Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau/§. 3. Betsaalbau

« Beilage III. Lieder und Lectionen zur Eröffnungsfeierlichkeit des Diaconissenhauses zu Neuendettelsau Wilhelm Löhe
Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau
§. 4. Das Diaconissenhaus als Schule »
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§. 3.
Betsaalbau.
     Als der erste Abendgottesdienst im ersten Betsaal des neugeweihten Hauses vorüber war, verwandelte sich der Betsaal in einen Speisesaal und die reiche Festversammlung hielt, die Armen der Gemeinde von Dettelsau in ihrer Mitte, in der stillen und finstern Nacht ein dem Eindruck nach gewiß glorios zu nennendes Liebesmahl. Auf dem Altare brannten noch alle die reichen Kerzen vom Abendgottesdienste und unter den vielen scheinenden Lichtern saß fröhlich vor Gott dem Herrn die Schaar derjenigen, die nun miteinander aßen und tranken. Die Erinnerung an dieses Eßen und Trinken vor Gottes Angesicht übertrifft alle Erinnerungen des schönen Tages. Und während nun jeder von den Anwesenden dem neuen Hause irgend eine Gabe bot, ein Hochzeitgeschenk zum neuen Haushalt, kamen auch zwei, eine adelige Jungfrau und eine fromme christliche Ehefrau, der später das Büchlein von der weiblichen Einfalt gewidmet wurde. Die Erste, sonst keine Dichterin, brachte sinnig dem Hause sieben Brote und ein Lied, und die andere, auch sonst keine Dichterin, neben| treuen Gaben frommer Liebe gleichfalls ein Lied und diese beiden Lieder haben wir dieser kleinen Erinnerungsschrift am Schlusse beigefügt.

     Wer so, wenn auch nur so, wie es im vorigen Stück geschehen, den schnellen Gang des Bau’s und die Entwickelung der Diaconissenanstalt in’s Auge gefaßt hat, oder auch wirklich miterlebt, ohne an die Baukosten zu denken, der hat freilich leichten Gang. Ganz anders aber ist der schnelle Lauf der Begebenheiten dem an’s Herz gefallen, der die Zahlungen zu leisten hatte, die so viele Tausende betragen haben. Ich will einmal hierher schreiben, was man im Jahre 1854 für den Bau zu zahlen hatte.

