Ernst Geßner in Aue, Maschinenfabrik und Eisengießerei

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Titel: Ernst Geßner in Aue, Maschinenfabrik und Eisengießerei
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aus: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild. Erster Theil, in: Die Groß-Industrie des Königreichs Sachsen in Wort und Bild.
Herausgeber: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Eckert & Pflug, Kunstverlag
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons und SLUB Dresden
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Ernst Geßner in Aue,
Maschinenfabrik und Eisengießerei.


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Ernst Geßner in Aue,
Maschinenfabrik und Eisengießerei.

Die genannte Fabrik giebt ein erfreuliches Bild echt erzgebirgischer Ausdauer, Strebsamkeit und Arbeit; hervorgegangen aus den epochemachenden Erfindungen ihres Begründers bezeugt sie die Schaffenskraft des menschlichen Geistes, wenn derselbe sich den fruchtbringenden Ideen der Industrie mit Ernst und Hingabe widmet.

Ernst Geßner’s Etablissement, im Jahre 1850 begründet, war die erste Maschinenfabrik im „Auer Thale.“ Dieselbe hat seit der Zeit ihres Bestehens eine große Anzahl intelligenter Zöglinge herangebildet, die nicht nur in Aue, sondern über das engere und weitere Vaterland verstreut spätere Wirksamkeit gefunden; sie hat aus der fleißigen Bevölkerung heraus einen strebsamen und geschulten Arbeiterstamm aufgezogen und darf somit als Ursprung und Pflanzstätte für die hochentwickelte und in schönster Blüte stehende Maschinen-Industrie des Auer Thales bezeichnet werden.

Ernst Geßner, als einziger Sohn einer braven Tuchmacherfamilie in Lößnitz geboren, besuchte die dortige Bürgerschule und erlernte darauf, obwohl sein Sinn von Jugend an auf Mechanik und Technik gerichtet war, auf Wunsch seiner Eltern das väterliche Gewerbe. Er ging zu seiner Ausbildung als Tuchmacher in die Fremde, war u. A. in Crimmitschau, Großenhain und Brünn thätig und empfing daselbst vielfache Anregungen und bleibende Eindrücke, welche ihn, kaum nach Hause zurückgekehrt, veranlaßten, seinem ersten segensreichen Gedanken Leben und Gestalt zu geben, indem er in seiner Vaterstadt Lößnitz, welche bis dahin nur billige melierte Tuche geliefert hatte, die Fabrikation von Buckskinstoffen und zwar in doppelbreiter Ware einführte. Diese Stoffe waren bislang nur in 4/4 Breite erzeugt worden und werden heutzutage überall in Doppelbreite fabriziert.

Der Wunsch, dieser Fabrikation eine größere Ausdehnung zu geben, veranlaßte Ernst Geßner in der politisch aufgeregten Zeit von 1848/49, im festen Vertrauen auf baldige Wiederkehr geordneter Zustände, ein großes, am Muldenflusse belegenes Fabrikgrundstück in Aue käuflich zu erwerben und dorthin, nach der Stätte seines jetzigen Wirkens, überzusiedeln.

Die Schwierigkeiten, welche ihm das Anlernen neuer und in der Tuchmacherbranche unerfahrener Arbeiter bereitete, sowie die in damaliger Zeit noch unvollkommenen Hilfsmaschinen weckten in Ernst Geßner das dringende Verlangen nach besseren maschinellen Einrichtungen. Seine nie vernachlässigte Neigung für Mechanik in Verbindung mit der genauen Kenntnis der von der Tuchbranche gestellten Anforderungen gaben ihm den Gedanken zu seiner „Doppel-Rauhmaschine“, eine Erfindung, die für die ganze Textil-Industrie hochbedeutsam ist.

Diese Maschine, welche 1854 in Sachsen und in vielen andern Ländern patentiert und nicht nur auf dem Kontinent, sondern auch in England und Amerika gebaut wurde, führte sich ungemein schnell ein und ist noch heute als Geßner’s Doppel-Rauhmaschine mit vierfachem Anstrich der Ware, mechanischer Breithaltung und endlosem Tuchgang überall bekannt und hochgeschätzt; hat sie doch circa 75% der sonst für den Rauhprozeß erforderlichen Hände entbehrlich gemacht, indem sie den Arbeitern die geisttötende Handarbeit des fortwährenden Breithaltens der Ware erspart.

Da Geßner’s Fabrik, wie bereits erwähnt, nur auf Buckskin-Fabrikation berechnet war, so mußte der Bau der Rauhmaschine solange an verschiedene andere Maschinenfabriken vergeben werden, bis das Etablissement für Maschinenfabrikation eingerichtet war.

In den Jahren 1857–61 erhielt der unablässig nach Verbesserungen strebende Geßner zwei weitere sächsische Patente auf seine „endlose Band- und Pelzbildung an der Reißkrempel“ und seinen „Florteiler für die Vorspinnkrempel“, Erfindungen, die seit den 28 Jahren ihres Bekanntseins ihren Weg durch die ganze Welt und im Verein mit der Rauhmaschine den Namen „Geßner“ zu einem populären für die ganze Textil-Industrie gemacht haben!

