bis zur Schneegrenze 10,500–11,000′, mit nur 25 pCt. europäischen (nordisch-alpinen) Arten, während die übrigen meist sibirisch-alpine sind.
[554] Die systematische Aufzählung der von beiden Reisenden gesammelten Pflanzen von Regel und v. Herder wurde im Bull. soc. imp. natur. de Moscou 1867. I. 1. II. 124. 1868. I. 59. 378. II. 269 zu Ende geführt. Ebendaselbst 1867. II. 510 findet sich auch der Schluß der von v. Trautvetter bearbeiteten Aufzählung der von Schrenk 1840–1843 in der Ssungarei gesammelten Pflanzen.
Im Jahre 1867 wurde ferner in diesem Gebiet wohl die wichtigste botanische Reise der letzten Jahre in Nordasien, die des Barons Osten-Sacken nach dem mittleren Tian-schan in der Richtung auf Kaschgar ausgeführt, dessen Nähe der Reisende erreichte. Die Resultate sind in den Mém. de l’Acad. de St. Pétersb. VII. série. XIII. Nr. 4 als Sertum Tianschanicum von dem Reisenden und Ruprecht bearbeitet. Unter den aufgefundenen Arten bekunden mehrere auffallende Himalayah-Typen die Uebereinstimmung mit dem südlichen Grenzgebirge Central-Asiens.
Eine Vegetationsskizze des Gebiets am unteren Jenissei (als Ergebniß seiner 1866 zur Aufsuchung von Mammuthresten unternommenen Reise) lieferte Fr. Schmidt im Bull. de l’Acad. de St. Pétersb. XIII. 1869. 121. (B. Z. 1870. 324.)
Die Aufzählung der von Radde und anderen Reisenden in Ostsibirien und den Amurländern gesammelten Pflanzen (Monopetale Dikotylen, von F. v. Herder bearbeitet), wird im Bull. Soc. imp. natur. de Moscou 1867. I. 201. 406. 1868. II. 1 fortgesetzt.
Den wichtigsten neueren Beitrag zur Erforschung der Amurländer, mit deren botanischen Erschließung der Petersburger Akademiker Maximowicz sowie Maack sich die Sporen verdienten, hat Fr. Schmidt in der im XII. Bde. der VII. Sér. der Mém. de l’Ac. de St. Pétersb. No. 2 veröffentlichten Beschreibung seiner (mit Brylkin und P. v. Glehn, letzterer jetzt Conservator am botanischen Garten in St. Petersburg) 1859–1862 daselbst zurückgelegten Reisen geliefert. Der botanische Theil zerfällt in die Florula Amguro-Burejensis (Bureja-Gebirge am untern Amur) und die Florula Sachalinensis, in der die merkwürdige, im Norden den Tundra-Charakter tragende, im Süden entschieden japanische Vegetation dieser Insel zuerst dargestellt wird. (B. Z. 1869. 26.) Ein historischer Bericht dieser Reise erschien als 25. Bändchen in v. Helmersen’s Beiträgen zur Kenntniß des russischen Reichs. 1868.
Eine ausführliche, größtentheils auf Maximowicz’ und Maack’s Beobachtungen gestützte Schilderung der Waldvegetation in der mandschurischen Küstenprovinz (Primorskaja) lieferten Budischtschew, Lubenski und Petrowitsch in den Sapiski der Sibir. Sektion der Petersburger Geogr. Gesellschaft. Heft 9. 10. (1867.) 95. (Marthe.) Im [555] Ussuri-Gebiete und am Chanka-See sammelte der Stabs-Capitän Irzewalski im Sommer 1867 248 Pflanzenarten. (Iswestija der Petersb. Geogr. Ges. 1868. 193.) Derselbe setzte seine Forschungen daselbst im Sommer 1869 fort (Rechenschaftsber. derselben 1869. 36). (Marthe.)
Rev. Alex. Williamson’s Journeys in North China, Manchuria and eastern Mongolia enthalten Listen der gesammelten Phanerogamen.
Der besonders durch seine zoologischen Entdeckungen bekannte französische Missionär Pater David hat auf seinen Reisen in der Mongolei auch Pflanzen gesammelt. In den Adansonia IX. (1869) beschreibt Prof. Baillon die von ihm entdeckte Exochorda Davidiana.
Auch aus China sind durch den ebengenannten verdienstvollen Reisenden ansehnliche Pflanzensammlungen nach Paris gelangt.
Der eifrigste Forscher auf dem so viel versprechenden Gebiete der chinesischen Flora ist der britische Consul in Whampoa, Dr. H. F. Hance. Seine Arbeiten sind größtentheils in meist kleinen Journalaufsätzen niedergelegt; solche enthalten S. J. 1867 110, 243, 260, 275, 298, 369, 1868 46, 47, 89, 92, 109, 111, 173, 175, das. 207 , 250, 252, 296, 328, 371, 372, das. 1869. 41, 42, 63, 114, 115, 116, 161, 163, 234, 295, 296, 336. J. L. S. X. 199, 482. Von den ihn unterstützenden Sammlern sind besonders der amerikanische Gesandtschaftssekretär Dr. William T. Sampson, de Grijs und Rob. Swinhoe zu nennen, welcher letztere 1868 die Insel Hai-nan besuchte.
Das in neuerer Zeit so viel erforschte, aber noch stets eine reiche Ausbeute liefernde japanische Inselreich hat jetzt in der im dritten Bande der Annales Musei bot. Lugd. Bat. (1867) zum Abschluß gelangten Prolusio Florae japonicae von dem kürzlich verstorbenen Direktor des Leidener Reichsherbars und Prof. in Utrecht, F. A. W. Miquel, eine vorläufige Darstellung seiner Flora gefunden, in welcher besonders das reiche Material des Leidener Museums, welches größtentheils von europäischen Reisenden, wie z. B. Buerger, Textor, Mohnicke und namentlich v. Siebold, zum Theil aber auch von einheimischen Forschern, wie Itoo Keiske, Mizutani Sugerok u. a. herrührt, verwerthet worden ist. Der rastlos thätige Verfasser hat übrigens nach Beendigung dieser höchst werthvollen Arbeit seine Thätigkeit der japanischen Flora nicht entzogen; er veröffentlichte zwei sehr interessante pflanzengeographische Abhandlungen: Sur l’affinité de la flore du Japon avec celle de l’Asie et de l’Amérique du Nord (Arch. Néerl. II. 136, Adansonia VIII. 132, holländisch in Meddeel. der k. Akad. v. Wetensch. Amsterd. 1868. 63) und: Sur le caractère [556] et l’origine de la flore du Japon (Arch. Néerl. II. 289, Adansonia VIII. 204). Etwa die Hälfte der 2133 bisher bekannten Gefäßpflanzen (995 Arten) ist Japan eigenthümlich, worunter 400 Holzgewächse und eine große Anzahl von Coniferen. Ueberraschend ist das Vorkommen einiger europäischen oder westasiatischen Gewächse, wie der Buche und der Kastanie, sowie einer großen Anzahl Arten des östlichen Nordamerika (103, also 1/21 der Flora). Die große Uebereinstimmung der japanischen Flora mit den jüngeren Tertiär-Floren Europas (auch in Amerika sind einige auffallende ostasiatische Typen, z. B. die flachblättrige Conifere Salisburya, fossil gefunden), veranlaßt Miquel diese auf frühere klimatische Uebereinstimmung der genannten Gebiete zu beziehen.
Ferner hat derselbe Gelehrte noch veröffentlicht: Sur les érables du Japon (Arch. Néerl. II. 1867. 467) (B. Z. 1868. 351) und Bijdragen tot de Flora van Japan (Versl. en Medd. der Kon. Ak. van Wetensch. II. R. III. Deel Amsterd. 1869. 295. (Franz. in den Arch. Néerl. IV. 219.)
Die Algen Japans sind zuerst im III. Bde. der Ann. Mus. Lugd. Bot. p. 256, dann in einer eigenen Schrift von Prof. Suringar (Algae japonicae Mus. bot. Lugd. Bat. Harlem 1870) abgehandelt worden. (B. Z. 1870. 644.)
Im Jahre 1869 wurde bei Nangasaki und Jokuhama, Jedo etc. von den Schiffsärzten der norddeutschen Corvette „Medusa“ und der österreichischen Corvette „Erzherzog Friedrich“ Dr. Naumann und Dr. E. Weiß herborisirt. Der letztgenannte eifrige und begabte Forscher, dessen unglückliches Ende wir bereits erwähnt haben, hatte auch auf Luzon ansehnliche Sammlungen gemacht, wie aus einem (Z. B. G. 1870. 624) abgedruckten Briefe desselben hervorgeht. Seine Ausbeute ist in den Besitz des ungarischen National-Museums in Pest übergegangen.
Sehr beklagenswerth ist es, daß die Bearbeitung des reichen durch die preußische ostasiatische Expedition 1860 und 1861 gesammelten Materials durch den 1866 erfolgten plötzlichen Tod des Botanikers der Expedition, M. Wichura, unterbrochen worden ist. Die Reisebriefe desselben, welche unter dem Titel „Aus vier Welttheilen“ Breslau 1868 veröffentlicht wurden, bringen anziehende Mittheilungen über seine botanischen Eindrücke.
Dagegen ist der verdienstvolle russische Japan-Reisende, der schon als botanischer Pionier der Amur-Länder genannte Akademiker Maximowicz, unausgesetzt mit der Bearbeitung des reichen von ihm gesammelten Materials beschäftigt. Derselbe veröffentlichte im Bull. de l’Acad. de St. Pétersb. Diagnoses breves plantarum novarum Japoniae [557] et Mandschuriae. Decas I. (t. X. 485.) II. III. (t. XI. 429, 433.) IV. V. VI. (t. XII. 60, 225), VII. (t. XV. 225), ferner monographische Bearbeitungen der ostasiatischen Rhamneen (Mém. de l’Acad. de St. Pétersb. VII. sér. t. X. No. 11), Hydrangeen (das. No. 16.) Wir dürfen wohl hoffen, von diesem durch umfassende Forschungen befähigten und durch reichliches Material begünstigten Gelehrten eine vollständige Flora japonica zu erhalten.
Für die floristische Bearbeitung dieses fast ausschließlich unter niederländischer Herrschaft stehenden Inselgebiets ist das Material begreiflicher Weise namentlich in den Annales Mus. bot. Lugd. Bat. zu finden.
Es wurden darin in den letzten Jahren, größtentheils von Miquel, folgende Familien behandelt: Chrysobalaneae (III. 236), Rutaceae (III. 242), Burseraceae, Anacardiaceae (IV. 118), Euphorbiaceae (Scheffer IV. 119), Hippocrateaceae (IV. 148), Meliaceae (IV. 1), Ternstroemiaceae (IV. 103), Dipterocarpeae (III. 83), Violaceae (Oudemans III. 67, Miquel IV. 214), Ranunculaceae, Dilleniaceae, Menispermaceae (IV. 65), Primulaceae (IV. 143), Asclepiadaceae, Apocynaceae, Rubiaceae (IV. 128, 179, 221), Artocarpeae (III. 210), Ficus (III. 260), Coniferae (von P. de Boer III. 255), Aroideae (III. 79), Zingiberaceae (IV. 99), Hypoxaceae (Kurz IV. 175), Eriocaulaceae (von Körnicke III. 238), Filices (IV. 91, 155). Außerdem gab Miquel ein wichtiges Supplement zu seiner früheren Arbeit über die Palmen des Archipels in den „Verhandelingen“ der K. Niederl. Akad. der Wissensch. 1868 No. 4 (B. Z. 1868, 846); über javanische Cupuliferae veröffentlichte (ebendas. No. 3) Oudemans kritische Bemerkungen, ferner wurden die Myrsinaceae in der Dissertation von R. H. C. C. Scheffer, jetzt Direktor des botanischen Gartens in Buitenzorg bei Batavia, (über welchen auch Wichura’s oben erwähntes Buch zu vergleichen) (B. Z. 1867. 175) und die Coniferae in dem von P. de Boer (B. S. B. 1867 Rev.) bearbeitetem Werke: Specimen inaugurale botan. de Coniferis Archipelagi indici 1866 (Fl. 1867. 123); erstgenannter Forscher veröffentlichte auch in der Natuurk. Tijdskr. v. Nederl. Ind. 1869, p. 1 Observationes phytographicae (mitgetheilt von Hasskarl in Fl. 1869. 299. 305. 1870. 241). Ueber die merkwürdige Cyperaceengruppe von Pandanophyllum hat Sulpiz Kurz in J. of the Asiat. Soc. Bengal. XXXVIII. 11. 2. 1870, übersetzt von Hasskarl (Fl. 1869. 433) eine Abhandlung veröffentlicht. Von der Bryologia javanica von Dozy und Molkenboer, fortgesetzt von van der Sande Lacoste, erschien 1866–1869 das 49. bis 63. Heft.
[558] Das höchst interessante Reisewerk des ausgezeichneten englischen Forschers Alfred Russel Wallace, The Malay Archipelago, London 1869 (deutsch von Ad. Bernh. Meyer, Braunschweig 1869) enthält, obwohl der Verfasser hauptsächlich seine Aufmerksamkeit auf die reiche Thierwelt richtete, auch treffliche Vegetationsschilderungen.
Eine wichtige Erforschung des Staates Sarawak auf der Insel Borneo wurde 1866 von dem italienischen Reisenden Od. Beccari ausgeführt, welcher 1870 die abyssinischen Küstenländer des rothen Meeres mit Antinori und Issel erforschte. Ein Bericht über die Reise nach Borneo findet sich im I. Bande des Bulletino della soc. geogr. ital. 193 abgedruckt. Von ihm entdeckte Arten sind in dem von ihm herausgegebenen G. B. I. beschrieben und zwar 1869 65 Balanophora reflexa und Brugmansia Lowii, zwei neue Schmarotzergewächse, beide auch schon in Atti della soc. it. di sc. nat. XI. 197 nebst einer dritten, Rafflesia Tuan-Mudae, veröffentlicht 1870, 5 Aristolochiaceae, 8 Burmanniaceae, 155 Anonaceae, 1871 7 Petrosavia, eine parasitische Melanthiaceae, 11 Palmen.
Ueber einen leuchtenden Pilz dieser Insel (Agaricus Gardneri Berkeley) berichtet Dr. Cuthbert Collingwood J. L. S. X. 469.
Ein bedeutungsvolles Kulturgewächs ist nach dem Niederländischen Indien durch den Unternehmungsgeist unseres Landsmannes Hasskarl 1852 übertragen worden: die Fieberrinde liefernden Chinchona-Arten. Ueber den Stand dieser Kultur berichtet der jetzige Direktor derselben, van Gorkom, in einem eigenen Werke (die Chinakultur auf Java. Deutsch von Haßkarl. Leipzig 1869). (B. Z. 1870, 222.) Noch neuere Berichte desselben hat Haßkarl in Flora 1870. 129. 145. 217. 334 veröffentlicht. Am 30. Juni 1870 befanden sich in den dortigen Kulturen 1,532,148 Chinchona-Pflanzen.
Ueber die Kulturen in Singapore, namentlich die der Muskatnuß, berichtet Dr. Cuthbert Collingwood J. L. S. X. 45. Der Anbau des Pfeffers und des Gambir (Uncaria Gambir) ist dort sehr im Abnehmen.
Ueber eine Reise nach Siam berichtet der verdienstvolle bisherige Garten-Inspector in Buitenzorg, Teysmann, im Naturh. Tijdschr. van Nederl. Indië. XXV. (Fl. 1870. 370.)
Die in den Jahren 1866–1868 unter Führung des Kapitains Dondart de la Grée, welcher den Strapazen der Reise erlag, mit glänzendem Erfolge ausgeführte französische Erforschungs-Expedition auf dem Mekhong, wohl die wichtigste Entdeckungsreise der neuesten [559] Zeit, (vgl. Z. E. III. 463) hat auch eine reiche botanische Ausbeute mitgebracht, welche im Pariser Museum der Bearbeitung harrt. Der Botaniker der Expedition, der schon durch frühere Forschungen in Cochinchina rühmlich bekannte Dr. C. Thorel, hat eine Notiz über die nutzbaren Pflanzen der bereisten Länder (notes médicales du voyage d’exploration du Mékong et de Cochinchine. Paris 1870) veröffentlicht. Ober-Laos hat im Ganzen dieselben Kulturgewächse als Cochinchina, doch gestattet die geringere Temperatur der trockenen Jahreszeit den Anbau einiger europäischen Gewächse, welche besser gedeihen als in dem völlig tropischen Cochinchina: Kohl, Erbsen, Bohnen, Salat und besonders Tabak. Nördlich von 21° wurde ein wilder Birnbaum und eine wilde Quittenart angetroffen; in einem kleinen Marktorte der wilden Eingeborenen wurden zugleich Birnen, Aepfel, Pflaumen, Pfirsiche, Trauben, Wallnüsse, Mango, Guayaven, Bananen und Ananas feilgeboten. Wildwachsend wurden dort ferner Boehmeria nivea (sog. Chinagras), der Tekbaum und eine Indigo liefernde Acanthacee angetroffen. Die Provinz Yün-nan bietet, wie Mexiko, fast alle Klimate der Erde. Der nordwestliche, höhere und trocknere Theil hat die europäischen Waldbäume (auch Kastanien, Wallnußbäume, und zahlreiche wilde Obstbäume) und Kulturarten, im Winter: Getreide, Raps, Mohn, Oelrettig, im Sommer: Hanf, Mais, Hafer, Buchweizen und Kartoffeln; in den südöstlichen, niedrigeren und feuchten Landschaften werden im Sommer tropische Gewächse, im Winter auf denselben Feldern Getreide, Erbsen, Saubohnen und Mohn gezogen. Auch Thee-Kultur findet dort statt. Thorel hat im Gebiet des Mekhong mit seinem Mitarbeiter in Unter-Cochinchina, dem Direktor des botanischen Gartens in Saigon, L. Pierre, etwa 5500 Pflanzen gesammelt. Die Flora des oberen Mekhonggebiets stimmt natürlich vielfach mit der des britischen Indiens überein; im südlichen China wurden viele bisher nur aus dem Himalayah bekannte Pflanzen beobachtet. (S. B. F. 1870, Revue 70.) [Die Uebereinstimmung vieler Pflanzen Japans und Nord-Chinas mit Typen des Himalayah ist längst bemerkt; fortgesetzte Erforschung des inneren Chinas wird vermuthlich ihre zusammenhängende Verbreitung nachweisen. Referent.]
Eine sehr dankenswerthe Zusammenstellung der einheimischen Namen von Nutzpflanzen dieses vielsprachigen Landes (und der Nachbarländer von Arabien bis Japan) hat J. Forbes Watson veröffentlicht: Index of the Native and Scientific Names of Indian and [560] other Eastern Economic Plants and Products. London, India Museum 1868. (S. J. 1868. 221.) Es wäre wünschenswerth, wenn dies Beispiel für andere Länder in ausgedehntem Maße Nachahmung fände. Ref. ist nicht selten durch Anfragen über nur mit einheimischen Namen bezeichnete exotische Nutzpflanzen in Verlegenheit gesetzt worden, da in den meisten botanischen Werken hierüber nichts zu finden ist.
Die indischen Acanthaceae sind von dem besten Kenner dieser Familie, dem kürzlich verstorbenen verdienten Direktor des botanischen Gartens in Calcutta, Thomas Anderson, in J. L. S. IX. 425 aufgezählt.
Für die Flora des Himalayah und seiner Umgebungen ist in den Sammlungen, welche die Brüder v. Schlagintweit auf ihren großen Reisen, welche bekanntlich sich weit in das chinesische Gebiet hinein erstreckten, zusammenbrachten, ein sehr werthvolles Material gewonnen worden, welches nach und nach durch Bearbeitung seitens competenter Forscher der Wissenschaft zugänglich wird. Bisher sind veröffentlicht: Gramineae (Grisebach, Göttinger Nachrichten 1868. 61). Juncaceae, Juncaginaceae, Alimaceae, Butomaceae (Buchenau das. 1869. No. 13). Irideae (Klatt S. J. 1868, 125); Polygoneae, Lauraceae (Meisner, Ann. des scient. nat. V. sér. bot. t. VI.); Labiatae, Scrophulariaceae (J. A. Schmidt, S. J. 1868. 225), Primulaceae, Pittosporaceae (Klatt, S. J. 1868. 116. 125).
Ueber die Flora des Distriktes Lahul an den Quellen des Chinab, wo der Missionär Heinr. Jäschke sehr schätzbare Pflanzensammlungen und Aufzeichnungen über die Benutzung und einheimische Benennung der Arten machte, berichtet Dr. Aitchison in J. L. S. X. 69.
Eine Abhandlung von Stewart über Nutzpflanzen der Bijnour-Waldungen im Himalayah ist aus dem Londoner “Tecnologist” in Buchner’s neuem Repert. für Pharm. XVI. 46 mitgetheilt.
Einen Ausflug von Dera Dhun nach Jumnotri und den heißen Quellen daselbst schildert William Bell in Trans. of the bot. soc. Edinb. X. 81. 145. Derselbe berichtet (l. c. IX. 274) über die Wälder von Dera Dhun.
Eine Aufzählung der Palmen Sikkim’s giebt Thomas Anderson J. L. S. XI. 4.
Eine Reise nach Ladak schildert Stewart in den Trans. of the bot. soc. Edinb. 1869. 207.
Ueber die Flora des Húshiarpur-Distrikts im Pendjab macht Dr. Aitchison im J. L. S. XI. 17 eine kurze Mittheilung.
Der genannte T. Anderson hatte neuerdings in dem Curator des Herbariums Sulpiz Kurz (früher in Buitenzorg in gleicher Weise beschäftigt) eine sehr wirksame Unterstützung gefunden. Derselbe hat seine Aufmerksamkeit namentlich auch den Wasserpflanzen und Kryptogamen Bengalens zugewandt, aus welchen Gruppen er den Monographen [561] ausgezeichnetes Material geliefert an. So hat G. v. Martens in Fl. 1869. 233, 455 die von ihm gesammelten Algen (denen er Fl. 1870. 417 eine neue Gattung Kurzia hinzufügte), Nylander in Fl. 1867, 3 und 1869, 69 die von ihm eingesandten Flechten aufgezählt. Von eigenen Arbeiten dieses thätigen Gelehrten sind zu erwähnen: „On Indian Screwpines“ (Pandanacae incl. Typhaceae) S. J. 1867. 93. Bemerkungen über Pandanus-Arten (aus Journ. of the Asiat. Society of Bengal. XXXVIII. II. 3. 145 übersetzt von Hasskarl in Fl. 1869. 449 und „Ueber einige neue oder unvollkommene bekannte Indische Pflanzen“ übersetzt aus Journ. of the Asiatic Society of Bengal. XXXIX. II. 61 von Hasskarl in Fl. 1870. 273. 319. 325. 340. 362. 369).