     Das Grundstück, worauf wir bauten, sammt der Handablösung hat 745 Gulden betragen, die Erde- und Brunnen-Arbeiten 586 Gulden und 31 Kreuzer, die Bruchsteine sammt Fuhrlohn 1283 Gulden und 59 Kreuzer, die Backsteine mit Fuhrlohn 3018 Gulden und 38 Kreuzer, das Bauholz 1501 Gulden und 57 Kreuzer. Für Solenhofer Steine mit Fuhrlohn 162 Gulden und 52 Kreuzer, für verschiedene Materialien wurden 66 Gulden und 37 Kreuzer, für Maurerarbeit 2188 Gulden und 43 Kreuzer, für Zimmermannsarbeit 523 Gulden und 44 Kreuzer bezahlt. Der Schreiner bekam 813 Gulden und 3 Kreuzer, der Schlosser 323 Gulden und 50 Kreuzer, der Schmied 127 Gulden und 23 Kreuzer. Für Dach und Dachrinnen hatte man 1242 Gulden und 54 Kreuzer zu entrichten. Das gemalte Betsaalfenster kostete 87 Gulden 18 Kreuzer, gewöhnliche Glaserarbeit 34 Gulden. Zimmermalerei und Zimmerschmuck 137 Gulden und 57 Kreuzer. Die Kosten der Waßerheizung beliefen sich gleichfalls auf fast 1000 Gulden. Für Kücheneinrichtung hatte man 118 Gulden und 34 Kreuzer zu zahlen, für Bewirthung der Fuhr- und Arbeitsleute 89 Gulden und 341/4 Kreuzer, für| verschiedene Ausgaben 132 Gulden und 23 Kreuzer, für eine Menge unbelegter Kleinigkeiten 351 Gulden. Von dieser gesammten Bausumma waren nur 1196 Gulden und 35 Kreuzer Geschenke vorhanden, alles andere war geliehenes Geld. Der den Bau wagte, war ein völlig armer Mann. Als ihn der Beamte fragte, wie viel bereits Aussicht auf Baucapital da war, sagte er: 7000 Gulden. Der Beamte fragte weiter, ob das Geschenke seien, er aber sprach: „nein, verzinsbares Darlehen“ und erinnert sich noch, was für ein geringschätziges Gesicht er darauf davontrug. Und in der That, war es doch ein reines Wagniß, aus einer solchen Armuth sich zum Bau zu entschließen. Da könnte man freilich denken, der Glaube sei eben so groß gewesen, daß man sich vor der Schuldenlast nicht gefürchtet habe. Der Bauunternehmer hatte aber seinen Glauben nicht gewogen, oder vielleicht überhaupt nicht gewußt, was er that. Er war niemals mit viel Geld umgegangen und hatte noch wenig Erfahrung gemacht, wie schwer es herbeizuschaffen sei, und dennoch wagte er, was er wagte, und die ihm das Geld liehen, wagten selbstverständlich auch. Dennoch ist weder der Bauunternehmer, noch der Gelddarleiher zu Schanden geworden, und wenn auch mehr als einmal dem ersteren die Waßer der Sorge bis an den Hals giengen, so ist ihm doch nicht blos zu der Bausumma, sondern zu noch weit mehr geholfen worden, nämlich zu all dem großen Haufen Geld, den er auch ferner zum Ankauf so vieler Grundstücke und zum Bau so vieler Häuser bedurft hat. Man kann sagen, er sei dem Schwimmer gleich gewesen, der, je länger er schwamm, desto mehr Kraft fühlte, weiter zu schwimmen. Obendrein hatte er gar kein Talent zu betteln und Geschenke aufzubringen und hatte auch kaum Jemand um Gaben angesprochen. Er glich nicht dem großen und reich gesegneten Bettler, dem, wie ich gehört habe, ein| großer frommer König mit lachendem Munde auswich, weil er das Kalb aus der Kuh nähme. Man kann auch nicht sagen, daß die Erzählungen August Hermann Franke’s sich wiederholt hätten, dem so oft das Geld, das er brauchte, unverhofft und wunderbar zu Händen kam. Im Gegentheil hat er je und je die Last der Sorgen schwer empfunden und getragen und dennoch wurde ihm geholfen. An Allerseelen des Jahres 1868 hat er die Geschenke zusammenschreiben laßen, die ihm seit 1854 für das Diaconissenhaus gemacht worden sind und siehe es war nur an Geld 33,601 Gulden und 21 Kreuzer und als er um Allerseelen 1869 zusammenzählte, wie viele Geldgeschenke ihm im Jahreslaufe zu gleichem Zweck übergeben worden waren, waren es in dem einen Jahre 11,866 Gulden und 30 Kreuzer. Wenn der, auf dem im Grunde die ganze Last der Sorgen liegen blieb zurückdenkt und sich die Frage vorlegt, ob er es noch einmal wagen möchte, all das Geld aufzubringen, das er früherhin für die amerikanische Mission und späterhin für das Diaconissenhaus aufgebraucht hat, so schaudert er vor einem „ja“ zurück. Er hat für sich gar nichts erworben und nichts davon gebracht und doch ist eine solche große Summa von Geld durch seine armen Hände zum Reiche Gottes gefloßen, ich meine nicht allein die Geldgeschenke und die Naturalgeschenke der Menschen, sondern den gesammten und reichen Gottessegen, der über sein Thun gekommen ist. Als ich ein junger Prediger war, ergriff mich einmal ein Schmied bei meiner Hand, führte mich auf seinen Kornboden und zeigte mir seine reiche Ernte. Der rauhe Mann fing an zu weinen und sagte: da sehen Sie die Menge meiner Sünden! Wie oft habe ich an den Schmied gedacht und an sein Schuldgefühl, das beim Anblick meiner Ernten, die ich für Gott und sein Reich einheimsen durfte, noch 1000 Mal größer sein sollte. Wie gesagt,| ich kann mich nicht rühmen, ein Nachfolger August Hermann Franke’s, oder eines anderen etwa noch größeren Geldsammlers für das Reich Gottes zu sein. – Ich werde wohl auch sagen dürfen und müßen, daß meine Waßer im Vergleich mit denen anderer der stillen Quelle Siloah’s glichen, aber in Wahrheit, es ist mir doch soviel durch Gott gelungen, daß ich es nicht zählen noch wiegen kann, und ich bin doch auch eines von den vielen Beispielen, an denen Gott bewiesen hat, was seine Mutter sagte: die Hungrigen füllt er mit Gütern und läßet die Reichen leer. Ich bin ja kein Crösus und überhaupt kein Geldmensch, aber die Unterstützung des großen Gottes habe ich dennoch oft genug zu schauen bekommen. Ich möchte jedermann auf dem Wege der Barmherzigkeit vor Leichtsinn und Übermuth warnen, aber auch keinen züchtigen, der in seiner Liebesarbeit seine Hoffnung und sein Vertrauen auf den reichen Gott zu setzen wagt. Es lebt noch immer der alte Gott, der die Hungrigen mit seinen Gütern füllt und die Reichen leer läßt.
