Abschied (Die Gartenlaube 1898/9)
Abschied (Zu dem obenstehenden Bilde.) Die Abschiedsstunde ist da, der künftige Student kann es kaum erwarten, endlich aus dem kleinen Nest heraus in die Freiheit zu kommen. Das Elternhaus mit mütterlichen Thränen und väterlichen Ermahnungen liegt bereits hinter ihm, nun schnell noch zur Großmutter hinauf! Aber seltsam – wie ihn da im wohlbekannten einfachen Stübchen die alten, treuen unbestechlichen Augen so eindringlich ansehen, da schlägt er die seinigen nieder und horcht, gegen seine Absichtm, auf die ernsten Abschiedsworte der alten Frau. Sie weiß manches von ihm, was die Eltern nicht wissen, hat’s verschwiegen und sorgenvoll im Herzen getragen, hat ihm geholfen, wo es Not that, und ihn weiter geliebt, denn er ist ja ihr erster, liebster Enkel und er ist ja gut im innersten Herzen, das weiß sie gewiß – nur leichtsinnig und bestimmbar!
Drum legt sie jetzt ihre ganze Liebe und Sorge in den Druck der runzelvollen, arbeitsamen Hand, in die Ermahnungen dieser Scheidestunde. Und der Junge fühlt wieder einmal, wie so oft früher, sein Herz weich werden … und vielleicht wird er sich später doch, wenn die bösen Buben locken, dieser alten treuen Augen erinnern und der schwachen Stimme, die so flehentlich bittet: „Bleibe brav, mein Junge, bleibe brav!“ ..Bn.