Capt. R. H. Beddome, Conservator der Waldungen in der Präsidentschaft Madras, durch seine Arbeiten über die Farrn Süd-Indiens den Botanikern rühmlichst bekannt, giebt in Trans. of the Linn. Soc. of London XXV. 209. ein Verzeichniß der Dikotylen des 9000′ hohen Anamallay-Gebirges, worunter u. A. zwei neue Arten der merkwürdigen moos- und algenähnlichen Podostemonaceae (Dicraea algiformis und Mnipsis selaginoides.) (B. Z. 1870. 531.)
Eine Sammlung von 112 Moosarten von Ceylon, worunter 36 neue, eingesandt von Nietner, ist bearbeitet in Linnaea, Neue Folge I. 1. von dem bekannten Bryologen Karl Müller von Halle. Vegetations-Schilderungen dieser Insel finden sich in Wichura’s Reisebriefen.
Unter den neuerdings eingeführten neuen Kulturzweigen Vorderindiens steht der Anbau der Chinchonen obenan, welche nach dem von der niederländischen Regierung gegebenen Beispiel auch von der britischen durch Clements Markham (welcher 1868 die Expedition gegen den Negus Theodoros mitmachte) direkt aus Süd-Amerika 1860 zunächst nach der Gegend von Utakamand im Nilgherri-Gebirge eingeführt wurden. (Vgl. R. v. Schlagintweit Z. E. I. 361.) Ueber die dort (unter Leitung des verdienstvollen Direktors M’Jvor) kultivirten Formen gab der berühmte englische „Quinologist“ John Eliot Howard im J. L. S. X. 75. (1867) eine Notiz; derselbe hat eine eigene Quinilogy of the East-Indian Plantations. London 1869 veröffentlicht. (S. J. 1869. 241). Auch der französische Pharmakolog J. L. Soubeiran und Aug. Delondre geben im Bull. de la soc. imp. d’acclimatation 1867 und 1868 einen zusammenfassenden Bericht über die Kultur der Chinchona im niederländischen und britischen Ostindien. (S. B. F. 1869. Rev. bibl. 161).
Ueber die Chinchona-Pflanzungen in Bengalen (Darjeeling in Sikkim) berichtet der auch mit der Leitung dieses wichtigen Kulturzweiges [562] betraute T. Anderson S. J. 1869. 155. und Trans. bot. soc. Edinb. X. 140.
Derselbe gab S. J. 1867. 187. einen Bericht über die Mahagony-Pflanzungen in Bengalen.
Ueber die in Indien kultivirten Theearten berichtet William Bell Trans. bot. soc. Edinb. X. 152.
Die Kenntniß der Vegetation von Afrika ist in der letzten Zeit durch ein Florenwerk und durch mehrere schätzbare Monographien wesentlich gefördert worden. Von Prof. Oliver’s Flora of Tropical Africa, welche sich auf das reiche in Kew vorhandene Material stützt, erschien 1868 der erste Band, die Thalamifloren umfassend. Da sich an dieses Werk im Süden Harvey und Sonder’s Flora Capensis (scheint leider durch den Tod des erstgenannten Mitverfassers ins Stocken gerathen zu sein), im Nordwesten die floristischen Arbeiten Cosson’s, welche wohl in irgend einer Form zum Abschluß kommen werden, im Nordosten (für Aegypten) Boissier’s Flora Orientalis anschließen, so ist wohl Aussicht vorhanden, daß wir in einiger Zeit eine auf der Höhe der Wissenschaft stehende floristische Bearbeitung der ganzen afrikanischen Flora besitzen werden.
Eine Aufzählung der Filices Africanae mit Beschreibung der neuen Arten ist als Erstlingswerk von Dr. Max Kuhn, welcher den wissenschaftlichen Nachlaß des verstorbenen Mettenius in sachverständigster Weise zu veröffentlichen fortfährt und sich durch eigene Arbeiten über exotische Farrn bereits als einer der gediegensten Kenner dieser Familie legitimirt hat, 1868 veröffentlicht worden. Eine pflanzengeographische Uebersicht ist vorangeschickt, worin auch die Verbreitung der Arten in anderen Welttheilen nachgewiesen wird. Es sind von Gefäßkryptogamen 683 Arten (18 pCt. aller bekannter) aufgezählt, wovon 156 auf dem Festlande allein, 320 nur auf den Inseln, 198 sowohl auf dem Festlande als auf den Inseln; von diesen 683 finden sich in Asien 147, in Amerika 87, in Polynesien 68, in Europa 54, in Neu-Holland 26; 458 sind Afrika eigenthümlich.
Eine Bearbeitung der Characeen Afrika’s haben wir von der Meisterhand A. Braun’s erhalten. (Monatsber. der Berl. Akad. Dec. 1867.)
Nach Marokko wurde im Frühjahr 1867 von dem durch seine früheren Sammlungen in Algerien und im Orient bekannten Reisenden [563] Balansa eine botanische Reise unternommen, welche indeß durch den Fanatismus der dortigen Behörden, welche ihn bereits nach seiner Ankunft in der Hauptstadt zur schleunigen Umkehr zwangen, ein vorzeitiges Ende fand. (Fl. 1867. 384.) Indeß hat derselbe wenigstens die wichtige Thatsache constatirt, daß bei Mogador eine Anzahl canarischer Typen, z. B. die merkwürdige Composite Kleinia nereifolia vorkommen, die allerdings schon früher durch Broussonet angegeben wurden, dem man aber wegen seiner späteren Geistesschwäche eine Verwechselung der Standorte mit Unrecht Schuld gab. (Vgl. auch Bull. de la soc. géogr. V. Sér. XV. 312.)
Eine zweite vermehrte und berichtigte Auflage des Verzeichnisses der Flora Algeriens von Munby ist 1868 zu London erschienen. Von dem anfangs auf Staatskosten herausgegebenen Prachtwerke: Exploration scientifique de l’Algérie ist wenigstens der erste Band des botanischen Textes, die Glumaceen umfassend, von Cosson und Durieu de Maisonneuve bearbeitet, 1867 zum Abschluß gekommen. Zu einer Fortführung dieses Werkes war leider, wie die Herren Verfasser dem Ref. im Frühjahr 1870 mittheilten, schon damals keine Aussicht; doch hegte E. Cosson, dem das reichhaltigste Material und die gründlichsten Studien vor Allen zu einer solchen Arbeit befähigen, die Absicht, in compendiöserer Form eine Flora Algeriens und der Nachbarländer zu bearbeiten.
Das bekannte Werk des Professor Charles Martins in Montpellier, Du Spitzberg au Sahara (deutsch von Bartels) enthält höchst anziehende Vegetations-Schilderungen aus Algerien.
Die botanischen Forschungen des Hauptmanns Paris in Algerien sind in S. B. F. 1867 (Compterend. p. 118, 197, 268) unter dem Titel: Vingt-deux mois de colonne dans le Sahara algérien, et en Kabylie veröffentlicht.
Ueber seine botanischen Forschungen des Beckens der Hodna im östlichen Algerien berichtet Dr. V. Reboud a. a. O. 127.
Eine verhältnißmäßig sehr reiche botanische Ausbeute brachte Gerhard Rohlfs von seiner Forschungsreise im Paschalik Tripoli, namentlich in Cyrenaica im Frühjahr 1869 heim, welche er dem Berliner botanischen Museum übergab. Die Bearbeitung derselben übernahm der obengenannte gefeierte Kenner der nordafrikanischen Flora, E. Cosson in Paris, und hofft Ref. die Veröffentlichung dieser Arbeit bald bewerkstelligen zu können. Unter den etwa 150 gesammelten Arten befinden sich eine nicht unerhebliche Zahl, welche in der einzigen botanischen Veröffentlichung, die wir über dies so interessante Gebiet besitzen, Viviani’s Florae libycae specimen, nicht aufgeführt sind, und 5 [564] ganz neue, worunter eine sehr merkwürdige strauchartige Veilchen-Art, Viola scorpiuroides Coss.
Ueber die so viel besprochene Silphium-Pflanze, welche im Alterthume die hauptsächliche Grundlage des Wohlstandes dieser jetzt verödeten Landschaft bildete, hat der verdiente dänische Botaniker Oersted (auch den Geographen durch seine Reisen in Mittel-Amerika bekannt) in der Overs. K. Danske Vid. Selsk. Forh. 1869, No. 1. eine neue und, wie uns scheint, begründete Ansicht geäußert. Im Gegensatz zu den Meinungen der neuern Reisenden (auch Rohlfs Z. E. V. 371), welche sie in dem Drias (Thapsia garganica L. var? Silphium Viv.), einem in der Landschaft Barka sehr verbreiteten Doldengewächs, zu erkennen glauben, welches aber weder in seinen Eigenschaften noch in seinem Aussehen den von den Alten überlieferten Nachrichten und den Abbildungen auf Münzen entspricht, betrachtet Oersted die Silphiumpflanze in Uebereinstimmung mit den Nachrichten der Schriftsteller des späteren Alterthums, welche eine allmähliche Abnahme berichten, als ausgestorben oder doch noch nicht wiedergefunden, und hält sie für eine Art der, allerdings in der Tracht sehr ähnlichen, Asa foetida liefernden Gattung Narthex der nordwestlichen Himalaya-Länder.
Die Vegetation Aegyptens ist, wie schon öfter erwähnt, in Boissier’s Flora Orientalis mit abgehandelt.
Ebenso haben wir bereits S. 551 die Bearbeitung der in diesem Lande von Geh. Rath Ehrenberg gesammelten Moose durch Prof. Lorentz erwähnt.
Die oberen Nilländer sind das Forschungsgebiet unseres Collegen Dr. Schweinfurth, unstreitig des bedeutendsten botanischen Reisenden, dessen Thätigkeit in die letzten Jahre fällt. Zwar wurde seine erste auf eigene Kosten unternommene Reise nach den Küstenländern des rothen Meeres in Aegypten und Nubien, dann von Suakin über Kassala nach Matamma in Gallabat und zurück über Chartum, Berber und Suakin bereits in den Jahren 1863–1866 zurückgelegt. Die Bekanntmachung ihrer wissenschaftlichen Ergebnisse fällt indeß meist in die Jahre 1867 und 1868. Ueber die Reise selbst vgl. u. A. Zeitschr. für allg. Erdk. XVII. 328. XVIII. 131. 283. 321. XIX. 305. Z. E. I. 177. 183. II. 1. P. M. 1865. 330. Z. B. G. 1865. 267. 537.
Zunächst konnten in dem von Schweinfurth bereits vor dieser Reise bearbeiteten „Beitrag zur Flora Aethiopiens“ (enthaltend besonders [565] die Sammlungen Ehrenberg’s in Nubien und Abyssinien, Cienkowski’s 1848 und 1849 aus Fasogl und Kordofan mitgebrachte Pflanzen, und W. Schimper’s Sammlungen in Simen 1850 und Agau 1854) für den angehängten Katalog der Arten der gesammten Nilländer auch die vorläufige Uebersicht seiner eigenen Sammlungen benutzt werden, da dies Werk erst im Februar 1867 ausgegeben wurde. Die Bestimmung und Vertheilung der mitgebrachten ausgezeichnet conservirten Pflanzensammlungen bildete natürlich in der zweiten Hälfte des Jahres 1866 und im Jahre 1867 den Hauptgegenstand der Thätigkeit des Reisenden; bei dieser Gelegenheit wurden auch die von Dr. Steudner 1860–1862 in Abyssinien, Sennaar und Kordofan (Arraschkol) gesammelten Pflanzen geordnet und bestimmt. Die neuen Dikotylen-Arten beider Sammlungen sind unter dem Titel „Novae species aethiopicae“, 36 an der Zahl, Z. B. G. 1868, 651 beschrieben. Diese Zahl neuer Arten erscheint verhältnißmäßig gering wegen der Arten-Armuth der von S. zuerst besuchten nubischen Küstengebirge und wegen der großen Uebereinstimmung des allerdings sehr pflanzenreichen Gallabat mit der Vegetation der niederen Landschaften des von dem verdienstvollen W. Schimper so fleißig ausgebeuteten Abyssiniens. Andere phytographische Arbeiten, zu welchen die Bearbeitung seiner Reise S. Veranlassung gab, sind die Abhandlung „über die Akazien des Nilgebiets“ (Linnaea N. F. I. 309) und: „Zur Geschichte der Pferdebohne der Westindischen Neger“ (Canavalia ensiformis D. C.) Z. B. G. 1868. 199. Verf. weist darin nach, daß die Pflanze und die abergläubischen Vorstellungen über ihre, die übrigen Kulturen vor Diebstahl schützende Kraft (weshalb sie in Jamaika Overlook genannt wird) aus Afrika importirt sind, da er selbst Beides in Matamma antraf, wohin sie von den dort herrschenden aus Darfur stammenden Takruri gebracht wurden. Ferner übernahm Dr. S. die fromme Pflicht, den auf die Nilländer bezüglichen botanischen Nachlaß des 1866 verstorbenen, trefflichen Reisenden Theodor Kotschy herauszugeben, welche „Reliquiae Kotschyanae“, durch zahlreiche Beiträge des Herausgebers vermehrt, durch die Freigebigkeit des für die Botanik begeisterten Kirchenfürsten, Erzbischof Dr. Haynald von Kalócsa, mit schönen Tafeln ausgestattet, 1868 in Berlin erschienen sind. Eine Biographie Kotschy’s, von seinem Bruder, dem Pastor Oskar Kotschy in Bystrzyc bei Jablunkau in Oestr. Schlesien verfaßt, wird seinen Verehrern eine willkommene Gabe sein.
Ein pflanzengeographisch-physiologisches Resultat dieser Reise ist in dem Z. E. II. 411 abgedruckten Vortrage: „Ueber den Einfluß der Nordwinde auf die Vegetationsverhältnisse des Rothen Meeres und sein Niveau“ niedergelegt.
[566] Die Summe der Ergebnisse früherer Reisenden und seiner eigenen hat Dr. S. in der kurz vor seiner zweiten Abreise (P. M. 1868. 113. 155. 244.) veröffentlichten „Vegetationsskizze des gesammten Nilgebiets und der Uferländer des rothen Meeres“ gezogen. Wir entnehmen derselben die darin durchgeführte pflanzen-geographische Eintheilung des Gebiets, für deren feste Begründung ein rühmliches Zeugniß sein dürfte, daß die von Th. v. Heuglin (P. M. 1869. 406) gegebene zoogeographische Eintheilung sich ihr meistentheils anschließt, wie denn auch Schweinfurth’s beigegebene Karte der Heuglin’schen als Grundlage gedient hat. 1) Das Mittelmeergebiet, nur den schmalen Küstensaum Unter-Aegyptens einnehmend, auch dort vieler Charakterpflanzen (z. B. der Orchideen, Valerianeen ganz, der Farrn fast ganz entbehrend) und nur die verbreiteten Typen der Mittelmeerflora und einige libysch-cyrenäische Seltenheiten aufweisend. 2) Das Kulturgebiet des Nilstromes von Chartum bis zur Mittelmeerküste, soweit die natürliche und künstliche Ueberschwemmung seiner segenspendenden Fluthen die schwarze Erde verbreitet hat, mit Einschluß der alten Nil-Alluvionen der libyschen Oasenkette. Diese Bewässerung ist um so nöthiger und erfolgreicher, als dies Gebiet größtentheils regenlos ist. Holzgewächse fast nur kultivirt, namentlich der Ssunt (Acacia nilotica), die Dattelpalme (zahlreich von 21° an nördlich), die Dumpalme (Hyphaene thebaica), nur vereinzelt nördlich von 27°, die Sykomore, der Nebek (Zizyphus Spina Christi), die Tamariske (Tamarix articulata). 3) Wüstengebiet, vom Mittelmeer südlich bis zu einer Linie, welche bei Berenice am rothen Meere beginnt und westlich die südliche Bejuda ausschließt; der südwest-nordöstliche Verlauf dieser und anderer Grenzlinien, welche sich fast bei jeder einzelnen Art nachweisen läßt, ist eine von Dr. Schweinfurth zuerst constatirte merkwürdige Thatsache. Durch eine in ähnlicher Richtung verlaufende Grenzlinie wird das Wüstengebiet in eine nördliche (Mokattam-Region mit isabellgelbem Boden und Kalkgestein) und in eine südliche (mit grauem Boden und Sandstein und Hornblendegestein) getrennt, die sich am Nil bei Siut scheiden. Die Bezüge beider Regionen nach Westen mit der Flora der Sahara und selbst der östlichen canarischen Inseln, nach Osten mit dem Wüstenstrich des Orients werden speciell nachgewiesen. Das ganze Gebiet ist nahezu regenlos, daher äußerst vegetationsarm und ohne Pflanzen-Kultur. 4) Uebergangsgebiet, umfassend Nord-Darfur und Kordofan, die südliche Bejuda und das Etbai (zusammen als Steppenwüste bezeichnet), sowie die Küstenländer des rothen Meeres bis zur Straße Bab-el-Mandeb, mit spärlichem oder unregelmäßigem Regenfall, daher die Vegetation ein Mittelglied zwischen [567] Wüste und Steppe bildend und mit spärlichen Culturen. Unter den dort vertretenen Steppengräsern besonders als Weide wichtig: Panicum turgidum (Schusch), Tristachya barbata (Tabbes), Eleusine flagellifera (Homra) und Coelorrhachis hirsuta (Luch). (Vgl. Z. E. II. 22. 23.) 5) Das Steppengebiet, umfassend alle Flachländer des oberen Nilgebiets bis zum Fuße der bewaldeten abyssinischen Gebirge und bis zum tropischen Urwaldgebiet des Bahr-el-Gebel oberhalb Gondokoro und des Bahr-el-Gasal, welches letztere S. freilich überall von größeren[WS 7] und kleineren Steppenparcellen durchsetzt antraf, ein Charakter der Landschaft, der sich nach ihm auch über die Grenzen des Nilgebiets hinaus in das des nach Westen abfließenden Stromes Uelle hinein fortsetzt. Die Flußufer und die innerhalb der Steppe sich erhebenden Inselberge besitzen Wald-Vegetation; letztere sind häufig, wie auch den Abfall des Gebirges eine weite Strecke mit Buschwald umkränzt, besonders aus Gummi-Akazien, der flötenden A. fistula (Ssoffar) und A. stenocarpa (Talch) im Osten, A. Verek (Haschab) im Westen gebildet. In der Regenzeit erhebt sich in der Steppe riesenhafter Graswuchs, von mannichfaltigen Arten meist im getrennten Bestande gebildet. Unter den Kulturgewächsen stehen Durra, Baumwolle und Sesam obenan. 6) Das Waldgebiet, dessen geographische Ausdehnung schon oben angedeutet. In Abyssinien steigt die Waldregion, welche dort noch eine etwas verschieden ausgebildete obere Abtheilung besitzt, bis 5500 Fuß. Unter den Vegetationsgebieten der Nilländer das artenreichste und am schärfsten von den übrigen abgegrenzt, aber zu einem großen Theil aus Arten zusammengesetzt, deren Verbreitung über dasselbe hinausreicht. Es finden sich hier zahlreiche westafrikanische Typen (namentlich im Gebiet des Bahr-el-Gasāl, durch Schweinfurth’s spätere Forschungen noch ungleich zahlreicher nachgewiesen), ebenso viele Arten der südlicheren Ostküste Afrikas und Ostindiens. Auffallend ist im größten Theile des Nilgebiets die Armuth an Farrn, Melastomaceen, Piperaceen und Orchideen, welche an der feuchten Guinea-Küste stark vertreten sind. Die zuletzt von S. besuchten Gallerien-Flußwälder des Niām-Niām-Landes stimmen indeß auch durch die stärkere Vertretung dieser Familien mit der Vegetation der Westküste überein. Das größtentheils sehr ungesunde Waldgebiet ist wenig bewohnt und kultivirt. Die Kulturen, welche z. B. in den Seriben der Elfenbeinhändler am Bahr-el-Gasāl stattfinden, sind die der Steppe. 7) Hochlandsgebiet, nur in Abyssinien von 5500 Fuß bis zu dem höchsten Berggipfel 15,000 Fuß reichend. S. unterscheidet mit W. Schimper (dem unermüdlichen Erforscher dieses Landes, welcher noch [568] 1868 nach seiner Befreiung durch die englische Expedition eine prachtvolle Pflanzensendung mit vielen Neuigkeiten, z. B. einigen Arten der bis dahin aus dem Nilgebiet noch nicht bekannt gewordenen Podostemonaceen nach Berlin sandte), Steudner u. A. drei Unterabtheilungen: Woëna Dega 5500–7500 Fuß, eigentliche Dega 7500–12,000 Fuß, und darüber noch eine alpine Region. Der Vegetations-Charakter ist von dem der übrigen Nilländer total verschieden und erinnert an kein Land mehr als an Europa, und zwar die Woëna Dega mit ihrer immergrünen Strauchvegetation an das Mittelmeergebiet, die Dega an Mitteleuropa. Entfernter sind die Beziehungen zu dem westafrikanischen Hochgebirge an den Baien von Biafra und Benin, deren Vegetation wir durch Mann kennen gelernt haben. (Vgl. die Uebersicht derselben von J. D. Hooker J. L. S. VII. 171.) Die Dega ist waldlos, baum- und grasarm. Von Bäumen werden häufig an Kirchen und Häusern gepflanzt besonders Juniperus procera (Deed oder Sadd) und Cordia abyssinica (Wonsa), wild finden sich die südeuropäische Erica arborea, ferner Protea abyssinica, der Kolkwal (Euphorbia abyssinica) etc. Unter den Sträuchern sind bemerkenswerth Brayera anthelminthica (das bekannte Bandwurmmittel Kusso liefernd), und Coffea arabica, welche übrigens in Abyssinien nicht kultivirt wird, wohl aber in den südlichen Galla-Ländern Kaffa und Enarea. Für die höhere Gebirgsregion ist eine Charakterpflanze die aloëähnliche Lobeliacee Tupa Rhynchopetalum (Gibarra). Die alpine Region besitzt eine sehr dürftige Vegetation meist krautartiger Gewächse. – Unter den Kulturpflanzen finden wir statt der Durra (abyss. Maschila) wieder Weizen und Gerste, ferner Eragrostis abyssinica (Teff) und die besonders zur Bierbereitung benutzte Eleusine Tocusso (Dagussa). 8) wird noch die submarine Vegetation des rothen Meeres geschildert, aus welchem (mit Hinzufügung der seitdem aus diesen Meerbusen bekannt gewordenen Arten) nunmehr 9 Species Seegräser (Meerphanerogamen) bekannt sind: Enhalus acoroides, Thalassia Hemprichii, Cymodocea rotundata, serrulata, ciliata, isoëtifolia, Halodule australis, Halophila stipulacea und ovalis. (Vgl. Sitzungsber. Naturf. Fr. Berlin, Jan. 1867, Dec. 1870.)