[Ξ] Welche Bedeutung namentlich der Florteiler für die Spinnerei hat, darüber urteilt der bekannte Sachverständige Dr. Grothe in seiner 1876 erschienenen „Streichgarn-Spinnerei“ Seite 356 wörtlich folgendermaßen:

„Der Florteiler ist eine der bedeutendsten Erfindungen der Neuzeit auf dem Spinnereigebiete, von absoluter Neuheit und Originalität!
„Jeder Spinner müßte den Hut abziehen vor dem geistreichen Manne, der diese Kombination ersonnen …“

Daß 7 Jahre später Celestin Martin in Verviers sich diese eigentste Erfindung Geßner’s, den ''Florteiler patentieren ließ, und daß diese „Patente“ in England und Frankreich zu hohen Preisen verkauft wurden, schmälert Geßner’s Ruhm nicht, es ist nur ein weiterer Beweis für den großen und praktischen Wert seiner Erfindung.

Leider blieben Ernst Geßner neben diesen hohen Erfolgen auf geistigem Gebiete schwere Schicksalsschläge und materielle Verluste nicht erspart, welche ihn verhinderten, den Nutzen aus den fraglichen Erfindungen zu ziehen, der ihm unter normalen Verhältnissen nicht entgangen sein würde.

Die im Jahre 1858 eintretende Hochflut des Muldenflusses, die noch heute nach mehr als 30 Jahren im Erzgebirge unvergessen ist, verwüstete auch das Geßner’sche Fabrikgrundstück in Aue, zerstörte das dazu gehörige Muldenwehr und verursachte neben großen pekuniären Verlusten auch langen Stillstand des Fabrikbetriebes.

Die ferner gegen Ende der 50er Jahre auftretende allgemeine Geschäfts-Krisis brachte ein Sinken des Preises aller Materialien und Werte, und das deutsche Geschäft lag vollständig darnieder.

Um nun seine Erfindungen einzuführen und seine Arbeiter zu beschäftigen, ließ Geßner Maschinen nach Rußland fabrizieren, woselbst er in gutem Renommee stand und daher sichere Aussicht hatte, dieselben dort verkaufen zu können. Die von Amerika kommende und sich immer weiter verbreitende Krisis trat dann aber auch in Rußland auf und machte die Maschinen daselbst ebenfalls unverkäuflich.

Eine nach England und Frankreich unternommene persönliche Reise behufs Verkaufs seiner Patente hatte nicht den gewünschten Erfolg, und inzwischen waren ihm auch daheim durch Vertrauensmißbrauch seitens seines Bevollmächtigten arge Verlegenheiten bereitet, die erst nach mancherlei Anstrengungen beseitigt werden konnten.

Wie Ernst Geßner fernerweit thätig war und auf allen Gebieten seiner Branche bahnbrechend und reformatorisch vorging, davon zeugen seine weiteren Erfindungen, deren charakteristische Bestandteile für die vielen Nachbildungen derselben typisch geworden sind.

Wir nennen hier weiter den Legtisch, den Bandlegeapparat, den Speiseapparat für die Reißkrempel, die Erzeugung plattierter Garne, die Walzenpresse mit 2 und mehr Mulden, die neuere Rauhmaschine, seine verbesserten Walken, den Spannrahmen und andere Apparate und Verbesserungen an bestehenden Maschinen, die, wenn nötig, in einer unabhängig von der Maschinenfabrik eingerichteten Versuchsstation praktisch erprobt werden.

An statistischen Angaben ist anzuführen, daß 3 Wasserräder, 1 Turbine und 4 Dampfmaschinen den Betrieb von ca. 230 thätigen Hilfsmaschinen, von denen die Mehrzahl für spezielle Zwecke auf das Sinnreichste konstruiert ist, besorgen. Das Etablissement beschäftigt zur Zeit ca. 300 Arbeiter und 20 Beamte, unter denen 6 Monteure, wobei zu erwähnen ist, daß der Bau der in Amerika zum Verkauf kommenden Maschinen der Frachtersparnis etc. halber auf amerikanischem Boden erfolgt.

Welch’ eine Unsumme geistiger Arbeit sich in den Erfindungen verkörpert, welche Mühen und Freuden, aber auch welche Enttäuschungen dabei zu verzeichnen sind, darüber wollen wir kein Wort weiter verlieren. Wir wollen nur noch erwähnen, daß Ernst Geßner, der im 62sten Lebensjahre steht, auch heute noch mit ungeschwächter Kraft an weiteren Erfindungen arbeitet, getreu seinen Prinzipien:

„durch einfachere, vollkommenere, verbesserte Maschinen die Qualität des Fabrikates zu verbessern, die Produktion zu erhöhen und die Herstellungskosten zu verringern;“

und diese Grundsätze werden auch ferner dem Etablissement einen der ersten Plätze unter den Maschinenfabriken für Textil-Industrie sichern!