Textdaten
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Autor: Paul Gerhard Heims
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Titel: Feuer im Schiff
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 9, S. 280–281, 291
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[280]

Feuer [im] Schiff.
Nach einer Originalzeichnung von M. Schöne.

[291] Feuer im Schiff (Zu dem Bilde S. 280 und 281.) Zwei Feinde hat der Seemann, die er fürchtet. – Dazu gehört nicht der Sturm. Ein gutes Schiff und tüchtige Leute an Bord, die werden mit ihm fertig, wenn sie nicht Land in Lee, so daß der Wind das Schiff an die Küste treibt, zu nah’ dabei haben. Schlimmer, viel schlimmer sind Nebel und Feuer! Gegen den Nebel hilft keine Tüchtigkeit und keine Tapferkeit. Da liegt das beste, schönste, mit den auserlesensten Seeleuten bemannt Schiff wie außerhalb der Welt. Ringsum alles grau, alles still; verhüllt jedes Licht; wohin treibt Strom und Flut das Schiff? Drüben, in der Ferne, ein dumpfes Brüllen: ein Nebelhorn von einem andern Schiff; ein Läuten von einer Schiffsglocke: wo kommt der Schall her? Oder plötzlich ein Kanonenschuß! In nächster Nähe taucht aus dem grauen Nebel ein dunkler Koloß auf: kann er noch vorbeischeren? Rammt er jetzt? Gott sei Dank – er hat noch Ruder legen können – für einen kurzen Augenblick leuchtet durch die Nacht das rote glühende Licht seiner backbordschen Positionslaterne – ein Rauschen, Pusten, Dröhnen – und wieder alles still, alles dunkel, alles tot – –

„Schiff ahoi!“ klingt nicht gut im Nebel; aber fürchterlicher klingt der Ruf: „Feuer im Schiff!“ – Wenn an Land die strohgedeckte Hütte brennt, so liegt ringsum das weite Feld, und wenn auch das Dach herniedersaust, das nackte Leben kann der Bauer doch retten. Aber aus dem brennenden Schiff giebt’s kein Entrinnen. Drinnen der Tod – draußen der Tod! Der draußen freilich besser als der drinnen. Aber es ist immer ein Sterben. Und die Boote? Ein Kauffarteifahrer mag zur Not seine ganze Bemannung in die Boote aufnehmen können; aber wie wenige gewinnen in diesen „Rettungsfahrzeugen“ das Land! Und ein großer Passagierdampfer? – Ja, wenn die Botte überhaupt noch zu Wasser gelassen werden können! Es ist bald 40 Jahre her, da verbrannte am 13. September 1858 auf offener See das Auswandererschiff „Austria“, ein Ereignis, das an Grausigkeit durch keine der neuen und neuesten Brandkatastrophen übertroffen wird. Mit 600 Fahrgästen war sie von Hamburg nach New York unterwegs, als sie durch Unvorsichtigkeit Feuer fing. Es war eine glühende Kette in Teer getaucht, um im Zwischendeck zu räuchern. Sie entfiel vorzeitig den Händen der Leute und steckte sofort die Planken des Decks in Brand, und der Kessel mit Teer fiel um! Siebzig von sechshundert wurden, zum Teil furchtbar verbrannt, von einem französischen Segelschiff aufgenommen, dessen Kapitän in seinem Bericht das gräßliche Elend schilderte: „Als meine Boote sich näherten, warfen sich eine Menge Leute ins Wasser, von denen die meisten ertranken. Eine Mutter stürzte sich hinab mit ihren drei Kindern: wir retteten nur die Mutter! – Ueberall die gleichen Schreckensscenen, überall Schreien und Kreischen der Wut und der Verzweiflung und der fürchterlichsten Qualen.“

An der Küste von Florida trieb 1889 eine mit Moos bewachsene Flasche an, in welcher sich ein Zettel befand, auf dem in etwas verwischter Schrift stand: „Der Dampfer ‚Germania‘ steht in Flammen und wir sinken. Wind heftig; Boote unbrauchbar. Alle Hoffnung aufgegeben.“ Die „Germania“ war ein AUswandererschiff mit 1000 Fahrgästen, das 1884 verschollen ist. – Wenn die rote Flagge am Großmast ausflattert: „An den Feind!“ da mag sich’s gut sterben; aber im Nebel und in Feuersglut ruhmlos in Qual verderben, davor behüte Gott jeden braven Seemann in Gnaden! P. G. Heims.