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     Seitdem das Mutterhaus der Schwestern von Dettelsau entstanden ist, sind fünfzehn Jahre vergangen, und seitdem kann man sagen, ist aus dem einen Hause eine ganze Colonie entstanden. Das jüngste Gebäude, schöner und vortheilhafter aufgebaut, als andere, verdanken wir, wie es geht und steht, einem großen Geschenke, und niemals haben wir Baues halber es leichter gehabt als dieses Mal. Man hat ja immer nur einfach zum Bankier in Nürnberg schicken dürfen, wenn man Geld bedurfte. Dennoch hat eine mit der Führung betraute Schwester ihren Mitschwestern schriftlich versichert, daß es keine ärmeren Anstalten gebe, als die Dettelsauer, aber die Schwester weiß eben doch nicht, was leere Kassen sind, und die länger in der Arbeit und Mühsal stecken als sie, vertragen es zwar, daß Schwestern so etwas sagen oder schreiben,| aber beistimmen werden sie nicht. Das, was die edle Schwester meint, von der ich rede, haben wir nun schon oft genug erlebt. Leere Häuser füllen sich mit Inventar und zusehends werden durch den Segen des Herrn allmählich die armen Kassen voller. Wer nun das öfter gesehen und erfahren hat, der hat sein Auge auf dieselbe Erfahrung immer neu gespannt, wird selber immer ärmer und freut sich dennoch des zunehmenden Gelingens des Ganzen. Wir können getrost die Armuth merken und erfahren, wenn wir dabei dennoch leben und gedeihen, die Sorgen zerrinnen und der Glaube triumphiert. Als das erste Jahr sich wendete, baute ein treuer Freund, unser lieber Hausmeister Johannes Wegmann von Memmingen auf eigne Kosten den östlichen Flügel des Diaconissenhauses, bewohnte ihn auch eine Zeit lang, bis er ihn dem Diaconissenhause ganz überließ und das Haus dafür sein Schuldner wurde. Da war wörtlich geschehen, was wir vom Schluß des ersten Jahres bemerkt hatten, daß sich treue Freunde vorgenommen hätten, im nächsten Jahre den fehlenden Flügel zu bauen. Unter diesem immer zunehmenden Zuwachs an Gebäuden, an Besitz und Habe und allerdings auch an Schulden schwoll die Einwohnerschaft des Diaconissenhauses immer mehr an, bis die kleine Pfarrkirche, in welcher diese zunehmende Menge ihre Bergung suchte, keinen Platz mehr hatte. Ein Zimmermann von Handwerk meinte, vor all den Leuten werde die Kirche feucht. Wenn nun aber die Kirche feucht wird und vor lauter Diaconissen und Schülerinnen kein Platz mehr sein wird, was fängt man dann an? Der Pfarrer lachte über die naß werdende Kirche, sah aber doch wohl ein, daß bei der Zunahme der Anstalt eine Fürsorge für das andächtige Publikum getroffen werden müße. Nun aber wird, wenn einmal wirklich die Dettelsauer Kirche zu klein werden wird, dem armen Gebäude sehr schwer zu| helfen sein. Nach Osten hin steht es fast schon am Wege und man kann es nicht rücken, weil da der beste Theil des ganzen Hauses, der im Jahre 1692 gebaute Kirchthurm, steht. Nach Westen kann man auch nicht rücken, denn da ist der Schloßgraben. Nach Norden kann man nicht rücken, wenn man nicht erst das Mesnerhaus und seine Pertinentien wegrückt, und ebenso wenig kann man nach Süden rücken, da müßte es eine neue Kirche geben. Da handelte es sich bei der Kirchennoth um eine schwierige Erweiterung an Ort und Stelle. Jedes Räumchen mußte benützt werden, um für das Allgemeine eine erkleckliche Erweiterung herzustellen. Wirklich begab sich Professor Böhrer, der Baumeister des Diaconissenhauses, in die Noth und zeichnete eine neue Kirche, die den Beifall von allen denen hatte, die gerne geholfen hätten. Der Pfarrer versammelte die Kirchenverwaltung und stellte den Umbau der alten Kirche sehr plausibel vor, die Kirchenverwaltung aber wollte nicht – warum? Weil sie wußte, daß die Gemeinde Hand- und Spannfrohn leisten müßte. Der Pfarrer meinte, er wolle besondere Anstrengungen machen und gerade aus der augenblicklichen Verlegenheit könnten solche Umstände hervorgehen, daß die Gemeinde außer Hand- und Spannfrohn wenig oder nichts aufwenden müßte, um eine neue Kirche zu bekommen, aber die Kirchenverwaltung traute nicht; der Pfarrer warnte, weil vielleicht die günstige Gelegenheit, wenn man sie einmal vorübergehen ließe, nicht wieder kommen könnte. Die Kirchenverwaltung aber blieb bei dem Mistrauen, so daß wirklich von dem Plane im Ernste keine Rede mehr sein konnte. Wie viele haben das schon bedauert, aber ändern hat man es nicht mehr können. Aus dieser wahren Geschichte kann man die Nothwendigkeit eines eignen Betsaals für die Diaconissen erkennen. Unter solchen Umständen konnte man sich nicht wundern, daß allmählich in der| Conferenz des Hauses der Gedanke Platz griff, den Diaconissen einen eigenen Betsaal zu bauen, einen Entschluß, der seine natürlichen Feinde in den Herzen der Baulustigen selber haben mußte, weil doch immer noch die Frage nicht siegreich beantwortet werden konnte, ob denn überhaupt das Diaconissenwerk zu Neuendettelsau Stand haben werde und zu Kräften kommen könnte. Häuser wurden zwar, eines nach dem andern gebaut, und Diaconissen wurden ausgesegnet, aber das Ganze stand doch nur auf wenigen Augen, und was dann? Aber genug, am 25. Februar des Jahres 1858 wurden wirklich die ersten Steine zum Bau des Betsaals auf den Bauplatz gefahren. Die Genehmigung zum Bau eines Betsaals wurde wirklich gegeben. In Bechhofen brach man die Steine zu den Grundmauern und die Meinung war, der ganze Bau solle nicht mit Schulden aufgeführt werden, sondern als freies Opfer aus seinem Grunde hervorwachsen können. Es wurde daher auch an der Treppe des Diaconissenhauses eine Kasse angebracht und mit einer passenden Überschrift versehen, um die Leute eines guten Willens zur Unterstützung des Werkes einzuladen. Am 20. August 1858, da der Pfarrer des Ortes gar nicht einmal anwesend war, sondern seiner Gesundheit wegen in einem Bade (Karlsbad), wurde der Grundstein zum Betsaal gelegt. Die Chronistin der Diaconissenanstalt schreibt darüber das Folgende: „Das Wetter war günstig. Um 1/25 Uhr Abends versammelten sich in dem bisherigen Betsaale die Glieder des Hauses, die zu der Anstalt gehörigen und andere dem Hause befreundeten Bewohner des Dorfes. Vor aller Augen wurden nun folgende Schriftstücke in die blecherne Büchse gebracht, welche in den Grundstein eingeschloßen werden sollte. Zuerst eine Urkunde, welche also lautet: Im Namen Jesu. Urkunde bei der Grundsteinlegung dieses Betsaales.
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|      Am 23. Juni 1854 wurde der Grundstein zum Diaconissenhause gelegt.

