F. L. Böhler & Sohn, Plauen, Vogtl., Mechanische und Handweberei, Hand- und Maschinenstickerei, Konfektion

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Titel: F. L. Böhler & Sohn, Plauen, Vogtl., Mechanische und Handweberei, Hand- und Maschinenstickerei, Konfektion
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aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Zweiter Teil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1893
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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F. L. Böhler & Sohn, Plauen, Vogtl.
Mechanische und Handweberei, Hand- und Maschinenstickerei, Konfektion. (Gegründet 1795.)


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F. L. Böhler & Sohn, Plauen, Vogtl.
Mechanische und Handweberei
Hand- und Maschinenstickerei, Konfektion. (Gegründet 1795.)

Ein altes Kaufmannsgeschlecht, bei dem mit der Firma die merkantilen und technischen Fähigkeiten sich forterbten vom Vater auf den Sohn, vom Sohn auf den Enkel! Es gehört zu jenen, die mit sicherem Blicke das Treiben des Weltmarktes überschauen, den Zeitströmungen in Handel und Wandel zu folgen vermögen, und – kaufmännisch universell veranlagt – in jeder Branche heimisch sind, beim Aufkommen neuer Industriezweige aber als Pioniere bahnbrechend vorangehen. So fabrizierte die bereits im Jahre 1795 gegründete Firma F. L. Böhler & Sohn im Laufe der Jahrzehnte die mannigfaltigsten Artikel der Textilbranche; so war sie es, die im Vogtlande die sogenannte Schweizerappretur einführte und damit eine neue Epoche der sächsischen Textilindustrie einleitete; sie war auch Käuferin der ersten Stick-Maschine, die der Erfinder (Heitmann in Mülhausen i. E.) 1834 fertig gestellt hatte!

Der Begründer des Hauses ist Herr Friedrich Ludwig Böhler aus Frankfurt a. M., der vom Jahre 1826 an, als sein Sohn Christian Böhler als Teilhaber eintrat, „F. L. Böhler & Sohn“ firmierte. Seiner ganzen Persönlichkeit nach weit über das Niveau des Alltäglichen hinausragend, verlieh er seinem Hause und den in demselben herrschenden Geschäftsnormen den Stempel markiger Eigenart, dessen Gepräge heute, wo schon sein Urenkel die Geschicke der Firma mit leitet, deutlich noch sichtbar ist. Der Generation entsprossen, welche am Ende des 18. Jahrhunderts auf geistigem, politischem und industriellem Gebiete jene gewaltigen Umwälzungen herbeiführte und miterlebte, gesättigt vom Geiste des Philanthropentums, das damals seine ersten und herrlichsten Blüten zeitigte, vertrat er den Typus des damaligen Manufaktureibesitzers und Handelsherrn im großen Stile. Es ist erklärlich, daß ein Mann von solcher Welt- und Lebensanschauung sich nicht darauf beschränkte, von seinem Kontor aus die Firma zur Blüte zu bringen und lediglich für den eigenen Wohlstand zu sorgen, Leute dieses Schlages pflegen neben ihren Berufsgeschäften noch eine weiterreichende gemeinnützige Thätigkeit zu entfalten. Und so sehen wir denn den „Vater Böhler“ – wie ihn in späterer Zeit seine Arbeiter und die ihm Nahestehenden nannten – bald während der Truppendurchzüge in den Kriegsjahren als Vermittler und Dolmetscher fungieren, bald als Senator – eine Würde, die ihm infolge seiner vielfachen Dienste in jenen bewegten Zeiten verliehen worden war – die Geschicke der Stadt Plauen mit lenken. Mit seinen Arbeitern verkehrte er, wie auch jetzt noch seine Nachfolger, in der leutseligsten Weise. Manche Thräne hat er getrocknet, manchen bescheidenen Hausstand begründet und fördern helfen. Noch heute ist das Andenken an den „Vater Böhler“ lebendig, dem es vergönnt war, unter allgemeiner Beteiligung der ganzen Bevölkerung sein 50-jähriges Geschäftsjubiläum zu feiern, bei dem ihm Se. Majestät [Ξ] König Friedrich August den Zivilverdienstorden I. Klasse verlieh. So wenn er nach Tagen saurer Arbeit ganz unvermittelt eine kleine Festlichkeit veranstaltete und mit den Worten: „Meine Herren, die Arbeit ist kein Has und läuft nicht fort, lassen Sie uns heute ausruhen und fröhlich sein!“ Feierabend ansagte. Dieser schöne Zug der Menschen- und Arbeiterfreundlichkeit ging auch auf den „Herrn Sohn“ über, wie man seinen Nachfolger und Mitinhaber zum Unterschiede von dem Alten nannte, der u. a. im Jahre 1849 der in Dresden tagenden „Kommission zur Verbesserung der Arbeiterverhältnisse“ angehörte, wie er denn auch verschiedene Male in den Landtag gewählt wurde. Die Bestrebungen zur Lösung der „sozialen Frage“ nahmen damals zum erstenmale Form und Gestalt an und wurden als „Organisation der Arbeit“ bezeichnet. Zur Ehre der gegenwärtigen Inhaber der altberühmten Firma sei es gesagt, daß diese Traditionen auch heute noch hochgehalten werden; die Oberleitung trachtet auch heute noch danach, den Wünschen der Arbeiter nach Möglichkeit gerecht zu werden.