Ungleich bedeutsamer dürften sich freilich noch die botanischen Resultate von Schweinfurth’s zweiter auf Kosten der deutschen Humboldt-Stiftung für Naturwissenschaft und Reisen, sowie mit Unterstützung unserer Ritter-Stiftung nach dem Gebiete des Bahr-el-Gasāl unternommenen Reise gestalten, zu der er, auf Grund der in Chartum erworbenen Kenntniß der dortigen Verhältnisse, im Frühjahr 1868 der Humboldt-Stiftung einen Plan vorlegte, welcher von dieser [569] erlauchten Körperschaft gebilligt, von dem Reisenden mit glänzendstem Erfolge ausgeführt wurde. Als Hauptgegenstand seiner Thätigkeit hatte S. die naturwissenschaftliche Erforschung dieses (freilich nach allen z. Th. sehr verdienstlichen Leistungen früherer Reisenden auch in geographischer Beziehung noch keineswegs genügend bekannten) Gebietes sich vorgesetzt; eigentlich geographische Entdeckungen hatte er bescheiden nicht in Aussicht gestellt; dennoch ist durch seine Energie und seine umsichtige Benutzung der gegebenen Verhältnisse die Hoffnung, welche der verehrte Redacteur dieser Zeitschrift Z. E. III. 373 aussprach, „daß es unserem Dr. Schweinfurth gelingen möchte, uns ein besseres geographisches und ethnographisches Bild über diese Gegenden (die damals auch in den Erkundigungen v. Heuglin’s und der Gebrüder Poncet, sowie in den dürftigen Mittheilungen Piaggia’s sehr nebelhaft erscheinenden Niām-Niām-Länder) zu bringen“ bereits vollständig in Erfüllung gegangen.
Die Berichte über den äußeren Verlauf dieser Reise sind in Z. E. III. 517, 521, 528. IV. 311, 316. V. 29, 97. zu finden. Kürzere Berichte sind in P. M. 1869. 53. 281. 1870. 18. 1871. 11 abgedruckt.
Schweinfurth verließ Berlin am 30. Juni 1868, schiffte sich nach einem kurzen Aufenthalte in Alexandrien und Kairo am 20. Aug. in Suez ein und erreichte nach einem Besuche der Schwefelminen in Gimsah und zweitägigem Aufenthalte in Dschidda am 1. Sept. Suakin, von wo er sich am 10. nach den Bergen in Singat begab, wo die Bewohner dieser Stadt ihre Sommerfrische abhalten, um als Gast des ihm von der früheren Reise bekannten Gouverneurs in mehrwöchentlichem Aufenthalte die Vegetation dieser Küstengebirge, welche eine höchst eigenthümliche Vegetationsform in dem Vorkommen der von v. Heuglin auf seiner Rückreise 1864 entdeckten Dracaena Ombet Kotschy und Peyr., nahe mit dem Drachenbaume der kanarischen Inseln verwandt, besitzt, zu erforschen. Ein Resultat dieser Forschungen sind die in der B. Z. 1868, 849 abgedruckten Vegetationsskizzen aus dem südnubischen Küstengebirge, sowie die in Z. E. IV. 334 mitgetheilten Pflanzennamen der Bega-Sprache zwischen Suakin und Berber aufgezeichnet wurden.
Von Singat begab sich S. über Berber nach Chartum, wo er im Hause des damaligen norddeutschen Consuls Duisberg die gastfreiste Aufnahme fand und bis Neujahr 1869 verweilte, um seine Weiterreise vorzubereiten. Durch die kräftige Vermittlung des General-Gouverneurs Djaffer-Pascha, welcher sich mit edlem Stolze als Vokil (Geschäftsführer) der Berliner Akademie bezeichnete, schloß er mit [570] dem dortigen reichen koptischen (inzwischen verstorbenen) Kaufmann Ghattās einen Contract ab, dem zufolge dieser ihm in seinen Seriben am Gazellen-Flusse Wohnung, Schutz, wie auch Nahrung zu gewähren hatte, ohne indeß Schweinfurth, falls er sich etwa anderen dortigen Elfenbein-Handelskompagnien anzuschließen für gut fände, in der Freiheit seiner Bewegung zu beschränken; eine Klausel, welche sich für den Erfolg seiner Unternehmung als entscheidend herausgestellt hat. Die botanischen Beobachtungen während des Aufenthaltes in Chartum sind Z. E. IV. 339 „November-Flora von Chartum 1868“ abgedruckt. Am 5. Januar lichtete die Ghattās’sche Barke, welche unsern Reisenden trug, die Anker, und schon am 24. war Faschoda, der Grenzpunkt der ägyptischen Herrschaft erreicht, (Verzeichniß der bis dahin beobachteten Pflanzen Z. E. IV. 341) wo derselbe bis zum 5. Febr. warten mußte, da die Weiterreise, an den Dörfern der kriegerischen Schilluk vorüber, nur in größerer Gesellschaft angetreten werden konnte. Bei dieser Gelegenheit lernte S. einen der mit ihm die Fahrt machenden Elfenbeinhändler, Abu Ssamāt, einen energischen, intelligenten und hochherzigen jungen Mann kennen, welcher schon dort ihn einlud, ihn auf seinem nächsten Zuge über die Grenzen des Niām-Niām-Landes hinaus zu den Mombuttu, welche dieser Pionier nubischer Handelsthätigkeit zuerst besucht hat, zu begleiten. Der Ausschiffungsplatz des Bahr-el-Gasāl (jetzt an einer etwas anderen Stelle als die vielberufene Meschera-el-Rek) wurde nach der schwierigen Passage des seit Jahren durch Wasserpflanzen gesperrten Stromes unterhalb des No-Sees am 22. Februar erreicht und am 31. März zog der Reisende in die große Seriba Ghattās in Djūr, das erwählte Hauptquartier seiner Reiseunternehmungen, ein, wo er sich bald durch Bau einer Hütte und Anlage eines Gartens zum Anbau mitgebrachter Küchengewächse seßhaft machte. Die Sommer-Monate verflossen mit Erforschung der in der nun eintretenden Regenzeit zur üppigsten Entfaltung gelangenden Vegetation, sowie anderweitigen naturhistorischen und geographischen Forschungen, wozu Ausflüge bis zu den Flüssen Djūr und Tondj reichliche Gelegenheit boten. Im Nov. 1869 trat der Reisende, dem oben erwähnten großmüthigen Anerbieten Abu Ssamāt’s entsprechend, nicht ohne den Widerstand der Ghattās’schen Geschäftsführer überwinden zu müssen, seine Reise zu den bis dahin fabelhaften, menschenfressenden Mombuttu an, in deren Hauptstadt, dem Königssitz des „braunen Cäsar“, des in rothstrahlender Kupferpracht prunkenden Häuptlings Munsa, jenseit des Flusses Uelle, den S. als Oberlauf des Schari in Anspruch nimmt, er Anfang März 1870 einzog. Vor dem Eintritt [571] ins Niām-Niām-Land hatte er noch einen Abstecher nach Osten, bis zum Rol gemacht, an dessen felsigen Ufern er ebenfalls eine Podostemonacee, Tristicha hyponides auffand. Ende Juli v. J. kehrte S., durch erlittenen Hunger abgemagert, aber sonst wohlbehalten wieder nach der Seriba Ghattās zurück, von wo er nach den neuesten, von Mitte Sept. 1870 datirten Nachrichten zunächst nach den Seriben am Kosanga einen Ausflug machen wollte, demnächst aber nach einer zweiten Reise ins Niām-Niām-Land im Herbst 1871 nach Europa zurückzukehren gedachte.
Von den umfangreichen botanischen Sammlungen, welche S. auf dieser Reise gemacht hat, ist der größere Theil wohlerhalten in Berlin angelangt. Der letzte hier eingetroffene Transport ging Ende Aug. 1869 von der Seriba Ghattās ab; eine im Juli 1870 gemachte Sendung befindet sich noch unterwegs. Außer zahlreichen Hölzern, Früchten, Sämereien, einigen lebenden Pflanzen (u. a. der merkwürdigen, mit fleischigem Stamm versehenen Passifloracee Adenia venenata Forsk., welche mit dem Schwimmholze Ambatsch [Herminiera Elaphroxylon] eine neue Acquisition für die europäischen Gärten darstellt) bestehen diese Sammlungen aus vorzüglich präparirten Herbarien-Exemplaren, welche an guter Erhaltung denen der ersten Reise vollkommen ebenbürtig, an Seltenheit der Arten denselben begreiflicher Weise außerordentlich überlegen sind, da das Gebiet des Bahr-el-Gasāl in noch höherem Grade einen westafrikanischen Stempel der Vegetation an sich trägt, als S. in seiner pflanzengeographischen Skizze angenommen hatte. Die botanischen Eindrücke des Sommers 1869 sind in den in B. Z. 1870, 81. abgedruckten Vegetationsskizzen von Bahr-el-Gasāl niedergelegt. Er schildert darin die Gliederung der Vegetationsformen in Parkwaldung, d. h. licht gestellte Bäume (während die Uferwälder des Niām-Niām-Landes durch Unterholz und Schlingpflanzen undurchdringliche Dickichte, wie die der Westküste des afrikanischen Continents, bilden), Aecker mit einzelnen hohen Bäumen (Khaya, Urostigma, Spondias); Hochgrasflächen, weit über Mannshöhe erreichend; kurzgrasige Wiesenflächen mit nassem oder steinigem Grunde und vielen Zwiebelgewächsen; Regenteiche (in deren einem S. die erste Isoëtes-Art des Nilgebiets entdeckte); trockene Stellen (besonders Termitenhügel, die gewöhnlich um Bäume herum angelegt werden, mit einer an die nördliche Steppe erinnernden Flora von Capparideen, Stapelien etc.; Dickichte von Schlingpflanzen gebildet. Die Charakterbäume der Gegend werden z. Th. physiognomisch mit denen der gemäßigten Zonen parallelisirt, z. B. Butyrospermum (der Butterbaum, Lulu), Chrysophyllum, Terminalia mit den [572] Eichen, Kigelia mit dem Nußbaume, Anaphrenium mit den Weiden, verschiedene Leguminosen mit den Eschen, Sterculia tomentosa mit den Platanen; ganz eigenthümlich gestaltet sich die Tracht der Anona, der Akazien, der Ficus, der cactus-ähnlichen Euphorbien.
Den grellen Wechsel in der Vegetation, sobald mit dem ersten festen Gestein die eigentliche Waldregion betreten wird, hebt S. wiederholt hervor; für letztere besonders charakteristisch ist der Butterbaum, während mehrere Charakterpflanzen der nördlichen Buschwälder, z. B. Albizzia sericocephala, verschwinden oder sehr selten werden, wie Balanites, Acacia verugera, Euphorbia Candelabrum. – Von technisch nutzbaren Pflanzen ist außer dem Butterbaum besonders noch zu erwähnen der Fieberrinden-Baum (Crossopteryx) und die Mono- (Carpodinus) Pflanze, deren Saft eine Art Gutta-Percha liefert, welche der Reisende mit bestem Erfolge zur Wasserdichtmachung seiner Verpackungen anwendete.
Ueber den botanischen Charakter des Niām-Niām-Landes ist ein Bericht eingegangen, welcher ebenfalls in B. Z. erscheinen wird. Während die Länder nördlich von 5° N. Br. mit den Umgebungen der Gattās’schen Seriba in allen wesentlichen Zügen übereinstimmen, tritt dort plötzlich eine Sonderung des Vegetationscharakters in den Uferwäldern der zahllosen Flüsse und Bäche (nach Piaggia’s von Schweinfurth adoptirten Ausdrucke Gallerien) und in der dazwischen gelegenen trockenen Landstriche ein. Während der mesopotamische Landestheil von den nördlicher gelegenen Ländern kaum in einem wichtigen Vegetationstypus abweicht, (eine Cycadee wurde allerdings dort hier und da angetroffen) gestaltet sich in den Gallerien alles neu und fremdartig. Ein dichtes Gewirr verschiedenartiger Baumformen, welche ein die Gewässer oft dreifach überwölbendes Laubdach bilden, erdrückende Massen von Lianen (Modecca, Piperacee, Cucurbitacea, Dioscoreaceae), der Boden von undurchdringlichen Staudenmassen (worunter besonders Arten von Amomum und Costus) überwuchert, alle noch bleibenden Lücken von mächtig entwickelten (aber nie baumartigen!) Farrn ausgefüllt, Djungel von stachligen Pandanus und Calamus, das sind die Charakterzüge dieser Uferwälder, die weit mehr an die feuchte Westküste, als an die im Nilgebiet beobachteten Vegetationsformen mahnen. Unter den Kulturgewächsen der Niām-Niām und Mombuttu verdienen namentlich der Brodbaum, die Cola-Nuß, die Oelpalme und die Banane Erwähnung, welche letztere auch am Bahr-el-Gebel erst in Uganda angetroffen wurde, ferner müssen noch das von den Mombuttu angewendete Farbholz (eine Leguminose) und der Rocko (Urostigma sp.) aufgeführt werden, [573] aus dessen Rinde die Bekleidung dieses Volksstammes angefertigt wird.
Hoffen wir, daß es dem hochbegabten und verdienstvollen Reisenden beschieden sei, nach glücklicher Heimkehr die Ergebnisse seiner Forschungen selbst dem wissenschaftlichen Publikum vorzulegen.
Die botanischen Ergebnisse der mit so großen Mitteln unternommenen, aber von Anfang an vom Unglück verfolgten Expedition der Damen Tinne nach dem Bahr-el-Gasāl (1863, 1864) sind auch erst vor einigen Jahren in die Oeffentlichkeit gelangt, da das von dem verstorbenen Kotschy und von J. Peyritsch bearbeitete Prachtwerk Plantae Tinneanae nach mannigfachen Anständen erst 1867 zu Wien erscheinen konnte. (Im Auszuge mitgetheilt von Aug. Kanitz. Fl. 1868. 385. 417. 433. 465. 497.) Es sind 74 Arten aufgezählt, wovon 24 neu, welche (nebst 9 anderen) ausführlich beschrieben und vortrefflich abgebildet sind, die ersten, welche aus dem Gebiete dieses Riesenstromes, das bald in Schweinfurth einen so fleißigen und befähigten Durchforscher finden sollte, bekannt wurden. Einige Berichtigungen der Fundorte hat v. Heuglin, welcher den größten Theil der abgehandelten Pflanzen selbst gesammelt, in seiner „Reise in das Gebiet des weißen Nils“ gegeben.
Aus den Ergebnissen seiner 1870 ausgeführten Bereisung der abyssinischen Küstenländer veröffentlicht der verdienstvolle italienische Reisende O. Beccari G. B. I. 1871. 5 die Beschreibung zweier Arten der merkwürdigen Schmarotzerpflanze Hydnora, von welchen übrigens eine bereits früher von Schimper gesammelt war.
Der 1869 erschienene 1. und der im Druck fast vollendete 2. Band von „Baron Carl Claus v. d. Decken’s Reisen in Ostafrika in den Jahren 1859 bis 1865“, bearbeitet von dem mehrjährigen Begleiter des kühnen und energischen, aber vom Unglücke verfolgten Reisenden, Dr. Otto Kersten (jetzt Kanzler des deutschen Consulats in Jerusalem), enthält auch sehr eingehende und anziehende Vegetationsschilderungen. Namentlich sind die Kapitel über die Insel Sansibar und über den Kilimandjaro zu beachten. Die Bearbeitung des phanerogamen Theils der gesammelten Pflanzen hat Ref. übernommen und in Naturf. Fr. Berlin, Oct. 1868 2 merkwürdige Typen des Kilimandjaro vorgelegt, die auf die Beziehungen der dortigen Vegetation zu anderen afrikanischen Hochgebirgen ein helles Licht werfen; eine Form der merkwürdigen Cortusa-blättrigen Plantago palmata Hook. fil. bisher nur von den [574] Cameroon-Mountains Westafrika’s bekannt, und Tupa (Rhynchopetalum) Deckenii, nahe verwandt mit der oben (S. 568) erwähnten Gibarra Abyssiniens. Die Kryptogamen wurden und zwar die Algen (meist von dem so früh geschiedenen Dr. Roscher gesammelt) von Sonder, die Flechten von Nylander, die Moose von Lorentz, die Farrn von M. Kuhn (vgl. oben S. 562) bearbeitet.
Ueber eines der wichtigsten Pflanzenprodukte Ostafrika’s, den Copal, hat Dr. Kirk, der frühere botanische Begleiter Livingstone’s, jetzt englischer Konsul in Sansibar, in J. L. S. XI. 1. eine Abhandlung veröffentlicht.
Das Reisewerk unseres Collegen Dr. Fritsch: „Drei Jahre in Süd-Afrika“, Breslau 1868, bringt sehr beachtenswerthe Vegetations-Schilderungen der bereisten Landschaften. Ebenso erhalten wir einige Andeutungen über die Flora des Owahereró-Landes aus der Arbeit von Josaphat Hahn (Z. E. III. 208 ff.). Die S. 212 erwähnten wilden „Cacteen“ sind natürlich kaktusähnliche Euphorbien oder Stapelien. Eine der charakteristischsten Pflanzenfamilien Südafrika’s, die Restiaceae, sind von Dr. Maxwell Masters J. L. S. X. 209. monographisch bearbeitet.
Eine Moossammlung, von dem norwegischen Missionär Borgen bei Umpumulo, Natal, aufgenommen, ist von Dr. Hampe bearbeitet, der B. Z. 1870, 35. 6 neue Arten derselben beschreibt.
Eine Flechtensammlung aus demselben Gebiet ist von Prof. Nylander im Bull. de la soc. Linn. Normand. Caen 1868 bearbeitet. Von 84 Arten, welche Mackenzie sammelte, sind 15 neu.
Die Bearbeitung der unvergleichlich reichhaltigen Pflanzensammlungen, welche Dr. Friedr. Welwitsch als Frucht seines langjährigen Aufenthaltes in den portugiesischen Besitzungen, besonders in Angola und Benguela mitbrachte, ist in den letzten Jahren rüstig weiter geschritten. Außer den Familien der Thalamifloren, welche in dem 1. Bande von Oliver’s S. erwähnten Werke vorkommen, sind erschienen: Campanulaceae (Alph. de Candolle, Ann. des sc. nat. V sér. VI. 323), Orchideae (G. Reichenbach Fl. 1865, 177. 1867, 97), Flechten (Nylander in Bull. de la soc. Linn. Norm. Caen 1869, von 32 Arten 17 neu), Pilze (Currey, Trans. of the Linn. Soc. XXVI. I. 279), außerdem Lycoperdaceae von Duby in den Travaux de la soc. de phys. et d’hist. nat. de Genève, mars 1868. (S. B. F. 1868. Rev. 153.)
[575] Ueber ein Curiosum des dortigen Landschaftsbildes, die durch eine Alge (Scytonema sp.) schwarzgefärbten Klippen Pedras Negras im Pungo Andongo ist in Z. E. III. 466 nach dem Journ. of Travels and Nat. Hist. 1868 eine Notiz gegeben.
Aus den französischen Besitzungen von Gabon sind durch den Eifer zweier dortiger Angestellten, des Marine-Oberarztes Griffon du Bellay, jetzt in Rochefort, und des Geistlichen Duparquet, jetzt in Sansibar in gleicher Eigenschaft thätig, reiche Pflanzensammlungen nach Paris gelangt, die mit anderen Colonial-Herbarien in dem Palais d’Industrie als botanische Abtheilung des Musée des colonies françaises aufgestellt sind. Prof. Baillon, der thätigste unter den systematischen Botanikern Frankreichs, hat über diese höchst interessante Sammlung im Adansonia V. 361. VI. 177. VII. 97. VIII. 82. IX. 74 berichtet und viele Neuigkeiten beschrieben.
Eine Abhandlung über die Palmen von Alt-Calabar aus den Papieren des verstorbenen Will. Grant Mylne ist in Trans. of the bot. Soc. Edinb. IX. 195 abgedruckt.
Von demselben findet sich eine Notiz über die Nahrungsgewächse dieser Gegend (a. a. O. 300). Bemerkenswerth sind darunter der Same einer „wilden Mango-Art.“ Von ethnographischem Interesse ist die daselbst angegebene Zubereitung des Menschenfleisches, sowie einige andere Recepte der dortigen Küche. Prof. Balfour giebt (ebend. 78) eine Notiz über 2 von dem Missionär Alex. Robb eingesandte Fruchtbäume von Alt-Calabar, Trichoscypha Mannii (eine Anacardiacee) und Sarcocephalus esculentus (eine Rubiacee; eine sehr ähnliche Art auch von Dr. Schweinfurth am Bahr-el-Gasāl angetroffen).
Von L. R. Tulasne’s, des berühmten Pilzforschers, Fragmenten einer Flora von Madagascar ist in den Ann. des sc. nat. V. Sér. IX. 298 eine Fortsetzung erschienen, Violaceae, Flacourtiaciae, Bixaceae und Samydeae enthaltend. Das Pariser Museum besitzt in den Sammlungen Pervillé’s und namentlich Boivin’s, sowie den älteren Chapelier’s das reichste Material für eine derartige Arbeit.