     Am 12. October 1854 wurde es eingeweiht und eröffnet.

     Am 1. October 1855 wurde die Küche und Waschküche vollendet.

     Am 10. November 1855 wurde der östliche Flügel fertig.

     Am 14. Dezember 1855 wurde die Anstalt für Blöde und Schwachsinnige eingeweiht.

     Am 1. November 1856 wurde das Backhaus zu Ende gebracht.

     Am 14. August 1857 wurde die Pfründeanstalt eröffnet.

     Am 20. August 1858 wurde der Grundstein zu diesem Betsaal gelegt.

     Die Diaconissenanstalt besaß an Äckern 21 Tagewerk und 11 Decimalen, Wiesen 1 Morgen 17 Decimalen. – Siebenundfünfzig waren ausgesegnete Diaconissen. –

     Präsenzstand des Hauses am Tage der Grundsteinlegung war 94.

     Rector war Johann Conrad Wilhelm Löhe. Conrector Ernst Friedrich Lotze.

     Oberin Amalie Eleonore Auguste Rehm.

     Lehrer waren Doctor Ignaz Enzler, Cantor Georg Güttler, Maler Albert Schramm. –

     Pfarrer war der Rector des Hauses.

     Zu dieser Zeit herrschte über das Königreich Bayern, zu welchem Neuendettelsau gehört, Maximilian II. –

     Ferner wurde in den Grundstein gelegt: Der Bauplan des Hauses, einige Photographien, eine Ansicht des Diaconissenhauses und eine Liste mit den Namen aller Diaconissen und Schülerinnen des Hauses.

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     „Hierauf zog man aus dem Betsaal, um den Bauplatz herum, bis an den Grundstein und sang hiezu mehrere Verse des Liedes: Dir, Dir Jehovah etc. Der Zug bewegte sich in folgender Ordnung: Voran giengen die kleinen Schülerinnen, geführt von der ersten Lehrdiaconissin. Diesen schloßen sich die beiden fungierenden Geistlichen mit den männlichen Gliedern der Muttergesellschaft und den Lehrern des Hauses an. Hierauf folgte die Frau Oberin mit den ausgesegneten Diaconissen und den weiblichen Gliedern der Muttergesellschaft, und an diese reihten sich dann die Diaconissenschülerinnen und die Kranken. Den Schluß des Zuges bildeten die Schüler der Missionsanstalt.
     Als man an die Stelle der Grundsteinlegung, an der nordöstlichen Ecke des Chors, angekommen war, sang man alternierend den 133. Psalm, der von einer der Feier entsprechenden Collecte gekrönt wurde. Darnach legte Herr Inspector Bauer, als Vorsitzender der Muttergesellschaft in einer kurzen Rede der Versammlung die Veranlaßung und den Zweck dieses Baues auseinander, that die blecherne Büchse in den Grundstein und ließ den deckenden Stein darüber legen. Hierauf ergriff er den Hammer und that im Namen des rechten Baumeisters unseres Bethauses, im Namen des Vaters und des Sohnes und des h. Geistes die üblichen drei Hammerschläge. Dieselben wurden sodann wiederholt von Herrn Conrector Lotze, von der Baucommission, von einigen Gliedern der Muttergesellschaft, von der Frau Oberin, der Haushaltungs-, Kranken- und Lehrdiaconissin der Anstalt. Nachdem man den 122. Psalm mit abermaliger Collecte gesungen, gieng der Zug wieder in den Betsaal zurück. Hier wurde ein für die Festfeier von Herrn Cantor Güttler eigens componirter und trefflich eingeübter Kunstgesang nach den Worten des 84. Psalms angestimmt. Nach der Weise unserer täglichen Abendgottesdienste wurden hierauf drei Lectionen gelesen. Die erste von Jakobs Traum und der Salbung des Steins, 1. Mos. 28. Die zweite von dem geistlichen Bau der Kirche, da JEsus Christus der Eckstein ist, 1. Cor. 3. Die dritte von der Beschreibung des himmlischen Jerusalems, deren Mauern von Jaspis sind, Offenb. 21.
     An diese Lectionen schloß sich eine Ansprache, die der Herr Conrector Lotze als Vertreter des Vorstands hielt. Er stellte zuerst den vielfältigen reichen Segen dar, den uns der treue GOtt in dem bisherigen Betsaal, an diesem theuern Ort, seit seinem Bestehen bis hieher erwiesen hat. Nun hat er auch zum Bau eines neuen Betsaals, der| ein so hohes Bedürfnis der Anstalt ist, Muth und Freudigkeit gegeben und einen guten Anfang dazu, – wieder ein Zeichen seiner Gnade, die alle Morgen neu ist. Wo aber Gott so reichlich giebt, soll auch der Mensch geben und darbringen, was Gott gefällig ist. Und dazu wünschte Herr Conrector den Gliedern des Hauses zweierlei: heilige Einsamkeit und heilige Gemeinschaft. Rechte Einsamkeit ist ein seltenes hohes Glück, das viele in Wüsteneien gesucht und nicht gefunden haben, da ihr Herz voll Welt mit ihnen gieng. Die einsame Seele vergißt sich selber und die Welt, und legt sich betend JEsu zu Füßen. Nur aus der Vereinigung solcher einsamer Seelen entsteht die rechte Gebetsgemeinschaft, eine wunderbare Gebetsgemeinschaft der streitenden und triumphirenden Kirche vor dem Throne Gottes. Die Zeit des Baues bis zur Einweihung soll uns eine Zeit treuer Übung sein in beiden seligen Tugenden rechter Beterinnen.
     Hierauf sang man zwei Verse des Liedes: „Komm heiliger Geist etc. Auf den Gesang folgte das gewöhnliche Abendgebet mit besonderen, auf das Fest sich beziehenden Fürbitten. Dann wurde der Segen ertheilt und zum Schluß noch das Lied: „Nun lob mein Seel den HErren“ gesungen mit freudevollem Herzen.“ –

