Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Für Caviaresser!
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aus: Die Gartenlaube, Heft 45, S. 546–547
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Hausbibliothek für Länder- und Völkerkunde (Bd. 2), Christoph Hansteen: Reise-Erinnerungen aus Sibirien, 1854, digital: MDZ München
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[546] Für Caviaresser! Prof. Chr. Hansteen, in seiner so eben erschienenen sehr interessanten „Reise nach Sibirien“ beschreibt den Fang des Störs folgendermaßen: Im Uralflusse finden sich eine große Menge Knorpelfische vom Störgeschlecht (Acipenser): der weiße Stör oder Hausen (A. Huso, Russisch Bjeluga), der Sterlet (A. Ruthenus), der gemeine Stör (A. Sturio), und mehrere andere. Die Fische gehen zu Anfang des Jahres aus dem caspischen Meere in den Uralfluß hinauf, um dort ihren Rogen abzusetzen, aus welchem man den bekannten Caviar gewinnt, wie aus ihrer Schwimmblase die sogenannte Hausenblase. Da ihr Fleisch wohlschmeckend ist, so stehen die größeren Arten hoch im Preise, und der Fang dieser Fische bildet die Grundlage zu dem Reichthume der uralischen Kosaken. Es soll Kosaken geben, welche 40,000 Rubel und darüber besitzen. Die Frau des reichen Kosaken trägt, wenn sie im vollen Staate ist, als Kopfbedeckung eine Art Haube in Gestalt eines Helms, welcher auswendig ganz dicht mit großen echten Perlen bedeckt ist, die fast so groß wie Kaffeebohnen sind und einen Werth von fast tausend Rubeln haben. Eine solche Haube wurde uns von dem reichen Kosakenoffizier gezeigt, bei dem wir in Uralsk den 21. und 22. Januar wohnten. Da wir von ihm erfuhren, daß nach einigen Tagen die jährliche Winterfischerei aus dem Flusse in der Nähe des Vorpostens Mergenew stattfinden sollte, so begaben wir uns dorthin. In der Nähe des Orts fanden wir mehrere Kosakenschlitten, beladen mit einer Menge theils kürzerer theils längerer weißer Stäbe, an deren dickerem Ende ein starker und spitziger eiserner Haken, etwa wie ein Schiffshaken, befestigt war. Als wir am 24. des Morgens an der bezeichneten Stelle ankamen, fanden wir ungefähr 4000 Kosaken beisammen, und an dem hohen Ufer des Flusses war eine zwölfpfündige Kanone aufgestellt. Um neun Uhr Vormittags ließ der commandirende Kosakenoffizier einen Signalschuß mit der Kanone abfeuern, zum Zeichen, daß die Fischerei ihren Anfang nehmen sollte. Jetzt stürzten die Kosaken auf den Fluß zu und stellten sich an einem Orte, wo die Fische, wie man wußte, sich sammelten, in vier, etwa drei- bis vierhundert Schritt von einander entfernten Reihen quer über den Fluß auf. Mit eisernen Hacken hieben sie nun in bestimmten, kaum ein paar Ellen abstehenden Entfernungen runde Löcher in das Eis, die etwa einen Fuß im Durchmesser hatten. An jedem Loche standen zwei oder drei Kosaken; und als dies in wenigen Minuten fertig war, so wurde ein Fischhaken in jedes Loch bis etwa einen Fuß vom Grunde hineingesteckt. Da die vielen weißen Stäbe, welche gleichsam vier Zäune quer über den Fluß bilden, dem Fische Schrecken einjagen, so sucht er nach einer von den Seiten zu entfliehen – vielleicht wird er auch von Neugier gelockt und stößt dabei gegen einen oder den andern Haken. Sobald der Kosak diesen Stoß fühlt, bewegt er den Haken auf und ab und dreht den Stab allmälig in den Händen herum, damit die Spitze des Widerhakens den Leib des Fisches treffen kann. Fühlt er, daß der Widerhaken gefaßt hat, so ruft er seine Kameraden zu Hülfe. Diese erweitern das Loch, welches gewöhnlich nicht groß genug ist, um den mächtigen Fisch hindurch zu bringen, mit eisernen Hacken, während er selbst alle seine Kräfte anspannt, den arbeitenden Fisch dicht unter der Fläche des Eises festzuhalten. Hat der Widerhaken den Fisch nahe am Kopfe oder am Schwanze gefaßt, so wird er durch die vereinigten Kräfte von drei Männern heraufgezogen. Hat er sich dagegen an der Mitte des Leibes befestigt, so geht dies nicht an; Derienige, welcher den Fisch hält, führt