Eine Notiz über die Urwälder dieser großen und interessanten Insel von einem niederländischen Reisenden Fr. Pollen findet sich in Fl. 1867, 145. Ueber Nossi-Bé ist das v. d. Decken’schen Reisewerk zu vergleichen.
Eine Flora der Insel Réunion, aus welcher soviel interessante Pflanzenformen seit einem Jahrhundert nach Europa gelangten (auch die Mehrzahl der v. d. Decken’schen Pflanzen stammt von dort), wird [576] von zwei dort ansässigen Forschern, den Brüdern Eugène und Camille Jacob de Cordemoy, welche sich in Paris unter Prof. Baillon ausgebildet haben, bearbeitet.
Das v. d. Decken’sche Werk enthält auch Schilderungen der Vegetation von Mahé, der Hauptinsel der Seychellen-Gruppe. Diese Inseln sind neuerdings von Dr. Perceval Wright, dem jetzigen Nachfolger Prof. Harrey’s auf dem botanischen Lehrstuhle an der Universität Dublin, 1867 und 1868 besucht worden, der in dem Trans. of the Royal Irish Acad. über diese Reise berichtet. Eine Notiz desselben über die Cocospalmen dieser Gruppe findet sich in J. L. S. X. 455 über die Meer-Cocosnuß (Lodoicea Seychellarum) in Ann. and Mag. of Nst. hist. IV. Ser. II. 340. Ueber letztere merkwürdige Palme hat auch der botanische Gärtner in Buitenzorg, Teysmann, in Natuurk. Tijdschr. v. Nederl. Ind. eine Notiz veröffentlicht.
Ueber die Flora der Insel St. Paul, welche von der Novara-Expedition erforscht wurde, machte Dr. H. W. Reichardt auf der Naturforscher-Versammlung in Innsbruck 1869 eine Mittheilung. (B. Z. 1869, 726.) Es fanden sich nur 9 Phanerogamen, worunter 6 Gräser und kein Holzgewächs; Poa Novarae, Spartina arundinacea und Isolepis nodosa bilden die Hauptmasse der Vegetation; ferner 5 Gefäßkryptogamen, 10 Moose (5 endemisch), 9 Flechten (meist verbreitete) und 140 (meist Meeres-) Algen.
Die Abhandlung unseres Kollegen Dr. Kny über die Flora oceanischer Inseln (Z. E. II. 208) bezieht sich zu einem großen Theile auf Thatsachen, die aus der Erforschung dieser Inselgruppen (von denen Verf. Madeira selbst kennen gelernt hatte) gewonnen wurden.
Die Farrnflora derselben ist in dem oben S. 551 erwähnten Werke Milde’s mit dargestellt. Eine zweite Bearbeitung derselben {mit Ausschluß der Azoren) findet sich in Kuhn’s S. 562 besprochenen Filices Africanae. Eine specielle pflanzengeographische Erörterung derselben hat Milde B. Z. 1867, 417 veröffentlicht.
Eine pflanzengeographisch-landwirthschaftliche Abhandlung über die Vegetation der kanarischen Inseln haben P. Sagot (Prof. an der École de Cluny in Paris) und Dr. V. Perez im Journ. de l’agric. des pays chauds 1865, 1866 veröffentlicht. Es wird dort besonders darauf hingewiesen, daß diese Inseln sowohl die Kultur tropischer, als europäischer Gewächse gestatten. In S. B. F. Compte rend. 78 macht Dr. Sagot noch besonders auf die Veränderungen der Lebensweise aufmerksam, welche namentlich die letzteren Arten sich gefallen lassen [577] müssen, und die nicht alle gleich gut ertragen. Die Kanaren sind offenbar ein vorzügliches Versuchsfeld für Acclimatisation.
Ein belgischer Forscher, Jean Chalon, ist im Nov. 1869 nach den kanarischen Inseln behufs botanischer Forschungen abgereist. (S. B. Fr. 1869, Revue. 240.) Nachrichten über das Resultat derselben sind uns noch nicht bekannt.
Besonders ergiebig waren die letzten Jahre an Veröffentlichungen über die Flora von Madeira. Von der schon seit langer Zeit in Arbeit befindlichen: Manual Flora of Madeira and adjacent Islands of Porto Santo and the Desertas von Rev. R. T. Lowe, dem besten Kenner der Insel, auf der er 26 Jahre verweilte, ist der erste Band erschienen, welche die Dikotylen bis zu den Compositae umfaßt.
Ein Verzeichniß der von dem verstorbenen Mandon 1865 und 1866 auf dieser Inselgruppe gesammelten Pflanzen giebt E. Cosson in S. B. F. 1868 Compte rend. 94 u. 181.
Die Flechten derselben Gruppe sind von v. Krempelhuber Fl. 1868, 221 aufgezählt; sie sind neuerdings besonders von Jelinek, einem der Novara-Reisenden, und von Baron Castello de Paiva gesammelt. Unter 88 Arten sind 4 neu.
Ein neues Verzeichniß der auf den Azoren gesammelten Pflanzen ist von einem französischen Besucher derselben, Henri Drouet, in dem Mém. soc. acad. de l’Aube 1866 veröffentlicht worden, welcher dort 1857 mit dem deutschen Geologen Hartung verweilte. Von 736 Arten hat Hr. D. etwa 150 zuerst aufgefunden. (S. B. F. 1867, Rev. 151.)
Die von dem Obergärtner in Coimbra, E. Goeze, (einem geborenen Deutschen) herausgegebene Schrift A ilha de S. Miguele o jardim botanico de Coimbra (Coimbra 1867) enthält interessante Mittheilungen über die Kultur- und andere Nutzgewächse dieser Insel. Neuerdings werden dort der neuseeländische Flachs und der Thee mit Erfolg gebaut; am wichtigsten ist der Anbau von Orangen, mit welchen die Azoren England fast ausschließlich versorgen. (B. Z. 1869, 257.)
(Die Berichte über die botanischen Forschungen in Amerika und Australien bleiben für spätere Jahresberichte vorbehalten.)
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Die Frage über säculare Hebungen und Senkungen ist zunächst von Kjerulf einer eingehenden Untersuchung unterworfen worden. A. Kunth hat in einem Vortrage, gehalten in dar November-Sitzung, gezeigt, daß Kjerulf zu dem Resultate gekommen ist, „die Hebungen haben ruckweise und nicht allmählig stattgefunden“. (Näheres darüber Zeitschrift der Deutschen geologischen Gesellschaft. 1870. p. 1.) In ganz anderer Weise ist die Frage von H. Trautschold behandelt worden (Bulletin de la Soc. Impér. des Sc. Nat. de Moscou. 1869. No. 1). In dieser Abhandlung führt er zunächst alle Thatsachen auf, welche der Begründung der jetzt geltenden Anschauung zu Grunde liegen, daß manche Continente in einer säcularen Hebung, andere in einer derartigen Senkung begriffen sind und sucht deren Beweiskraft zu widerlegen. Er glaubt, daß alle diese Beobachtungen weit besser mit der Annahme eines allgemeinen Sinkens des Meeresspiegels übereinstimmen. Als Grund dieses Sinkens führt er an, daß große Wassermassen dem Meere entzogen werden durch das organische Leben, die Bildung wasserhaltiger Gesteine, Anhäufung polarer Eismassen, Versinken ins Erdinnere u. s. w. Das Vorhandensein plutonischer Hebungen leugnet er jedoch nicht ab.
Ueber die physikalischen Ursachen, welche eine ungleichmäßige Vertheilung von Wasser und Land auf den beiden Hemisphären hervorgerufen haben, hat J. W. Reid geschrieben, (vergl. Report of the Thirty-Ninth Meet. of the Br. assoc. f. the adv. of sc. London. 1870). Ebendaselbst finden wir einen Bericht über die Arbeit von C. Godwin-Austen, The Devonian Group considered Geologically and Geographically. Er hat sich die Aufgabe gestellt, die allgemeine Verbreitung von Wasser und Land auf der nördlichen Hemisphäre während des Absatzes des Devon darzustellen. Er zeigt, daß damals das Land eine große Ausdehnung hatte und giebt die wahrscheinlichen Küsten an.
A. Tylor hat gearbeitet über die Bildung von Deltas und das Vorbandensein und die Ursache großer Veränderungen im Meeresspiegel während der Eiszeit. Vergl. The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 7. Eine Uebersicht über die vulkanischen Erscheinungen giebt Fuchs alljährlich im N. J. für Min. Geog. u. Pal. von Leonhardt und Geinitz.
Delesse hat eine Karte geliefert, auf welcher er die Beschaffenheit des Meeresbodens verzeichnet, die Arbeit ist betitelt „Lithologie der Meere der alten Welt“.
Eine größere geologische Uebersichtskarte hat v. Dechen veröffentlicht: „Geologische Uebersichtskarte von Deutschland, Frankreich, England und den angrenzenden Ländern“, 2. Ausg. 1869 im Maaßstabe von 1:2,500,000 mit Erläuterungen.
Diese 2. Ausgabe bringt etwas vollkommen Neues, sie wird auch dem Nicht-Geologen von Interesse sein, weil sie ein übersichtliches Bild giebt, welches besonders schön die Abhängigkeit der topographischen Verhältnisse von den geologischen zeigt. Die Karte bildet ein Blatt von 32″ Breite und 23″ Höhe und ist in Farbendruck ausgeführt. Von den 29 unterschiedenen Gesteingruppen fallen 21 auf das Flötzgebirge und zwar folgende Abtheilungen: 1) Silur, 2) Unterdevon, 3) Mitteldevon, 4) Oberdevon, 5) Kohlenkalk und Kulm, 6) Flötzleerer Sandstein, 7) Kohlengebirge, 8) Rothliegendes, 9) Zechstein, 10) Bunter Sandstein, 11) Muschelkalk, 12) Keuper, 13) Lias, 14) Oberer Jura, 15) Wealden Form. 16) Neocom und Gault, 17) Obere Kreide, 18) Eocän, 19) Oligocän, 20) Miocän, 21) Pliocän. Die 8 krystallinischen Gesteine sind: A. Granit, Protogingr. und Syenit, B. Gneiß und Glimmerschiefer, C. Krystallinische Schiefer und sog. metamorphische, D. Porphyr, E. Gabbro, Melaphyr, Serpentin, F. Trachyt, G. Basalt und Phonolith, H. Vulkanische[WS 8] Gebilde.
Auf ein kleineres Gebiet beschränkt sich die von demselben Verfasser im Auftrage der Deutschen geologischen Gesellschaft bearbeitete Karte von Deutschland. Die Karte ist ausgeführt im Maaßstabe von 1:1,400,000 und besteht aus 2 Blättern von zusammen 34" Höhe und 29" Breite. Der Farbendruck ist meisterhaft ausgeführt und die Uebersichtlichkeit wird durch die 32 verschiedenen Unterscheidungen durchaus nicht beeinträchtigt. Herrn v. Dechen stand sämmtliches, auch noch nicht veröffentlichtes Material zu Gebote, so daß diese Karte in ihrer Art das Vollständigste giebt, was wir überhaupt besitzen.
Die übrigen specielleren litterarischen Erzeugnisse sollen nun nach Ländern geordnet besprochen worden.
Ueber Spitzbergen liegen uns die neuen interessanten Untersuchungen von Nordenskiöld vor, Sketch of the geology of Spitzbergen. [580] Stockholm 1868. Mit dieser Arbeit ist eine geologische Karte nebst Profilen verbunden. Hiermit ist ein neues Gebiet geologisch bekannt geworden; N. unterscheidet folgende Formationen: 1) Krystallinische Gesteine. a. Gneiß und Granit, b. Glimmer- und Hornblendeschiefer mit Einlagerungen von Quarzit, körnigem Kalk und Dolomit. Die Schichten sind stark geneigt. 2) Hekla-Hook-Form. a. Rothe und grüne Thonschiefer mit Kalksteinen, b. Rothe Schiefer und Conglomerate ohne Petrefakten. 3) Bergkalk: a. Versteinerungsleerer Kalkstein und Dolomit von Ryss-Island, b. Schichten des Cap Fanshawe, reich an Korallen, c. Hyperit-Lager, d. Oberer Bergkalk, reich an Petrefakten, e. Ein ausgedehntes gewaltiges Hyperit-Lager. 4) Trias. Schwarze bituminöse Schiefer, Hyperite, Sandstein und Kalkstein, von Versteinerungen Saurier, Nautilus und Ammoniten. 5) Jura F. Schieferthone, Sand- und Kalksteine mit untergeordneten Hyperiten. 6) Miocän. Süßwasserbildung mit Pflanzenabdrücken. 7) Recente Bildungen. Gletscher und der Gletscher-Periode angehörige Ablagerungen.
Ueber die Trias von Spitzbergen hat C. Laube berichtet, Verh. der K. K. geol. Reichsanstalt. Wien 1869. p. 208.
Ueber die miocänen Baumarten Spitzbergens sagt Oswald Heer „Ueber die neuesten Entdeckungen im hohen Norden“, Vortrag gehalten den 28. Januar 1869, Zürich, daß die meisten auch in den miocänen Ablagerungen Grönlands vorkommen. Dadurch wird der einstige Zusammenhang Spitzbergens und Grönlands wahrscheinlich gemacht.
In Schweden ist seit 1858 eine geologische Landesaufnahme im Gange unter der Leitung des leider zu früh verstorbenen Axel Erdmann. Die Grundlage bilden topographische Karten im Maaßstabe von 1:50,000. Vergl. darüber in dieser Zeitschrift, 1869, p. 560 den Bericht von Kunth. Erdmann hat auch eine interessante Abhandlung publicirt: Exposé des formations quaternaires de la Suède, Stockholm 1868. In der 1. Periode der Glacial-Periode oder Eiszeit war Schweden seiner Gesammtmasse nach mit einer mächtigen Ablagerung von continentalem Eis bedeckt, in der 2. Epoche senkte sich das Land zum Theil säcular zum Theil inconstant an. Die 2. große Periode bringt dann eine allmählige Hebung mit sich, welche die jetzige Vertheilung von Wasser und Land bewirkt hat. Ueber Norwegen hat G. vom Rath im Neuen Jahrb. für Miner., Geog. u. Pal., 1869, p. 385 einen Aufsatz betitelt „Aus Norwegen“ veröffentlicht, welcher ein schönes Bild sowohl in geographischer als auch landschaftlicher Beziehung von dem südlichen Norwegen giebt, hauptsächlich den Umgebungen von Christiania.
ist durch schöne geognostische Karten bereichert worden, Resultate von Aufnahmen, die zum Theil noch nicht beendigt sind.
Die Provinz Preußen nimmt G. Berendt geognostisch auf, auf Kosten der Provinz und im Auftrage der Physikalisch-ökonomischen Gesellschaft in Königsberg. Maßstab 1:100,000. Die Blätter erscheinen in der Verlagskartenhandlung von J. H. Neumann in Berlin zu dem Preise von 1 Thlr pro Section, deren zusammen 41 Ost- und West-Preußen umfassen werden. Es sind bereits 4 Sectionen erschienen, welche das kurische Haff und das Samland umfassen. Beyrich sagt in der Z. d. D. geol. Ges., 1869, Bd. XXI, p. 708 darüber folgendes:
„Es werden auf den vorliegenden Blättern in den Tertiärbildungen Bernstein- und Braunkohlen-Formation, in den Diluvialablagerungen unteres und oberes Dilivium und bei den jüngsten Bildungen noch ein älteres und jüngeres Alluvium durch besondere Farben von einander getrennt. Da die Karte aber zugleich, wie die 1866 erschienenen „Vorbemerkungen“ besagen, als spätere Grundlage zu agronomischen Bodenkarten dienen soll, so unterscheidet Berendt auch innerhalb dieser Formations-Abtheilungen noch vorwiegend sandige, thonige resp. merglige und pflanzliche Schichten. Trotz der zahlreichen Unterscheidungen verliert das durch die Karte gegebene Gesammtbild bei den angewendeten Farben nicht an Uebersichtlichkeit. So tritt (Sect. VI und VII) ganz Samland als ein ringsum scharf begrenztes Plateau hervor, das in seinem nordwestlichen Theile am meisten gehoben, dem gemäß hier auch in seinen steil abgebrochenen Seeküsten Tertiärgebirge unter dem Dilivium hervorblicken läßt, während alle Schichten und Einsenkungen, wie das Pregelthal, welches Samland und Natangen trennt, mit Alluvialschichten erfüllt sind.
Auf den Blättern, welche speciell das kurische Haff bringen, heben sich aus den Delta-Bildungen des Memelstromes die ehemaligen Sandbänke des breiten Mündungsbusens als ebensoviele langgestreckte Hügelreihen deutlich hervor. Das Bild wird erst seine Vollständigkeit erreichen, wenn die anstoßende Section Tilsit (Schalaunen) gleichfalls vorliegen und das Delta so von dem umkränzenden Plateau vollständig begrenzt sein wird.
Da die Karte gleichzeitig das gesammte topographische Material der Generalstabs-Aufnahmen bringt, so gewährt dieselbe zugleich ein klares Bild der Terrain-Verhältnisse.“
Die Resultate seiner Forschungen hat Berendt noch in einer besonderen Schrift veröffentlicht, welche 1869 unter dem Titel: „Geologie [582] des kurischen Haffs und seiner Umgebung“ in Königsberg erschienen ist.
H. Eck legte in der Mai-Sitzung der Deutschen geol. Gesellsch. eine im Auftrage des Königl. Handelsministeriums angefertigte geognostische Karte der Umgebung von Rüdersdorf vor im Maßstabe von 1:87,000.
Im Auftrage desselben Ministeriums wurden geognostische Karten von Sachsen, von Magdeburg bis zum Harz von Ewald und von Oberschlesien von F. Römer veröffentlicht. Leider ist der Text für beide Karten, welche in Berlin bei Neumann erschienen sind, noch nicht gedruckt, weshalb ich mir eine Besprechung bis zum nächsten Jahresbericht aufsparen will. Erwähnen muß ich jedoch die treffliche technische Ausführung, welche eine ausgezeichnete Uebersicht gewährt. Die Arbeiten der geognostischen Landesuntersuchung unter Leitung des Herrn Prof. Beyrich fanden hauptsächlich im Harz statt, die Karten sind jedoch noch nicht publicirt.
Das Thüringische Schiefergebirge hat Richter bearbeitet, Z. d. D. geol. Gesellsch., 1869, p. 341–443 mit einer geognostischen Karte im Maßstabe von 1:100,000 und einer Tafel Profile.
Die ersten Seiten geben eine allgemeine geographische Beschreibung des Gebietes. Dann folgt die Darstellung der das Gebirge constituirenden Formationsglieder: I. Azoisch cambrisch, II. Silurisch, wobei er unter- und obersilurische Schichten nachweist, III. Devon, hier ist die Drei-Theilung in Unter-, Mittel- und Oberdevon durchgeführt. IV. Krystallinische Massen-Gst., Porphyrite, Granite, Quarzporphyr, Grünsteine. V. Kohlengruppe; besonders entwickelt ist die untere Abtheilung, Culm. VI. Dyas. VII. Trias. Jura-, Kreide- und Tertiärbildungen fehlen, Diluvium ist nur in Spuren von erratischen Blöcken vorhanden und erst das Alluvium spielt wieder eine größere Rolle. Als besonderer Fortschritt ist hervorzuheben, daß es Richter gelungen ist die älteren Schichten zu gliedern. Für jeden, welcher Thüringen bereist, wird diese Karte ein nützlicher Begleiter sein, da sie auch das vorhandene topographische Material vollständig wiedergiebt.
Die Grafschaft Schaumburg ist geognostisch aufgenommen unter der Direction von W. Dunker im Maßstabe von 1:50,000. Die Karte giebt als unterste Schichten den bunten Sandstein an, beim Muschelkalk sind die 3 Glieder mit verschiedenen Nüancen von blau unterschieden. Beim Keuper, Lias, braunem und weißem Jura sind zahlreiche Unter-Abtheilungen angegeben, ebenso bei der Wealden-Formation. Die Kreide zeigt nur eine geringe vertikale Entwickelung, das Dilivium ist nicht weiter gegliedert, dagegen beim Alluvium ein älteres und jüngeres unterschieden. Die Uebersichtlichkeit der Karte [583] leidet dadurch etwas, daß die Farben zu matt aufgetragen sind. Die sämmtliche Ausdehnung der Formationsglieder ist noch in Zahlen angegeben.
Von sonstigen Mittheilungen haben folgende noch ein geographisches Interesse:
Für Pommern: Scholz, Beiträge zur Geognosie von Pommern. Mitth. a. d. nat. forsch. Ver. von Neu-Vorpommern und Rügen. Berlin 1869. p. 75.
Für Schleswig-Holstein: Dr. G. Karsten, Beiträge zur Landeskunde der Herzogthümer. Heft I. Die Versteinerungen des Uebergangsgebirges in den Geröllen der Herzogthümer. Kiel 1869.
Für Prov. Hessen: O. Böttger, Beitrag zur paläontologischen und geologischen Kenntniß der Tertiärformation in Hessen. Mit 2 Taf. Offenbach a. M. 1869. A. Fr. Moesta, Geologische Schilderung der Gegend zwischen dem Meißner und dem Hirschberge in Hessen mit besonderer Berücksichtigung der daselbst auftretenden basaltischen und tertiären Bildungen. Mit einer geologischen Karte.
Für Rheinland und Westphalen: Velten, Mittheilungen über den Vulkan bei Bertenau an dem Wiedbache in den: Verh. d. Ver. von Rheinl. u. Westph. 5. Bd. p. 221. Weiß, Begründung von 5 geognostischen Abtheilungen in den Steinkohlen führenden Schichten des Saar-Rheingebirges. Ibid. p. 63. B. Kosmann, Geognostische Beschreibung des Spiemont bei St. Wendel. Ibid. p. 239.
Für Königreich Sachsen: Otto Prölls, Das Granitgebiet von Eibenstock im Erzgebirge. Neues Jahrb. für Miner., Geog. u. Pal. 1869. p. 257.