     Von dem 20. August an flackerte eine blauweiße Fahne mit schwarzem Kreuz auf rothem Grund, unter welcher das Wort oremus eingenäht war, über dem Bauplatz bis zur Vollendung des Baues, der man mit fröhlicher Hoffnung entgegensah. Mit dem Bau gieng es langsamer als bei den vorigen Gebäuden, aber es hatte treue Pfleger, die mit aufmerksamen und liebevollen Augen über seiner Vollendung wachten, Herrn Conrector Lotze und insonderheit den damaligen Rechnungsführer der Diaconissenanstalt, Herrn Director Alt. – Endlich am 11. April 1859 fand die Ausrichtung des Gebälkes von der Spitze des Baues herab statt. Der Zimmermann sprach damals das Folgende:

     „Es war am 20. August des vorigen Jahres, daß man nach vieler Mühe und Arbeit den Grund und Sockel, der diesen ganzen Bau und mich aus seiner Spitze trägt, geschloßen und feierlich gesegnet hat. Heute schreibt man den 11. April 1859, und es sind also 7 Monate| und 22 Tage vergangen, bis ich daher treten konnte aus meinen First und vor der geehrten Versammlung meinen Spruch thun. Der Winter hat uns im Bau unterbrochen, der so schnell und mit Macht über uns gekommen ist, sonst würden wir ihm nicht erst in der österlichen Zeit dieses Jahres sein Gebälk und seine Bedachung geben. Unüberwindliche Hindernisse einer früheren Vollendung haben sich uns in den Weg gelegt, aber sehet da, wenn auch allmählich und langsam, so sind doch auch wir unaufhaltsam hindurchgedrungen, und haben uns bis auf diese Höhe gehoben. Der Eifer, dem HErrn und seinen Diaconissen ein Bethaus zu errichten, hat uns bis hieher gebracht. Der Eifer war vom HErrn, und bis hieher hat uns also der HErr geholfen. Dafür sage ich da oben dem HErrn Preis und Dank, und mein Preis und Dank wird in den Herzen der Versammlung da unten seinen Wiederhall und sein Amen finden.
     Wenn ich von meiner Stelle abwärts sehe, so sehe ich freilich noch kein Bethaus, und noch nicht die ehrliche Pracht des Königreiches Christi. Gebälk und Gestein sehe ich bedeutungsvoll zusammengefügt; werden kann, was werden soll, aber noch fehlt dem Hause der Chor, das Heiligthum, und dem Ganzen die friedliche, behagliche, zur Einkehr und zur Anbetung einladende Vollendung und Schönheit. Es ist noch viel zu thun, wenn der Zimmermann auf dem First steht, viel Fleiß und Arbeit und viel Segen bedarf es noch, bis die Werkleute weggehen, und die Diaconissen da unten den Altar zur ersten Anbetung schmücken werden. Aber wenn man da oben unter freiem Himmel steht, so ist’s einem, als wäre man dem HErrn im Himmel näher, und man glaubt fröhlich, daß der, welcher das gute Werk begonnen hat, und uns zu Seinen Mitarbeitern gemacht, auch helfen werde bis zum letzten Stein, zum letzten Brett, und dem Ganzen die Krone der Vollendung geben. Darum freuen wir uns, daß wir soweit sind; schürzen und rüsten und aber auch zu weiterer Arbeit, und die Werkleute bitten die Versammlung um ihr Gebet. Noch sind wir auch mit diesem Bau, so zu sagen, in der Arbeit und in der Passion; in der ernsten Passionszeit richten wir das Gebälk auf. Die fröhliche Osterzeit vollbringen wir in fröhlicher Vollendungsarbeit dieses Baues; bis aber die Pfingstzeit herankommt, und man des Geistes gedenkt, aus dem das Schönste, was es auf Erden giebt, die Kirche Christi geboren wird, wie der Thau aus der Morgenröthe, dürfen, so hoffe ich, die Diaconissen von Dettelsau ihre Harfen stimmen und ihre Lieder zurichten,| damit sie, wie David, ihr altes Heiligthum unter das neue Obdach bringen. In dieser Hoffnung rufe ich euch fröhlich zu: Vorwärts! Zum HErrn in der Höhe aber ruft mein ganzer Geist und mit ihm die ganze Versammlung unter mir einmüthig:
     Kyrie Eleison, Christe Eleison, Kyrie Eleison. Amen.

     Am 24. Dezember 1859 schreibt die Chronik: „Den Bewohnerinnen des Diaconissenhauses wurde am diesjährigen Weihnachtsfeste eine ganz besondere Freude zu Theil, indem sie zum erstenmale in dem neuerbauten, obwohl noch nicht völlig vollendeten Betsaal ihren Hausgottesdienst halten durften.

