Fürsorge für sprachlich zurückgebliebene Kinder

Textdaten
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Titel: Fürsorge für sprachlich zurückgebliebene Kinder
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aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 68
Herausgeber: Adolf Kröner
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Erscheinungsdatum: 1894
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[68] Fürsorge für sprachlich zurückgebliebene Kinder. Zu den schönen Errungenschaften der Neuzeit gehört es, daß man das Wesen vieler Sprachgebrechen ergründet und Wege gefunden hat, dieselben zu heilen. Am erfreulichsten ist dabei, daß dank der allgemeinen Schulpflicht und der Fürsorge der Behörden die erprobte Hilfe den weitesten Kreisen zu teil wird. Stotternde und stammelnde Kinder sind gegenwärtig noch sehr zahlreich; man rechnet, daß von hundert Kindern, die in die Schule aufgenommen werden, eins mit irgend einem Sprachgebrechen behaftet ist. Die allermeisten dieser Kleinen können recht wohl richtig sprechen lernen, wenn sie in eine zweckmäßige pädagogisch-gymnastische Behandlung kommen. Darum werden in verschiedenen deutschen Staaten Kurse abgehalten, in denen gelehrt wird, wie man mit derartigen Sprachkranken verfahren muß. In Berlin bildet seit dem Jahre 1885 Dr. Gutzmann Lehrer und Aerzte in der geeigneten Heilweise aus, und bis jetzt haben 206 Lehrer, 3 Lehrerinnen und 20 Aerzte von ihm Unterricht erhalten, um in verschiedenen Gegenden segensreich zu wirken. Nach einem neuerdings veröffentlichten Berichte sind von den Schulkindern, welche von diesen Lehrern behandelt worden sind, 80% dauernd von ihrem Uebel befreit worden. In manchen Städten sind die Stotterer und Stammler fast gänzlich verschwunden. Wenn man bedenkt, wie störend ein Sprachgebrechen im praktischen Leben ist, wie oft es den fleißigsten Menschen am Vorwärtskommen hindert, so muß man diese Fürsorge aufs wärmste anerkennen.

Aber wir dürfen auf dem einmal beschrittenen Wege nicht innehalten, sondern müssen rüstig vorwärtsschreiten, damit kein neuer Nachwuchs von Stammlern und Stotterern entstehe. In dieser Hinsicht hat das Haus wichtige Pflichten zu erfüllen. Sprachgebrechen werden um so eher geheilt, je früher sie in zweckmäßige Behandlung kommen. Eltern von Kindern, die mit Sprachgebrechen behaftet sind, sollten darum nicht versäumen, frühzeitig sachverständigen Rat einzuholen. Dies ist auch deshalb notwendig, weil es vorkommen kann, daß Kinder, die sprachlich zurückgeblieben sind, für geistig zurückgeblieben gehalten und in Anstalten gebracht werden, in welchen sie nicht die für sie erreichbare Bildungsstufe erhalten. Auf diesen Umstand wies neuerdings Moritz Weniger in der Flugschrift „Nicht geistig, sondern sprachlich zurückgebliebene Kinder“ (Karl Bauch, Gera) hin. Man findet in dieser Schrift vielfache Belehrung, nur möchten wir nicht empfehlen, auf brieflichem Wege Auskunft über die Natur des Sprachleidens zu suchen; die persönliche Untersuchung durch einen Sachverständigen, sei es Arzt oder Lehrer, ist unbedingt nötig, und einen solchen zu finden, dürfte gegenwärtig nicht mehr schwierig sein; die Leiter der in so vielen Städten bestehenden Heilkurse für sprachleidende Schulkinder werden gern die gewünschte zuverlässige Auskunft geben. *