Von geognostischen Karten erschien 1868 in Gotha die 2. Abtheilung der geognostischen Beschreibung des Königreichs Baiern von Gümbel: Geognostische Beiträge des Ostbairischen Grenzgebirges oder des bairischen und Oberpfälzer Waldgebirges. Der Maßstab ist 1:100,000. Gümbel hat hier besonders eine Gliederung der azoischen Formation und der untersten Glieder der paläozoischen ausgeführt im Vergleich zu denselben Ablagerungen in England, Canada und anderen Ländern.
Von Würtemberg ist die Fortsetzung der Aufnahme des statistisch-topographischen Bureaus erschienen. Maßstab 1:50,000. 39 Farben. Es sind die Blätter 33 Urach, 28 Giengen, 18 Gmünd und 23 Calw, mit Erläuterungen. Heinrich Bach hat in den Würtemb. naturw. Jahresb., 1869, p. 113 einen Aufsatz veröffentlicht: Die Eiszeit, Beitrag zur Kenntniß des geologischen Verhältnisses Oberschwabens. [584] Mit einer color. Karte. Diese Abhandlung hat denselben Zweig des alten Rheingletschers zum Gegenstande, über welchen bereits Steudel (Verh. der K. K. geol. Reichsanstalt in Wien. 1868. p. 17) Mittheilung gemacht hat. Die beigefügte Karte zeigt die Ausdehnung der sogenannten jüngeren Gletscherzeit mit Unterscheidung von Grund-, Mittel- und End-Moränen und der sogenannten älteren Eiszeit mit den Rinnsalen der abfließenden Gletschergewässer.
In den Verhandlungen der physik.-med. Ges. in Würzburg, Bd. I, p. 159 findet sich ein Aufsatz von Sandberger: Ueber die geologischen Verhältnisse der Quellen von Kissingen, welcher auch in das Quarterly journal of the Geol. Soc. of London übergegangen ist.
Für Baden ist im Anschluß an die letzten Sectionen Möhringen und Mößkirch die Section Waldshut von J. Schill bearbeitet worden (Beiträge zur Statistik der inneren Verwaltung des Großherzogthums Baden. XXIII. Heft). Die Gegend zeigt ein sehr mannichfaltiges geologisches Bild.
Benecke, Lagerung und Zusammensetzung des geschichteten Gebirges am südlichen Abhange des Odenwaldes. Heidelberg 1869.
Die erste Abtheilung bildet eine Uebersicht der Lagerungsverhältnisse, die zweite schildert die Formationen, während im 3. Theile besonders interessante Einzelheiten des Baues der Gegend dargestellt werden.
Ueber die Arbeiten der seit 20 Jahren bestehenden K. K. geol. Reichsanstalt berichtet der Dir. Fr. v. Hauer in den Verhandlungen der Anstalt p. 327. Die geologischen Detail-Aufnahmen wurden in drei von einander getrennten Gebieten der Oesterreichisch-Ungarischen Monarchie durchgeführt. Zwei Sectionen vollendeten die Aufnahme der Roman-Banater-Grenze. Der größte Theil besteht aus krystallinischen Schiefern, welche von mehreren Granitmassen unterbrochen werden. Eine viel größere Verbreitung, als die früheren Karten angeben, besitzen die Serpentine. Im Osten tritt das productive Steinkohlengebirge nur untergeordnet auf, dagegen spielt das Rothliegende mit Melaphyren und Porphyren eine große Rolle. Sandsteine und schwarze Schiefer, die man früher zur Steinkohlenformation rechnete, gehören dem Lias an und die mächtigen Kalkmassen von Kazan fallen theils dem Jura, theils der Kreide zu.
Drei weitere Sectionen waren im nördlichen Ungarn thätig: Wolf vollendete die Aufnahme der Umgebungen von Kaschau, wo neben Trachyten Tertiärgebirge auftritt. Die beiden anderen Sectionen setzten [585] die Aufnahme der Nord-Ungarischen Karpathen fort bis zur ungarisch-galizischen Grenze, auch hier treten hauptsächlich Trachyte und Tertiärgebirge auf. Das dritte Aufnahmegebiet bildete die Nordost-Ecke von Tyrol, die Umgegend von Kufstein und Häring.
Ferner wurden eine Anzahl praktischer Untersuchungen von Mitgliedern der Reichsanstalt ausgeführt, über welche v. Hauer in den Verh. p. 332 u. 333 näheres berichtet.
Weiter ins Detail gehende Untersuchungen werden in Böhmen ausgeführt von dem Comité zur naturwissenschaftlichen Durchforschung von Böhmen, die geologische Section beschäftigte sich mit der Untersuchung der Böhmischen Kreide, welche hauptsächlich auf 4 Sectionen der projectirten Karte fällt, die 10 Blätter umfassen soll. Damit sind Publicationen verbunden, von denen 1869 der erste Band erschien unter dem Titel: Archiv für die naturwissenschaftliche Durchforschung von Böhmen. In demselben sind Abhandlungen von J. Krejci und Dr. A. Fric. Aehnliche Detailaufnahmen sind auch im Erzherzogthum Oesterreich unter der Enns im Werke, für welche die von Seite des Vereins für Landeskunde von Nieder-Oesterreich in Herausgabe begriffene Administrativkarte in 111 Blättern im Maßstabe von 1:28,800 eine vorzügliche Grundlage bildet.
Von Seiten der 1868 gegründeten K. Ungarischen geologischen Reichsanstalt wurden unter Leitung des Directors von Hantken Aufnahmen in 2 Gebieten ausgeführt, die Umgebungen von Veszprim in Ungarn und des Isiltthales in Siebenbürgen.
Ich brauche nur noch darauf hinzuweisen, daß die Resultate aller geologischen Forschungen in Oesterreich in größter Vollständigkeit in den Verhandlungen der K. K. geol. Reichsanstalt zu finden sind und daß die Detail-Untersuchungen in dem Jahrbuche der Anstalt niedergelegt sind.
Nur eine Arbeit muß ich noch besonders hervorheben wegen der umfassenden und wichtigen Untersuchungen, welche dieselbe enthält:
G. Tschermak, Die Porphyr-Gesteine Oesterreichs aus der mittleren geologischen Epoche. Wien 1869. In dem speciell geologischen Theile behandelt er die Porphyre und Melaphyre des Riesengebirges, erstere sind älter als das Rothliegende, letztere dagegen demselben eingelagert. Dann schildert er die Gesteine der östlichen Alpen, welche zwischen Trias- und Eocänzeit fallen, diesen folgen die Gesteine der Porphyr- und Trapp-Formation Siebenbürgens und den Schluß bilden die Gesteine der westlichen Karpathen.
B. Studer und A. Escher haben eine 2. Ausgabe der geologischen Karte der Schweiz, Wintherthur 1869, veranstaltet und Erläuterungen dazu herausgegeben. Die Farbentafel der Karte zerfällt in 2 Abtheilungen: 1) Sedimentbildungen und 2) Felsarten. Unter den Sedimentbildungen sind Unterschiede 1) Jüngere Bildungen, Firn und Gletscher, Dammerde, Torf, Schutthalden, Löss und Lehm, Sand und Kies, erratische Bildung, quaternäre Kohlen. 2) Jüngere Tertiärbildung. 3) Flysch, unter dieser Benennung sind viele Schiefer- und Sandstein-Complexe vereinigt, deren Zusammengehörigkeit angezweifelt werden kann. 4) Nummulithenbildung. 5) Kreide. 6) Jura. 7) Trias. 8) Anthracitbildung. 9) Uebergangsgebirge. Die übrigen Unterscheidungen sind ohne Berücksichtigung des Alters rein petrographisch. Sedimente von unbestimmtem Alter, graue und grüne Cassianschiefer. Von Felsarten sind angegeben Verrucano, Kalkstein, Dolomit, Gyps, Serpentin und Gabbro, Hornblendegesteine, Glimmerschiefer und Gneiß, Granit, Porphyr und jüngere Eruptivgesteine, Basalt und Phonolith. Detailaufnahmen werden auf Kosten des schweizerischen Bundes ausgeführt, ihnen liegt die topographische Karte von Dufour zu Grunde. In den beiden 1869 erschienenen Blättern XI u. XII hat Auguste Jaccard den 6. Band Erläuterungen geschrieben: Matériaux pour la carte géologique de la Suisse, Jura vaudois et neuchatelois. Bern 1869. Mit 8 Tafeln geologischer Profile. Die Karten geben von heutigen Bildungen 3, von quaternären Schutt- und Schwemmgebilden 3, von tertiären Bildungen 8, von cretaceischen 5, von jurassischen 8 Unterscheidungen im Gebiete N. vom Genfer See. Für das Gebiet S. vom Genfer See kommen noch Lias, Kößner Schichten und Trias hinzu. Beigefügt ist ein praktisches Itinéraire géologique.
Prof. L. Rütimeyer, Ueber Thal- und Seebildung. Beiträge zum Verständniß der Oberfläche der Schweiz. Basel 1869. Mit einer chromolithographirten Tafel.
Für die Thalbildung besonders wichtig sind die Denudationen. Er schildert deren Mechanik in nicht dislocirtem und in dislocirtem Gestein in Längs- und Querthälern. Er zeigt den Einfluß der Beschaffenheit des Gesteins und der Schichtenstellung auf die Bildung verschiedener Thalformen und führt den Nachweis, daß auch die Thäler in dislocirtem Gestein der Hauptsache nach Erosionsthäler sind. In der Thalbildung gab es Zeiten relativer Ruhe und solche energischer Arbeit. Schließlich versucht er das relative Alter verschiedener Thalstrecken und Thalstufen zu bestimmen.
Die Frage von der Seebildung versucht er aus völlig neuem Gesichtspunkte zu lösen. Er unterscheidet Berg- und Randseen. Die [587] ersteren erscheinen ihm als ephemere Bildungen, als kleine Episoden in der Geschichte noch anwachsender Thäler. Unter den letzteren versteht er die großen, am Nord- und Südfuße der Alpen liegenden Wasserbecken, welchen ein höheres Alter zuzuschreiben sei.
Von specielleren Aufsätzen seien erwähnt:
Albert Müller, Ueber die Umgebungen des Crispalt (Verh. der naturforschenden Freunde zu Basel. V, 2. p. 198). Er beschreibt die das Gebirge bildenden Schiefergesteine und läßt sich auf ihre Entstehung und Metamorphose ein, nachdem er die Reliefverhältnisse erörtert hat.
G. v. Fischer-Oster, Die rhätische Stufe der Umgegend von Thun (Mitth. der Berner naturf. Gesellschaft. 1869. No. 687–96).
Durch kaiserliches Decret vom October 1868 wurde die Anfertigung einer geologischen Detailkarte von Frankreich anbefohlen. Die Karte wird auf Staatskosten in dem Maßstabe der Generalstabskarten 1:80,000 angefertigt und die Leitung ist dem Senator Elie de Beaumont übertragen worden. In 10 Jahren sollen die 286 Blätter beendigt sein. Die früheren Detailaufnahmen umfaßten 44 Departements, waren aber ohne System durchgeführt.
Ein großer Theil der französischen Geologen versprach sich nicht viel von diesem Werke, indem sie besorgten, daß die Bergbau-Ingenieure des Corps des mines zu sehr der Beaumont’schen Theorie vom Pentagonalnetz huldigten. In Folge dessen wurde eine Société de la carte géologique de France gegründet, welche in einem Heftchen die Resultate der Generalversammlung des 4. April 1869 mittheilt. Als Maßstab wurde 1:80,000 festgehalten. Mit der Karte sollen auch ein erläuternder Theil und Abhandlungen veröffentlicht werden.
Von kleineren Arbeiten erwähne ich nur:
Bennissent, Essai géologique sur le Département de la Manche (Mém. de la Soc. Impér. des Sc. Natur. de Cherbourg. 2° Sér. p. 5).
Alfred Tylor, Das Amiens-Geröll. Mit einer Karte und zahlreichen Holzschnitten (N. Jahrb. f. Min., Geol. u. Pal. 1869. p. 129).
G. Duvalgue, Prodrome d’une description géologique de la Belgique. Bruxelles et Liège 1868.
An der Zusammensetzung des Belgischen Bodens nehmen fast alle bekannten Sedimentär-Formationen Antheil, während die plutonischen Gebilde verhältnißmäßig selten sind.
Eine geognostische Karte ist im Maßstabe von 1:200,000 erschienen.
In allen 3 Theilen der vereinigten Königreiche, in England, Schottland und Irland werden Detailaufnahmen ausgeführt.
In England ist der größte Theil schon beendigt und es sind im Jahre 1869 6 Blätter erschienen. Section Dover, London 3 Blatt, Newcastle 2 Blatt, Gegend zwischen Oxford und Essex, Manchester und westliches Devonshire. Der Bericht über die Aufnahmen trägt den Titel: Memoirs of the geological Survey of England and Wales. The Geology of the Carboniferous Limestone, Yoredale rocks and Millstone grit of North Derbyshire and the adjoining Parts of Yorkshire, by Green, Le Neve Foster and Dakyns. London 1869.
Im Geological Magazine 1869 finden sich 2 Aufsätze, die ich hervorheben will:
Morris, Die bleiführenden Districte des nördlichen England. p. 317. Die Districte verbreiten sich über einen Flächenraum von etwa 400 engl. □Meilen in Northumberland, Durham und Cumberland. Die Bleierzgänge gehören dem Bergkalk an, weiter westlich in Cumberland silurischen und metamorphischen Schichten. Es werden die wichtigsten Mineralien angeführt und Vergleiche über die Production angestellt. Demnach haben Northumberland und Durham ein Viertel der Gesammt-Production der vereinigten Königreiche.
Coquand, On the cretaceous strata of England and the North of France and the North of Afrika.
In Schottland ist Herr Geikie Director der geologischen Landesaufnahme. Die Grundlage für die geologische Originalaufnahme bilden Karten im Maßstabe von 1:60,000 reducirt herausgegeben; überdies aber gelangen die Gegenden, in welchen sich Lagerstätten nutzbarer Mineralien finden, in dem größeren Maßstabe zur Veröffentlichung. Jeder Karte des kleineren Maßstabes wird eine Beschreibung beigegeben. Die Karten sind begleitet von Horizontaldurchschnitten im Maßstabe von 1:10,000 und von Verticaldurchschnitten im Maßstabe von 1:4000. Eine kurze Uebersicht der Forschungen in Irland nach den Arbeiten des Geological Survey of Ireland giebt Hackneß Adress for the Geology im Report of the Thirty-Ninth Meeting of the British Association for the Advancement of science. London 1870. Dieses Buch ist demjenigen, welcher sich genauer mit der geologischen Literatur von England von 1869 bekannt machen will, zu empfehlen, es [589] enthält eine Anzahl von Auszügen der wichtigsten Specialarbeiten, auf die ich hier nicht näher eingehen kann.
Neue Beiträge zur Geologie von Helgoland nebst Karte giebt Lasard, Z. d. D. geol. Gesellsch. 1869. p. 576. Die rothen Felsen, welche die Hauptmasse bilden, gehören wahrscheinlich dem bunten Sandstein an. Im Muschelkalk kommen interessante Saurier-Reste vor. Am wichtigsten ist der Fund von Süßwassermuscheln im „Töck“, von denen man nicht annehmen kann, daß sie angeschwemmt sind und die somit beweisen, daß früher das feste Land eine größere Ausdehnung hatte.
Im Jahre 1869 ist die 2. Auflage der Carte géologique de l’Espagne et du Portugal von Verneuil et Collomb erschienen. 20 Farben. Maßstab 1:1,500,000. Detailaufnahmen finden in beiden Ländern statt.
Schönichen, Geognostisches über Spanien. Jahrb. für die ges. Naturw. 1869. p. 165.
Dr. A. Zittel, Geologische Betrachtungen aus den Centralappenninen. Beneckes, Paläontol. Beiträge. Bd. II. Heft 2. München 1869. Der Verfasser behandelt hier ein Gebiet, über welches nur ein paar kleine Aufsätze von Spada und Ossini veröffentlicht waren. Der Bau der Centralkette der Appenninen ist ein ziemlich einfacher, die ältesten Gebilde scheinen dem unteren Lias anzugehören. Der 1. Abschnitt behandelt die tektonischen Verhältnisse, der 2. die Gliederung der Jura- und Kreide-Formation.
Gaëtano Negri ed Emilio Spreafico, Saggio della Geologia dei dintorni di Varese e di Lugano (Mem. del R. Ist. Lomb. di Scienze e Lettere. Vol. II, n della. Sér. III. Mailand 1869. Die Verfasser setzen sich als Ziel, in die Kenntniß der älteren, unter der Trias folgenden Gebilde, die theils den Massengesteinen, theils den krystallinischen Schiefern angehören, eine größere Klarheit zu bringen. Sie schicken eine kurze Darstellung der jüngeren Bildungen voran.
M. Gosselet, Observations géologiques faites en Italie. Lille 1869. Der erste Abschnitt behandelt den Vesuv, in dessen Eruptions-Erscheinungen 3 scharf getrennte Phasen unterschieden sind, 2 Leucitophyr-Ausbrüche und dazwischen ein Bimsteinausbruch. Drei weitere Abschnitte sind den phlegräischen Feldern gewidmet, dem Aetna und Latium. Die vulkanische Thätigkeit scheint in Sicilien und bei Neapel, schon in der Pliocänzeit begonnen zu haben, in der Gegend von Rom fand sie erst im Diluvium statt.
[590] Herr Prof. Roth hat einen Aufsatz von O. Silvestri übersetzt: Ueber die vulkanischen Phaenomene des Aetna in den Jahren 1863 bis 66, mit besonderer Bezugnahme auf den Ausbruch von 1865. Z. der D. geol. Ges. 1868. p. 221. Mit einer Tafel.
Cordella beschreibt (Berg- und Hütten-Zeitg. 1869. p. 209) das Erzgebiet von Latium.
In Bulgarien hat Bergrath Fötterle geologische Untersuchungen angestellt, über die Gegend zwischen Nikopoli, Plewna und Jablanitza, Verh. der K. K. geol. Reichanst. 1869. p. 187. Er beschreibt zuerst seine Reise in das durchforschte Gebiet, die Bewohner und ihre Lebensweise und geht dann zu den geologischen Verhältnissen über.
Die vorläufigen Resultate der Reisen des Frh. v. Andrian nach dem Bosporus und Mytilene finden sich ebendaselbst p. 235, auch die von Fr. v. Hochstetter nach Thracien p. 285, letztere haben besonders noch großes geographisches Interesse. Auf S. 263 bringen die Verhandlungen einen Aufsatz von Dr. Abdallah Bey, Die Umgebung des Sees Kütschücktschekmetché in Rumelien.
Coquand (Bull. de la Soc. géol. de France. 2° sér. T. XXV. p. 20) giebt eine geologische Beschreibung der bituminösen und Petroleum führenden Schichten von Selenitza in Albanien und Chieri auf der Insel Zante und zeigt, daß dieselben der Subappennin-Formation angehören.
Valérian de Möller hat eine geognostische Karte des westlichen Ural angefertigt im Maßstabe von 1:840,000. Es ist ein langer Streifen, in welchem das permische System überwiegend entwickelt ist.
Kuhlberg hat die Insel Pargas chem. geogn. untersucht. (Arch. f. d. Naturk. Liv-, Ehst- u. Kurlands. I. Sér. Dorpat 1869.)
In Polen hat Prof. Zeuschner in Warschau geognostische Studien gemacht, in der Z. der D. geol. Ges. 1869. sind 3 Aufsätze: 1) Ueber die neuentdeckte Silurformation von Kleczanów bei Sandomierz im südlichen Polen, p. 257. 2) Geognostische Beschreibung der mittleren devonischen Schichten zwischen Grzegorzowice und Skaly-Jagaje bei Nowa Slupia, p. 263. Die Schichten entsprechen genau den Kalken der Eifel, was auf einen gleichzeitigen Niederschlag hinzudeuten scheint. 3) Ueber die silurischen Thonschiefer von Zbrza bei Kielce. Nebst Karte, p. 569.
[591] G. v. Helmersen: Die Bohrversuche zur Entdeckung von Steinkohlen auf der Samara-Halbinsel und die Naphtaquellen und Schlammvulkane bei Kertsch und Taman (Mél. phys. et chim. tirés de la Bull. de l’Acad. impér. des scienc. de St. Pétersbourg. IV. p. 190–244). Das kaspische Meer hing, wie die lebenden Muscheln beweisen, früher mit dem schwarzen zusammen. Die Fragen, was die Abtrennung veranlaßte und ob sich das kaspische Meer noch vermindert, sind noch zu beantworten.
Im Jahre 1869 sind die letzten 2 Bände des großen Werkes von P. de Tchihatschef, Asie mineure erschienen. Sie enthalten die Schilderung der secundären und tertiären Schichtensysteme, sowie die posttertiären Gebilde. Von den ersteren sind nur jurassische Schichten, dem Oxfordien angehörig, beobachtet, in größerer Verbreitung obere Kreideschichten, die meist unmittelbar auf dem Urgebirge ruhen. Viel mannigfaltiger sind die Tertiärschichten, besonders eocäne Nummulithenbildungen, Miocän tritt an einzelnen Stellen auf. Steinsalz-Ablagerungen lassen sich in Parallele stellen mit den Schichten der Karpathen. In Bezug auf die posttertiären Bildungen ist hervorzuheben, daß alle Spuren von Gletscherbildungen und Eiszeit fehlen.
Wegen seiner geognostischen Wichtigkeit will ich noch ein älteres Werk erwähnen, welches auch großes geographisches Interesse darbietet:
B. Abich, Geologische Beobachtungen auf Reisen in den Gebirgsländern zwischen Kur und Araxes. Tiflis 1867.
Bauermann, On a geological reconnaissance made in Arabia Petraea, The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 17.
Ueber den geognostischen Bau des Altaigebirges hat B. v. Cotta geschrieben (Berg- und Hütten-Zeitg. XXVIII. p. 73). Das Altaigebirge war während eines langen Zeitraums nicht unter Wasser. Im Diluvium scheint ganz Sibirien mit Wasser bedeckt gewesen zu sein, und der sich über das kaspische Meer nach dem schwarzen Meere erstreckende Ocean trennte Europa von Asien. Gletscherspuren fehlen gänzlich. Größere Inseln waren von Säugethieren belebt, deren Reste sich vielfach finden.