     „Der bisherige Betsaal dient von nun an zu einem gemeinschaftlichen Eß- und Arbeitssaal, zum Familiensaale. Durch diese Hauptveränderung bekamen auch mehrere andere Zimmer eine neue Bestimmung. Das bisherige Eßzimmer, das zugleich Aufenthaltsort der Diaconissen war, ist nun Bibliothek, Paramenten- und Conferenzzimmer geworden, in das Paramenten- und Diaconissenzimmer sollen Kranke kommen; die besuchenden Diaconissen ihren Aufenthalt in der bisherigen Kanzlei haben, da diese in das Zimmer der Haushaltungs- und Krankendiaconissin verlegt wurde. In dem Krankenzimmer Nr. 10 wohnen nun die Küchen-, Kranken- und Haushaltungsdiaconissen.
     Zum ersten Male war die ganze Hausgemeinde in ihrem schön eingerichteten Reunionszimmer bei der Bescheerung am Christabend versammelt. Um 7 Uhr abends ertönte die Glocke und rief die Bewohnerinnen in den mit Guirlanden und Blumen geschmückten Saal, in dessen Mitte der im Lichterglanze strahlende Baum stand, der mit seiner Spitze durch die Dornenkrone zur Decke emporragte. Man stimmte zuerst den 2. Psalm an und las dann die drei für den Tag verordneten Lectionen. Hierauf hielt unser Herr Pfarrer eine kurze Ansprache, in welcher er die Gedanken nach Bethlehem lenkte zu der h. Familie, der wunderbaren, in welcher ein greiser Mann, ein Jungfräulein und ein neugebornes Kind vereinigt sind, und zwar ein Kind das der Vater und Schöpfer seiner Eltern ist. Die Absicht aber, in welcher Herr Pfarrer die Gedanken der Hörerinnen zur h. Familie lenkte, war insonderheit auch die, ihnen nahe zu legen, daß sie in einem Familienzimmer nun gemeinschaftlich leben und die Widersprüche vereinigen sollen, die zwischen Anstalt und Familie herrschen, indem sie eine unnatürliche Familie, zu einer übernatürlichen verklären. Nachdem| hierauf die drei Verse des Liedes: „Ermuntere dich mein schwacher Geist“ etc. gesungen waren, empfieng ein jedes fröhlich seine Gaben.
     Am 25., als am heiligen Christtag, fand der erste Hausgottesdienst in dem schönen neuen Betsaal statt. Es war abends 5 Uhr, als man sich im Familienzimmer versammelte und hier den Versikel: „Der HErr segne euern Ausgang und Eingang“ anstimmte mit der Antwort: „Von nun an bis in ewige Zeiten.“ Herr Conrector sang hierauf folgende Collecte: „Allmächtiger, ewiger GOtt, der du durch deinen Sohn, den rechten Eckstein, Juden und Heiden wie Mauern aus verschiedener Richtung vereinigt, und zwei Heerden unter Einem Hirten zusammengebracht hast, gib deinen Kindern unauflösliche Liebe, daß sie durch keine Trennung der Gedanken, durch keinerlei verkehrte Manchfaltigkeit einander entfremdet werden, sie die durch Eines Hirten Regiment und Hürde zu Einer Heerde versammelt sind.“ – Die Versammlung sang alternatim den 24. Psalm, Vers 8 u. 10 aber wurde dreistimmig intoniert. Darauf folgte der Hymnus: Danksagen wir alle etc. der eine Danksagung für die im bisherigen Betsaal genoßenen Wohlthaten des Wortes und Sacramentes enthielt und in seinem 2. Theile zum Einstimmen in den Lobgesang der himmlischen Heerschaaren aufforderte. Nun bewegte sich der Zug in das neue Bethaus, deßen Chor besonders schön erleuchtet war. Der Altar war von vielen grünen Gewächsen umgeben, und auf demselben stand ein Cruzifix, das von einem Freunde der Anstalt geschenkt worden war.
     „Friede sei mit diesem Hause,“ das waren die ersten Worte, welche hier erklangen, denen die Antwort folgte: „Von unserm Eingang immerdar. Hallelujah!“ Herr Conrector sang nun folgende Collecte: O HErr, all unserem Thun komm zuvor mit deinem Geiste und begleite es mit deiner Hilfe, auf daß all unser Gebet und Arbeit allezeit mit dir beginne und durch dich zu Ende komme. Durch Christum unsern HErrn. Amen.“ Hierauf sang ein kleiner Chor dreistimmig das Invitatorium, und dann wieder die ganze Gemeinde alternatim den 19. Psalm mit vorausgehender Antiphon. Nach dem Gloria, mit dem der Psalm schloß, wurden folgende drei Lectionen von drei Diaconissen gelesen: 1. Mos. 28, 10–22. Luc. 2, 1–14. Ebr. 1, 1–14. Nach den ersten beiden Lectionen sang man die entsprechenden Responsorien und nach der dritten den Hymnus: Lobt GOtt ihr Christen etc., an welchen sich alsdann die Ansprache des Seelsorgers anschloß. In dieser wurde den Zuhörerinnen aufs neue die Lieblichkeit des demüthigen| weiblichen Dieners vorgestellt und gezeigt, wodurch man zur Dienerin Jesu wird, nämlich nicht allein durch irgend welche äußere Geschicklichkeit und Gewandtheit, sondern durch ein gottverlobtes Leben. Ein solches Leben zu fördern und zu pflegen, sei auch die Absicht, in der dies Haus gebaut worden, in welchem von nun an der HErr seinen Kindern oft begegnen und reiche Segensströme auf sie fließen laßen wird, die zu verheißen kein Wagnis sein wird, da immer, wenn sich’s um göttliche Dinge handelt, die Erfüllung weit über die Verheißung geht. Als höchstes Vorbild im Dienste Jesu wurde Maria, die Herzogin aller Dienerinnen dargestellt. Das neuerbaute Bethaus soll eine Krippe sein, in welcher der HErr seine Wohnung haben möge. In diesem Sinne sangen die Versammelten dann auch: „Ich steh an deiner Kripp hier. Nach dem darauf folgenden Gebet und Segen stimmte der Chor der Sängerinnen dann noch einige Choräle an, darauf giengen wir fröhlich in unsere Wohnung zurück.“
     Die Krippe war diesmal in einem Hause des Dorfes aufgestellt worden, um den Bewohnern von Neuendettelsau auch eine kleine Freude zu bereiten.

