CCCLXII. Die Burg Hildgardsberg in Bayern Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Achter Band (1841) von Joseph Meyer
CCCLXIII. Eskilstuna in Schweden
CCCLXIV. Taganrog
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ESKILSTUNA
in Schweden

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CCCLXIII. Eskilstuna in Schweden.




Weise vertheilte der Schöpfer die Gaben der Natur über den Erdkreis. Während in den südlichen Ländern hauptsächlich die Fruchtbarkeit des Bodens es ist, was die Menschen nährt und ihnen die Quellen des Wohlstandes öffnet, haben solche in vielen nördlichen Gegenden einen tiefern Ursprung. Die in den Schoos der Erde gelegten Schätze müssen dort für die Kargheit des Bodens entschädigen. Schweden z. B., das würde einen großen Theil seiner Bevölkerung nicht ernähren können und viele Landstriche des Reichs wurden gar nicht bewohnt sein, ohne seine Bergwerke, und die Gewerbe, welche theils unmittelbar durch diese bedingt sind, theils ihre Hauptnahrungsquellen aus ihnen schöpfen.

In Schweden rechnet man etwa 30,000 Arbeiter, welche unter der Erde mit der Gewinnung der Metalle beschäftigt sind. Ueber 180,000 beschäftigt die Aufbereitung und Verschmelzung der Erze und ihrer Produkte weitere Verarbeitung. Nicht Gold, nicht Silber machen den Bergsegen des Landes aus: – das nützlichste aller Metalle gibt ihn, und das schwedische Eisen hat sich den Ruf, das beste in der Welt zu seyn, seit 800 Jahren erhalten. Die größten Eisenminen sind in Wärmeland, Upland, Ostergothland und Südermanland anzutreffen.

In diesen Provinzen ist auch der Sitz der großartigen und vielfältigen Anstalten, welche den Ertrag der Minen zur Waare, zu Gegenständen des Nutzens, der Bequemlichkeit, des Luxus verarbeiten. Die ungeheueren Wälder, welche jene Landschaften bedecken, befördern die metallurgischen Gewerbe.

Alle Distrikte, wo diese ihre Hauptniederlassungen haben, zeichnen sich vortheilhaft vor jenen aus, welche auf die Erzeugnisse des Ackerbaues allein hingewiesen sind. Wenn man das ebene, kornreiche Schonen und die Striche der Südküste ausnimmt, so wird man in den keine Berg-Hüttengewerbe besitzenden Landschaften im Allgemeinen nur Armuth treffen. Man sieht statt Dörfer meist nur einzelne Hütten, oder 2 bis 3 beisammen. Die Flächen sind kulturunfähig und hoch mit Steinen überdeckt, auf welchen nur Moos keimen, kein Halm sprossen kann. Die Wälder allein lassen etwas Ackerbau zu. Noch heutigen Tages brennt dort der Bauer [101] Holzungen nieder, damit die Asche eine anbaulohnende Krume bilde, worauf er den wenigen Hafer bauet, der ihm und den Seinigen das Brod gibt. Die Bauernhäuser sind Blochhäuser, ihre Wände von Baumstämmen – Bloch auf Bloch auf einander gelegt; die Fugen füllt Moos, und das Dach ist von Brettern. Ein Raum ist das Innere: Küche, Schlafgemach und Vorrathskammer zugleich. Vom Giebelbalken hängt der Wintervorrath an einem Stricke herab, 50–100 „Knätebrode“ meistens aus Hafer, von den Aermsten mit einem Zusatze von Baumrinde gebacken und so hart, daß man sie mit einem Hammer zerschlagen und vor dem Genuß im Wasser erweichen muß. Die Ziege ist gewöhnlich das einzige Hausthier. Brennende Kienspäne vertreten Kerzen- und Lampenlicht. Die Kleidung der Landleute ist aus den gröbsten Stoffen. Geld ist bei ihnen fast gar nicht in Umlauf.

So wie man in einen Berg- oder Hammerwerks-Distrikt tritt, ändert sich die Scene. – Um die Schmelzöfen, die Walzwerke, die Waffenfabriken haben sich wohlgebaute Dorfer gebildet. Man sieht stattliche Kirchen, hübsche Pfarrhäuser, gut gebahnte und mit Frachtfuhrleuten belebte Wege, kurz die Zeichen eines bessern Zustandes. Alles athmet Thätigkeit, und ein bescheidener Grad von Wohlhabenheit ist ein allgemeines Gut.

Unser Bild führt uns inmitten dieser blühenden Gegend zu einem Hauptsitze der metallurgischen Gewerbe Schwedens. In dem etwa 120 Quadratmeilen großen Landstrich, zwischen Gefle und Norköping, Westeräs und Carlstadt ist der größte Theil der Eisengewerbe des Reichs vereinigt. Ein Centralpunkt ist Eskilstuna. Es liegt zwischen Orebro und Stockholm, 10 Meilen von der Hauptstadt, in der Mitte der schönsten Landschaft, in der Nähe des reizenden Mälars, umgeben von kleinen Seen und den Flüssen, die sie zusammenhängen. Letztere umschließen größere oder kleinere Flecken theils angebauten, theils bewaldeten Landes, welche durch Brücken und Stege verbunden sind.

Der ganze Ort, der an 2000 Einwohner zählt, ist von Hütten- und Fabrikarbeitern bewohnt, welche in der königlichen Stahlmanufaktur (die den besten Stahl des Landes liefert) und in den Fabriken für alle Arten von Waffen, Schlossererzeugnissen, Messern etc. etc. ihr Brod finden. Es ist ein kleines Sheffield, und wenn man auch den Maßstab des brittischen nicht anlegen darf, so liegen hingegen die Contraste hier näher, an welchen man den wohlthätigen Einfluß erkennen kann, welchen Berg- und Hüttengewerke auf ein von Natur sonst karg begabtes Land und auf seine Bevölkerung üben.