Murchison vergleicht die geologische Structur von Nord-West-Sibirien mit der von Rußland (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 1).
[592] G. v. Helmersen hat sich mit der Frage über das behauptete Seichterwerden des Asow’schen Meeres beschäftigt (Mél. phys. et chim. tirés du Bull. de l’Acad. impér. des sc. de St. Pétersbourg. III. p. 495). Der Don hat eine ungeheure Denudations- und Erosionskraft, die Stoffe, welche er mit sich führt, machen es wahrscheinlich, daß das Asow’sche Meer immer mehr versandet, wozu die geringe Tiefe und das Fehlen von Ebbe von Fluth noch wesentlich beitragen.
In China ist Baron von Richthofen mit geologischen Untersuchungen beschäftigt, deren erste Resultate er in den Verh. der K. K. geol. Reichsanst. 1869. p. 131 niedergelegt hat. Er bespricht hier das Schichtengebirge am Yang-tse-kiang. Das tiefste anstehende Gebilde ist 1) der Taho-Sandstein, benannt nach dem Ta-ho-shan, einer beinahe 2000 Fuß hohen Bergkette, welche ganz aus diesem Sandstein besteht. 2) Siu-shan-Schiefer, daraus besteht ein ungefähr 3000 Fuß hohes Gebirge Siu-shan nahe bei der Handelsstadt Kiu-kiang (450 Meilen von Shangai). 3) Matsa-Kalkstein, Matsu-shan ist ein Vorberg von Siu-shan. 4) Granit-Ausbrüche. Der Granit bildet Bergmassen für sich bei Ngan-king oder hat die alten Sedimente gehoben. 5) Fung-ting-Sandstein. 6) Sio-hio-Kalk, unzweifelhaft devonisch. 7) Nan-king-Sandsteine und Conglomerate. 8) Kitan-Kalkstein gleicht zum verwechseln dem europäischen Bergkalk, zu unterst Schichten mit zahlreichen[WS 9] Fusulinen, dann solche mit Productus semireticulatus. 9) Sanghu-Sandstein, discordant aufgelagert, Kohlenflöze von 1–2 Fuß Mächtigkeit und geringer Qualität. 10) Anfang der Porphyr-Eruptionen. Porphyre haben nirgends in der Welt eine so große Verbreitung wie im östlichen China, sie setzen den Chusan-Archipel zusammen und die ganze Gegend von Ningpo, am Yang-tse sind sie selten. 11) Porphyrische Tuffe und mürbe, sehr unreine Sandsteine, Kohlenflöze führend, besonders entwickelt am unteren Yang-tse. Nach langer Unterbrechung folgen nun am Yang-tse eine Reihe jüngerer Bildungen, deren Altersverhältnisse sich noch nicht bestimmen lassen, a) Tatung-Schichten. b) Vulkanische Gesteine. Nördlich von Nanking erbebt sich mitten aus dem Alluvium eine Gruppe erloschener Vulkane. c) Horizontale Schotterbänke. d) Löß, e) Alluvium der großen Ebene.
Der 2. Bericht findet sich in denselben Verhandlungen auf p. 343. Er giebt zunächst eine kurze Darstellung seiner Route, von Shangai nach der Provinz Shantung, die Westküste von Liao-Tung entlang, dann die SO.-Küste bis zur Grenze von Korea, von da nach Norden, wo bei Mukden wieder die Ebene erreicht wurde. Er reiste dann entlang der Grenze der Mongolei nach Peking. Die Formationsreihe von Peking hat wenig Aehnlichkeit mit der von Yang-tse. Die große [593] Kalksteinformation, welche nach den in Apotheken verkäuflichen Versteinerungen für devonisch zu halten ist, löst sich in mehrere wohlgeschichtete Formationsglieder auf; dieselben sind reich an Versteinerungen. Die Provinz Shantung umfaßt außer einem Theile der großen Ebene ein isolirtes Gebirgsglied. Die Unterlage bildet Gneiß, welcher nur wenig gehoben ist. So entstehen Plateaus, deren innerer Bau durch tief eingeschnittene Thäler bloßgelegt ist. Er führt nun die über einander liegenden Schichtensysteme an, unter denen besonders das Kohlengebirge hervorzuheben ist, dessen Kohlenkalk viele Organismen birgt. Im östlichen Theile der Provinz walten krystallinische Schiefer vor, und die Gegend wird schwieriger geognostisch zu verstehen, Ausbrüche von Granit haben großartige Metamorphismen erzeugt.
Die Mandschurei ist in 3 Provinzen getheilt, deren südlichste Sching-king durch den Liao-Fluß geschieden ist in Liao-tung und Liao-shi (d. i. O. u. W. vom Liao). Beide Theile sind orographisch verschieden. Liao-tung besteht aus den Ausläufern des hohen Chang-peschan (langes weißes oder Schneegebirge), welches Korea von der Mantschurei trennt und auf 10,000 Fuß Höhe geschätzt wird, Liao-shi dagegen gehört dem System des Kingan-Gebirges und der Mongolei an. Im Liao-tung sind oolithische Kalke mit Trilobiten und Lingula mächtig entwickelt, sie scheinen obersilurisch zu sein. Von Mukden nach Peking zu nimmt die Intensität der eruptiven, mithin auch metamorphischen Erscheinungen zu. Die silurischen Kalke werden zum schönsten Marmor, welcher ein ausgezeichnetes Material für die monumentalen Bauten Pekings geliefert hat. Oestlich von Peking ist ein großes Kohlenfeld, dessen Schichten unverändert sind, während westlich die Kohle in Anthracit, der Kalkstein in Marmor und der Schieferthon in Tafelschiefer verändert ist. In Bezug auf die Steinkohlen hebt er besonders hervor, daß im östlichen China dieses Gebirge zu oberst liegt, aber an vielen Stellen abgeschwemmt ist. Der Reichthum an Kohlen und ihr Zusammenhang ist nicht so bedeutend, wie man nach Beobachtung einzelner Punkte geglaubt hatte. Er deutet schließlich noch an, daß China durch lange Epochen in Senkung begriffen ist.
Auch W. Kingsmill hat geologische Untersuchungen in China gemacht und besonders am unteren Yang-tse (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 119).
Bickmore, The mineral resources of China (The England and Mining Journ. New York. 4. Ser. p. 210).
Ueber die Kohlen von Katanoma auf der Insel Jezo schreibt O. Adams im Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 254.
[594] In Indien werden geologische Untersuchungen von Oldham und Stoliczka ausgeführt, die Resultate giebt das Geological Survey of India, von letzterem aus dem Jahre 1868: 1) Additional observations regarding the Cephalopodes Fauna of the South Indian Cretaceous Deposits. No. 2. p. 32. 2) General Results obtained from an examination of the Gastropods Fauna of the Indian Cretaceous Deposits. No. 3. p. 55.
George T. Clark, Remarks upon the Basalt dykes of the Mainland of India opposite to the Islands of Bombay and Salsette (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 163).
L. Hardouin, Ueber die Geologie der Provinz Constantine (Bull. de la Soc. géol. de France. 2° sér. Theil XXV. p. 238. Pl. V.). Die Arbeit ist von einer geologischen Karte im Maßstabe von 1:250,000 begleitet und von Profilen. Als ältestes Massengestein zeigt sich im Norden der Granit. Er hat die silurischen Schichten, die im Norden eine große Entwickelung haben, stark matamorphosirt. Die Kreide-Formation ist in den mittleren und südlichen Theilen der Provinz verbreitet, an einzelnen Stellen ist sie von Eocän bedeckt. In der Zone des Mittelmeeres sind miocäne Schichten, überlagert von pliocänen weit verbreitet.
Richard, Recherches hydro-géologiques en Algérie (les Mondes. Paris 1869. p. 548).
T. Blanford macht eine vorläufige Mittheilung seiner geologischen Untersuchungen in Abyssinien (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 401).
Er hat folgende Formationen unterschieden: 1) Metamorphische Gesteine. 2) Adigrat-Sandsteine, unterjurassisch (triassisch). 3) Antalo limestone, Jura. 4) Ashangi-Gruppe, Kreide oder Jura. 5) Magdala-Gruppe, Basalte und Trachyte. 6) Aden series, vulkanische Gesteine, Posttertiäre. 7) Recent, Küstenland. Die Gegend, welche er untersucht hat, ist auf der Route der Englischen Expedition.
Das Gebiet von Adigrat westlich Axum und Adua habe ich in dieser Zeitschrift p. 377 nach den Angaben von W. Schimper bearbeitet.
Die übrige Litteratur beschränkt sich auf Süd-Afrika: J. Tennant, On the Diamands received from the Cape of good Hope in the last year. Ueber dasselbe Thema berichtet Adler, K. K. österr. Consul in Port Elisabeth, Verh. der K. K. geol. Reichsanstalt. Wien 1869. [595] p. 351. Die Hauptstelle ist Likatlong am Kolong, einem Zuflusse des Vaal, nahe an der Grenze des Oranje-Fluß-Freistaates.
Ueber die Goldfelder von Süd-Afrika steht im Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869, p. 169 ein Aufsatz von Sutherland.
Ad. Hübner: Die Mohr’sche Expedition nach Süd-Afrika, mineralogisch-geognostische Skizze (Berg- und Hütten-Zeitg. 1869. p. 195). Er führt die im Museum der Capstadt vorhandenen südafrikanischen Mineralien an, Gesteine und Petrefakten, ohne neue geognostische Daten zu geben.
Die Geognosie von Süd-Australien ist sehr wenig bekannt; unsere ganze Kenntniß beruht auf den Beobachtungen Woods, welche er auf seinen Missionsreisen angestellt hat. Bei weitem der größte Theil wird von jungtertiären Korallenkalken bedeckt, welche eine große Anzahl noch lebender Foraminiferen und Bryozoen einschließen und deshalb von Jones und Bush für pliocän erklärt wurden. Dasselbe beweisen 10 Seeigel, welche Dr. G. C. Laube von Murray cliffs herstammend beschrieben hat (Sitzungsber. der Wiener Akad. I. Abth. Februar 1869).
Noch weniger geognostisch bekannt ist Nord-Australien und das Innere, weshalb von besonderem Interesse ein Aufsatz von Al. Rattray ist (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 257), welcher sich mit der Halbinsel Cape York beschäftigt. An der Ostküste erstreckt sich das Gebirge von Cap Howe nach dem Cap York in einer Länge von ungefähr 20 Meilen, die größte Höhe erreicht es in den Bellenden-Kerbills an der Basis der Halbinsel Cape York. Diese Gebirgskette besteht aus feurig gebildeten Gesteinen von verschiedener Beschaffenheit, Granit und Porphyr, aus letzterem der Endpunkt der Halbinsel. Der Gneiß, welcher die Grundlage des ganzen Gebietes zu bilden scheint, wird von jüngeren Schichten überlagert. An den Flanken des Gebirges erscheint Sandstein, welchen Clarke für Kohlensandstein hielt, M‘Coy für Jura. Die jüngeren Schichten nennt der Verf. Iron-stone. Ein kleines Kärtchen erläutert die Verhältnisse.
In derselben Zeitschrift p. 326 findet sich ein Aufsatz von Dr. Ulrich, Observations on the „Nuggetty Ruf“, Mount Tarrangower gold-fields. Die Goldfelder liegen ungefähr 85 Meilen NW. von Melbourne und circa 1200 Fuß über dem Meere. Mount Tarrangower besteht O., N. u. S. aus silurischem Hornfels, im Westen tritt Granit auf.
W. Hutton, Description of Nga Tutura, an extinct Volcano in New Zealand (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 13), begleitet von einem Holzschnitte, welcher das Profil von der Küste vom Waikato-Fluß bis zu Otehe Point (15 Meilen) darstellt.
In demselben Journal steht p. 432 ein Aufsatz von Williamson, On the Volcanic phenomena of Hawaiï.
In Nord-Amerika haben schon umfassende geologische Untersuchungen stattgefunden. Für die Aufnahmen in Canada erscheint ein Geological Survey of Canada, und die Resultate liegen uns aus den Jahren von 1863–66 vor, die Aufnahmen leitete W. E. Logan. Die Gegend von Hastings (West-Canada) beschreibt C. Wallbridge geologisch und mineralogisch (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 261), hier treten auf: 1) Recente Bildungen, 2) Posttertiäre, 3) Untersilurische, 4) Laurentische. In einem besonderen Abschnitt beschreibt er das Vorkommen von Gold, das der Eisenerze und der übrigen Mineralien. Zur Mineralogie von Nova Scotia liefert Hau Beiträge (Phil. mag. London 1869. p. 264).
Ueber die Gliederung der eozoischen (vorsilurischen) Formationsgruppe Nord-Amerikas hat H. Credner seine Habilitationsschrift geschrieben. Halle 1869. In einer Einleitung giebt er die gesammte in dieses Gebiet schlagende Literatur an. Zum silurischen System rechnet er den Potsdam-Sandstein und die darunter liegende Vermonter Primordial-Formation; die darunter liegenden Schichten theilt er in zwei Gruppen, eine untere das Laurentische und eine obere das Huronische System. Das Laurentische System, vorwaltend aus den Gesteinen der Gneiß-Reihe bestehend, tritt im O. des nordamerikanischen Continents in zwei Zonen zu Tage, deren nördliche sich vom oberen Mississippi-Thale in östlicher Richtung durch Minnesota und Wisconsin nach dem Superior-, Huron- und Ontario-See und von da nördlich vom Lorenz-Strom bis zum atlantischen Ocean erstreckt. Die andere, die appalachische Gneißzone, beginnt in New Brunswick, läuft in südwestlicher Richtung parallel dem Gestade des Meeres durch die Neu-Englischen Staaten, überschreitet den Hudson etwa 6 Meilen oberhalb New York, bildet dann die Hochlande von New Jersey und zieht sich durch Pennsylvania und Maryland, durch sämmtliche südliche atlantische Staaten bis zum Alabama hinein. Die Verbreitung des Huronischen Systems im Osten von Nord-Amerika ist an die Nachbarschaft der vorbeschriebenen Laurentischen Gneißzonen gebunden. Seine Schichtenreihe ruht [597] auf den Rändern dieser letzteren auf. Er geht dann zur Parallelisirung mit den europäischen Formationen über, giebt eine tabellarische Uebersicht der Gliederung und Aequivalenz der eozoischen Formationen und läßt sich schließlich über die Genesis der eozoischen Gesteine aus.
Die vorsilurischen Gebilde der oberen Halbinsel von Michigan beschreibt derselbe in Z. d. D. geol. Ges. 1869. p. 516 mit Taf. VIII u. XII, erstere ist eine geognostische Uebersichtskarte, auf letzterer eine Anzahl Profile. Er beginnt mit einer Uebersicht der Terrain-Verhältnisse und Literatur, schildert dann das Laurentische System und das Huronische. Letzteres ist Eisenerz führend und zerfällt in eine südliche und nördliche Entwickelungsreihe.
Im Neuen Jahrb. für Min., Geogn. und Pal. 1869 giebt derselbe eine Beschreibung eines charakteristischen Vorkommens des gediegenen Kupfers auf Keweenaw Point am Oberen See.
Ueber den Distrikt der Seen sind noch 2 Aufsätze in The geol. mag. London 1869. p. 56 von Dakyns und p. 105 von Nicholson.
George H. Cook, Geology of New Yersey. By authority of the legislature. New York 1868. Nach einer Einleitung, welche eine allgemeine geographische und geologische Beschreibung des Landes bringt, enthält vorliegender Bericht im 1. Theil die geologische Detailbeschreibung nach Formationen geordnet. Der 2. Theil, Historische Geologie, giebt eine Reihe von Notizen über die Bildung des Landes. Ein 3. Theil „Oekonomische Geologie“ ist der Schilderung der Beschaffenheit und des Vorkommens aller nutzbaren Stoffe des Mineralreichs gewidmet.
Der Atlas besteht aus vier geognostischen Karten in dem Maßstabe von 2 engl. Meilen auf 1", welche die Verbreitung von 1) der azoischen und paläozoischen, 2) triassischen, 3) der Kreide und 4 der jüngeren Formationen darstellen. Vier andere Karten zeigen in noch größerem Maßstabe das Vorkommen der Eisenerze in Morris Ct., der Ringwood Gruben, des Oxford Hochofens und die Zinkgruben in Sussex Ct.
R. Roßler hat allgemeine Bemerkungen über die Geologie der Gegenden jenseits des Mississippi-Flusses gemacht (Verh. der K. K. geol. Reichsanst. Wien 1869. p. 361). Derselbe, On the geology of Texas (Proceed. Imp. Geol. Inst. May 31. 1868).
Rogers, The geology of Pennsylvania, an Government Survey. 1868.
Foster hat eine Uebersicht über die Steinkohlenlager im Missisippithale gegeben (The Mississippi Valley. Chicago 1869). 1) Alleghany-Steinkohlenfeld, 60,000 □Meilen Ausdehnung, 2) das Illinois-Steinkohlenfeld gleicht dem ersteren in seiner Ausdehnung, 3) das [598] Missouri-Steinkohlenfeld, 100,000 □Meilen Ausdehnung, 4) das Michigan-Steinkohlenfeld und 5) Texas, welches noch ungenügend bekannt ist.
An der Westküste Nord-Amerikas hat Baron v. Richthofen geologische Untersuchungen ausgeführt (Z. d. D. geol. Ges. 1869. p. 519).
1) Der Vulkan von Lassen’s Peak im nördlichen Californien von 10,577 Fuß Höhe liegt 15 geographische Meilen nördlich von dem höheren, ganz isolirten Kegel Mount Sharta von 14,442 Fuß Höhe. Die Kette der Sierra Nevada mit ihren metamorphischen Schiefern und Graniten scheint hier einen plötzlichen Einbruch erfahren zu haben, nördlich von den beiden Vulkanen erscheint die Fortsetzung der Sierra Nevada. Das Bereisen dieser Gegenden ist mit großen Schwierigkeiten verknüpft, da Ansiedelungen fehlen, weil hier die goldführenden Schichten von vulkanischen Gesteinen bedeckt sind. Er beschreibt den Gipfel des Berges, die Vorberge gegen SO. und SW. und die weiteren Umgebungen. In den Schlußfolgerungen führt er aus, daß der Vulkan durch lange Perioden thätig gewesen ist und verschiedenes Material an die Erdoberfläche gefördert hat. Er unterscheidet 4 Perioden: 1) die des Andesits, 2) die des Trachyts, 3) die der Ryolithe, 4) die der Basalte in der Nachbarschaft.
2) Nevadit im Osten der Sierra Nevada. Am Silver Mountain bricht der granitische Ryolith aus dem Granit hervor, und er hält es für zweifellos, daß hier dieses Gestein aus dem Granit entstanden ist. Bedeutender tritt der Nevadit O. vom Carsen-Thalbecken auf. Am Schluß giebt er noch andere Punkte seines Vorkommens an.
S. 723 spricht er dann über das Alter der goldführenden Gänge und der von ihnen durchsetzten Gesteine. Für die Anden von Nord-Amerika kann man mit Sicherheit behaupten, daß Goldgänge in allen Formationen von der silurischen bis zu der jüngsten tertiären in Sedimenten und in Eruptivgesteinen auftreten; somit ist die Murchison’sche Hypothese widerlegt, daß nur die paläozoische Formation goldführend ist. In dem Aufsatze giebt er noch eine kurze Darstellung der Golddistrikte Californiens.
Ferner hat er p. 743 einen Aufsatz von Prof. Withney übersetzt, aus den Sitzungsberichten der California Academy of Sciences 1867: Ueber die in Californien und an der Westküste Nord-Amerikas überhaupt vorkommenden Mineralien und Grundstoffe. Es treten an der pacifischen Küste verhältnißmäßig wenige schöne Mineralien auf, 110 Arten, davon 89 in Californien. Charakteristisch ist das Fehlen von abbauwürdigen Massen von Bleiglanz und Blende, eine auffallende Uebereinstimmung mit Chile.
Burkart giebt in der Berg- u. Hüttenw.-Zeitg. 1869. p. 3 einen [599] Auszug aus dem Report von Brown: Ueber den Mineral-Reichthum Californiens und der angränzenden Staaten und Territorien. Er beschreibt die Relief- und geologischen Verhältnisse Californiens.
Philipps, The alkaline lakes of California (Engl. Mech. and m. of sc. and art. London 1869. p. 575).
Schließlich muß ich noch eine ältere Arbeit wegen ihrer Wichtigkeit erwähnen:
Withney, Geological Survey of California. Geology. Vol. I. Report of Progress and Synopsis of the Field Work from 1860 to 64; Published by the authority of the legislature of California 1865. Palaeontology. Vol. I. Carboniferous and jurassic fossils by F. B. Meek. Triassic and Cretaceous fossils by W. M. Gabb 1864. Vol. II. Sect. 1. P. 1. Tertiary invertebrate fossils by W. M. Gabb 1866.
Für Mexico ist in Paris 1868 ein großes Werk erschienen von A. Dolfuß und E. de Mont-Serrat: Mission scientifique au Mexique et dans l’Amerique centrale, ouvrage publié par ordre de S. M. l’empereur et par les soins du ministre de l’instruction publique. Voyage géologique dans les républiques de Guatemala et Salvador. Einen Auszug dieses wichtigen und umfangreichen Werkes hier in Kürze zu geben ist nicht möglich, ich verweise nur auf den von Burkart (N. Jahrb. für Min., Geol. u. Pal. 1869. p. 769), welcher uns mit den wichtigsten Resultaten bekannt macht.
Ehrenberg, Mittheilungen über mächtige Gebirgsschichten, vorherrschend aus mikroskopischen Barcillarien bestehend unter und bei der Stadt Mexico (Monatsber. der Berl. Acad. 1869. p. 373).
Für Süd-Amerika war mir die Literatur weniger zugänglich und zum Theil unverständlich, ich kann daher nur folgende Arbeiten erwähnen:
C. L. Neve Forster, On the Caratal Goldfields (in Venezuela). (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London 1869. p. 336.)
Rolph Tate, Notes on the Geology of Guyana in Venezuela. ibid. p. 343.