     Am 5. Mai des Jahres 1860 kam die lang ersehnte Erlaubniß vom königlichen Ober-Consistorium zum vollständigen Gottesdienst sammt Sacrament für das Diaconissenhaus. Am 27. Mai, dem Pfingsttag, 1860 durfte zum ersten Mal vollständiger Gottesdienst im neuen Betsaal gehalten werden, und am 28. Mai 1860 wurde zum ersten Male das h. Abendmahl gereicht. Die Chronik schreibt: Seit unser Bethaus erbaut ward, wurde der Apostel Lehre schon in reicher Fülle vorgetragen. – Die Pflege der Gemeinschaft war auch nicht unterlaßen worden. Manches Gebet ist zum Throne Gottes in demselben aufgestiegen. Aber heute widerfuhr diesem Hause Heil, denn der Herr selbst gieng zu demselben ein und hielt sein h. Mahl. Lob sei ihm in Ewigkeit!“ –

     Ob nun gleich der Betsaalbau langsamer vorwärts gieng, so kam man doch auch mit ihm zum Ziele. Derselbe Architect, der uns zum Mutterhause half, Professor Böhrer in Nürnberg, machte auch Riß und Zeichnung für den Betsaal.| Die Einrichtung dieses Saals hat das Wohlgefallen vieler Menschen auf sich gezogen, und mehr als einmal geschah es, daß Geistliche, die zu bauen hatten, ein so großes Wohlgefallen an unserm Bau aussprachen, daß man von ihnen hören konnte, wie gern sie uns nachbauen möchten. Auch wir selbst haben am Bau zumal im Anfang, großes Wohlgefallen getragen, wenn wir auch ganz willig waren, die Fehler anzuerkennen, die auch er an sich trägt. Die sämmtlichen Baukosten betrugen 10,544 Gulden und 73/4 Kreuzer, eine Summa, die selbstverständlich schwer aufzubringen war, die wir aber dennoch dermaßen überwinden konnten, daß wir ein eignes kleines Fest der Schuldenfreiheit unsres Betsaals feiern konnten. Wir hätten ihn ja gern dem Herrn zu einem Opfer gebracht und siehe, es gelang uns und wir kamen zu dem fröhlichen Gefühl, in dem Hause feiern und beten zu können, ohne daß uns ein Andenken an noch rückständige Schulden stören oder beunruhigen konnte. Der Betsaal wurde der Augenstern der Gemeinschaft. Während er seiner Vollendung entgegengieng, giengen viele von uns, wie ihr Beruf sie führte, in ferne Lande, ohne daß ihnen eine Thräne entfiel, den stillen Ort verlaßen zu müßen. Beim Weggehen waren alle nüchtern. Wenn sie aber wiederkehrten, und sich wieder sammeln konnten, dann sah man es ihnen an, daß ihnen der Betsaal süß und angenehm war. Jedermann steuerte und schenkte gern zum Betsaal und heute noch legt gar mancher irgend eine Gabe seines Wohlgefallens an seinen Stufen nieder.
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     Am 11. October des Jahres 1865 kam die neue Glocke an, die schon lange vorher erwartet worden war. Schon seit Wochen war der Glockenstuhl, eine Art Dachreiter auf dem westlichen Giebel des Gebäudes, durch den Zimmermann hergestellt worden. Die Glocke wiegt 2 Centner 65 Pfund, 15 Loth und hat 307 Gulden und 20 Kreuzer gekostet. Auf| der einen Seite sieht man das Diaconissenwappen, auf der andern die Mutter mit dem Jesuskinde und um dieselbe her die Inschrift: Et verbum caro factum est. Diese doch im Grunde kleine Glocke tönt rings durch das ganze Land und ihr starker, heller Klang ist allenthalben beliebt, Kranke und Gesunde zählen nach ihrem Geläute die Stunden und loben ihren Ton. Am 14. October 1865 schreibt die Chronik: „Heute wurde die Glocke des Betsaals feierlich eingeweiht und dem Gebrauche übergeben. Es war Nachmittags 4 Uhr, als man sich im Betsaale versammelte und sich von dem Pfarrer die ganze Ordnung der kommenden Feier erklären ließ. Namentlich wurden wir erinnert, daß da, wo im A. T. von Posaunen oder anderen Instrumenten die Rede ist, in unseren Zeiten immer des Glockenklangs Erwähnung geschieht. Nach diesen und ähnlichen Erklärungen trat die Versammlung heraus vor den Betsaal und stellte sich vor demselben im Halbkreis auf. In der Mitte des Halbkreises stand die mit Guirlanden und Blumen bekränzte Glocke auf einem Gerüste. Zum Eingang der Feier sang man den Hymnus: „Lobe den Herrn, den mächtigen König der Ehren.“ Darauf folgte eine Collecte, welche die Absicht hatte, die Glocke von dem gewöhnlichen Gebrauche abzusondern und dem Herrn darzubringen. Darauf sang man alternatim Psalm 147. Es folgten 4 Lectionen, voraus die 4. Mos. 10, 1–10., die den Posaunenbefehl des Herrn zur Versammlung, zur Pilgerfahrt und zum Kriege enthielt. Dann Jos. 6, 1–8. 15. 16. 20. vom Falle der Mauern durch die Posaunen und das Feldgeschrei Israels. Drittens 2. Chron. 5, 1–6. 1., wo die Glückseligkeit derer dargelegt wird, die im Hause Gottes versammelt sind, und an vierter Stelle die Lection Luc. 10, 38–42. zur Erinnerung, daß die Hausbewohner sich, so oft die Glocke schallt, von Martha’s Geschäften zum stillen Sitz zu Jesu Füßen wie| Maria wenden sollten. Nach jeder Lection wurde eine Collecte gesprochen, deren Inhalt sich auf die vorausgegangene Lection bezog. Nach der letzten Collecte intonirte der Chor Psalm 150 von dem göttlichen Befehl der Instrumentalmusik. Nun folgte die eigentliche Formel der Benediction mit dem Zeichen des Kreuzes über die Glocke, und während die Gemeinde den Gesang: „Nun preiset alle Gottes Barmherzigkeit“ anstimmte, wurde die Glocke in die Höhe gezogen und befestigt. Es war indeß die Zeit des Abendläutes herangekommen und nun zum ersten Male ertönte vom Betsaal herunter der Glockenton zum Gebet, unter welchem die Versammlung zum Abendgottesdienste gieng.