dann den Stab nach der einen Seite des Loches, worauf ein Gehülfe einen andern Haken an der entgegengesetzten Seite hinabsteckt, um seinen Widerhaken an einer andern Stelle am Leibe des Fisches, näher am Kopfe oder Schwanze desselben, zu befestigen. Wenn dieser fühlt, daß er sicher gefaßt hat, so macht der Erste seinen Haken los, und der Andere führt den Stab gegen die Seite des Loches hin, wo der Erste war; dies wird nun wechselsweise fortgesetzt, bis man endlich dem Kopfe oder Schwanze so nahe gekommen ist, daß der Fisch durch das Loch gezogen werden kann. In weniger als zwei Stunden hatte man nach der Aussage des Offiziers für mehr als 400,000 Rubel Fische gefangen. Viele russische Kaufleute und Kleinhändler hielten mit ihren Schlitten auf dem Eise, kauften die größten Störe und bezahlten sie baar, um, wenn sie die Fuhre voll hatten, augenblicklich nach Moskau oder Petersburg zu fahren. Die Russen halten nämlich den Caviar (auf Russisch „Ikra“, d. h. Rogen) nicht für ganz delikat, wenn er über acht Tage alt ist. Die einzelnen Eier sind von der Größe einer mittelgroßen Erbse, ganz klar und durchsichtig, jedoch mit einem kleinen graulichen halbdurchsichtigen Fleck auf der einen Seite. Der Rogen wird in einen Trog gelegt und ein wenig feines Salz darauf gestreut, worauf er vorsichtig umgerührt wird, doch ohne daß die Eier zerrissen werden, und man kann ihn dann nach einigen Tagen, bisweilen mit etwas feingehackten Zwiebeln, genießen. Er ist sehr wenig gesalzen und so weit angenehmer, als der feinste und fetteste norwegische Häring, weshalb man ihn auf dem Frühstückstisch eines jeden wohlhabenden Russen findet. Der Caviar, welcher zu uns kommt, ist der Rogen von einem anderen kleineren Fisch; die Eier sind nicht größer als Vogeldunst und werden stark gesalzen und gepreßt. Er ist dunkelgrün, gewöhnlich streng und hat nicht die geringste Ähnlichkeit mit dem obenbeschriebenen frischen.

Der befehligende Kosaken-Offizier wollte einige von den Kosaken überreden, uns ein paar Fischhaken zu überlassen, um unser Glück zu versuchen, wir lehnten es jedoch ab, von dieser Höflichkeit Gebrauch zu machen. Indessen nahm unser Dolmetscher, Gustav Rosenlund, das Anerbieten an, und war glücklich genug, einen ziemlich großen Stör zu fangen, dessen Werth auf 50 Rubel angeschlagen wurde; doch war er so bescheiden ihn an den Besitzer des Fischhakens gegen ein paar kleinere einzutauschen, die er augenblicklich einem Händler für 25 Rubel verkaufte. Dieser Stör ist kreideweiß unter dem Bauche, und hat daher den Namen Bjeluga oder Weißfisch bekommen. Die größten, die wir sahen, waren sechs bis acht Fuß lang und um den Leib von der Dicke eines Mannes; der Preis eines solchen konnte sich, sagte man auf 200 Rubel belaufen. Derselbe hat eine langzugespitzte Schnauze und ein breites Maul, welches von der Spitze der Schnauze ziemlich entfernt ist. Der Sterlet ist viel kleiner, zwischen 1 und 13/4 Fuß lang, hat ein gelbliches Fleisch, ist fett und sehr wohlschmeckend. Er findet sich auch in den Flüssen, die von dem nördlichen Sibirien in’s Eismeer münden, wie Ob und Jenisei.

Gleich nach Beendigung der Fischerei werden einige der größten Fische ausgewählt und durch eine Deputation von drei Kosaken-Offizieren zum Kaiser nach Petersburg geschickt. In der bei dieser Gelegenheit stattfindenden Audienz wird dem Führer der Deputation ein inwendig vergoldeter silberner Pokal, in Gestalt einer ziemlich weiten flachen Vase auf einem mäßig hohen Fuße, mit Dukaten gefüllt, überreicht. In einem Glasschrank, der einiges Silberzeug enthielt, zeigte uns unser Wirth in Uralsk drei solche Pokale, welche er als Führer solcher Deputationen zu verschiedenen Zeiten erhalten [547] hatte. Das Einzige, was ihm nach seiner Aussage bei diesen Audienzen beschwerlich fiel, war, daß er nach den Regeln der Hofetikette seinen gewöhnlich langen und dicken Bart abrasiren mußte, wodurch er sich auf der winterlichen Heimreise jedesmal Zahnschmerzen zuzog, bis der Bart wieder gewachsen war.