Shoens, Contributions to the geology of Venezuela (The Engineering and Meet. Journ. New York. 4. Ser. p. 210).
F. Toula, Ueber einige Fossilien des Kohlenkalks von Bolivia (Sitzungsber. der K. K. Acad. der Wiss. zu Wien. Märzheft 1869). Die Fossilien stammen von einer etwa 10 Deutsche Meilen von Cochambamba in Bolivia entfernten Stelle, die Meereshöhe beträgt 13,000 Fuß.
Edw. Thornton, Bericht über die Existenz eines großen Kohlenfeldes in der Provinz S. Catharina in Brasilien (The Quart. Journ. of the geol. Soc. of London. Vol. XXIII. p. 386).
[600]
Das Jahr 1868 ist reich an Erdbeben gewesen, und darunter sind einige, welche zu den bedeutendsten zu rechnen sind, die jemals stattgefunden haben.
In dem vor Zeiten vulkanischen Gebiete der ungarischen und siebenbürgischen Gebirge bemerkte man Erdbeben: am 4. Februar zu Tokay, von Donnergetöse begleitet; am 21. Juni zu Pesth und Palota, fast gleichzeitig in Jaszberény, 8 M. östlich von Pesth (im Jazygen- und Cumaniendistrikt), wo auch jeder der folgenden Tage mehrere Stöße brachte und wiederholt lautes Getöse vernommen wurde, ohne daß dasselbe von Erderschütterungen begleitet war. Die sich 8 Wochen hindurch fortsetzenden Stöße wurden endlich am 20. und 21. August so stark, daß Gebäude zerstört wurden. Am 9., 10. und 17. September wurde derselbe Ort abermals erschüttert. Aehnliche Stöße fühlte man in den nur wenige Meilen davon entfernten Orten: in Aszod am 20. und 21. August, in Hatvan am 20. August, in Gyöngyös am 23. August, und sie begannen am 15., 16. und 17. Dezember von Neuem; und am 26. Dezember hatte man südlicher in Kecskemet und neben Jaszberény in Jasz-Apati einen starken Stoß. Weiter östlich, am Fuße der Karpaten, in Huszt an der Theiß (Marmarosch) fühlte man am 7. Juli mehrere Stöße. Kronstadt in Siebenbürgen erfuhr am 13. November, an gleichem Tage mit Bukurescht und ganz Rumänien, namentlich auch Rustschuk, heftige Erschütterungen; und in derselben Stunde auch Czernowicz in der Bukowina; Rustschuk hatte auch am 24. November schwache Stöße. Hermanstadt in Siebenbürgen empfand schon am 25. Januar drei kurze, aber starke Stöße.
Im Gebiete der Alpen wurde das Engadin am 7. Januar von Nauders bis Zernetz erschüttert; zugleich empfand man die Erschütterung zu Randers in Tirol. Heftige Erschütterungen hatten am 22. Mai Roveredo und Condino in Tirol. In der Nacht vom 24. zum 25. Dezember wurde Innsbruck erschüttert. Südlich von Tirol waren 1866 vom April bis Dezember am Gardasee wiederholt Erschütterungen vorgekommen, welche vom Monte Baldo auszugehen schienen; mit 1868 begannen dieselben von Neuem auf der italienischen Seite des Sees heftig und stark am 4. und 5. Januar, und sie [601] setzten sich bis zu den heftigsten Stößen am 20. Februar fort. Uferstrecken des Sees versanken. – Ein großer Landstrich Ober-Oesterreichs wurde am 11. Januar erschüttert und man vernahm ein donnerähnliches Getöse; Stein in Ober-Oesterreich hatte am 27. Januar einen Erdstoß; Tobelbad in Steiermark am 14. November; Laibach am 26. Januar, 8. Februar und 16. April (an jedem der beiden letzteren Tage zwei Stöße); verschiedene Gegenden Krains am 10., 11. und 12. Juli, bei denen der Krimberg das Centrum zu sein schien; Agram am 15. September; Wiener-Neustadt am 19. September. – Altorf in der Schweiz hatte am 17. Juni ein von unterirdischem Getöse begleitetes Erdbeben; Locarno und Bignasco eins am 12. November.
Auch England, Deutschland und Frankreich blieben nicht verschont. Die Grafschaft Cork im südlichen Irland, nicht die Stadt, wurde am 26. October erschüttert; und West-England und das südliche Wales am 30. October. Essen war seit dem 15. April 1867 nicht unerheblich erschüttert, so daß Spalten in den Straßen und Häusern entstanden. Am 29. Juni 1868 fanden Wiederholungen statt, und Spaltungen des Bodens wurden aus mehreren Orten der Umgegend berichtet. Schwache Stöße erfuhren Wiesbaden am 29. August, Orte in der Umgegend von Aachen am 19. September, Geislingen an der Rauhen Alb am 8. November, Hechingen am 17. und 22. November, Köln, Düren, Düsseldorf, Aachen, Jülich, Bonn etc. an demselben 17. November zwei Erschütterungen, deren eine in Bedburg stark und vertical war; die Porta Westphalica am 7. Dezember. – Arles in der Provence hatte am 5. April Erschütterungen, welche sich bis nach Avignon fortpflanzten (St. Brieuc an der Nordküste der Bretagne am 4. April, von unterirdischem Rollen begleitet); Lorient an der Südküste der Bretagne nicht unbedeutend am 28. April; der mittlere Theil der Pirenäen, die Gegend der Bäder Cauterets, St. Sauveur, Barèges, hatte ein Erdbeben mit heftigem Getöse am 19. Juli, nachdem sich die Temperatur der Cäsarquelle um 10° erhöht hatte; Puy und andere Orte jener Gegend hatten am 5. August ein ziemlich starkes Erdbeben; die Umgegend von Paris am 10. August, namentlich stark in Meudon und Bellevue; Gibraltar am 18. August und am 17. Dezember; Algier, Constantine und Philippeville erfuhren am 22. Januar starke Stöße.
Im östlichen Theile des Mittelmeeres empfand ganz Dalmatien am 9. und 10. Oktober ein Erdbeben; Malta erlitt einen leichten Stoß am 20. Februar und am 24. September; ein heftiges Erdbeben fand am 15. Februar auf Kephalonia statt; Athen fühlte am 9. Oktober einen Erdstoß; schwache Erschütterungen hatte Mitylene zu [602] Ende Januars, nachdem diese Insel im März 1867 durch heftige Erdbeben verwüstet worden war; zwei Stöße empfand Rhodos am 20. April, und am 16. April wurde Aleppo stark erschüttert.
Heftige Stöße erfolgten in Tiflis am 22. Februar und 18. März, und ein heftiges Erdbeben im Dezember, das sich bis nach Täbris in Persien fortgesetzt zu haben scheint. Eine Woche wurde täglich der Kreis Schoropan und die Ansiedlung Kivilewskoje (Kaukasus) im Februar erschüttert; und der Distrikt Kussary heftig am 28. November. Alexandropol fühlte am 18., 19. und 20. Februar starke Stöße. – Vom 4. April wurde auch ein Erdbeben in Taschkend gemeldet, vom 8. Oktober ein heftiges in Hiogo in Japan.
In Neu-Süd-Wales in Australien hat man am 19. Juni an verschiedenen Orten 13 Erdstöße verspürt. Schwache Stöße empfand man auf Neu-Seeland am 14., 15., 17. und 19. August, zur Zeit des großen Erdbebens in Süd-Amerika, ein heftigeres am 17. August, bei welchem viele Menschen umkamen.
Victoria auf Vancouvers-Insel hatte am 7. November ein starkes Erdbeben; Augusta in Maine empfand leichte Stöße am 29. Februar. Aus Puerto-Rico wurde eins vom 3. Januar gemeldet, und ein stärkeres vom 10. März, das zugleich in Antigua und St. Thomas gefühlt wurde, und sich am 17. März wiederholte; aus Jamaica eins vom 7. Januar; St. Thomas hatte schon im November 1866 gelitten, und die Erschütterungen hatten sich dort bis Ende Februar 1868 fortgesetzt. Guatemala empfand Ende Mai während mehrerer Tage heftige Erderschütterungen; San Salvador am 11. Februar, wo man bis zum Mittag des 17. Februar 150 Stöße beobachtete, darunter einige sehr heftige, selbst ein 25 Sek. anhaltender; die Stöße dauerten im März fort, bis in den Anfang Aprils. Ebenso zählte man an der Fonseca-Bai vom 11. bis 16. Februar 115 Stöße, die von da an bis zum 23., wo der Ausbruch des Conchagua erfolgte, noch zahlreicher wurden.
Im Oktober wurden verschiedene Gegenden Mejicos betroffen, und am 19. fand ein heftiges Erdbeben beim Dorfe Sa. Catarina Albarradas statt, wo ein Berg barst und zur Hälfte ins Thal stürzte; bis zum 2. November dauerten die Erschütterungen und Einstürze fort. Vom 1. bis 6. November litt San Luis Potosi sehr; bei Iturbide zählte man innerhalb 24 Stunden bis 50 Stöße, so daß Häuser und Kirchen unbrauchbar gemacht wurden; der am 4. November erfolgende starke Stoß wurde auch in Mejico empfunden. Endlich fand am 20. Dezember ein heftiges Erdbeben statt, bei welchem in Colima Häuser einstürzten und dessen Verwüstungen namentlich in Manzanillo groß waren, wo der Stoß die Kathedrale spaltete.
[603] Ein sehr heftiges Erdbeben traf am 21. Oktober Californien. Der erste Stoß erfolgte kurz vor 8 Uhr Morgens und dauerte 42 Sekunden; andere 12 Stöße verschiedener Stärke folgten bis zum Abend. Geringere Wiederholungen geschahen am 22., 23., 25. und 27. Oktober, sowie am 5. November; nachdem schon leichtere Erschütterungen am 29. Februar Victoria, am 24. Juli San Francisco, am 6. Oktober Silver Mountain getroffen hatten. Die Zerstörungen betrafen vor allem San Francisco, dessen Schaden auf 300,000 Dollars angegeben wird; außerdem Martinez, Alameda, Alvarado, S. Lorenzo, S. Leandro. Einige Dächer, auch Schornsteine fielen herab, Mauern barsten und stürzten ein, der Fußboden einiger Straßen sank um mehrere Fuß tiefer oder riß in Spalten auf, und aus einigen dieser Oeffnungen strömte Wasser.
Von den furchtbarsten Folgen waren die Erdbeben an der Westseite Süd-Amerikas, welche am 13. August Nachmittags 5 Uhr begannen, nachdem schon Guayaquil im März und April und ganz Ecuador am 7. Juni erschüttert worden waren. Die Erdbeben wiederholten sich in 10 Stößen am 16. August, und so fort bis zum 4. September (wo die Chincha-Inseln geschaukelt wurden), dann am 19. November; in Chile am 25. Okt. Der erste, etwa 2 Minuten währende Stoß am 13. Aug. erfolgte in Lima (Peru) von SO. nach NW. und richtete keinen Schaden an; in Arequipa dagegen dauerte er 7½ Min., war fast vertical, begann geräuschlos und endete mit starkem unterirdischen Getöse; etwa 2000 Todte und Verletzte lagen unter der in Trümmer verwandelten Stadt. Auch alle Orte der Umgegend waren zerstört und aus dem gespaltenen Boden drang schlammiges Wasser. Die Erschütterungen wurden bis in La Paz und Corocoro in Bolivia gefühlt. Ebenso wurde es in Puno empfunden; Torato wurde zerstört; Arequipa erfuhr mehrere hundert Stöße, bei denen 600 Menschen umkamen; in Tacna wurden 50 Häuser beschädigt und 3 Personen getödtet, und man zählte vom 15. bis 21. August 250 Erschütterungen; in Moquegua kamen über 150 Personen um; in Arica wurde ein bedeutender Theil der oberen Stadt zerstört, etwa 500 Menschen verloren das Leben, und ein Schaden wurde angerichtet, der auf 17 Mill. Thlr. geschätzt wird; Iquique fiel zum Theil in Trümmer und über 600 Personen kamen um; von Mejillones blieb nur ein Haus stehen, und ein langer, tiefer Spalt zerriß die Stadt; Pisagua wurde zum dritten Theile, Kamana schrecklich zerstört und 150 Menschen kamen um; Tambo wurde mit 500 Menschen total vernichtet; in Pisco und Ica wütheten die Stöße schrecklich und stürzten 40 Häuser um, Ilo wurde verheert und 34 Personen kamen um; aus großen Spalten des Erdbodens drang Wasser. In Quilca kamen 107 Personen um. Mehr als ein Dutzend anderer Orte litten schwer. In Chile fühlte man das Erdbeben heftig [604] in Copiapo. Fast alle Küstenplätze, von Casma in Nord-Peru bis zum südlichen Chile, erlitten großen Schaden und theilweise Zerstörung durch die furchtbare Fluthwelle, mit welcher das bis auf 150 Meter zurückgetretene und bis 50 F. h. aufgestiegene Meer über die Ufer hereinbrach. – In der Nacht vom 15. zum 16. August traf ein Erdbeben den nördlich von Guayaquil gelegenen Theil von Ecuador und das südliche Columbien und tödtete mindestens 30,000 Menschen. In Quito währte der erste, von N. nach S. gerichtete Stoß 18 Sekunden, zerstörte 7 Kirchen und viele Wohnhäuser gänzlich; die Stöße wiederholten sich bis zum 19ten 16 mal, so daß hier und in Puellaro, Cachiguanjo, Pincho, San Antonio etc. an 20,000 Menschen umkamen. Ibarra mit 10,000 seiner Bewohner existirt nicht mehr; Otavalo und alle umliegenden Dörfer sind mit 12,000 Bewohnern vernichtet; ebenso der Canton Cotacachi mit 8000 Bewohnern; an Stelle der Stadt trat ein See. Perucho mit allen seinen Kirchen und Kirchspielen liegt in Trümmern, unter denen Tausende begraben sind. Gewaltige Spalten machten alle Wege unpassirbar. Dabei hatte ein kleiner Seitenkrater des Cotacachi oder Muyusurco einen Ausbruch, und aus dem Vulkane Imbaburu ergoß sich ein verheerender Schlammstrom. – Am 19. August traf ein drittes Erdbeben Vorder-Bolivia und zerstörte Cosavilla und Curaguara de Carangas, im S. des Titicaca-Sees, total. – Der Meeresgrund an den Küsten des Großen Oceans soll sich an manchen Stellen um 200 F. gehoben haben.
Auf den Sandwichs-Inseln fühlte man beim Ausbruche des Mauna-Loa am 27. März die erste Erschütterung, und nun folgten 12 Tage lang etwa 2000 Stöße (am 28. 150, bis zum 22. April 100 bis 200 jede 24 Stunden); in der Zwischenzeit erhoben sich furchtbare Fluthwellen, welche ganze Ortschaften mit sich fortrissen. Der stärkste Stoß erfolgte am 2. April, nächstdem am 4., in Folge deren an unzähligen Stellen der Boden aufriß. Mitte August fühlte man täglich neue Stöße, und am 5. September senkten sich einige der Küstenstriche Hawaiis, selbst um 6 bis 7 Fuß.
Island erfuhr im Oktober schwache Erschütterungen, am 1. November heftige Stöße und während des Novembers wiederholt schwächere.
Zu den vulkanische Ausbrüche begleitenden Erdbeben gehören auch die am Vesuv am 3., 4., 8., 9., 10., 11. und 23. Januar, am 4., 5., 7., 15., 21. und 28. Februar, am 3. und 4. März, am 5. Mai und am 7. November beobachteten[WS 10]; an den letzteren schloß sich ein Ausbruch des Vesuvs an.
Vulkanische Eruptionen hatten: der Vesuv im Januar, die Fortsetzung [605] der am 13. November 1867 begonnenen, welche bis zum Mai währte; am 12. Oktober erfolgte wieder ein Ausbruch, der bis zum 27. November dauerte: Santorin beharrte in der Thätigkeit. Der Conchagua am 23. Februar, nachdem bloß am 16. Februar 115 Erdbebenstöße stattgefunden hatten; der Mauna Loa auf Hawaii am 2. April, der Iztaccihuatl in Mejico am 20. Juli; der Aetna am 27. November, an welchem Tage die Vesuv-Eruption aufhörte.
Fuchs bemerkt, daß von den von ihm aufgezählten 94 Erdbeben 29 im Winter, 12 im Frühling, 19 im Sommer, 34 im Herbst; 25 in den Morgenstunden, 10 um Mittag, 31 am Abende statt hatten.
Während des Jahres 1869 fanden Erdbeben statt:
Im Bereiche der ungarischen und siebenbürgischen Gebirge: zu Kronstadt am 10. Januar, in Temesvar ein starkes am 31. Januar, im Csik-Szek anfangs Februar; zu Czalos-Petri am 7. Mai; zu Ketegyhaza am 27. Mai; zu Neusohl am 29. Mai; zu Jasz-Apati ein heftiges am 18. Juli; zu Kiskomáron am 6. August; zu Agram am 10. August; zu Jaszberény am 8. September und ferner; in der Ebene der Baczka am 12. November; zu Neumarhof in Croatien ein heftiges am 5. Dezember; in Rustschuk am 21. Februar; in Bukurescht in Rumänien am 1. April.
Im Gebiete der Alpen: Kattsdorf in Oesterreich und Umgegend erfuhr am 11. Februar ein heftiges Erdbeben; Gmünd u. a. O. am 21. Dezember; Windischgräz in Steiermark am 1. März, von donnerähnlichem Getöse begleitet; der Semmering erfuhr einen heftigen Stoß am 25. März; Kirchbach in Steiermark am 23. November; Laibach am 22. April, und Radmansdorf in Krain am 13. Oktober; Cormons am Isonzo am 2. Oktober[WS 11]; Brixen und das Grödenthal in Tirol am 14. Mai, Innsbruck und Trins am 25. November; Feldkirch am 22. Februar; Altorf, Bürglen, Seedorf am 26. November; im Wallis geschahen Erschütterungen am 15. Mai und am 23. Juli.
In Deutschland hatte Heidelberg leichte Erschütterungen am 18. Februar, und, zugleich mit ganz Hessen, auch am Hohen Asperg in Württemberg fühlbar, am 31. Oktober und an den folgenden Tagen; Chemnitz und Mittweida in Sachsen am 6. Juni, Dresden und Eger am 28. Juni (Eger schon am 17. Juni); Hildesheim am 19. Dezember; Bonn und Umgebung am 17. März, und, zugleich mit einem großen Theile der Rheinprovinz, am 2. Oktober. – Merkwürdig waren die Erdbeben, welche das Gebiet des Odenwaldes, Spessart, Vogelsberg, Taunus, Hunsrück etc. betrafen. Am 13. und 20. Januar spürte Darmstadt ziemlich starke Stöße, welche man bis Frankfurt, Aschaffenburg und Heidelberg empfand. Vom 28. Oktober 4 Uhr [606] Nachmittags bis zum 22. November wiederholten sich die Erschütterungen, als deren Mittelpunkt sich das in der Mitte zwischen Darmstadt und Mainz gelegene Groß-Gerau erwies. Der Erschütterungskreis um diesen Ort hatte einen Radius von 16½ g. M., so daß derselbe bis Remagen und bis Hohen-Asperg in Württemberg reichte und etwa eine Fläche von 830 g. Q.-M. umfaßte. Aber so zahlreich auch die Stöße waren, deren jeder nur einen Theil dieses Bereiches traf (in Groß-Gerau konnte man am 2. November oft 20 in einer Stunde zählen und im Ganzen über 600), und manche so stark waren, daß Schornsteine herabstürzten, so ist doch nirgends eine wesentliche Beschädigung erfolgt. Diese Gegend war seither fast frei von Erdbeben gewesen.
Bigorre in den Pirenäen erlitt am 11. September einen starken Stoß. – Die Grafschaft Wicklow in Irland und einige Orte Suffolks in England am 2. und 9. Januar; Lancashire und die schottischen Hochlande am 14. und 28. März. – Einige Dörfer der dänischen Insel Seeland hatten am 28. Januar Erderschütterung, und Luleå in Schweden eine mehrere Sekunden anhaltende am 22. Januar.
In Italien spürte Florenz am 7. Februar leichte Erschütterungen, Siena ziemlich lange anhaltende am 13. April und Ende Septembers, Bologna am 25. Juni; Calabrien (Reggio, Pizzo, Filadelfia, namentlich Monteleone) in der zweiten Hälfte Dezembers. – Am 16. November traf ein heftiges Erdbeben das südliche Algier, namentlich Biskra; Sidi Alba wurde zum Theil, Seriana gänzlich zerstört. – Der nördliche Theil der dalmatischen Küste, Zengg und Otocac, hatte am 30. März anhaltende Erschütterungen; Dalmatien litt von Anfang des Jahres, besonders Ragusa, und vom 2. bis 30. Mai erfolgten 53 Stöße, von denen die am 5. und 22. Mai die heftigsten waren.
Im östlichen Theile des Mittelmeeres trafen Erdbeben am 28. Dezember die Ionischen Inseln, namentlich Sa. Maura, das ganz zerstört wurde, und Corfu; Athen und Umgegend am 1. März; Rhodus am 18. April wurde heftig und andauernd betroffen, am 16. Mai schwach, im Juni noch fortdauernd, sogar noch am 1. Dezember. Das Erdbeben am 18. April traf die Insel Symi furchtbar. An letzterem Tage empfand Smyrna heftige Stöße, Marmarita und Mullah wurden halb zerstört, und Onlah im Mentescher Kreise versank nach heftigen Stößen ganz. Konstantinopel empfand leichte Erschütterungen am 18. April; mehrere Orte in der Krim litten sehr am 11. Oktober; Petrowsk im Kaukasus wurde am 1. April erschüttert, Schamachi erfuhr am 21. August und 2. September zerstörende Stöße.
Täbris in Persien hatte am 3. Januar ein heftiges Erdbeben; viele Gegenden Ostindiens am 10. Januar, hauptsächlich das Katschha-Teraï, [607] südlich von Bhutan, so daß ganz Assam verheert wurde; Japan wurde im März, im April, und Yokohama am 16. Juni erschüttert; Manila am 1. Oktober.