Garten.
     Ganz in der Nähe des Betsaals, getrennt durch einen schmalen Weg, lag ein Acker, welchen die Hausconferenz zum Anstaltsgarten erkor. Dettelsau hatte damals nur Einen Garten, den Schloßgarten, der zuweilen, namentlich in der Zeit der Blumen und des Obstes von den Bewohnerinnen des Diaconissenhauses aufgesucht wurde. Sonst hatte man keinen namhaften Garten, auch um die Anstalt und den Betsaal her war kein Garten. – Was jetzt in der Frühlings- und Sommerzeit um Haus und Betsaal her grünt und blüht und wächst, ist lauter junge Pflanzung und beweist nur, wie lieblich die Natur ihren Schmuck denjenigen darbeut, die einigen Fleiß auf sie wenden. Zu derselben Zeit aber, wo nun allmählich der Betsaal sich erhob, beschloß man, einen Gärtner anzustellen und zu Gottes Preis den rohen Fleck Erde zu einem lieblichen Garten umzuwandeln. Wirklich wurde der Garten gekauft und der Verkäufer gab ihn unter der Bedingung wohlfeiler, daß ihm der Name Helenenacker gegeben würde. Die Hand unsres erwählten Gärtners, der am 11. März 1859 bei uns eintrat,| ist eine geschickte Hand und unter ihr und der seines Nachfolgers Michael Aschenneller ist uns all die Schönheit und Wohlthat zu Theil geworden, die bis auf diese Stunde je länger je mehr rings um das Diaconissenhaus und seinen Betsaal erblüht ist und immer mehr blüht. An das östliche Ende der Gartens hat man ein Leichenhaus gebaut und dabei den Gedanken festgehalten, daß der Herr seine stille Grabesruhe auch in einem Garten gefunden hat. Das Leichenhaus haben die Schwestern aus dem Erlöse einer von ihnen gehaltenen Verloosung gebaut, und es wurde zum Eigenthum des Betsaals geschlagen, wie mehrere andere Stücken Landes, womit er dotirt wurde. Seitdem ist auf der entgegengesetzten Seite des Betsaals, nach Westen hin, wo man dem Walde zugeht, ein eigener Gottesacker für die Anstalten und ihre Todten errichtet und mit einer Mauer umsäumt worden. Bereits zahlreiche Gräber, die Aussaat unsrer Krankenhäuser, und mancherlei Monumente kann man dort finden, und auch dieser Gottesacker ist Eigenthum des Betsaals. – Gärtner und Todtengräber und unter deren Hand mancherlei Menschen haben sich bemüht und angestrengt, den Ort, wo die Diaconissen von Dettelsau wohnen und wo sie beten, zu einer angenehmen Stätte der Ruhe und des Friedens umzuwandeln. Wer im Frühjahr und ersten Sommer vom Treibhaus des Gärtners bis zum Leichenhause gewandelt ist, etwa zur Kirchenzeit, ehe es läutet, oder gar zur Zeit der Blüthen, der wird sich gewiß der schönen Gartenzier gefreut haben, der tausend und über tausend Blumen, unter denen er wandelt und des duftenden Wohlgeruchs, der ihn umgiebt. Ich bin Pfarrer in Dettelsau und habe dicht vor meiner Pforte nun bereits 32 Jahre einen Schnitz Gartenlandes, an dem ich mich in guten und bösen Tagen oft erfreute. – Aber was ist der gegen den Diaconissengarten. Gar oft bin ich durch mein| Pfarrgärtchen gegangen und habe zu meiner Seele gesagt: mir ist’s schön genug da, ich brauche nichts weiter. Wenn ich aber von da hinausgieng in den Anstaltsgarten, an dem ich nichts gebaut und nichts gerichtet habe, nie eine Blume, nie eine Beere gepflückt oder gepflanzt, da habe ich oft zu meiner Seele gesagt: „Aber du bist reich, du arme Seele, darfst in dem schönen Garten gehen, vor den duftenden Blumen stille stehen, und lauschen, wie sie sich entfalten und ihren Wohlgeruch geben, ganz abgesehen von dem übrigen materiellen Nutzen, den da die Küchendiaconissin und die Gartendiaconissin preisen! Dir gehört von all der Herrlichkeit nichts, und doch hast du Alles gerade so gut, als wäre es dein.“ Gerade so reich könntest aber auch du sein, lieber Leser und Leserin, denn es wehrt auch dir kein Mensch dasselbe zu nehmen, was ich nehme, die süße Gartenfreude und die Wohlthat des werdenden Parks und was damit zusammenhängt. Du und deine Kinder können an all dem Diaconissenwesen, Betsaal und Garten, Bildungsmittel haben, mildere Sitten gewinnen, für’s Schöne und Gute erwarmen. Denn es ist Alles für dich. – Da fällt mir noch etwas ein! Wie vorigen Frühling die Blumen herzlich schön blühten, da stand ich an einem stillen Morgen bei den blühenden Sträuchern und Blumen unter der Glocke dicht am Betsaal und wünschte, daß die jungen Leute alle, die vorübergiengen, in die blühenden Blumenkelche sehen und sich ihrer freuen möchten. Da kam die Metzgersmagd daher und riß mit rohen Fäusten zu gar keinem Nutzen die schönen Blumenkelche ab, nur damit sie etwas wegzuwerfen hätte. Hat die nicht Schläge verdient für ihre Rohheit, und daß sie der Einladung und dem Geiste, der aus den Blumen an sie hinredete, sich widersetzte wie sie that? Der haben alle meine Blumen umsonst geblüht.


« Beilage III. Lieder und Lectionen zur Eröffnungsfeierlichkeit des Diaconissenhauses zu Neuendettelsau Wilhelm Löhe
Etwas aus der Geschichte des Diaconissenhauses Neuendettelsau
§. 4. Das Diaconissenhaus als Schule »
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