Doch zurück zur Geschichte der Firma! Nach dem Tode Christian Böhlers ging das Geschäft 1866 an dessen drei Söhne über. Bis 1878 bewirtschafteten es dieselben gemeinsam. Zu dieser Zeit verzog dann der älteste Sohn, Herr Stadtrat Ludwig Böhler, nach Berlin. Seit dem im Jahre 1887 erfolgten Tode des jüngsten Bruders, Herrn Rudolf Böhler, führt Herr Julius Böhler mit seinem Sohne Hermann, dem bisherigen Prokuristen, die Firma weiter.

Die Firma F. L. Böhler & Sohn fabrizierte, wie schon bemerkt, im Laufe der Zeit die mannigfaltigsten Artikel sowohl in Hand- und später Maschinenstickerei, als auch in Langwaren auf Hand und – seit 1866 – auf mechanischem Wege. In den dreißiger Jahren gründete dann Herr Christian Böhler eine chemische Bleich- und Appretur-Anstalt, welche, wie bereits erwähnt, für die Einführung der Schweizerappretur bahnbrechend war. Es geschah dies hauptsächlich zur Veredelung seiner eigenen Fabrikate, dieselbe ging im Jahre 1879 infolge Erbteilung in die Hände seines Enkels, Herrn Dr. Albrecht Nietzsche, über.

Gegenwärtig sind im Etablissement der Herren F. L. Böhler & Sohn drei Dampf-Kessel aufgestellt, die eine 80-pferdige Zwillingsmaschine mit doppelter Kondensation bedienen. In einem großen, im modernsten Stile erbauten Websaale befinden sich 320 Webstühle in Thätigkeit, außerdem noch Vorbereitungsmaschinen neuester Konstruktion. Im geschlossenen Etablissement sind ca. 300 Arbeiter und Arbeiterinnen, außer dem Hause mindestens die gleiche Anzahl beschäftigt. Als Rohmaterialien verarbeitet die Fabrik Baumwollen-Garne, welche aus süddeutschen Spinnereien bezogen werden; nur die feineren Sorten, bis zu Nr. 200, liefert ausschließlich England. Die Fabrikate des Etablissements waren und sind auch heute noch dem deutschen Markt angepaßt. In den 40er und 50er Jahren boten die Messen in Leipzig, Frankfurt a. M. und a. O. lohnende Absatzgebiete; nach und nach aber erfolgte, den Gepflogenheiten der Neuzeit entsprechend, der Verschleiß der Waren nach dem In- und Auslande durch direkte Offerten.

Die Fabrikate der Firma F. L. Böhler & Sohn wurden vielfach ausgezeichnet, so bereits 1825 mit der großen goldenen und 1867 in Chemnitz durch die große silberne Medaille; ferner auf den Ausstellungen in New-York 1850, in London 1851, in Paris 1855 und 1867. Auch wurde dem Etablissement mehrfach die Ehre des Besuches sächsischer Könige zuteil, zuletzt 1876 durch Se. Majestät König Albert. Ebenso besichtigten der Leiter der Königl. Gewerbeschule, hohe Ministerialbeamte und Leiter preußischer Hochschulen seine Einrichtungen.

So hat denn die Firma F. L. Böhler & Sohn nahezu ein Jahrhundert in Blüte gestanden, sie ist vom Begründer auf den Urenkel übergegangen und hat jederzeit eine achtunggebietende Stellung innerhalb der sächsischen Großindustrie eingenommen. Ein erfreuliches Bild entrollt sich, wenn man auf die Wandelungen und Schicksale zurückblickt, die sie durchmachte, ein erfreuliches auch für die Zukunft, denn ihre Devise ist und war von jeher: „Vorwärts!“