Die Provinz Canterbury in Neu-Seeland wurde am 5. und 6. Juni durch mehrere Stöße erschüttert, Christchurch am 27. Juli, Napier am 4. August. – Am 7. Juni fand ein sehr heftiges Erdbeben auf den Sandwichs-Inseln statt.
In Amerika spürten Boston und New-Brunswick am 22. Oktober ein Erdbeben; die Inseln St. Thomas und St. Croix am 10. Februar und erstere Insel am 17. September ein sehr heftiges; Jamaica am 15. September; Californien und Nevada erfuhren am 27. Dezember ein sehr heftiges Erdbeben, bei welchem Mauern einstürzten. – Ende Januars hatten Guatemala und Amatitlan Erdbeben; am 21. Juli Guayaquil in Ecuador ein furchtbares; Peru im Februar, März und April (auch in Santiago in Chile), namentlich aber vom 20. bis 24. August (am 19. 40 heftige Stöße), wo Tacna, Arica und Iquique besonders betroffen wurden; Valparaiso in Chile am 15. März.
Von den hundert von Fuchs aufgezählten Erdbeben ereigneten sich 26 im Winter, 27 im Frühling, 25 im Sommer, 22 im Herbst.
Vulkanische Eruptionen ereigneten sich: In Santorin, wo dieselben fortdauerten; der Vesuv begann seine Thätigkeit am 28. November; der Isalco am 19. Mai; der Colima am 13. Juni; der Cotopaxi hatte im August eine gesteigerte Thätigkeit; der Pichincha und Isluga hatten im August eine Eruption; der Osorno hatte im Sommer einen Ausbruch, der Misti im September, zugleich mit dem Villarica; der Aetna am 26. September, der Puracé in Ecuador am 1. Oktober.
Von den 1870 geschehenen Erdbeben erwähne ich: Das starke am 28. Februar und 1. März in Triest und Fiume; das am 24. Juni in Smyrna und Damaskus; das verheerende am 12. Juli in Smyrna und vielen anderen Orten Klein-Asiens, in Kreta, Cypern und Aegypten; das am 27. Juli in Lissa (Dalmatien).
[608]
In den letzten Jahren wurden mehrere Expeditionen ausgesandt, die wohl hauptsächlich rein astronomische Zwecke verfolgten, die aber doch auch wegen der von ihnen ausgeführten Ortsbestimmungen für die mathematische Geographie nicht ohne Bedeutung sind und deshalb hier aufgeführt werden mögen. Es sind nämlich die Expeditionen, welche zur Beobachtung der totalen Sonnenfinsternisse am 18. August 1868 und am 7. August 1869 ausgesandt wurden. Diese Phänomene waren neben einer consequent durchgeführten Beobachtung der Sonnenflecke die einzigen Mittel, welche uns nähere Aufschlüsse über die Constitution unseres Centralkörpers verschaffen konnten, und es ist deshalb begreiflich, daß große Kosten auf die Ausrüstung dieser Expeditionen verwandt wurden. Die Sonnenfinsterniß vom 18. August 1868 war der Beobachtung besonders günstig wegen der langen Dauer ihrer Totalität, ihr verdanken wir es auch hauptsächlich, daß die Kenntnisse über unsern Sonnenkörper sich so bedeutend erweitert haben.
Von den verschiedenen über die Constitution unserer Sonne aufgestellten Hypothesen sind besonders die von Kirchhoff und Faye zu nennen. Nach Kirchhoff’s Ansicht besteht die Sonne aus einem festen oder tropfbar flüssigen Kern, der sich in der höchsten Glühhitze befindet. Dieser Kern ist mit einer Atmosphäre von etwas niedrigerer Temperatur umgeben, in der sich ein großer Theil der Bestandtheile des Kerns in Dampfform vorfindet. Diese Dämpfe bewirken durch ihre Absorption das Auftreten der dunkelen, sogenannten Frauenhofer’schen Linien im Sonnenspectrum. Die Spectraluntersuchungen lehren nämlich, daß ein fester oder tropfbar flüssiger Körper im Zustande der Glühhitze Licht von allen möglichen Farben aussendet und daher im Spectroscop ein continuirliches Spectrum giebt. Das Spectrum glühender Gase oder Dämpfe dagegen ist discontinuirlich, es besteht aus hellen Linien oder Banden getrennt durch dunkele Zwischenräume. Bringt man aber zwischen den weißglühenden Körper, der für sich allein ein continuirliches Spectrum giebt, und das Spectroscop ein Gas von etwas niedriger Temperatur, so erscheint das Spectrum des weißglühenden Körpers nicht mehr continuirlich, sondern es ist mit dunkeln Linien oder Banden durchzogen. [609] Diese dunkelen Räume befinden sich aber genau an derselben Stelle, an welcher sich die hellen Linien oder Banden zeigen, wenn man das glühende Gas für sich allein durch das Spectroscop betrachtet. Jedes glühende Gas sendet nun aber ganz bestimmte helle Linien aus, folglich kann man den Körper schon aus der Lage der Linien, die er im Spectroscope zeigt, bestimmen. Ebenso kann man natürlich einen Stoff bestimmen, wenn man ihn in Dampfform vor einen weißglühenden Körper von erhöhter Temperatur bringt, es zeigen sich dann im Spectrum dunkele Linien statt der vorher gesehenen hellen. Auf diese Weise hat Kirchhoff an der Sonnenoberfläche verschiedene Stoffe nachgewiesen, die sich auch bei uns auf der Erde befinden. – Die Sonnenflecke werden nach Kirchhoff auf folgende Weise erklärt. Entstehen durch irgend welche Processe Condensationen in der Sonnenatmosphäre, so zieht diese Condensation, die etwa mit einer Wolke verglichen werden kann, eine andere in höhern Regionen nach sich, da sie vermöge ihrer Dichte die Ausstrahlung des Kernes nach oben hin hindert. Mit Hülfe beider Condensationen lassen sich nun die hauptsächlichsten Erscheinungen bei den Sonnenflecken erklären.
Dieser Kirchhoffschen Hypothese entgegen stellte Faye im Jahre 1865 eine andere auf, etwa dahin gehend, daß der Sonnenkörper sich noch im gasförmigen Zustande befinde. An der Oberfläche bilden sich Incrustationen, die als feste Masse intensiv leuchtend sind und so das Licht verursachen, welches die Sonne uns zusendet. Diese festeren Massen folgen dem Gesetz der Schwere, sie sinken an verschiedenen Stellen nach dem Mittelpunkt der Sonne hin, werden aber auf ihrem Wege allmählig wieder in den gasförmigen Zustand aufgelöst. Die Sonnenflecke bezeichnen nun diejenigen Stellen der Sonnenoberfläche, wo diese Incrustationen verschwunden sind.
Eine der beiden angeführten Hypothesen, oder auch beide, dienen jetzt allen übrigen als Grundlage, ein Jeder aber, der sich mit der Sonne beschäftigt, hat dieselbe nach seiner Ansicht modificirt. Bei der Aufstellung der erwähnten Hypothesen waren die Gebilde, die man bei totalen Sonnenfinsternissen am Rande der Sonne erblickt – die Protuberanzen – wenig oder gar nicht berücksichtigt. Gerade über diese räthselhaften Erscheinungen haben die letzten totalen Sonnenfinsternisse näheren Aufschluß gegeben. Wir haben uns dieselben als Ströme leuchtender Gase zu denken, die durch irgend welche Processe säulenartig oder in den verschiedensten Formen von der Sonnenoberfläche emporgetrieben werden. Sie bestehen hauptsächlich aus Wasserstoff und nehmen sehr rasch die verschiedensten Formen an. Der pariser Astronom und Physiker Janssen, der zur Beobachtung [610] der totalen Sonnenfinsterniß vom 18. August 1868 nach Indien gesandt war, entdeckte zuerst, daß sich diese sogenannten Protuberanzen zu jeder Zeit am Sonnenrande nachweisen lassen, da sie im Spectroskop helle Linien geben. Auch auf ihre Größe und Gestalt kann man schließen durch die Bewegung des Spectroskops am Sonnenrande hin. Dieselbe Entdeckung, die Janssen in Indien machte, wurde kurze Zeit darauf und unabhängig davon von Lokyer in London gemacht. Professor Zöllner in Leipzig hat im letzten Jahre gezeigt, daß man mit Hülfe eines stark zerstreuenden Spectroskops und bei hinreichender Weite des Spaltes die Form und Gestalt der Protuberanzen vollständig erkennen und übersehen kann.
In Bezug auf die Natur der Corona oder des hellen Kranzes, mit welchem Sonne und Mond zur Zeit der totalen Verfinsterung umgeben erscheinen, steht noch nichts Bestimmtes fest.
Von den Expeditionen, die 1868 zur Beobachtung der totalen Sonnenfinsterniß ausgesandt wurden, mögen folgende erwähnt werden:
1) Eine norddeutsche rein astronomische Expedition nach Vorderindien. Beobachtungsort Mulwar, dessen Lage wie folgt bestimmt wurde: nördliche Breite 16° 34′ 40″,0, östl. Länge von Greenwich 5h 3m 20s,0.
Außerdem wurde noch die geographische Lage des Mausoleums von Khawas Khan in Bejapur wie folgt bestimmt: nördliche Breite 16° 49′ 10″2; östl. Länge von Greenwich 5h 3m 10s. Die Längendifferenz beider Orte folgte aus der Chronometerübertragung: Mulwar 7s,2 östl. von Bejapur.
2) Eine norddeutsche vorzugsweise photographische Expedition nach Aden. Beobachtungsort das Vorgebirge Marshag-hill, dessen nördl. Breite 12° 45′ 47″,1 und dessen Länge 3h 0m 11s,7 östl. von Greenwich.
3) Eine österreichische astronomische Expedition, ebenfalls nach Aden. Nördl. Breite des Beobachtungsortes 12° 45′ 46″,6, Länge 3h 0m 12s,0 östl. von Greenwich.
4) Mehrere englisch-indische Expeditionen in Vorderindien, besonders eine englische bei Massulipatam, wo sich auch der Franzose Janssen befand.
5) Eine französische Expedition nach Siam. Lage des Beobachtungsortes Wha-Tonne nördl. Breite 11° 42′ 35″,0, Länge 6h 39m 8s,4 östl. von Greenwich. Außerdem wurde noch von dieser Expedition die geographische Lage von Saigun bestimmt und gefunden: Nördl Breite 10° 46′ 47″,2, Länge 7h 6m 56,0s östl. von Greenwich.
[611] Von den meisten dieser Expeditionen wurden meteorologische, von einigen auch magnetische Beobachtungen angestellt, aus denen folgende Mittelwerthe hervorgehoben werden mögen.
In Aden, wo vom 5. bis zum 19. August beobachtet wurde, fand sich für diese Zeit als mittlere Temperatur 24°,1 R. Das Maximum der Temperatur wurde Aug. 17 um 12h Mittags zu 26°,2, das Minimum am 8. Aug. um 9h Morgens zu 21°,3 R. beobachtet. Aus sämmtlichen Beobachtungen ergiebt sich der mittlere Barometerstand 753mm,1; der größte beobachtete Werth weicht 7mm,0 von dem kleinsten ab. Der Beobachtungsort auf Marshag-hill lag 170 pariser Fuß über der Meeresoberfläche.
In Wha-Tonne ergab sich aus Beobachtungen, die vom Juli 29 bis Aug. 17 angestellt wurden: Max. 32°,3 C.; Min. 23°,1 C.; mittlere Temperatur 32°,3 C. Barometer im Mittel 756mm,4.
Magnetische Beobachtungen wurden in Mulwar, Bejapur und Wha-Tonne angestellt. Die Mittelwerthe sind:
Mulwar: | Declination | 1° 5′,5 | Ost; | Inclination | 14° 13′,8 | nördl. |
Bejapur: | – | 1° 52′,5 | – | – | 15° 38′,4 | – |
Wha-Tonne: | – | 2° 41′,8 | – | – | 8° 36′,4 | – |
Die Declination in Wha-Tonne gilt für 4h Nachmittags. Für diesen Ort fanden die Minima 7h Morgens und 5h Abends, die Maxima um 1 Uhr Nachmittags und Nachts statt. Die tägliche Variation betrug 4′,3.
Die Declinationen sind insofern wichtig, als sie von den bisher angenommenen nicht unbeträchtlich abweichen.
Die Sonnenfinsterniß vom 7. August 1869 wurde fast nur von Amerikanern beobachtet, deren Hauptbeobachtungsorte folgende sind:
1) Des Moines, Iowa. Nördliche Breite 41° 35′ 35″,9, Länge 6h 14m 28s,1, westl. von Greenwich.
2) Bristol, Tennessee. Nördl. Breite 36° 35′ 30″, Länge 5h 23m 48s westl. von Greenwich.
3) St. Pauls Junction, Plymouth, Iowa. Nördl. Breite 42° 37′ 30″, Länge 6h 24m 35s westl. v. Greenw. (Die geographische Lage der beiden Beobachtungsörter 2) und 3) ist nicht direct bestimmt, sondern aus der Coast Survey abgeleitet.)
4) Plover Bay, Sibiren. Nördliche Breite 64° 22′ 25″, Länge 11 33 22,1 westl. von Greenw.
Meteorologische Beobachtungen wurden besonders in Des Moines angestellt. Dieselben erstrecken sich von Juli 24 bis Aug. 9 und geben im Mittel: Max. 25°,8 R., Min. 13°,3 R. Barometer 29,05 Zoll englisch.
[612] Die in der Nähe von Plover Bai angestellten magnetischen Beobachtungen ergeben für die Declination 18° 40′,0 östl.
Bekanntlich werden die Zeit- und Breitenbestimmungen auf See und fast allgemein auch von Reisenden auf dem Lande vermittelst Messungen von Sonnenhöhen ausgeführt. Bei einer Zeitbestimmung kommt es darauf an, daß die Aenderung der Sonnenhöhe möglichst rasch vor sich geht und daß diese Höhe noch genau erhalten wird, wenn auch die Breite des Orts, die man bei der Rechnung der Beobachtung anzuwenden hat, nur genähert bekannt ist. Beide Bedingungen sind erfüllt, wenn die Sonne nahe im Osten oder Westen beobachtet wird. Eine Breitenbestimmung dagegen wird am vortheilhaftesten dann angestellt, wenn ein Fehler der Uhrzeit nur einen geringen Einfluß auf dieselbe ausübt, wenn also die Höhe der Sonne sich in einem Zeitraum nur verhältnißmäßig sehr wenig ändert. Deshalb wählt man für Breitenbestimmungen Circummeridianhöhen aus, man mißt also die Höhe der Sonne nahe um die Zeit des wahren Mittags. Hieraus folgt, daß man die Beobachtungen, welche sowohl Zeit als Breite bestimmen sollen, zu verschiedenen Tageszeiten in mehreren Stunden Zwischenzeit anzustellen hat. Auf dem Lande entstehen hieraus in der Regel wenig Nachtheile, desto mehr aber auf See, wo das Schiff seinen Ort fortwährend ändert und daher durch Peilung und Log der Schiffsort zur Zeit einer Beobachtung auf den zur Zeit der andern Beobachtung übertragen werden muß. Diese Uebertragung ist in der Regel sehr ungenau und daher eine Quelle beträchtlicher Fehler, die fortfallen würden, wenn Zeit und Breite nahe in demselben Moment bestimmt werden könnten, oder wenigstens so, daß zwischen den Bestimmungen beider Elemente keine ganz beträchtliche Zeit, höchstens etwa eine Stunde, verfließt. Professor Hansteen hat daher schon 1821 eine Methode vorgeschlagen, nach welcher sowohl Zeit als Breite aus Circummeridianhöhen bestimmt werden können. Ohne von diesem Vorschlage etwas zu wissen, wiederholte von Littrow denselben im Jahre 1842, er kam aber erst zum ersten Male bei der Erdumseglung der Fregatte Novara zur Ausführung. Obwohl diese Methode, die häufig kurzweg die Littrow’sche[WS 12] Methode genannt wird, gute Resultate[WS 13] lieferte und außerdem aus den angeführten Umständen viele Vortheile bot, scheint sie späterhin doch nicht sehr in Aufnahme gekommen zu sein. In neuester Zeit ist sie bedeutend vereinfacht und zugleich erweitert, was vielleicht dazu beitragen wird, ihr auf See mehr Eingang zu verschaffen.
Ihre Auseinandersetzung findet man in: v. Littrow, Annalen der Wiener Sternwarte, 21. Theil. Wien 1841. Astrand, Neue einfache Methode für Zeit- und Längenbestimmung. Wien. Acad. 1867. Juli 11. [613] v. Littrow, Andeutung für Seeleute etc. Wien. Acad. 1868. Oppolzer, v. Littrow’s Methode der Zeitbestimmung durch Circummeridianhöhen in ihrer praktischen Anwendung. Wien. Acad. 1868. No. 5.
Daß diese Methode zu Breitenbestimmungen dient, ist ohne Weiteres aus den anfangs erwähnten Gründen klar, daß sie aber auch zu Zeitbestimmungen trotz der geringen Höhenänderung der Sonne zur Mittagszeit verwendet werden kann, beruht darauf, daß Ungenauigkeiten der Refraction, des Indexfehlers, der angenommenen Breite etc. nur von sehr geringem Einfluße auf die Zeitbestimmung sind und also nur der Pointirungsfehler übrig bleibt. Die Zeit wird nämlich hauptsächlich aus der Differenz zweier gemessenen Höhen bestimmt, auf jede wirken die genannten Fehler fast in gleicher Weise. Uebrigens dürfen die gemessenen Höhen nicht gar zu nahe bei dem wahren Mittage liegen; von Littrow schlägt vor, die erste Beobachtung 30m und die zweite etwa 10m vor demselben anzustellen. Die Zeitbestimmung soll hauptsächlich zur Längenbestimmung oder vielmehr zur Ermittlung von Längendifferenzen mit Hülfe eines Chronometers von bekanntem Gange dienen, sie braucht daher nicht viel genauer zu sein, als der Fehler beträgt, um den man sich im Stande des Chronometers irren kann, ein Fehler von ein paar Secunden wird zulässig sein.
Wenn diese Methode auch auf dem Lande mit derselben Sicherheit wie auf See anwendbar ist, so wird man doch stets, wo es sich um möglichst gute Resultate handelt, die bisherigen Methoden in Anwendung bringen.
Für Basismessungen bei größeren Triangulationen ist von Steinheil in München ein neuer Apparat vorgeschlagen. Er besteht in einem Rade, das auf Eisenbahnschienen fortbewegt wird und welches so durch die Zahl seiner Umdrehungen die Länge des zurückgelegten Weges angiebt. An dem Apparat sind zugleich geeignete Vorrichtungen angebracht, um für jeden Moment die Neigung der Bahn gegen den Horizont, die Temperatur des Rades und die Anzahl der Umdrehungen angeben zu können. Umfassende Versuchsreihen, welche alle Bedenken, die sich gegen diesen Apparat erheben lassen, widerlegten, sind bis jetzt noch nicht angestellt.
Anmerkungen
- ↑ Dieser Ueberblick der geographischen Ereignisse letzter Zeit schließt sich zunächst an den bei dem vierzigjähr. Stiftungsfeste 1867 erschienenen Jahresbericht an.
- ↑ Derselbe ist nach einem Besuch der Diamantfelder von Hope-Town nach Europa zurückgekehrt, während E. Mohr zu weiteren Untersuchungen nach den Victoria-Fällen aufgebrochen war.
- ↑ Die Schritte, die im Juli zu solchem Zwecke gethan waren, wurden durch die Katastrophe der politischen Ereignisse in unerwarteter Weise gehemmt, und konnten seitdem noch nicht wieder aufgenommen werden.
- ↑ In seinem Bericht an das Ministerium des Innern über einen Besuch der Minen von La Carolina in San Louis, von Uspallata und Paramilla in Mendoza, von Tontal, Castaño, Huachi, Gualilan und La Huerta in S. Juan, Famatina in La Rioja, in Belen, Catamarca und Cordoba schätzt Major Rickard (1870) das Ergebniß (von 1868) auf 3654 Unzen Gold, 418,273 Unzen Silber, 751½ Tonnen Kupfer, mit dem Werth von 133,000 Lst. (1086½ Tonnen Blei ausgeschlossen).
- ↑ The British Pleistocene Mammalia. London. Printed for the Palaeontographical Society. 1868, 1869.
- ↑ Einige der letzteren, z. B. die auf Taf. 50 und 51 dargestellten, erregen als angebliche Producte menschlichen Kunstfleißes unser gerechtes Bedenken.
- ↑ Vergl. darüber R. Hartmann in der Zeitschrift für Ethnologie, Jahrgang 1870.
- ↑ Vergl. R. Hartmann in dieser Zeitschrift Jahrg. 1868, S. 249 und S. 419.
- ↑ Ein im April 1867 zum Besuche der Weltausstellung in Paris anwesender, sehr gebildeter Spanier, dessen Bekanntschaft ich zufällig machte, berichtete mir in der That von der Cabra monte oder Steinbock und von dem Carnero-cimarron (Musimon [Ovis] musimon?) in den hohen Schneegebirgen seines Vaterlandes.
- ↑ Im Besitze der Gesellschaft naturforschender Freunde.
- ↑ Ebenso durch sein neuester Zeit englisch und deutsch herausgegebenes Werk über Theorie der natürlichen Zuchtwahl, eine Zusammenstellung von innerhalb 15 Jahren einzeln publicirten Essays.
- ↑ Vergl. R. Hartmann: Geographische Verbreitung der im nordöstlichen Afrika wild lebenden Säugethiere. Zeitsch. der Gesellsch. für Erdkunde. Band III, S. 30 ff.
- ↑ Ueber die Verschiedenheit in der Schädelbildung des Gorilla, Chimpanse und Orang-Utang, vorzüglich nach Geschlecht und Alter, nebst einer Bemerkung über die Darwin’sche Theorie. München 1867, S. 33.
- ↑ Es schien angemessen, die Forschungen von Botanikern, welche in außereuropäischen Ländern seßhaft sind, daher oft mehr Gelegenheit zu eingehenden Forschungen haben, als Reisende auf ihren immerhin vorübergehenden Streifzügen, mit zu berücksichtigen.
- ↑ Ref. verdankt diese und einige andere Hinweise auf russische Quellen der Zuvorkommenheit unseres Kollegen Dr. Marthe.